Kika

Kika

Kika

Kika - Originaltitel: Kika - Regie: Pedro Almodóvar - Drehbuch: Pedro Almodóvar - Kamera: Alfredo Mayo - Schnitt: José Salcedo - Darsteller: Verónica Forqué, Alex Casanovas, Rossy de Palma, Peter Coyote, Victoria Abril, Santiago Lajusticia, Anabel Alonso, Bibí Andersen, Charo López, Francisca Caballero, Agustín Almodóvar, Manuel Bandera, Jesús Bonilla, Karra Elejalde u.a. - 1993; 115 Minuten

Inhaltsangabe

Als Ramón nach Hause kommt, hört er zwei Schüsse. Sein Stiefvater kommt ihm mit einer blutenden Schussverletzung am Unterarm entgegen und sagt: "Diesmal hat sie es geschafft." Ramóns Mutter liegt auf dem Küchenboden. Sie scheint sich in die Brust geschossen zu haben ...

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Kritik

Die lebensfrohe Kosmetikerin Kika behauptet sich in einer von Sex und Mord geprägten Umwelt, in der vor allem eines fehlt: Kommunikation. Die Medien sind allgegenwärtig, aber die Menschen reden nicht mehr wirklich miteinander. – "Kika" ist eine giftige Komödie voller schräger Einfälle.
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Als Ramón (Alex Casanovas) nach Hause kommt, hört er zwei Schüsse. Sein Stiefvater, der amerikanische Schriftsteller Nicolas Pierce (Peter Coyote), kommt ihm mit einer blutenden Schussverletzung am Unterarm entgegen und sagt: „Diesmal hat sie es geschafft.“ Ramóns Mutter (Charo López) liegt auf dem Küchenboden. Sie scheint sich in die Brust geschossen zu haben. Nach mehreren gescheiterten Selbstmordversuchen ist sie jetzt tot. Ramóns leiblicher Vater war bereits vor längerer Zeit bei einem Verkehrsunfall enthauptet worden.

Ein Jahr später wird der amerikanische Journalist und Schriftsteller Nicolas Pierce in Madrid von der Maskenbildnerin Kika (Verónica Forqué) für ein Interview mit Doña Paquita (Francisca Caballero) geschminkt. Thema ist sein Debütroman „Ich habe mich in einen Schwindler verliebt“. Kurze Zeit später soll Kika – die inzwischen mehrmals mit Nicolas geschlafen hat – bei dem Autor vorbeikommen, um seinen vermeintlich an einem Herzinfarkt gestorbenen Stiefsohn Ramón zu schminken. Doch während sie ihm Rouge auflegt und dabei ununterbrochen redet, erwacht Ramón wieder zum Leben.

Der auf Dessous spezialisierte Fotograf Ramón verliebt sich in seine Lebensretterin, und sie ziehen zusammen. Kika betrügt zwar Ramón hin und wieder mit dessen Stiefvater, der sich nach zwei Reisejahren vorübergehend in der Wohnung über ihnen eingerichtet hat, doch als sie merkt, dass ihre beste Freundin Amparo (Anabel Alonso) ebenfalls ein Verhältnis mit Nicolas hat, wirft sie ihr wütend vor, sie hintergangen zu haben.

Ramóns Hausmädchen Juana (Rossy de Palma) schmachtet nach Kika, aber die hält nichts von lesbischer Liebe. Juanas Bruder Pablo (Santiago Lajusticia) ist debil. Juana erzählt, wie er es nach der Pubertät zuerst mit Kühen und Ziegen, dann mit den Nachbarinnen trieb, bis sie sich ihm regelmäßig hingab, damit er etwas ruhiger wurde. Unter dem Namen Paul Bazzo wurde er ein bekannter Pornodarsteller. Jetzt sitzt er wegen irgendeines Verbrechens im Gefängnis. Doch Pablo nützt einen Freigang zur Teilnahme an öffentlichen Selbstkasteiungen im Rahmen eines Marienfestes, um zu fliehen. Unvermittelt taucht er bei seiner Schwester auf. Juana bringt ihn dazu, dass er sie auf einen Küchenstuhl fesselt, knebelt und schlägt, dann ins Obergeschoss geht und dort Ramóns Kameraausrüstung einpackt. Alles soll wie ein Überfall aussehen. Obwohl Juana es ausdrücklich verboten hat, schaut er ins Schlafzimmer, wo Kika auf dem Bett liegt und in einem knappen roten Kleid schläft. Da kann er nicht anders: Zuerst schnuppert er an ihr, dann vergewaltigt er sie, und als sie dabei aufwacht, zwingt er sie mit einem Messer, liegen zu bleiben. Nach drei Orgasmen nimmt er sich vor, bei dieser Gelegenheit seinen Rekord von vier aufeinanderfolgenden Orgasmen zu brechen.

