T. C. Boyle : Die Terranauten

Die Terranauten
Originalausgabe: The Terranauts Ecco, New York 2016 Die Terranauten Übersetzung: Dirk van Gunsteren Carl Hanser Verlag, München 2017 ISBN: 978-3-446-25386-5, 608 Seiten ISBN: 978-3-446-25559-3 (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

1994 lassen sich acht sorgfältig trainierte und ausgewählte Terranauten für zwei Jahre in der "Ecosphere 2" einschließen, einem abgeschlossenen Ökosystem in Arizona. Die physische Belastung ist hoch, nicht nur, weil die produzierten Lebens­mittel knapp sind, sondern auch, weil die Gruppendynamik von Eitelkeit und Geltungssucht, Missgunst und Rivalität, Sexualtrieb und Eifersucht geprägt wird. Die Situation spitzt sich zu, als eine Terranautin schwanger wird ...
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Kritik

"Die Terranauten" ist eine Satire auf die Mediengesellschaft mit ihren Reality-Shows und die Gier nach Publicity. T. C. Boyle entwickelt die auf einem tatsächlich durchgeführten Experiment basierende Handlung chronologisch und abwechselnd aus der Sicht von drei Romanfiguren.
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Im Frühjahr 1994 sind 16 Frauen und Männer darauf vorbereitet, zwei Jahre in einem autarken, abgeschlossenen Ökosystem in Tucson/Arizona zu verbringen, das „Ecosphere 2“ genannt wird (im Unterschied zur Erde, der „Ecosphere 1“). Die Errichtung der riesigen Anlage mit künstlichen Mini-Lebensräumen – darunter ein Regenwald und ein Meer mit Korallen – wurde von dem Milliardär Darren Iverson finanziert. Das Konzept hatte Jeremiah Reed erdacht, den alle Beteiligten nur GV (Gottvater) nennen. Er leitet SEE (Space Ecosphere Enterprises) nun auch in „Dreifaltigkeit“ mit Judy Forester und Dennis Roper. Bei Mission 1 öffnete man die Luftschleuse bereits nach zwölf Tagen für kurze Zeit, weil sich die Terranautin Rebecca Brownlow in der Dreschmaschine eine Fingerkuppe abgetrennt hatte und im Krankenhaus versorgt werden musste.

Die 16 Kandidaten für Mission 2 wissen, dass nur acht von ihnen ausgewählt werden. Trotz des Team Spirits herrscht also ein Konkurrenzdruck.

Die 29-jährige Dawn Chapman gehört zu den Glücklichen; die drei Jahre ältere Linda Darlene Ryu, mit der sie sich eng angefreundet hat, dagegen nicht. Das ist für Linda nur schwer zu verkraften. Die Tochter eines in die USA eingewanderten koreanischen Ärzte-Ehepaars führt die Entscheidung auf Vorurteile zurück.

Dawn Chapman wird sich in den zwei Jahren der Isolation als Nutztierwärterin betätigen. Kapitänin ist Diane Kesselring, die zugleich als Nutzpflanzensupervisorin berufen wird. Außerdem gehören zur Crew für Mission 2 der Technosphärensupervisor Tom Cook, die Wildbiotopsupervisorin Gretchen Frost, der Missionsarzt Richard Lack und der Kommunikationsoffizier Ramsay Roothoorp, Stevie van Donk als Spezialistin für Meeresökologie und Troy Turner als Leiter des Bereichs Analytische Systeme.

Dawn (Spitzname Eos, abgekürzt E) verabschiedet sich von ihrem festen Freund Johnny Boudreau, einem der Vorarbeiter beim Bau der Ecosphere 2, der am Wochenende mit einer Band auftritt. Ramsay (Spitzname: Vaj) treibt es am Abend vor dem Einschluss in der Toilette für leitende Angestellte noch einmal mit Judy Forester. Der 36-Jährige wird nun für zwei Jahre auf sie ebenso verzichten müssen wie auf Rhonda Ronson.

