Jack

Jack

Jack

Jack – Originaltitel: Jack – Regie: Edward Berger – Drehbuch: Edward Berger, Nele Mueller-Stöfen – Kamera: Jens Harant – Schnitt: Janina Herhoffer – Musik: Julian Maas, Christoph M. Kaiser – Darsteller: Ivo Pietzcker, Georg Arms, Luise Heyer, Nele Mueller-Stöfen, Vincent Redetzki, Jacob Matschenz, Odine Johne, Johann Jürgens, Antony Arnolds u.a. – 2014; 100 Minuten

Inhaltsangabe

Eine ebenso lebensfrohe wie leichtsinnige junge Frau liebt ihre beiden kleinen, ver­mutlich ungewollt geborenen Söhne so, wie man Schmusetiere mag, aber für eine Mutter ist sie zu wenig erwachsen und zu sehr auf ihr Vergnügen bedacht. Sanna ist nicht bösartig, im Gegenteil, ihr fehlt nur jegliches Verantwortungs­bewusstsein, und sie überlässt es dem zehnjährigen Jack, für sich und seinen jüngeren Bruder zu sorgen. Jack ist ein ernster Junge; er strengt sich an, doch die Aufgabe überfordert ihn ...
mehr erfahren

Kritik

Die ergreifende Geschichte wird konsequent aus Jacks Perspektive erzählt, eines zehn Jahre alten Jungen, der von Ivo Pietzcker eindrucksvoll und überzeugend verkörpert wird.

mehr erfahren

Sanna hat zwei Söhne von zwei verschiedenen Vätern, die der zehnjährige Jack (Ivo Pietzcker) und sein vier Jahre jüngerer Bruder Manuel (Georg Arms) nicht kennen. Bevor Jack zur Schule rennt, macht er für Manuel das Frühstück, und auch sonst kümmert er sich um den Bruder, das Essen, die Wäsche und so weiter, denn die junge, alleinerziehende Mutter ist selten in ihrer Berliner Wohnung. Womit sie beschäftigt ist, weiß Jack nicht so genau, aber es hat wohl etwas mit Männern zu tun.

Nachts wacht er auf, weil er sie kichern und stöhnen hört. Jack geht in ihr Schlafzimmer und überrascht sie beim Liebesspiel mit Philipp (Jacob Matschenz). Der springt erschrocken aus dem Bett, aber Sanna geniert sich nicht: Ohne auch nur einen Slip anzuziehen, geht sie mit Jack in die Küche, gibt ihm ein Glas Saft zu trinken und schickt ihn dann wieder schlafen. Am anderen Morgen wirft Jack die Kleidung des Liebhabers aus dem Fenster. Philipp fordert Jack vergeblich auf, die Sachen zurückzuholen und erhält auch von Sanna keine Unterstützung; er muss selbst hinunter auf die Straße.

Anders als die Mutter, fühlt Jack sich für Manuel verantwortlich, und er strengt sich an, seine selbst gestellte Aufgabe zu erfüllen. Eines Nachmittags geht er mit Manuel zum Spielen an einen See. Als das Modellboot des kleinen Bruders abtreibt, hält Jack ihn davon ab, zu weit ins Wasser zu gehen und fischt es mit einem Ast heraus. Durchnässt kommen sie nach Hause. Um einer Erkältung vorzubeugen, lässt Jack heißes Badewasser ein, und weil Manuel Hunger hat, schmiert er parallel dazu in der Küche Brote. Da alarmiert ihn Manuels Geschrei aus dem Bad: Der kleine Junge hat sich verbrüht. Sie müssen ins Krankenhaus.

Dadurch wird das Jugendamt auf Sanna und ihre Söhne aufmerksam. Manuel soll bei der Mutter bleiben, aber Jack muss in ein Jugendheim. Dort wird er von älteren Bewohnern verprügelt. Die Betreuerin Becki (Nele Mueller-Stöfen) vertröstet Jack auf die Ferien, die er bei seiner Mutter verbringen dürfe. Am ersten Ferientag wartet er jedoch vergeblich auf Sanna; sie ruft an und sagt, sie könne ihn erst in ein paar Tagen abholen.

Frustriert geht Jack mit dem Fernglas, das sein bereits abgereister Zimmergenosse von seinem Vater geschenkt bekam, zum nahen See. Danilo (Antony Arnolds), ein älterer Heimbewohner, der ebenfalls nicht abgeholt wurde, drückt Jack unter Wasser und wirft dann das am Ufer liegende Fernglas weit in den See. In seinem Zorn hebt Jack einen Ast auf und schlägt Danilo nieder. Vergeblich taucht er nach dem Fernglas, das seinem Zimmergenossen so viel bedeutet. Als er wieder ans Ufer kommt, liegt Danilo immer noch leblos am Boden. Erschrocken denkt Jack, er habe ihn umgebracht, und rennt weg. Aber nach einer Weile sieht er nochmals nach, und Danilo ist nicht mehr da.