Doch von einem gegenüberliegenden Hochhaus aus filmt jemand die Vergewaltigung mit Hilfe eines meterlangen Teleobjektivs durchs Fenster und alarmiert die Polizei. Nur weil den beiden Beamten gerade langweilig ist, machen sie sich auf den Weg. Sie schießen die Tür auf und reißen Pablo, der verbissen weiterzumachen versucht, von Kika herunter. Pablo springt aufs Fensterbrett und kommt dort erneut zum Orgasmus. Ein bisschen Ejakulat tropft Andrea Caracortada (Victoria Abril) ins Gesicht, der Moderatorin der Reality-TV-Show „Das Schlimmste des Tages“, die mit ihrer auf einen Helm montierten Kamera auf der Straße steht und heraufschaut. Von einem Fenster höher – aus Nicolas Pierces Wohnung – werden Möbel abgeseilt. Pablo packt das Seil und landet auf der Straße, bevor die beiden Polizeibeamten ihn aufhalten können. Andrea bietet ihm den Rücksitz auf ihrem Motorrad an, aber er stößt sie zur Seite und flieht allein mit ihrem Fahrzeug.

Vor dem Beginn ihrer Fernsehkarriere hatte Andrea als Psychologin gearbeitet. Damals kam Ramón wegen der Traumatisierung durch den Tod seiner Mutter zu ihr und war einige Zeit auch ihr Liebhaber. Von dem Streit bei der Trennung zeugt noch immer eine Narbe in Andreas Gesicht. Sie wischt sich das Sperma aus dem Gesicht, eilt hinauf in die Wohnung und versucht das Opfer der Vergewaltigung zu interviewen, doch Kika wirft sie hinaus.

Als Ramón nach Hause kommt, berichtet sie ihm, was geschehen ist: „Das passiert jeden Tag hundertmal, und heute war ich wohl dran.“ Ramón ist weder schockiert, noch zeigt er besonderes Mitgefühl, sondern er schaut als erstes nach, ob seine Kameraausrüstung noch da ist.

Am Abend zeigt Andrea in ihrer Sendung die durchs Fenster gefilmte Vergewaltigung in „Das Schlimmste des Tages“. Aufgeregt kommt Nicolas herunter. Kika, Ramón und Juana sitzen vor dem Fernsehgerät. Wer wohl dieser Spanner sei, der die Aufnahmen gemacht habe? Da offenbart Ramón sich als der Anrufer bei der Polizei. Er habe sich in einem der gegenüberliegenden Hochhäuser eine Wohnung genommen und von dort aus gefilmt, um Kika der Untreue zu überführen. Obwohl Ramón beteuert, dass die im Fernsehen gezeigten Aufnahmen nicht von ihm stammen, will Nicolas sofort alle Filme sehen. Immerhin liegt seine Wohnung genau über der von Ramón und Kika. Offenbar ist er sehr besorgt.

Inzwischen schaut auch Andrea die Filmaufnahmen, die sie von einem Spanner bekommen hat, aufmerksam an. Dabei schöpft sie Verdacht, dass Nicolas eine Besucherin namens Susana (Bibí Andersen) umgebracht haben könnte. Die transsexuelle Frau, die aus irgendwelchen Gründen auch „die Mexikanerin“ genannt wird, geht splitternackt in Nicolas Wohnung herum – dann taucht sie plötzlich nicht mehr auf.

