Albert Speer


Albert Speer wurde am 19. März 1905 als Sohn eines erfolgreichen Architekten in Mannheim geboren und studierte nach dem Abitur von 1923 bis 1927 in Karlsruhe, München und Berlin auf Anraten seines Vater statt Mathematik Architektur. Nach dem Diplom blieb er noch einige Jahre als Assistent von Prof. Heinrich Tessenow (1876 – 1950) an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg. Beeindruckt von einer Rede, die Adolf Hitler am 4. Dezember 1930 im überfüllten Festsaal auf der Hasenheide im Berliner Bezirk Neukölln gehalten hatte, trat Albert Speer am 1. März 1931 der NSDAP bei (Mitgliedsnummer: 474481). Ein Jahr später ließ er sich als selbstständiger Architekt in Mannheim nieder.

Im Auftrag der Berliner Gauleitung baute Albert Speer 1932 eine neu erworbene Villa in der Voßstraße zum Gauhaus um.

Ich arbeitete Tag und Nacht mit größter Eile, da die Gauorganisation auf schnellste Fertigstellung drängte. Goebbels sah ich selten […] Abgehetzt und völlig heiser ließ er sich einige Male, ohne viel Interesse zu haben, die Räume zeigen […]
Einige Tage nach der Einweihung besichtigte auch Hitler das nach ihm benannte Gauhaus. Ich hörte, dass der Umbau seinen Beifall fand, was mich mit Stolz erfüllte […] (Albert Speer: Erinnerungen. Seite 38)

Für den Umbau bekam Speer zwar kein Honorar, aber es zeigte sich bald, wie wichtig der Kontakt zur Parteiführung für ihn war. Adolf Hitler wurde am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt. Joseph Goebbels erhielt zunächst kein Ministeramt, sondern blieb Berliner Gauleiter und Reichspropagandaleiter der NSDAP. Erst nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933 setzte Hitler seine Ernennung zum „Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda“ durch. Als Alfred Hugenberg am 2. Mai 1933 als Reichsernährungs- und am 27. Juni auch als -wirtschaftsminister zurücktrat, nützte Joseph Goebbels die Gelegenheit, um mit Hitlers Unterstützung das Amtspalais des Reichsernährungsministers in der Friedrich-Ebert-Straße (ab August 1933: Hermann-Göring-Straße) als repräsentative Dienstwohnung zu bekommen. Als Amtssitz wählte er das 1737 errichtete und hundert Jahre später von Karl Friedrich Schinkel umgebaute Leopold-Palais am Wilhelmplatz. Mit der Umgestaltung betraute er Albert Speer. Am Ende hielt Goebbels zwar die Möblierung für zu bescheiden, aber er war von Speers effizienter Arbeit beeindruckt. Für die Dekoration lieh Albert Speer Gemälde aus der Berliner Nationalgalerie aus, darunter einige Aquarelle von Emil Nolde, die Joseph und Magda Goebbels gefielen – bis Adolf Hitler zu Besuch kam. Danach rief der Minister seinen Architekten an: „Die Bilder müssen augenblicklich weg, sie sind einfach unmöglich!“

Das ehemalige Palais des preußischen Handelsministers hinter dem Leipziger Platz baute Albert Speer im Winter 1933/34 für Hermann Göring um.

Von Goebbels zum „Amtsleiter für die künstlerische Gestaltung der Großkundgebungen“ ernannt, flog der Achtundzwanzigjährige im Juli 1933 nach Nürnberg und erarbeitete einen Entwurf für den Neubau der Reichsparteitags-Kulissen, den er sich in München von Hitler persönlich absegnen ließ. Im Frühjahr 1934 erhielt Speer den Auftrag, die Holztribünen durch ein 390 Meter langes und 24 Meter hohes Steingebäude zu ersetzen. „Es muss hier im gewaltigsten Ausmaß ein Dokument stilbildender Art geschaffen werden“, verlangte Hitler. Speers Idee war es dann später auch, bei Einbruch der Dunkelheit in der neuen gewaltigen Anlage 130 Flakscheinwerfer aufflammen zu lassen, die mit ihren senkrechten, 7 Kilometer hohen Strahlen einen gigantischen „Lichtdom“ formten. Vor dieser gigantischen Kulisse marschierten 200 000 uniformierte Parteimitglieder in schnurgerade ausgerichteten Kolonnen auf: Menschenformationen als Ergänzung zur monumentalen Architektur – Statisten und Betroffene der liturgischen Veranstaltungen zugleich.