Die Einschlusszeremonie am Morgen des 6. März 1994 wird von den Medien und Schaulustigen verfolgt. Auch in den folgenden Tagen und Wochen drängen sich neugierige Touristen vor den Glasfassaden und schauen ins Innere.

Wenn das Experiment gelingen soll, muss die Ecosphere 2 zwei Jahre lang hermetisch geschlossen bleiben. Von außen zugeführt wird außer der natürlichen Sonneneinstrahlung lediglich der für den Betrieb der Anlage erforderliche elektrische Strom. (Solarzellen sind Mitte der Neunzigerjahre noch nicht weit genug entwickelt.) Es gibt weder Internet noch Fernsehen. Für die Kommunikation mit Menschen in der „Ecosphere 1“ stehen den vier Frauen und vier Männern zwei mit Mission Control verkabelte Telefone, davon eines mit Video, zur Verfügung. Außerdem wurde am Besucherfenster eine Gegensprechanlage wie im Besucherraum einer Haftanstalt angebracht.

Durch Zufall beobachtet Ramsay Dawn und Johnny am Besucherfenster. Dawn zeigt ihrem Freund die Brüste. Das erregt Ramsay ebenso wie Johnny, obwohl sich die Frauen auch beim Baden im Mini-Ozean ausziehen. Aber nicht mit Dawn, sondern mit Gretchen geht Ramsay bald darauf ins Bett. Dass er ausgerechnet mit der ältesten Terranautin – sie ist vier Jahre älter als er – eine Affäre anfangen würde, hätte er sich anfangs nicht vorstellen können.

Linda Ryu, die weiterhin beim Projekt mitarbeitet und dem mit acht neuen Aspiranten aufgefüllten neuen Team angehört, aus dem in zwei Jahren acht Terranauten für Mission 3 ausgewählt werden, lässt sich auf einen One-Night-Stand mit Dawns Freund Johnny Boudreau ein.

Der Missionsarzt Richard Lack, der mit 48 Jahren das älteste Crew-Mitglied ist, untersucht die Terranauten regelmäßig und fotografiert sie dabei auch jeweils nackt von vorne, hinten und den Seiten, um die Veränderung der Körper zu dokumentieren. Aufgrund der anstrengenden Arbeit und des eingeschränkten Nahrungsangebots, das sie selbst in der Ecosphere 2 produzieren, nehmen die Männer und Frauen rasch ab.

Nach etwa einem halben Jahr stieg die Menge lipophiler Stoffe (PCB, DDE und DDT) in unserem Blut an, denn als wir die Fettreserven, in denen sie gespeichert waren, verbrannten, gelangten sie in die Blutbahn, und unter uns war keiner, der nicht ernüchtert gewesen wäre angesichts dieses Nachweises – im Blut nachweisbar! –, dass mit der Welt etwas nicht in Ordnung war.

Zwar bewohnt jeder Terranaut ein 32 Quadratmeter großes Apartment, aber je zwei von ihnen teilen sich ein Bad, und eine Privatsphäre gibt es so gut wie nicht. Durch die Glaswände können Touristen und Reporter ins Innere der Ecosphere 2 sehen, und bei Mission Control sitzen Malcolm Burts, Linda Ryu, Jeff Weston, Ellen Shapiro und andere vor den Bildschirmen der überall installierten Über­wachungs­kameras. GV, Judy und Dennis lassen sich fortwährend berichten, wie sich die einzelnen Terranauten verhalten.

Ein Lastwagenfahrer, der nicht nur Alkohol, sondern auch Methamphetamin im Blut hat, kommt von der Straße ab und kracht gegen einen Strommast. Die Funken entfachen ein Buschfeuer, das zwei Transformatorenhäuschen des Unternehmens Tucson Electric Power zerstört. Dadurch fällt in der Gemeinde – und in der Ecosphere 2 – der Strom aus. Das Projekt verfügt zwar über drei Dieselgeneratoren für den Notfall, aber davon funktioniert nur einer.

