The Master

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The Master

The Master – Originaltitel: The Master – Regie: Paul Thomas Anderson – Drehbuch: Paul Thomas Anderson – Kamera: Mihai Malaimare jr. – Schnitt: Leslie Jones, Peter McNulty – Musik: Jonny Greenwood – Darsteller: Joaquín Phoenix, Philip Seymour Hoffman, Amy Adams, Ambyr Childers, Jesse Plemons, Rami Malek, Patty McCormack, Christopher Evan Welch, Laura Dern, Madisen Beaty, Lena Endre, Kevin J. O'Connor, Joshua Close, Fiona Dourif u.a. – 2012; 135 Minuten

Inhaltsangabe

Freddie Quell kehrt mit einem posttraumatischen Stresssyndrom aus dem Zweiten Weltkrieg zurück. Weil er zu viel trinkt, leicht die Beherrschung verliert und dann gewalttätig wird, kann er sich nicht lange in einem Job halten. 1950 stößt er auf Lancester Dodd, einen egomanischen Charismatiker, der gerade dabei ist, Jünger um sich zu scharen. Dodd will beweisen, dass er mit seiner neuen Methode der "Aufarbeitung" selbst einen Mann wie Freddie heilen kann, und der verstörte Kriegsveteran findet Halt an dem Guru ...
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Kritik

"The Master" handelt von Charisma und Manipulation, Beherrschung und Abhängigkeit. Es ist kein eleganter, sondern ein sperriger Film mit abrupten Szenenwechseln. Philip Seymour Hoffman, Joaquín Phoenix und Amy Adams machen ihn sehenswert.
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Der US-Navy-Veteran Freddie Quell (Joaquín Phoenix) kehrt mit einem posttraumatischen Stresssyndrom aus dem Zweiten Weltkrieg zurück. Er bewegt sich ungelenk und hält den Oberkörper schief. Die Augen kneift er zusammen, und es fällt ihm schwer, jemanden anzublicken. Seine Lippenspalte ist deutlich zu sehen, und wenn er spricht, ist er wegen der verzogenen Mundwinkel nur schwer zu verstehen. Dass er andere Menschen eher abschreckt, ist nicht verwunderlich. Es macht ihn zum Außenseiter. Wehmütig denkt er an seine frühere Freundin Doris Solstad (Madisen Beaty). Um sie zu vergessen, experimentiert er mit immer neuen alkoholischen Cocktails, aber wenn er zu viel davon getrunken hat, wird er aggressiv und gewalttätig.

Nach einer kurzen Untersuchung durch Militärärzte arbeitet er in einem Kaufhaus in Massachusetts als Porträtfotograf. Nachdem er einen Kunden verärgert hat, wird er entlassen. Freddie findet einen neuen Job als Landarbeiter, aber als ein Kollege an einem der von ihm gemixten Cocktails stirbt, muss er vor der Rache der anderen Männer fliehen.

1950 geht er angetrunken an einer Mole in San Francisco entlang. Da fällt ihm eine große Yacht auf, auf der eine Party gefeiert wird. Kurzerhand geht er an Bord. Am nächsten Morgen weckt ihn eine junge Frau namens Elizabeth Dodd (Ambyr Childers) und führt ihn zu ihrem Vater, dem Kapitän des Schiffes. Lancaster Dodd (Philip Seymour Hoffman) spricht Freddie darauf an, dass dieser sich am Vorabend um einen Job als Vollmatrose bewarb. Daran kann Freddie sich zwar nicht mehr erinnern, aber es wäre ihm recht, wenn er auf der Yacht anheuern könnte. Er fragt Dodd, was dieser mache. Die Antwort lautet: „Ich mache viele, viele Dinge. Ich bin Schriftsteller und Arzt und Atomphysiker und theoretischer Philosoph, aber vor allem bin ich ein Mann. Ein hoffnungslos wissbegieriger Mann. So wie sie.“ Dodd entgeht zwar nicht, dass er einen psychisch labilen Alkoholkranken vor sich hat, aber nachdem er sich von ihm einen Drink mixen ließ, gibt er ihm eine Chance und nimmt ihn mit nach New York.

Bei der Party am Vorabend handelte es sich um eine Hochzeitsfeier: Kapitän Dodd traute seine Tochter Elizabeth auf dem Schiff mit einem jungen Mann namens Clark (Rami Malek). Außer Lancester Dodd und dem frischverheirateten Paar sind auch seine Ehefrau Peggy (Amy Adams) und der Sohn Val (Jesse Plemons) mit an Bord.