Hitler war so von Albert Speers Talent beeindruckt, dass er ihn zum Nachfolger seines am 21. Januar 1934 verstorbenen Architekten Paul Ludwig Troost (1878 – 1934) machte. Gegenüber Speers Frau Margret schwärmte er:

„Ihr Mann wird für mich Bauten errichten, wie sie seit vier Jahrtausenden nicht mehr entstanden sind.“ (Albert Speer: Erinnerungen, Seite 71) Troosts Witwe Gerdy soll einmal zu Hitler gesagt haben: „Wenn Sie meinen Mann beauftragt hätten, ein 100 Meter langes Gebäude zu entwerfen, wäre er nach gründlicher Planung zu dem Schluss gekommen, das Gebäude könne aus statischen und ästhetischen Gründen nur 96 Meter lang gebaut werden; Speer aber schlüge unverzüglich ein 200 Meter langes Gebäude vor.“ Später gestand Albert Speer: „Für einen großen Bau hätte ich wie Faust meine Seele verkauft. Nun hatte ich meinen Mephisto gefunden.“ (Albert Speer: Erinnerungen, Seite 44)

Bewusst konzipierte Albert Speer seine kolossalen Bauten so, dass sie spätere Generationen noch als zerfallende Ruinen beeindruckt hätten („Theorie vom Ruinenwert“).

Modern konstruierte Bauwerke […] waren zweifellos wenig geeignet, die von Hitler verlangte „Traditionsbrücke“ zu künftigen Generationen zu bilden: undenkbar, dass rostende Trümmerhaufen jene heroischen Inspirationen vermittelten, die Hitler an den Monumenten der Vergangenheit bewunderte. Diesem Dilemma sollte meine „Theorie“ entgegenwirken: Die Verwendung besonderer Materialien sowie die Berücksichtigung besonderer statischer Überlegungen sollte Bauten ermöglichen, die im Verfallszustand, nach Hunderten oder (so rechneten wir) Tausenden von Jahren etwa den römischen Vorbildern gleichen würden. (Albert Speer: Erinnerungen, Seite 69)

Sebastian Haffner bezeichnete Speers „steinerne Denkmäler“ jedoch als „Ausdruck überkompensierter Minderwertigkeitskomplexe“.

Hitler ließ alles liegen und stehen, wenn Speer ihm einen Plan oder ein Modell zeigte. Er wäre ja selbst gern Architekt geworden und hielt sich auch so für einen Fachmann auf diesem Gebiet. Reinhard Spitzy, der Verbindungsreferent Joachim von Ribbentrops, erinnerte sich später:

Er [Speer] genoss das Wohlwollen des Führers im allerhöchsten Maß. Wenn er da war, hatte er schließlich und endlich das Sagen. Hitler war begeistert, als ob eine Geliebte käme und ihn besuchte […] Es war ein Genuss zu sehen, wie die beiden kongenial waren bei der Arbeit. Aber für uns Sekretäre war es natürlich eine Katastrophe, denn wir blieben dann mit unseren Akten zwei oder drei Tage sitzen.

Albert Speer richtete sich in einem Jagdhaus im Ostertal ein, aber Hitler forderte ihn auf, mit seiner Familie ins Bechstein-Haus auf dem Obersalzberg umzuziehen. Am Mai 1937 wurden die Speers dort Nachbarn von Hitler, Göring und Bormann.

Wenn Hitler Freunde gehabt hätte, dann wäre ich bestimmt einer seiner engen Freunde gewesen. (Albert Speer: Erinnerungen, Seite 517)

Hitler ernannte Albert Speer am 30. Januar 1937 zum Generalbauinspekteur für die Neugestaltung der Reichshauptstadt Berlin und anderer deutscher Städte. Auf der Weltausstellung 1937 in Paris wurde der Architekt mit einer Goldmedaille für den Deutschen Pavillon und einem „Grand Prix“ für seinen Entwurf des Parteitagsgeländes in Nürnberg ausgezeichnet.