Der eine wurde gerade repariert und war nicht einsatzbereit, der zweite sprang nicht an, und so gab es nur einen einzigen Generator für die gewaltigen Mengen Strom, die nötig waren, um E2 in Gang zu halten. Das Problem war, dass sich ein geschlossenes Glasgebäude ohne die Maschinen, die die Luft in Bewegung hielten und kaltes Wasser durch unsere Rohrleitungen pumpten, in kürzester Zeit in eine Art Dampfkochtopf verwandeln würde.

Sämtliche nicht unbedingt erforderlichen Systeme müssen abgeschaltet werden. Als die Temperatur auf 48 Grad Celsius gestiegen ist, kündigt GV die Öffnung der Luftschleuse in zehn Minuten an. Im letzten Augenblick gelingt es den Technikern, auch die beiden anderen Generatoren einzuschalten.

Ramsay bereut bald, sich mit Gretchen eingelassen zu haben, denn er bekommt sie nicht mehr los. Und als er ihr klarmacht, dass es für ihn um nichts als Sex ging, wird sie depressiv. Das fällt auch Mission Control auf. Deshalb wird jedem Terranauten ein Mitglied des Bewerber-Teams für Mission 3 zugeteilt. Offiziell werden die Terranauten beauftragt, die Neuen zu coachen, aber in Wirklichkeit ist es umgekehrt.

Nachdem Tom Cook (Spitzname: Düsentrieb) von einer Kamera beim Masturbieren im nächtlichen Regenwald aufgenommen wurde, überredet GV Dawn, sich um den Techniker zu kümmern. Sie ist zwar nicht bereit, mit ihm ins Bett zu gehen, setzt sich jedoch beim Essen neben ihn und schenkt ihm mehr Beachtung. Tom miss­versteht das und beginnt von einer Liebesbeziehung zu träumen. Dawn wiederum verliebt sich in Ramsay und beginnt an Weihnachten eine Beziehung mit ihm.

Im Frühjahr vertraut sie Linda am Besucherfenster an, dass ihre Periode ausgeblieben sei. Das führt sie zunächst auf die unzureichende Ernährung zurück, denn eine Schwangerschaft in der künstlichen Welt erscheint ihr undenkbar. Als ihr dann auch morgens regelmäßig übel ist, konsultiert sie den Arzt. Der ahnt bereits, dass Dawn mit Ramsay schläft und stellt nach einer Untersuchung fest, dass sie schwanger ist. Ramsay ist ebenfalls entsetzt, als er es erfährt.

Tut mir leid, wenn ich nicht besonders mitfühlend war, aber dass sie die Pille nicht nahm, war einfach unbegreiflich. Von der Pubertät bis zu den Wechseljahren nahm jede Frau in diesem Land die Pille.

Beim ersten Mal – nach der mit selbst gebranntem Arrak gekrönten Weihnachtsfeier – waren Dawn und Ramsay so erregt, dass sie kein Kondom benutzten. Da muss es passiert sein. Für Ramsay steht fest, dass es keine andere Lösung als eine Abtreibung gibt. Als Linda fünf Wochen nach Richard und Ramsay erfährt, dass Dawn schwanger ist, erwartet sie, dass die Luftschleuse für Dawn geöffnet werden muss.

Dawn ist schwanger, und das ist schade, bedauerlich, eine Tragödie erster Ordnung, aber mein einziger Gedanke ist: Ich komme rein!

