Isabel Allende : Mayas Tagebuch

Mayas Tagebuch
Originalausgabe: El cuaderno de Maya Plaza & Janés, Barcelona 2011 Mayas Tagebuch Übersetzung: Svenja Becker Suhrkamp Verlag, Berlin 2012 ISBN: 978-3-518-42287-8, 444 Seiten ISBN: 978-3-518-79970-3 (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Die bei ihren Großeltern in Berkeley aufgewachsene Amerikanerin Maya wird im Alter von 15 Jahren durch den Tod ihres geliebten Großvaters aus der Bahn geworfen und gerät in Las Vegas in eine von Drogen, Kriminalität, Gewalt und Prostitution geprägte Welt. Erst auf einer Insel in Chile – der Heimat ihrer Großmutter – findet Maya zu sich selbst ...
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Kritik

Isabel Allende lässt zwar die Protagonistin Maya in der Ich-Form zu Wort kommen, bemüht sich aber nicht, die Sprache der 20-Jährigen überzeugend zu imitieren. Gelungener ist der ständige Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit.
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Ende der Achtzigerjahre verlieben sich der amerikanische Pilot Andy Vidal und die dänische Flugbegleiterin Marta Otter. Die beiden heiraten, als die Braut bereits schwanger ist.

Jedenfalls heirateten die beiden, bereuten es vor Ablauf einer Woche, blieben jedoch zusammen, bis ich zur Welt kam. Wenige Tage nach meiner Geburt packte meine Mutter, während ihr Mann in der Luft war, die Koffer, wickelte mich in eine Kinderdecke und fuhr im Taxi zu ihren Schwiegereltern. Meine Nini demonstrierte gerade in San Francisco gegen den Golfkrieg, aber mein Pop war zu Hause und nahm das Bündel entgegen, das sie ihm ohne große Erklärung reichte, bevor sie zu dem wartenden Taxi zurücklief. Die Enkelin war federleicht und passte in eine Hand des Großvaters. Kurz darauf schickte die Dänin die Scheidungsunterlagen und als Dreingabe den Verzicht auf das Sorgerecht für ihre Tochter.

Die 1990 geborene Tochter Maya Vidal wächst also bei ihren Großeltern in Berkeley/Kalifornien auf.

Nidia Vidal, die von Maya liebevoll „Nini“ genannte Großmutter, stammt aus Chile. Ihr erster Ehemann hieß Felipe Vidal. Weil er in der Regierungszeit des chilenischen Staatspräsidenten Salvador Allende ein Politmagazin im Fernsehen moderiert hatte, wurde er nach dessen Sturz und Ermordung verschleppt.

Wie Hunderte andere angsterfüllte Menschen machte sich auch Nidia Vidal jetzt auf und fragte an den einschlägigen Orten nach ihrem Mann, stellte sich in die Schlangen vor Polizeiwachen, Gefängnissen, Gefangenenlagern, Krankenhäusern, Leichenhallen. Ihr Mann stand nicht auf der Schwarzen Liste, er war nirgends registriert, niemals verhaftet worden.

Erst als Felipe bereits an einem Elektroschock gestorben war, erfuhr Nidia Vidal, dass ihn der Geheimdienst (Dirección de Inteligencia Nacional, DINA) in der Villa Grimaldi gefangen gehalten und gefoltert hatte. Weil Nidia Vidal um ihr Leben und das ihres neun Jahre alten Sohnes Andrés fürchten musste, wanderte sie mit ihm 1974 nach Kanada aus.

1976 lernte Nidia Vidal in Toronto den elf Jahre älteren afroamerikanischen Astronomie-Professor Paul Ditson II von der University of Berkeley kennen. Sie folgte ihm mit ihrem Sohn Andrés, der jetzt Andy hieß, nach Kalifornien, und die beiden heirateten.

Maya lernt ihre Mutter Marta Otter erst kennen, als sie acht Jahre alt ist und ihre Großeltern mit ihr nach Odense reisen, um sie zu besuchen. Es bleibt bei dieser einen Begegnung.

Zwei Jahre später heiratet Mayas Vater Andy Vidal eine Frau namens Susan, die für das San Francisco Police Department Bombenspürhunde ausbildet. Maya schläft nun bei Andy und Susan, aber die meiste Zeit verbringt sie nach wie vor bei ihren Großeltern, obwohl ihre Stiefmutter, die keine Kinder bekommen kann, ihre Zuneigung zu gewinnen versucht. Aus Frustration über die Untreue ihres Ehemanns lässt Susan sich schließlich in den Irak versetzen.