Der immer gut gelaunte Charismatiker Lancester Dodd lässt sich als „The Master“ ansprechen, denn er ist dabei, die Sekte „The Cause“ zugründen. Er versteht es, die Menschen zu unterhalten und zu überzeugen, ist ein Menschenfänger und schart Jünger um sich. Hinter seiner gütigen Fassade verbergen sich seine Egomanie, sein Geschäftssinn und sein Bedürfnis nach Macht. Dodd gefällt sich in der Rolle als Freddies Heiler. Damit will er zugleich die Wirksamkeit seiner Methode in einem schwierigen Fall beweisen und einen besonders treuen bzw. von ihm abhängigen Anhänger gewinnen. Freddie findet Halt an ihm und lässt sich als Versuchskaninchen einer als „Aufarbeitung“ bezeichneten brutalen Befragung unterziehen, die kathartisch wirken soll. Außerdem hypnotisiert Dodd ihn, damit er Erlebnisse aus der Vergangenheit nachvollzieht. Der Guru glaubt an die Reinkarnation und ist überzeugt, Menschen durch Hypnose zu Erinnerungen an frühere Leben befähigen zu können. Das soll dazu dienen, schädliche Prägungen zu beseitigen.

Bei einer Veranstaltung des Meisters stört der Teilnehmer John More (Christopher Evan Welch) mit kritischen Fragen. Um 1 Uhr nachts überfällt Freddie den Mann in seinem Hotelzimmer und schlägt ihn zusammen. Am nächsten Morgen wundert er sich, dass der Guru ihn nicht für seinen Einsatz lobt, sondern als „dreckiges Tier“ beschimpft.

Auf einer Party singt The Master und animiert die anwesenden Damen dazu, sich nackt auszuziehen. Als er danach am Waschbecken steht, tritt seine schwangere Frau neben ihn und masturbiert ihn ebenso leidenschaftslos wie effektiv. Dann wischt sie sich die Hände an einem frischen Handtuch ab. Peggy hält sich zwar im Hintergrund, aber sie zieht die Fäden, führt auch ihren Mann und flüstert ihm seine Theorien ein.

In Pennsylvania wird Dodd verhaftet. Eine Gegnerin namens Mildred Drummond (Patty McCormack) hat ihn anzeigt. Man beschuldigt ihn, Geld veruntreut zu haben und eine illegale Schule zu betreiben. Während The Master sich widerstandslos Handschellen anlegen lässt, greift Freddie die Polizisten blindwütig an, aber sie sind in der Überzahl, ringen ihn nieder und nehmen ihn ebenfalls fest. In der Gefängniszelle zertritt Freddie erst einmal Gegenstände, um die aufgestaute Aggression abzureagieren. Das missfällt dem Meister in der Zelle daneben. Er kritisiert seinen Schützling, und sie geraten in einen heftigen Streit.

Nachdem Dodd zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, kommen er und Freddie wieder frei.

Freddie kehrt jedoch lange Zeit nicht zu Dodd zurück. Dann steht er unvermittelt vor der Tür. Dodd schaut ihn zunächst überrascht an, aber dann umarmt er ihn und rollt ausgelassen mit ihm über den Rasen.

The Master bringt Freddie und seinen Schwiegersohn Clark dazu, sich einander gegenüber zu setzen. Zunächst soll Clark Freddie provozieren, dann werden die Rollen vertauscht. Beiden Probanden gelingt es, sich zu beherrschen.

Dann soll Freddie so schnell wie möglich auf einem Motorrad über eine Sandebene in der Wüste rasen. Er nutzt die Gelegenheit, um Dodd erneut zu verlassen und will Doris besuchen. Aber von ihrer Mutter (Lena Endre) erfährt er, dass seine frühere Freundin seit drei Jahren mit Jim Day verheiratet ist, zwei Söhne hat und in Alabama lebt.

Die 23-Jährige heißt also jetzt Doris Day wie die Filmschauspielerin. Das bringt Freddie auf die Idee, ins Kino zu gehen. Dort schläft er ein.