In Nürnberg wollte Speer eine 2 Kilometer lange und 80 Meter breite Paradestraße zum Parteitagsgelände auf dem Zeppelinfeld anlegen und ein 1050 Meter langes und 700 Meter breites, von steinernen Tribünen und 24,4 Meter hohen Türmen eingerahmtes „Märzfeld“ errichten. Am 9. September 1937 legte Hitler den Grundstein für ein monströses Stadion, das doppelt so groß wie der Circus Maximus in Rom werden und Platz für 400 000 Menschen bieten sollte. Der Krieg zwang Hitler und Speer dann dazu, die Arbeiten an der größten Baustelle des Deutschen Reiches einzustellen.

Adolf Hitler verlieh Albert Speer das Goldene Parteiabzeichen der NSDAP und beauftragte ihn, Berlin bis 1950 zur „Welthauptstadt Germania“ auszubauen. Vorbild war Paris. Nur größer musste alles werden. Der Arc de Triomphe ist 54 Meter hoch; das in Berlin geplante „Denkmal für die Gefallenen des Weltkriegs“ sollte 117 Meter hoch werden. Die am Arc de Triomphe beginnenden Champs Elysées sind 100 Meter breit und 2 Kilometer lang; die neue Prachtstraße auf der Nord-Süd-Achse in Berlin sollte 120 Meter breit und 5 Kilometer lang werden und zu einer „Großen Volkshalle“ für 150 000 Menschen mit einer 250 Meter weiten Steinkuppel führen. „Gebauten Nationalsozialismus“ verlangte Hitler. „Der Führer denkt groß und kühn“, schwärmte Joseph Goebbels, der als Gauleiter für Berlin verantwortlich war. Nach dem Vorbild von Georges Eugène Baron Haussmann, der in Paris Häuserblocks und ganze Straßenviertel planieren ließ, um 1853 bis 1870 breite Boulevards anlegen zu können, wollte Albert Speer auch in Berlin Platz schaffen und 52 000 Wohnungen abreißen. Um den Betroffenen Ersatz bieten zu können, registrierte seine Behörde ab Anfang 1939 „Judenwohnungen“, die geräumt werden sollten.

Am 11. Januar 1938 erhielt Albert Speer den Auftrag, in der Voßstraße Häuser abzureißen und eine Neue Reichskanzlei zu bauen. Hitler selbst hatte 1935 den Grundriss skizziert. Wieder bewies Speer sein außergewöhnliches Organisationstalent: Innerhalb von zwei Monaten waren die Häuser geräumt und abgerissen, am 2. August 1938 feierten 4500 Arbeiter das Richtfest, und am 7. Januar 1939, drei Tage früher als geplant, konnte Hitler das fertige Bauwerk besichtigen. Mit dem Neujahrsempfang für das diplomatische Corps weihte der „Führer“ den kolossalen, pseudo-klassizistischen Gebäudekomplex ein.

Durch große Tore fuhr der Ankommende vom Wilhelmplatz in einen Ehrenhof; über eine Freitreppe gelangte er zunächst in einen kleineren Empfangssaal, von dem fast fünf Meter hohe Flügeltüren den Weg zu einer mit Mosaik ausgekleideten Halle öffneten. Anschließend stieg man einige Stufen empor, durchschritt einen kuppelüberwölbten runden Raum und sah sich vor einer Galerie von 145 Metern Länge. Hitler zeigte sich von meiner Galerie besonders beeindruckt, weil sie mehr als doppelt so lang wie die Versailler Spiegelgalerie war […]
Insgesamt also eine Folge von Räumen, in unablässig wechselnden Materialien und Farbzusammenstellungen, die zusammen 220 Meter lang war. Dann erst erreichte man Hitlers Empfangssaal. Zweifellos eine Schwelgerei in Repräsentations-Architektur und sicherlich eine „Effekt-Kunst“ – aber das gab es auch im Barock, hatte es immer gegeben. (Albert Speer: Erinnerungen, Seite 117)