2005 stirbt Paul Ditson II.

Mit dem Tod meines Großvaters verlor ich meine Familie und jede Orientierung: Mein Vater lebte in der Luft, Susan wurde mit Alvy in den Irak geschickt, um Bomben aufzuspüren, und meine Nini saß da und weinte um ihren Mann.

Nidia wird nach einiger Zeit durch ihren alten Freund Mike O’Kelly aus ihrer Lethargie befreit. Er sitzt querschnittgelähmt im Rollstuhl, seit er versuchte, einem Jungen zu helfen und von zwei Schüssen in den Rücken getroffen wurde. Er kann zwar Nidia helfen, nicht jedoch der durch den Tod ihres geliebten Großvaters aus der Bahn geworfenen Schülerin Maya.

Ich wollte wie alle anderen vor allem dazugehören und gemocht werden; es gab nichts Schlimmeres, als rausgekickt zu werden […]. Aber in dem Jahr, als ich sechzehn wurde, fühlte ich mich anders, wie gemartert, lehnte mich auf und war wütend auf die Welt. Jetzt wollte ich nicht mehr in der Herde unbemerkt bleiben, sondern mich abheben; ich wollte nicht akzeptiert, sondern gefürchtet sein. Ich entfernte mich von meinen früheren Freunden oder sie sich von mir und schloss mich Sarah und Debbie an, den beiden Mädchen mit dem schlechtesten Ruf an der Schule, und das will was heißen […].

Sarah steht unter dem Zwang, in Läden stehlen zu müssen. Debbie wird zu Hause missbraucht und leidet unter Bulimie. Maya liefert sich mit den beiden Mädchen einen Straftaten-Wettbewerb.

Für alles, bei dem wir nicht erwischt wurden, gab es Punkte, hauptsächlich für Sachbeschädigung, den Verkauf von Gras, Ecstasy, LSD und geklauten Medikamenten, Graffiti an den Schulwänden, gefälschte Schecks und Ladendiebstahl. Wir schrieben alles auf, zählten am Ende des Monats die Punkte zusammen.

Für ihre Defloration sucht Maya sich bewusst den verkommenen Schulabbrecher Rick Laredo aus und bestellt ihn ins Parkhaus eines Kinos, wo sie nur kurz Jeans und Slip auszieht. Mit Hilfe des Kleinganoven Rick Laredo nehmen die drei Schülerinnen Pädophile aus, die sich mit Debbie in einem Hotel verabreden.

Die Freiheit währte einige Monate, bis meine Nini die Antidepressiva absetzte, unter die Lebenden zurückkehrte und Zeichen wahrzunehmen begann, die ihr zuvor wegen ihres nach innen gewandten Blicks entgangen waren: Aus ihrer Brieftasche verschwand Geld, die Zeiten, wenn ich aufkreuzte, passten zu keinem in der Welt der Bildungsanstalten bekannten Stundenplan, ich sah aus und benahm mich wie ein Flittchen, redete mich aus allem heraus und log sie an. Meine Kleider rochen unverkennbar nach Shit und mein Atmen verdächtig nach Pfefferminzbonbons.

Im November 2006 erhält Nidia einen Anruf aus dem Bezirkskrankenhaus: Maya wurde im Drogenrausch von einem Auto angefahren. Daraufhin bringt ihr Vater sie auf Anordnung der für den Fall zuständigen Richterin in ein Internat für schwer erziehbare Jugendliche in Oregon. Dort verabreicht man ihr Antidepressiva. Sie muss bis Juni 2008 bleiben, und im Herbst soll sie dann aufs College gehen. Aber stattdessen läuft Maya fort und lässt sich schließlich als Anhalterin von einem LKW-Fahrer mitnehmen. Roy Fedgewick, so heißt er, betäubt sie am Abend in einem Motelzimmer und vergewaltigt sie, nachdem er Kokain geschnupft hat. Am nächsten Tag setzt er sie in Las Vegas ab.