Unvermittelt erhält er einen Anruf von Lancaster Dodd. The Master verrät nicht, wie er Freddie aufspürte, aber er drängt ihn, zu ihm nach England zu kommen. „Mein Raumschiff ist in Reparatur“, wendet Freddie ein, aber dann macht er sich doch auf den Weg. Val Dodd begrüßt Freddie in der großen Schule, die The Master inzwischen in England leitet und bringt ihn zu seinem Vater. In dessen Büro – einer monumentalen Halle – sitzt auch Peggy. Frostig meint sie, dass Freddie sich nicht von seiner Alkoholabhängigkeit befreit habe und noch kränker sei als zuvor. „Er hat kein Interesse daran, gesund zu werden“, sagt sie zu ihrem Mann, der schweigend zuhört.

Dodd glaubt inzwischen, er habe Freddie bereits in einem anderen Leben kennengelernt, und zwar im deutsch-französischen Krieg. Während der Belagerung von Paris vom 23. September 1870 bis 22. Januar 1871 hätten sie sich beide um die Brieftauben gekümmert, mit denen der Kontakt in die abgeriegelte Stadt aufrechterhalten wurde, erzählt er.

Niemand komme ohne einen Meister aus, behauptet Dodd, und er fordert Freddie auf, bei ihm zu bleiben. „Im nächsten Leben vielleicht“, sagt Freddie in Anspielung auf Dodds Glauben an die Reinkarnation. The Master überlässt ihm die Entscheidung, weist ihn aber darauf hin, dass die Trennung endgültig wäre, falls Freddie jetzt nicht bliebe. Und bei einem Wiedersehen in einem anderen Leben wären sie Feinde, meint er.

In einem Pub flirtet Freddie mit einer nicht mehr ganz jungen Frau namens Winn Manchester (Jennifer Neala Page). Sie geht darauf ein und schläft mit ihm.

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Es gibt Parallelen zwischen der Filmfigur Lancaster Dodd und dem Scientology-Gründer L. Ron Hubbard (1911 – 1986). Beispielsweise ähnelt Dodds „Aufarbeitung“ der zur gleichen Zeit – 1950 – von Hubbard beschriebenen Dianetik. Aber Paul Thomas Anderson setzt sich in „The Master“ nicht mit den Scientologen auseinander. Das ist nicht sein Thema. Ihm geht es um Charisma und Manipulation, Beherrschung und Abhängigkeit im Allgemeinen. Da zeigt er Mechanismen auf, ohne sie zu werten.

„The Master“ ist kein eleganter, sondern ein sperriger Film, denn statt eine Handlung fließend zu entwickeln, irritiert Paul Thomas Anderson die Zuschauer mit abrupten Schnitten und Szenenwechseln. Diese Brüchigkeit wird durch eine entsprechend heterogene Musikuntermalung noch verstärkt. Im Gegensatz zu diesen Sprüngen verharrt der Film innerhalb der Episoden lange bei Details. Und weil sich die Charaktere nicht verändern bzw. entwickeln, sind 135 Minuten eine sehr lange Zeit. Paul Thomas Anderson hat „The Master“ auch nicht darauf angelegt, die Kinogänger zu unterhalten; er bietet weder Spannung noch Ironie, Humor oder Komik.

Sehenswert ist „The Master“ wegen Philip Seymour Hoffman, Joaquín Phoenix und Amy Adams, die denn auch alle drei für einen „Oscar“ nominiert wurden. Joaquin Phoenix beweist Mut zur Hässlichkeit, geht aber beinahe zu weit in Richtung Karikatur und Overacting. Im Gegensatz dazu nimmt Amy Adams sich konsequent zurück. Die Figur, die sie verkörpert, wirkt selbstsicher und emotionslos. Philip Seymour Hoffman beeindruckt durch seine schiere Präsenz, mit der er das Charisma des „Meisters“ überzeugend darstellt. Während manche Szenen mit Joaquín Phoenix an Marlon Brando in „Der Pate“ erinnern, denkt man bei Philip Seymour Hoffman an Orson Welles in „Citizen Kane“.

Bemerkenswert ist, dass Paul Thomas Anderson in „The Master“ viel auf Improvisation setzte und lieber Bildunschärfen in Kauf nahm, als den Schauspielern Bodenmarkierungen vorzugeben.

Im Gegensatz zu der düsteren Handlung zeigt uns Mihai Malaimare jr. zwischendurch grandiose Bilder von einem mit Kohl bebauten Feld, einer Wüstenlandschaft und immer wieder von aufgewirbeltem Wasser.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013

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