Statt ins Heim zurückzukehren, schläft Jack im Wald und schlägt sich dann nach Berlin durch. Er trinkt in öffentlichen Toiletten, und von den paar Münzen, die er besitzt, kauft er sich schließlich einen Döner. Er klingelt an der eigenen Wohnungstüre, aber niemand öffnet, und im gewohnten Versteck liegt kein Schlüssel. Die Nacht verbringt Jack in einem in der Tiefgarage des Mietshauses geparkten Auto, das nicht abgeschlossen ist.

Als er am nächsten Morgen wieder nach oben geht, erblickt er Becki mit zwei Polizisten. Aber er weicht rechtzeitig zurück, und sie bemerken ihn nicht.

Sannas Freundin Kati (Odine Johne) arbeitet in einer Spülküche. Sie weiß auch nicht, wo Sanna ist, gibt Jack aber wenigstens etwas zu essen mit.

Seinen Bruder spürt Jack bei Bekannten seiner Mutter auf. Wortlos schiebt ein Mann den kleinen Jungen aus der Wohnungstür. Er ist froh, ihn los zu sein.

Vier Tage lang streifen die beiden Kinder auf der Suche nach der Mutter durch Berlin. Immer wieder klingeln sie an ihrer Wohnung und hinterlassen Nachrichten für die Mutter, aber es bleibt vergeblich. Zwischendurch hilft ihnen Sannas in einer Autovermietung beschäftigter Bekannter Jonas (Vincent Redetzki), aber als er die Suche aufgibt und die beiden Jungen zur Polizei bringen will, reißen sie aus, und er unternimmt nichts weiter.

In der Wohnung brennt Licht! Aufgeregt holt Jack seinen Bruder, den er zum Schlafen auf eine Anlagenbank gelegt hat. Sie klingeln, und tatsächlich ist ihre Mutter zu Hause. Sanna knuddelt ihre Kinder wie zwei Schmusetiere. Sie habe einen Mann kennengelernt, erzählt sie freudestrahlend, und diesmal handele es sich um eine dauerhafte Beziehung. Dann fragt sie: „Und, was habt ihr so gemacht?“ Eine Antwort wartet sie gar nicht ab.

Am frühen Morgen packt Jack seinen Rucksack und nimmt auch den Feldstecher mit, den er als Ersatz für den im See liegenden in einem Laden gestohlen hat. Ohne die Mutter zu wecken, verlässt er mit Manuel die Wohnung. Sie fahren mit der Bahn, und Jack geht zielstrebig mit seinem kleinen Bruder zum Heim. Dort drückt er entschlossen auf die Klingel.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Eine lebensfrohe, ebenso leichtsinnige wie gedankenlose junge Frau, die zwei von verschiedenen Männern gezeugte Kinder geboren hat, vermutlich ungewollt, liebt die beiden kleinen Söhne so, wie man Schmusetiere mag, aber für eine Mutter ist sie zu wenig erwachsen und zu sehr auf ihr Vergnügen bedacht. Sanna ist nicht bösartig, im Gegenteil, es fehlt ihr nur jegliches Verant­wortungs­bewusstsein, und sie überlässt es dem zehnjährigen Jack, für seinen vier Jahre jüngeren Bruder zu sorgen. Jack ist ein ernster Junge; er strengt sich an, doch die Aufgabe überfordert ihn.

Verkörpert wird dieser Jack von Ivo Pietzcker, der bei den Dreharbeiten elf Jahre alt war und das erste Mal vor der Kamera stand. Er spielt Jack mit einer unglaublichen Intensität, eindrucksvoll und überzeugend. Das ist eine erstaunliche Leistung, zumal Ivo Pietzcker ständig im Bild ist. Die ergreifende Geschichte wird nämlich konsequent aus der Perspektive des Zehnjährigen erzählt. Was er nicht erlebt, bleibt ausgespart, und was er nur unzureichend versteht, wird auch uns nicht erläutert. Um Ivo Pietzcker in Augenhöhe filmen zu können, ging Jens Harant mit der Kamera auf der Schulter in die Hocke – 48 halbe Drehtage lang.

Das Ehepaar Edward Berger und Nele Mueller-Stöfen schrieb das Drehbuch, das einige Ellipsen enthält, so zum Beispiel, wenn von Manuels Verbrühung auf die Unterredung im Jugendamt und von dieser Szene dann auf Jacks erstes Mittagessen im Jugendheim geschnitten wird.

Bemerkenswert ist auch die Zurückhaltung bei der Musikuntermalung.

Die Premiere von „Jack“ fand am am 7. Februar 2014 im Rahmen der 64. Berlinale statt. Ins Kino kam „Jack“ am 9. Oktober 2014. Der Film wurde 2015 mit dem Deutschen Filmpreis in Silber ausgezeichnet. Nominiert hatte man auch die Regie und das Drehbuch.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2015

Edward Berger: Bloch. Schwestern
Edward Berger: Windland

Lara Andriessen - Blutiger Sonnenaufgang
"Blutiger Sonnenaufgang" ist ein erschütternder Roman, in dem die Autorin Lara Andriessen eigene Kindheitserlebnisse zu verarbeiten versucht. Sie schreibt nicht abstrakt über die Traumatisierung, sondern lässt die Personen aus der Sicht des Mädchens szenisch agieren.
Blutiger Sonnenaufgang