Mit einer Grundsteinlegung am 14. Juni 1938 hatte Adolf Hitler auch den Umbau Berlins begonnen. In der „Welthauptstadt Germania“ wollte Hitler in einem „Führerpalast“ residieren, und zwar in einem 650 Quadratmeter (Albert Speer: Spandauer Tagebücher, 3. Oktober 1947) bzw. 960 Quadratmeter (Albert Speer: Erinnerungen, Seite 47) großen Arbeitssaal. Die Arbeiten blieben schließlich wegen des am 1. September 1939 begonnen Krieges liegen, und später witzelte Hitler im Gespräch mit Albert Speer in Anspielung auf dessen Abrisspläne: „Leider haben die Engländer diese Arbeiten nicht genau nach Ihren Plänen durchgeführt.“

Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 wurde Albert Speer von Fritz Todt, dem Reichsminister für Bewaffnung und Munition, mit dem Wiederaufbau der Fabriken und des Eisenbahnnetzes in der Ukraine beauftragt.

In der Nacht auf den 8. Februar 1942 kam Fritz Todt bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Zum Nachfolger ernannte Hitler um die Mittagszeit im „Führerhauptquartier Wolfsschanze“ bei Rastenburg Albert Speer. Der wollte gerade gehen, als Göring eintraf. Er war offenbar sofort von seinem Hauptquartier bei Goldap losgefahren, als er von dem Unglück gehört hatte. Voller Elan schlug er vor: „Am besten, ich werde die Aufgaben von Dr. Todt im Vierjahresplan übernehmen. Dies würde die Reibungen und Schwierigkeiten vermeiden, die sich in der Vergangenheit aus seiner Stellung zu mir ergaben.“ Verdrossen erklärte ihm Hitler, er habe bereits anders entschieden.

Hermann Göring versuchte dem neuen Rüstungsminister am 18. Februar einzureden, dass sich dessen Verantwortungsbereich auf das Heer beschränke. Am folgenden Tag schickte er einige seiner Anhänger in eine Besprechung, um durch entsprechende Beschlüsse Speers Einflussmöglichkeiten einzuengen. Speer, der damit gerechnet und sich mit Hitler abgestimmt hatte, unterbrach die Sitzung, und der „Führer“ kam ihm persönlich zu Hilfe. Göring blieb unbeeindruckt: Eine Woche später bestellte er Speer nach Carinhall. Nachdem er seinen Besucher eine Stunde hatte warten lassen, kam er in einem grünen Morgenrock aus Samt die Treppe herunter. Er setzte sich an seinen gigantischen Schreibtisch, sprang trotz seiner Körperfülle gleich wieder auf und drohte erregt, sein Amt als Beauftragter für den Vierjahresplan wegen der unklaren Zuständigkeiten niederzulegen. Speer lenkte ein und unterstellte sich ihm als „Generalbevollmächtigter für Rüstungsaufgaben im Vierjahresplan“.

Bei der Vielzahl seiner Ämter war Göring ohnehin nicht in der Lage, sich um alle Rüstungsangelegenheiten selbst zu kümmern. Albert Speer konnte seine Kompetenzen de facto sogar ausweiten. Auf einen gelegentlichen Protest des Reichsmarschalls antwortete Speer, der „Führer“ erwarte von ihm „eine Ausrichtung der gesamten gewerblichen Kriegswirtschaft auf die Forderungen der Rüstungswirtschaft“, er bemühe sich jedoch, „diese Aufgabe nur mit und unter“ dem Beauftragten für den Vierjahresplan zu lösen. Am 21. März 1942 unterzeichnete Hitler eine Erklärung, mit der das Verhältnis zwischen Speer und Göring auf den Kopf gestellt wurde: „Den Notwendigkeiten der Rüstungswirtschaft haben sich die Belange der deutschen Gesamtwirtschaft unterzuordnen.“ (Albert Speer: Erinnerungen, Seite 216)

Im Herbst 1942 kam Goebbels auf eine Idee zurück, die er bereits in einem Zeitungsbeitrag im November 1941 erläutert hatte: den „totalen Krieg“. Darunter verstand er einen „sozialistisch“ geführten Krieg, in dem alle Gesellschaftsschichten und Lebensbereiche mobilisiert werden sollten. Für dieses Konzept gewann er bei einem Gespräch in Schwanenwerder Albert Speer, Robert Ley, den Leiter der Deutschen Arbeitsfront, und Reichswirtschaftsminister Walther Funk. Zusammen mit Albert Speer trug er Hitler das Konzept im Oktober vor, aber der „Führer“ legte sich nicht fest.