Dort fällt Maya dem 38 Jahre alten heroinsüchtigen Kleinganoven Brandon Leeman auf. Der nimmt sie in seiner verdreckten Behausung auf, besorgt ihr einen gefälschten Führerschein, macht sie damit zur 22-jährigen Laura Barron aus Arizona und bringt sie dazu, seinen Kunden Drogen ins Hotel zu liefern. Er kauft ihr scheinbar großzügig neue Sachen zum Anziehen, geht dazu unnötigerweise in verschiedene Geschäfte und bezahlt selbst kleine Beträge mit Hundertdollarscheinen. Offenbar bringt er auf diese Weise Falschgeld in Umlauf. Eines Tages nimmt Brandon Leeman Maya mit nach Beatty, wo er eine mit Banknoten gefüllte Tasche in einem Lagerraum deponiert, in dem bereits eine ähnliche steht. In zwei Wochen wolle er sich mit ihr nach Brasilien absetzen, sagt er. Falls ihm vorher etwas passieren würde, soll sie seinen Bruder Adam anrufen und ihm mitteilen, wo seine El-Paso-TX-Taschen sind, nicht einfach seine Taschen, sondern seine El-Paso-TX-Taschen. Bei der Rückkehr nach Las Vegas sieht Maya den Ganoven zum letzten Mal.

Freddy, ein 14-Jähriger, der ebenfalls von Brandon Leeman aufgenommen worden war, berichtet Maya schließlich aufgeregt von dessen Ermordung durch zwei Kumpane. Was Freddy gehört hat, ergibt folgende Zusammenhänge: Brandon Leeman hatte einen korrupten Polizisten beauftragt, Joe Martin und einen Chinesen, die beide für ihn arbeiteten, zu beseitigen. Stattdessen wurden sie gewarnt und sollten für den Cop herausfinden, wo Brandon Leemans Falschgeld versteckt ist. Aber sie töteten ihn, ohne ihn vorher zum Reden gebracht zu haben. Weil Freddy befürchtet, dass die Männer auch hinter ihm und Maya bzw. Laura Barron her sind, verstecken sie sich zunächst in einem Motel außerhalb der Stadt.

Lange hält Maya es dort nicht aus. Sie kehrt nach Las Vegas zurück, bettelt und prostituiert sich, um zu überleben. Statt Adam anzurufen, will sie selbst die Geldtaschen aus Beatty holen, aber nachdem sie von einem Freier den ersten Schuss Heroin bekommen hat, schiebt sie das Vorhaben auf. Beim missglückten Diebstahl eines Videospiels in einem Elektronik-Laden wird sie von einem Officer namens Arana aufgegriffen, den sie bereits kennt. Er erklärt ihr, dass Brandon Leeman in Wirklichkeit Hank Trevor hieß und es sich bei dessen Bruder Adam Trevor um einen der besten Geldfälscher handelt. Arana weiß, dass Brandon Leeman Falschgeld gebunkert hatte und fragt Maya nach dem Versteck. Sie antwortet:

„Wenn ich wüsste, wo Geld ist, glauben Sie, ich wäre auf der Straße, Officer?“

Noch am selben Tag wird Maya von Joe Martin und dem Chinesen überfallen. Sie fesseln die junge Frau und wollen von ihr ebenfalls wissen, wo Brandon Leeman das Geld versteckt hat. Während einer kurzen Abwesenheit der beiden Männer befreit Freddy Maya und bringt sie zu der afroamerikanischen Krankenschwester Olympia Pettiford, die eine Kirchengemeinde mit dem Namen „Witwen für Jesus“ leitet. Im Einverständnis mit ihrem Ehemann Jeremiah nimmt Olympia die Drogensüchtige auf. Sobald Maya wieder einigermaßen klar denken kann, bittet sie darum, ihre Großmutter telefonisch zu benachrichtigen.

Elf Stunden später wird sie von Nidia Vidal und Mike O’Kelly abgeholt. Erst einmal fahren sie nach Beatty, decodieren „El-Paso-TX“ in die beiden zum Öffnen der Schlösser des Lagerraums erforderlichen Zahlen – 3572 und 7689 – und nehmen die beiden Taschen mit. Später verbrennen sie in der Mojave-Wüste das Falschgeld im Nominalwert von einer halben Million Dollar. Die vier Druckplatten für 50- und 100-Dollar-Noten, die sie ebenfalls in den Taschen finden, soll Nidia von der Fähre aus in die Bucht von San Francisco werfen.

Während Maya vier Wochen in einer Entzugsklinik in San Francisco verbringt, besorgt Nidia ihr einen neuen Pass und bereitet ihre Reise nach Chile vor, denn es ist anzunehmen, dass Maya sowohl von der Polizei als auch von Joe Martin und dem Chinesen gesucht wird. Nach Mayas Entlassung aus der Klinik bringt Nidia sie zum Flughafen.

