Auf der anderen Seite

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Originaltitel: Auf der anderen Seite – Regie: Fatih Akin – Drehbuch: Fatih Akin – Kamera: Rainer Klausmann – Schnitt: Andrew Bird – Musik: Shantel – Darsteller: Baki Davrak, Hanna Schygulla, Tuncel Kurtiz, Nurgül Yesilçay, Patrycia Ziolkowska, Nursel Köse, Lars Rudolph, Andreas Thiel u.a. – 2007; 120 Minuten

Inhaltsangabe

Nachdem Ali Aksu in Hamburg die türkische Prostituierte Yeter Öztürk im Streit getötet hat, sagt sich sein Sohn Nejat von ihm los. Nejat gibt seine Karriere als Germanistikprofessor in Bremen auf und sucht in Istanbul nach Yeters Tochter Ayten, um die Finanzierung ihres Studiums zu übernehmen. Er ahnt nicht, dass Ayten in Bremen nach ihrer Mutter suchte, inzwischen abgeschoben wurde und nun wegen ihrer politischen Betätigung im Gefängnis auf ihren Prozess wartet ...
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Kritik

Bei der bedächtig erzählten Geschichte handelt es sich um ein vielschichtiges Geflecht sich gegenseitig spiegelnder Beziehungen von sechs Charakteren: "Auf der anderen Seite".

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Yeters Tod

Ali Aksu (Tuncel Kurtiz), ein älterer türkischer Witwer, lebt einsam in Hamburg. Als er die türkische Prostituierte Yeter Öztürk (Nursel Köse) kennen lernt, schlägt er ihr vor, zu ihm zu ziehen. Wenn sie ihm Gesellschaft leiste und mit ihm schlafe, werde er ihr den Verdienstausfall ersetzen: 3000 Euro monatlich. Yeter, die gerade von zwei Türken bedroht wurde, die ihr vorhielten, dass ihre Tätigkeit weder mit dem Islam noch mit dem Türkentum vereinbar sei, nimmt das Angebot an. Als Ali betrunken ist und behauptet, er habe Yeter gekauft und deshalb ein Anrecht auf Sex, wann immer er wolle, packt sie ihre Sachen. Es kommt zum Streit und zu einem Gerangel, bei dem Yeter mit dem Genick gegen eine Sofalehne prallt und auf der Stelle tot ist.

Yeters Angehörige lassen die Leiche in die Türkei überführen, um sie dort bestatten zu können.

Während Ali festgenommen und zu einer Haftstrafe verurteilt wird, reist sein Sohn Nejat (Baki Davrak), der als Germanistikprofessor an der Universität in Bremen lehrt, nach Istanbul, um nach Yeters sechsundzwanzigjähriger Tochter Ayten zu suchen. Yeter erzählte ihm nämlich, dass sie das Studium ihrer Tochter finanzierte, wobei sie Ayten allerdings vorgemacht hatte, als Verkäuferin in einem Schuhgeschäft zu arbeiten. Nejat beabsichtigt, Aytens Studium nun anstelle von Yeter weiter zu bezahlen.

Es gelingt ihm zwar nicht, Ayten zu finden, aber er bleibt in Istanbul, gibt seine akademische Karriere auf und übernimmt die Buchhandlung eines Deutschen (Lars Rudolph), der in seine Heimat zurück möchte.

Lottes Tod

Die türkische Soziologiestudentin Ayten Öztürk (Nurgül Yesilçay) gehört zu einer verbotenen Gruppe linker Politaktivisten. Nach einer Demonstration wird sie von Geheimpolizisten verfolgt und verliert dabei ihr Handy. Sie entkommt zwar auf ein Hausdach, wo sie ihre Pistole verstecken kann, aber ihre Mitverschwörerinnen, deren Nummern in ihrem Handy gespeichert sind, werden verhaftet.

Mit einem gefälschten Pass setzt Ayten sich nach Deutschland ab und sucht in Bremer Schuhgeschäften nach ihrer Mutter.

Vor der Mensa bettelt sie um 3 Euro, um sich ein Essen kaufen zu können. Dabei lernt sie die Studentin Charlotte („Lotte“) Staub (Patrycia Ziolkowska) kennen, die gerade von einem dreimonatigen Indien-Aufenthalt zurückgekommen ist. Lotte bringt die mittellose und illegal nach Deutschland eingereiste Türkin mit in das Haus, in dem sie mit ihrer Mutter Susanne (Hanna Schygulla) lebt und stellt ihr ein Zimmer zur Verfügung. Die beiden jungen Frauen verlieben sich und beginnen miteinander eine Affäre.

Als sie nach einem Diskothekenbesuch in eine Polizeikontrolle geraten, versucht Ayten davonzulaufen, aber sie wird festgenommen und ein Jahr später in die Türkei abgeschoben.

Susanne Staub kann ihre Tochter nicht davon abhalten, der Freundin nachzureisen, die in einem türkischen Gefängnis auf ihren Prozess wartet. In Istanbul sucht Lotte sich ein Zimmer – und wird Untermieterin von Nejat Aksu. Weder ahnt Nejat, dass Lotte Yeters Tochter kennt, noch ahnt Lotte, dass Nejat nach Ayten sucht.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Bei einem Besuch in der Haftanstalt bittet Ayten ihre Freundin, die auf einem Hausdach versteckte Pistole an sich zu nehmen; ein Mitglied ihrer politischen Gruppe werde sie bei ihr abholen. An der angegebenen Stelle findet Lotte die Waffe und steckt sie in ihre Handtasche. Die wird ihr jedoch auf der Straße von drei Kindern weggerissen. Lotte rennt ihnen nach. Die Diebe halten die Pistole für ein Spielzeug. Als Lotte sie auf einem Abrissgrundstück erwischt, legt einer von ihnen auf sie an und drückt ab. Sie ist sofort tot.