Nach seinem Auftritt am 18. Februar 1943 im Berliner Sportpalast („Wollt ihr den totalen Krieg?“) nahm Joseph Goebbels Albert Speer mit zu seiner Dienstwohnung, wo auch noch andere Gäste eintrafen. Hitler führe nur noch Krieg und kümmere sich nicht mehr um die Politik, klagten sie, und Goebbels meinte einige Tage später: „Wir haben nicht nur eine ‚Führungskrise‘, sondern streng genommen eine ‚Führerkrise‘!“ Goebbels, Speer, Funk und Ley beschlossen deshalb, sich an Hermann Göring zu wenden und ihn für das radikale Konzept des „totalen Kriegs“ zu gewinnen. „Görings Autorität zusammen mit meiner Energie wird hier sicherlich Wunder wirken“, hoffte Goebbels und ersuchte Speer, „Göring klarzumachen, dass wir auf das Loyalste mit ihm zusammenarbeiten wollen“. Am 28. Februar 1943 traf Albert Speer sich auf dem Obersalzberg mit Hermann Göring und bereitete eine Unterredung von Goebbels und Göring vor, die am 1. März stattfand und zu der auch Speer zeitweise hinzugezogen wurde. Göring hätte die Möglichkeit gehabt, mit dem zu Beginn des Krieges eingesetzten Ministerrat für die Reichsverteidigung die zentrale Regierungsarbeit zu leiten. Aber das Gremium hatte seit November 1939 nicht mehr getagt. Als Goebbels auf den neuen Reichsverteidigungsausschuss zu sprechen kam, spöttelte Göring über die „heiligen drei Könige“: Hans-Heinrich Lammers sei ihm zu bürokratisch, Martin Bormann zu ehrgeizig, und Wilhelm Keitel hielt er für „eine absolute Null“. Goebbels, Speer und Göring beschlossen, einen „Treuebund für den Führer“ zu bilden, „den Dreierausschuss langsam kaltzustellen und die Kompetenzen auf den Ministerrat zu verlagern.“

Am 2. September 1943 wurde Albert Speer zum „Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion“ ernannt. Er teilte den verschiedenen Branchen Rohstoffe zu, drosselte die Erzeugung von Konsumgütern, legte ineffiziente Fabrikanlagen still und reduzierte durch Normierungen und Standardisierungen die Umrüstzeiten. Mit Hilfe von bis zu 7,6 Millionen Zwangsarbeitern, die Fritz Sauckel, der „Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz“, in den besetzten Gebieten aushob, gelang es Albert Speer, die Rüstungsproduktion trotz der Bombenangriffe bis 1944 zu verdreifachen. Am 9. April 1944 schrieb der „Observer“:

Speer ist gewissermaßen heute für Deutschland wichtiger als Hitler, Himmler, Göring, Goebbels oder die Generale. Sie alle sind irgendwie nichts als Mitwirkende dieses Mannes geworden, der tatsächlich die riesige Kraftmaschine führt und aus der er ein Maximum an Leistung herausholt. In ihm sehen wir eine genaue Verwirklichung der Revolution der Manager […] Er hätte sich jeder anderen politischen Partei anschließen können, soweit sie ihm Arbeit und Karriere gab […]“

Anfang Juni 1944 ordnete Hitler an, dass Speer auch die Luftrüstung von Göring übernahm.