Obwohl Linda versprochen hat, das Geheimnis zu wahren, von dem nur sie, Dawn, Ramsay und Richard wissen, verrät sie es Judy. Die Betriebsdirektorin erklärt Dawn am Videotelefon, dass Mission Control den Einschluss nicht unterbrechen werde. Dawn vermutet, dass sie durch die Drohung unter Druck gesetzt werden soll, um sich innnerhalb der Ecosphere einer der Öffentlichkeit verheimlichten Abtreibung zu unterziehen. Richard erläutert Dawn denn auch, wie so ein Eingriff durch Dilatation und Kürettage vorgenommen wird. Aber die Terranautin will das Kind austragen, und zwar in der Ecosphere 2, ohne Öffnung der Luftschleuse. GV, der erkennt, welche PR-Möglichkeiten sich dadurch ergeben, stimmt zu, überredet Dawn und Ramsay aber zugleich zur publikums­wirk­samen Eheschließung.

Während die Schwangerschaft zunächst noch geheim gehalten wird, findet die Hochzeit am 1. Mai 1995 statt. Dawns Mutter bringt den Ring mit, den ihre Mutter bis zum Tod trug und ist fassungslos, als die Tochter ihr erklärt, dass während des Einschlusses nichts in die Ecosphere 2 geholt werden könne.

„Komm mir nicht damit. Das ist reiner Blödsinn.“

Dann fragt sie verärgert:

„Wozu überhaupt die Eile? Ich meine, wieso konntest du nicht die zehn Monate warten und eine richtige Hochzeit feiern, bei der deine Eltern dabei sein können?“

Der Geistliche Tom Yellowtail, ein Crow-Indianer von Dan Black Elks Stamm, tritt vor das Besucherfenster und nimmt vor laufenden Fernsehkameras die Trauung vor.

Judy rächt sich an Ramsay, indem sie sich nachts mit ihm am Besucherfenster verabredet, sich auf den Hocker setzt und die Beine spreizt, damit er sieht, dass sie keine Unterwäsche trägt.

Allmählich fällt Dawns Rundung auf, und es verbreiten sich Gerüchte über eine Schwangerschaft. Daraufhin verkündet Mission Control auf einer Pressekonferenz, dass Dawn Chapman-Roothoorp in der Ecosphere 2 ein Kind bekommen werde und man volles Vertrauen in den Missionsarzt Dr. Richard Lack als Geburtshelfer habe.

Das eigentliche Problem waren, wie sich erwies, nicht die Journalisten – die waren ebenso erpicht darauf wie wir, das Ganze als auflagensteigernde Wohlfühlstory zu verkaufen –, sondern die anderen sechs Crewmitglieder.

Dawn leidet wie die anderen unter der Knappheit der Rationen, aber durch die hormonalen Veränderungen giert sie regelrecht nach Essbarem und schreckt nicht einmal vor dem Futter zurück, das Gretchen für die Galagos ausstreut. Auch andere Terranauten stehlen zum Beispiel Bananen, und schließlich muss der Vorratsraum mit einem Schloss versehen werden.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Am 20. September 1995 bringt Dawn die Tochter Eve zur Welt. Bei der Entbindung assistiert Diane Kesselring dem Missionsarzt. Ramsay sollte eigentlich dabei sein, aber er verdrückt sich.

Eine geglückte Geburt und eine stillende Mutter innerhalb der Ecosphere 2, das ist eine Sensation. Mission Control freut sich über die Publicity für das Projekt.

Auf Anweisung Richards ruht Dawn sich eine Woche lang aus, aber dann erledigt sie wieder ihr Arbeitspensum und trägt Eve dabei in einem gebastelten Gestell auf dem Rücken. Weil eine stillende Mutter täglich 500 Kalorien zusätzlich benötigt, müssen sich die anderen Terranauten noch stärker einschränken. Nur widerwillig finden sie sich damit ab.

Der Sauerstoffanteil der Luft ist inzwischen auf weniger als 15 Prozent gesunken. Das entspricht einer Atmosphäre in 3000 Metern Höhe. Weil die Hypoxie zu neuralen Schäden führen kann, sprechen sich einige Terranauten für eine einmalige Zufuhr von Sauerstoff in die Ecosphere 2 aus, aber bei der Abstimmung ergibt sich ein Patt: vier gegen vier. Und die Schleusen bleiben geschlossen.