Anfang Januar 2009 trifft Maya auf der chilenischen Insel Chiloé ein, wo sie von Manuel Arias erwartet wird, einem 72-jährigen Anthropologen und Freund ihrer Großmutter, der bereit ist, die 19-Jährige für einige Zeit aufzunehmen. Um ihre Verfolger nicht auf ihre Spur zu bringen, darf Maya weder das Telefon benutzen noch E-Mails verschicken. Selbstverständlich sind auch Drogen und Alkohol tabu, nicht nur für Maya, sondern auch für ihren alkoholkranken Beschützer.

Innerhalb von kurzer Zeit lernt Maya die übrigen Dorfbewohner kennen, darunter die Schulleiterin Blanca Schnake und deren 85-jährigen Vater Don Lionel Schnake, die über 100 Jahre alte Doña Lucinda, die Familie Corrales, Rigoberto Miranda, Aurelio Ñancupel, die Krankenschwester Liliana Treviño und die Polizisten Laurencio Cárcamo Ximénez und Humilde Garay Ranquileo. Außerdem begegnet Maya dem acht Jahre älteren Touristen Daniel Goodrich aus Seattle. Sie verliebt sich auf den ersten Blick in ihn, vertraut ihm die Geheimnisse aus ihrer Vergangenheit an und schläft mit ihm. Der Sohn einer Weißen und eines Afroamerikaners, die er beide nicht kennt, schloss vor fünf Monaten sein Medizinstudium ab und ist seither in Südamerika unterwegs. In Kürze wird er in der privaten Entzugsklinik seines aus England stammenden Adoptivvaters Sir Robert Goodrich in Seattle anfangen. Bei Daniels Adoptivmutter handelt es sich um die amerikanische Geigerin Alice Wilkins. Vor 19 Jahren verließ Robert Goodrich seine Ehefrau und zog zu dem Pianisten Alfons Zaleski, mit dem er seither zusammenlebt.

Am 29. Mai reist Daniel ab, aber Maya malt sich eine gemeinsame Zukunft mit ihm aus. Gegen den Rat ihrer Großmutter richtet Maya sich die E-Mail-Adresse juanitocorrales@gmail.com ein, um mit Daniel korrespondieren zu können.

Niemand würde Verdacht schöpfen, wenn Daniel Goodrich aus Seattle an einen Jungen aus Chiloé schriebe, eine von vielen Reisebekanntschaften, mit denen er Kontakt hält.

Der angehende Arzt war noch auf der Insel, als Azucena Corrales eine starke Blutung bekam. Er untersuchte die 13-Jährige und stellte fest, dass sie schwanger war. Sie wurde nach Castro ins Krankenhaus gebracht.

Jeder weiß, dass Azucenas Vater Carmelo Corrales gewalttätig ist, aber man sieht es ihm nach, weil ihm vor einem halben Jahr wegen Diabetes ein Bein amputiert werden musste und er sich mit Selbstmordgedanken trägt. Von den fünf Kindern des Ehepaars Carmelo und Eduvigis wohnt nur noch Azucena bei ihnen; sie wuchs zusammen mit ihrem drei Jahre jüngeren Neffen Juanito auf, dessen erst 25 Jahre alte Mutter Lucía Corrales in einer Lachsfabrik in Quellón arbeitet.

Es ist anzunehmen, dass Azucena – wie ihre zwölf Jahre ältere Schwester Lucia damals auch – von ihrem eigenen Vater geschwängert wurde, aber die Polizisten können Eduvigis Corrales nicht zu einer Anzeige gegen ihren Mann überreden, und das Verfahren wird aus Mangel an Beweisen eingestellt. Einige im Dorf geben in solchen Fällen den Töchtern die Schuld, weil sie ihnen unterstellen, die Väter verführt zu haben. Andere halten es für eine gerechte Strafe, dass Carmelo Corrales bald darauf stirbt. Azucena kehrt nach der Abtreibung nicht mehr ins Dorf zurück, sondern zieht als Putzfrau nach Quellón.

Maya lädt Daniel über Weihnachten nach Chiloé ein, aber statt darauf einzugehen, lässt er sie wissen, dass ihm viel an ihrer Freundschaft liege, und Maya begreift, dass ihre erste große Liebe unerfüllt bleibt. Darauf reagiert sie mit einem Tobsuchtsanfall.

Durch Mails, die Manuel von Nidia Vidal über Mike O’Kellys Account bekommt, erfährt Maya, dass Freddy in Las Vegas bewusstlos auf der Straße gefunden und ins Krankenhaus gebracht wurde. Olympia Pettiford nahm sich seiner an, und Officer Arana half ihr dabei, den Jungen vor dem Jugendheim oder gar Gefängnis zu bewahren.