Als sich die verheerende Niederlage des Deutschen Reiches abzeichnete, widersetzte sich Albert Speer Hitlers Befehl, die Infrastruktur des Deutschen Reiches zu zerstören. In der Nacht zu seinem 40. Geburtstag am 19. März 1945 überreichte er Hitler im „Führerbunker“ unter der zerstörten Reichskanzlei in Berlin unter vier Augen eine Denkschrift, in der es hieß, dass mit dem endgültigen Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft in vier bis acht Wochen zu rechnen sei. Ausdrücklich riet er, die Lebensbasis des Volkes bis zuletzt aufrechtzuerhalten. Hitler kündigte mürrisch eine schriftliche Antwort an und sagte zum Abschied:

„Wenn der Krieg verloren geht, wird auch das Volk verloren sein. Es ist nicht notwendig, auf die Grundlagen, die das deutsche Volk zu seinem primitivsten Weiterleben braucht, Rücksicht zu nehmen. Im Gegenteil ist es besser, selbst diese Dinge zu zerstören. Denn das Volk hat sich als das schwächere erwiesen, und dem stärkeren Ostvolk gehört ausschließlich die Zukunft. Was nach diesem Kampf übrig bleibt, sind ohnehin nur die Minderwertigen, denn die Guten sind gefallen.“ (Albert Speer: Erinnerungen, Seite 446)

Von da an wollte Hitler mit keinem seiner Mitarbeiter mehr allein sprechen: „Wer mich unter vier Augen sprechen will, der hat immer die Absicht, mir etwas Unangenehmes zu sagen. Das kann ich nicht ertragen.“

Am 23. Mai 1945 wurde Albert Speer von den Briten in Glücksburg festgenommen. Vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg bekannte er sich zwar zu seiner allgemeinen Verantwortung für die Verbrechen der NS-Führung, stellte sich selbst jedoch als Verführten und im Grunde unpolitischen Macher dar. Damit gelang es ihm offenbar, das Gericht zu beeindrucken, denn er wurde am 1. Oktober 1946 nicht zum Tod, sondern zu zwanzig Jahren Haft verurteilt, die er in Berlin-Spandau verbüßte.

Am 30. September 1966 kam er wieder frei. Mit Unterstützung des Historikers Joachim Fest bearbeitete Albert Speer seinen von März 1953 bis Dezember 1954 im Gefängnis verfassten Entwurf für das Buch „Erinnerungen“, das er 1969 veröffentlichte. Seine „Spandauer Tagebücher“ erschienen 1975.

Während eines Besuchs in London starb Albert Speer am 1. September 1981.

In einem mehrteiligen Fernsehfilm, der im Mai 2005 erstmals ausgestrahlt werden soll – „Speer und Er“ –, setzt Heinrich Breloer sich mit Albert Speer auseinander und stellt u. a. die Frage, wieviel er von den Vernichtungslagern wusste. Dokumente, die im Frühjahr 2005 von der Historikerin Susanne Willems vorgelegt wurden, deuten darauf hin, dass Albert Speer den Ausbau von Gaskammern und Krematorien in Auschwitz leitete: Das Projekt trug die Bezeichnung „Sonderprogramm Prof. Dr. Speer“.

Literatur über Albert Speer

  • Heinrich Breloer: Speer und Er. Hitlers Architekt und Rüstungsminister. 2005
  • Heinrich Breloer: Unterwegs zur Familie Speer.
    Begegnungen, Gespräche, Interviews. 2005
  • Joachim Fest: Speer. Eine Biografie. 1999
  • Joachim Fest: Die unbeantwortbaren Fragen. Gespräche mit Albert Speer. 2005
  • Hans J. Reichhardt und Wolfgang Schäche: Von Berlin nach Germania.
    Über die Zerstörungen der Reichshauptstadt durch Albert Speers Neugestaltungsplanungen. 1998
  • Matthias Schmidt: Albert Speer. Das Ende eines Mythos. 1983 (Neuausgabe: 2005)
  • Albert Speer: Erinnerungen. 1969
  • Albert Speer: Spandauer Tagebücher. 1975
  • Albert Speer: Alles was ich weiß. Hg.: Ulrich Schlie. 1999

© Dieter Wunderlich 2004

Albert Speer: Erinnerungen
Heinrich Breloer: Speer und Er

Siegfried Lenz - Deutschstunde
Am Beispiel eines Dorfpolizisten, der glaubt, ohne Rücksicht auf Elternliebe, Freundschaft und Individualität seine Pflicht tun zu müssen, prangert Siegfried Lenz die unreflektierte Autoritätsgläubigkeit eines Mitläufers an. "Deutschstunde" ein Plädoyer für das Gewissen, die Eigenverantwortung und die kritische Hinterfragung von Autoritäten.
Deutschstunde