Kika hat Ramón zwar unter anderem mit seinem Stiefvater betrogen, doch sein Misstrauen kränkt sie und sie verlässt ihn.

In seiner Verzweiflung blättert Ramón zum ersten Mal in den Tagebüchern seiner Mutter. Da begreift er, dass sie ihn niemals geliebt, sondern sogar als lästig empfunden hatte. Sie war nur an Nicolas interessiert gewesen. Ramón wird den Verdacht nicht los, dass sein Stiefvater sich aus dieser Umklammerung befreien wollte, seine Mutter tötete und sich die Schusswunde am Arm selbst zufügte, um einen Selbstmord vorzutäuschen. Am anderen Morgen sucht er Nicolas auf und stellt ihn zur Rede. Als er ins Bad geht und in der Badewanne Susanas Leiche entdeckt, sinkt er ohnmächtig zu Boden.

In diesem Augenblick taucht Andrea auf. Nicolas will sie nicht ins Haus lassen. Bei einem Schusswechsel tötet Nicolas die Moderatorin, wird aber auch selbst lebensgefährlich verletzt. Bevor er stirbt, übergibt er Kika – die inzwischen ebenfalls hinzugekommen ist – sein neues Romanmanuskript „Ein lesbischer Killer“. Sie brauche nur anstelle der Protagonistin seinen Namen einzusetzen, erklärt er, dann sei das ganze eine Autobiografie.

Kika schraubt die Birne aus einer Tischlampe, steckt Ramóns große Zehe in die Fassung und schaltet mehrmals den Strom aus und ein. Es qualmt ein bisschen, die Zehe verfärbt sich schwarz. Aber Ramón schlägt die Augen auf, wundert sich, wo er ist, kann sich an nichts erinnern und klagt nur über Schmerzen in der großen Zehe.

Mit einem Krankenwagen wird er abgeholt. Kika folgt ihm in ihrem kleinen roten Auto. Unterwegs hält sie bei einem Mann, der eine Autopanne hat (Manuel Bandera). Sie nimmt ihn zur nächsten Tankstelle mit. Doch als sie erfährt, dass er zur Hochzeit seiner Schwester fährt, beschließt sie, mitzukommen. Sie fragt nach dem Weg, und er verspricht, ihr die Orientierung zu geben. Voller Optimismus vertraut sie sich dem Fremden an.

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Die lebensfrohe Kosmetikerin Kika behauptet sich in einer von Sex und Mord geprägten Umwelt, in der vor allem eines fehlt: Kommunikation. Wohl nicht zufällig haben der Schriftsteller Nicolas, der Fotograf Ramón und die Fernsehmoderatorin Andrea mit den Medien zu tun. Und schließlich ist da noch ein anonymer Spanner, der die Menschen in ihren Wohnungen filmt, und dessen Aufnahmen auch schon mal in einer Reality-Show gesendet werden. Die Medien sind allgegenwärtig, aber die Menschen reden nicht mehr wirklich miteinander. Unübersehbar ist das bei der plappernden Kika und dem introvertierten Ramón.

„Kika“ ist – wie Pedro Almodóvar selbst sagt – „eine Collage aus verschiedenen Charakteren und verschiedenen Genres“. Mordende Schriftsteller, debile, sexbesessene Pornodarsteller, skrupellose Fernsehmoderatorinnen, anonyme Spanner – wieder einmal ist Pedro Almodóvars schrille Welt von perversen Typen bevölkert, und dennoch wundert sich keiner der Protagonisten über den anderen. „Kika“ ist eine giftige Mediensatire voller schräger Einfälle und urkomischer Szenen.

Es ist kaum zu glauben, aber die geheimnisvolle Besucherin des mörderischen Schriftstellers, die einem „Playboy“-Centerfold entstiegen sein könnte, wird tatsächlich von einem bzw. einer Transsexuellen dargestellt: Bibí Andersen, bzw. mit bürgerlichem Namen: Manuel Fernández / Bibiana Fernández, geboren am 13. Februar 1954 in Madrid.

Die Kostüme wurden von Jean-Paul Gaultier und José María Cossío in Zusammenarbeit mit Gianni Versace entworfen.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2003

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