Joe Martin und der Chinese lagen tot in einem ausgebrannten Auto in der Wüste.

In einer Zeitschrift wird über die Festnahme des Geldfälschers Adam Trevor im August am Flughafen in Miami berichtet. In seinem Geständnis gab Adam Trevor zu Protokoll, dass er seinem Bruder in Las Vegas eine halbe Million Dollar Falschgeld und vier Druckplatten zur Aufbewahrung anvertraut hatte. Terroristen oder eine Regierung wie die nordkoreanische könnten durch die Verwendung der hochwertigen Druckplatten eine Finanzkrise auslösen. Maya befürchtet weiterhin, dass nicht das FBI, sondern auch Gangster nach ihr suchen, weil sie glauben, von ihr erfahren zu können, wo die Sachen versteckt sind.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Im Lauf der Zeit findet Maya mehr über Manuel Arias heraus. Wie ihr Großvater Felipe Vidal gehörte er als Sympathisant Salvador Allendes nach dessen Ermordung zu den von der Militärdiktatur Verfolgten. Nachdem man den Universitätsdozenten bereits im Sommer und Herbst 1974 unter anderem im Nationalstadion in Santiago de Chile eingesperrt und unzählige Male verhört hatte, kam er im Winter 1974 in die berüchtigte Villa Grimaldi. Anders als sein Mitgefangener Felipe Vidal überlebte Manuel Arias die Folterungen und wurde dann 1975 nach Castro auf Chiloé verbannt, wo Don Lionel Schnake ihn aufnahm, obwohl der Gutsbesitzer 1971 bei der Agrarreform in Osorno enteignet worden war und sich damit selbst in Gefahr brachte. Als die Verbannung aufgehoben wurde, reiste Manuel nach Australien zu seiner ausgewanderten Frau, die seit mehr als zwei Jahren nichts von ihm gehört und ihn für tot gehalten hatte. Bald darauf ließen sie sich scheiden. Manuels zweite Ehe mit einer spanischen Tänzerin, die er in Sydney kennengelernt hatte, zerbrach nach weniger als einem Jahr. Nach einem gescheiterten Suizidversuch kehrte er 1998 nach Chile zurück.

1964 hatte die damals 22-jährige, frisch verheiratete Nidia Vidal als Sekretärin an dem Lehrstuhl in Santiago de Chile gearbeitet, an dem der fünf Jahre ältere Manuel Arias als wissenschaftliche Hilfskraft tätig war. Die beiden hatten sich schon als Jugendliche gekannt, sich dann aber aus den Augen verloren. Mit dem Wiedersehen begann eine Affäre, die allerdings bald wieder endete, weil Manuel nach New York reiste, um dort mit einem Stipendium zu promovieren. 1965 gebar Nidia einen Sohn, und Felipe Vidal zweifelte nicht an seiner Vaterschaft. Er erfuhr nie, dass Manuel Andrés gezeugt hatte – und Maya hielt ihn bisher für ihren leiblichen Großvater. 1974 nutzte Manuel den Besuch einer Delegation des Roten Kreuzes in der Villa Grimaldi, um einen der Männer unbemerkt zu bitten, Nidia Vidal über den Tod ihres Mannes zu benachrichtigen.

Während seiner Verbannung auf Chiloé hatte Manuel sich in Lionel Schnakes Tochter Blanca verliebt. Als er nach seinem Aufenthalt in Australien und den beiden Scheidungen zurückkam, war sie verheiratet und hatte zwei halbwüchsige Kinder. Blanca mussten später wegen einer Krebsdiagnose beide Brüste entfernt werden, und ihr Ehemann trennte sich deshalb von ihr. Damit wäre nun der Weg frei für eine Liebesbeziehung mit Manuel, aber der versucht seine Gefühle für Blanca zu verbergen, weil bei ihm ein lebensbedrohliches Aneurysma diagnostiziert wurde.

Von Nidia kommt die Nachricht, dass Officer Arana bei ihr in Berkeley war. Er behauptete zwar, der Fall sei praktisch abgeschlossen, aber Nidia fragt sich, wie das sein könne, solange weder der Verbleib des Falschgelds noch der Druckplatten geklärt ist.