Ihre Leiche wird nach Deutschland überführt.

Auf der anderen Seite

In der Hoffnung, ihrer Tochter wenigstens nach dem Tod näher zu kommen, fliegt Susanne Staub nach Istanbul – zufällig in derselben Maschine wie Ali Aksu, der nach der Verbüßung seiner Haftstrafe abgeschoben wurde.

Vom deutschen Konsulat erfährt Susanne, wo Lotte wohnte, und sie bittet Nejat Aksu, ihr das Zimmer zu vermieten. Dort liest sie das von ihrer Tochter hinterlassene Tagebuch und begreift, dass Lotte ihr viel ähnlicher war, als sie wahrhaben wollte.

Aufgewühlt besucht sie Ayten im Gefängnis. Die junge Türkin bereut zutiefst, dass sie an Lottes Tod mitschuldig ist, aber Susanne ist nicht gekommen, um ihr Vorwürfe zu machen, sondern um Lottes Vorhaben in die Tat umzusetzen und Ayten zu helfen. Mit einem guten Anwalt erreicht sie, dass Ayten freigelassen wird und nimmt sie mit in ihr Zimmer.

Währenddessen wird Nejat bewusst, dass er seinen Vater trotz allem nach wie vor liebt. Er bittet Susanne, für ein paar Tage auf die Buchhandlung aufzupassen und fährt nach Trabzon. Ali ist gerade mit einem Boot zum Fischen hinausgefahren. Sein Sohn setzt sich an den Strand und wartet auf ihn.

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„Auf der anderen Seite“ („The Edge of Heaven“) ist nach „Gegen die Wand“ der zweite Teil der Filmtrilogie „Liebe, Tod und Teufel“ von Fatih Akin. Die bedächtig erzählte Geschichte, in der die Schicksale von sechs Menschen verflochten sind, spielt in Deutschland und in der Türkei, und die Figuren sprechen abwechselnd deutsch, türkisch und englisch. (Die türkisch- bzw. englischsprachigen Passagen sind deutsch untertitelt.) Faith Akin erzählt in „Auf der anderen Seite“ von einer Vater-Sohn- und zwei Mutter-Tochter-Beziehungen, von einer Mutter, die ihrer Tochter erst nach deren Tod näher kommt und einem Sohn, der sich von seinem Vater lossagt, aber am Ende doch auf ihn wartet. Es handelt sich um ein vielschichtiges Geflecht von sich gegenseitig spiegelnden Beziehungen, die sich verändern, wenn einzelne der Beteiligten auf die andere Seite finden.

„Auf der anderen Seite“ ist ein trauriger, berührender Film, voll leiser Traurigkeit und von konzentrierter Ruhe […] alles ist Gegensatz, Gegenüberstellung, Seitenwechsel in dieser Geschichte. (Susan Vahabzadeh, Süddeutsche Zeitung, 26. September 2007)

Obwohl das Drehbuch von Fatih Akin bereits vor der Premiere gelobt wurde, ließ er den Film kurz vor dem Festival in Cannes von Andrew Bird neu schneiden, weil ihm die Erstfassung zu verwirrend erschien. In der endgültigen Version ist der Film in drei Kapitel gegliedert: „Yeters Tod“, „Lottes Tod“, „Auf der anderen Seite“. Zweimal wiederholt Fatih Akin eine Szene und verdeutlicht auf diese Weise die zeitlichen Zusammenhänge (etwa, wenn Ayten in Nejats Vorlesung sitzt und schläft). Den gleichen Zweck hat es, wenn wir in einem Bild sehen, wie Nejat und Yeter nach Alis Herzinfarkt mit der Straßenbahn vom Krankenhaus nach Hause fahren und zur gleichen Zeit Lotte und Ayten mit dem Auto auf der Suche nach Yeter unterwegs sind.

Bei dem Buch, das Nejat seinem Vater Ali schenkt, handelt es sich um eine türkische Ausgabe des Romans „Die Tochter des Schmieds“ von Selim Özdogan.

Fatih Akin hat den Film „Auf der anderen Seite“ Andreas Thiel gewidmet, einem während der Dreharbeiten gestorbenen Teilhaber der Produktionsgesellschaft „Corazon International“, der in dem Film die Rolle eines Konsulatsangestellten spielte.

„Auf der anderen Seite“ wurde als deutscher Beitrag in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ für die „Oscar“-Verleihung 2008 vorgeschlagen.

Nachtrag: Den dritten Teil der Trilogie „Liebe,Tod und Teufel“ dreht Fatih Akin 2014: „The Cut“.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2007 / 2015

Fatih Akin: Kurz und schmerzlos
Fatih Akin: Im Juli
Fatih Akin: Solino
Fatih Akin: Gegen die Wand
Fatih Akin: Crossing the Bridge. The Sound of Istanbul
Fatih Akin: The Cut
Fatih Akin: Tschick

Thomas Mann - Buddenbrooks
"Man merkt, dass man nicht gerecht werden kann gegenüber einem Buch, das einen solchen Reichtum an Motiven, solch eine Vielzahl von Aspekten birgt." (Siegfried Lenz über "Buddenbrooks")
Buddenbrooks