Am 5. Dezember 2009 steht Maya an der Klippe der Pincoya, als Arana sich nähert. Ihre Großmutter behauptete zwar, Maya sei aus der Entzugsklinik in San Francisco verschwunden und habe nichts mehr von sich hören lassen, doch über Nidias chilenische Herkunft, Informationen aus der Entzugsklinik in San Francisco und Passagierlisten der beiden Fluglinien mit Verbindungen zwischen San Francisco und Chile fand der Polizist heraus, dass die Gesuchte auf Chiloé lebt, und auf der Insel war es nicht schwer, sich zu ihr durchzufragen. Er versichert Maya, sie könne ihm vertrauen, er habe nur die Aufgabe, das Falschgeld und die Druckplatten einzuziehen. Sie vermutet inzwischen jedoch, dass er von Brandon Leeman mit Falschgeld dafür bezahlt worden war, Joe Martin und den Chinesen zu töten, dann aber die beiden auf seinen Auftraggeber angesetzt hatte. Maya beteuert, das Geld verbrannt und die Druckplatten in die Bucht von San Francisco geworfen zu haben.

„Ich habe Ihr Scheißgeld und Ihre Scheißdruckplatten nicht!“

Als Maya wieder zu sich kommt, liegt sie im Krankenhaus in Castro.

Die polizeiliche Untersuchung ergibt, dass ein amerikanischer Tourist unter dem Namen Donald Richards auf die Insel kam, Juanito Corrales ein Foto von Maya zeigte und erfuhr, dass sie zur Klippe gegangen war. Juanito folgte ihm allerdings mit seinem drei Jahre älteren Freund Pedro Pelanchugay. Die beiden Jungen sahen gerade noch, wie Maya und der Fremde abstürzten. Maya hat den Aufprall auf dem Sandstrand überlebt, aber der Mann schlug auf Felsen auf, und seine Leiche wurde ins Meer gespült.

Später erfährt Maya, dass ihre Großmutter die Druckplatten nicht ins Wasser geworfen, sondern aufbewahrt hat.

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Die bei ihren Großeltern in Berkeley aufgewachsene Amerikanerin Maya wird im Alter von 15 Jahren durch den Tod ihres geliebten Großvaters aus der Bahn geworfen und gerät in Las Vegas in eine von Drogen, Kriminalität, Gewalt und Prostitution geprägte Welt. Erst auf einer Insel in Chile – der Heimat ihrer Großmutter – findet Maya zu sich selbst. Obwohl auch auf Chiloé Kinder missbraucht werden, stehen die Insel und Las Vegas für gegensätzliche Gesellschaften.

Der Roman „Mayas Tagebuch“ ist zwar fiktional, aber Isabel Allende verarbeitet darin wohl auch eigene Erfahrungen, denn ihr zweiter Ehemann, der Rechtsanwalt Willie C. Gordon aus San Francisco, brachte 1988 drei drogenabhängige Kinder mit in die Ehe, und zwei von ihnen starben an der Sucht.

Gegliedert hat Isabel Allende „Mayas Tagebuch“ in vier Teile, die mit den Jahreszeiten von Sommer bis Frühling überschrieben sind. Der in der Gegenwart spielende Teil der Handlung beginnt im Januar, also im Sommer auf der südlichen Hemisphäre, und endet im Dezember 2009. Eingefügt sind Rückblenden in die Vergangenheit, vor allem in die Siebzigerjahre, als der chilenische Staatspräsident Salvador Allende ermordet wurde und General Augusto Pinochets Militärdiktatur begann.

Die Protagonistin Maya kommt in der Ich-Form zu Wort. Angeblich lesen wir Mayas Tagebuch-Aufzeichnungen, aber das ist unglaubwürdig, denn es handelt sich um eine durchlaufende Erzählung, nicht um einzelne Eintragungen, und Grammatikfehler reichen nicht aus, um aus der Sprache der routinierten Schriftstellerin Isabel Allende die einer 20-Jährigen mit Highschool-Abschluss zu machen, zumal auch nicht erkennbar ist, dass die Sprachschnitzer absichtlich eingebaut wurden.

Isabel Allende erzählt ausschweifend und hat „Mayas Tagebuch“ mit Themen vollgestopft, ohne allerdings eines davon stärker auszuleuchten. Sie bleibt an der Oberfläche und begnügt sich sogar bei Schilderungen der Insel Chiloé mit Klischees.

Den Roman „Mayas Tagebuch“ von Isabel Allende gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Hannah Herzsprung (ISBN 978-3-86717-856-3).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2016
Textauszüge: © Suhrkamp Verlag

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