Während zwischen der ersten und zweiten Mission eine mehrmonatige Pause eingelegt wurde, sieht der Plan einen nahtlosen Übergang von Mission 2 zu Mission 3 am 6. März 1996 vor.

Genau einen Monat vorher, am 6. Februar, wird die Zusammensetzung der dritten Crew bekanntgegeben: Diesmal ist Linda dabei. Sie soll Dawns Aufgaben als Nutztierwärterin übernehmen.

Dawn will die Ecosphere 2 jedoch nicht verlassen, sondern mit Eve weitere zwei Jahre eingeschlossen bleiben. Als sie den anderen Terranauten ihre Absicht verkündet, findet eine Abstimmung statt, bei der alle anderen einschließlich Ramsay gegen sie stimmen. Damit scheint die Entscheidung gefallen zu sein. Davon geht auch Linda aus, die von ihrer Freundin eingeweiht wird. Dawn setzt sich allerdings heimlich mit GV in Verbindung. Der lässt auch Ramsay ans Telefon holen und drängt ihn, bei seiner Ehefrau und seiner Tochter in der Ecosphere 2 zu bleiben. Nach einer Bedenkzeit erklärt Ramsay sich dazu bereit, besteht jedoch darauf, wenigstens die zwei Stunden zwischen dem Ende von Mission 2 und dem Beginn von Mission 3 mit den anderen Terranauten außerhalb der Ecosphere 2 verbringen und mit ihnen feiern zu dürfen. GV, Dawn und Ramsay einigen sich darauf, die Planänderung bis zuletzt geheim zu halten, um mit der sensationellen Überraschung erneut für Publicity zu sorgen.

Am 6. März 1996 wundern sich die Reporter darüber, dass nur sechs der für Mission 3 ausgesuchten Männer und Frauen in den roten Uniformen der Terranauten auftreten. Linda Ryu und Malcolm Burts tragen keine. Sie haben am Morgen erfahren, dass Dawn und Ramsay weitere zwei Jahre in der Ecosphere 2 bleiben werden. Linda ist außer sich und sinnt bereits auf Rache. Weder Diane Kesselring, noch Tom Cook, Gretchen Frost, Richard Lack oder Stevie van Donk sind in den Plan eingeweiht. Sie sind ebenso wie die Reporter über­rascht, als sie nacheinander die Luftschleuse passieren, und Dawn ihnen nicht mit Eve folgt.

Kurz darauf taucht Dawn am Besucherfenster auf, und GV gibt die Neuigkeit bekannt: Die Familie Chapman-Roothoorp wird auch zur Mission 3 gehören.

Ramsay saugt draußen gierig die Luft ein, trinkt Champagner, isst so viel er kann, und der Anblick der Frauen mit kurzen Röcken und High Heels erregt ihn.

Computerrevolution, die weltweite Vernetzung, PCs in sechsunddreißig Prozent der amerikanischen Haushalte –, und ich hatte nichts davon mitbekommen. Ebenso wenig wie von anderen Großereignissen.

In der Toilette beschließt er, nicht länger mitzumachen. Er rennt davon, hinaus in die Wüste. Man findet ihn erst am nächsten Morgen.

Er erfährt, dass nun doch Malcolm an seiner Stelle in der Ecosphere 2 ist. Der Presse teilte man mit, Ramsay sei auf einer Treppe gestürzt. Dennis erklärt ihm, er dürfe sich eine Woche lang nicht sehen lassen und müsse dann für einige Zeit einen Gehgips und einen Kopfverband tragen. Damit wird er dann vor dem Besucherfenster gefilmt, während Dawn mit Eve in den Armen auf der anderen Seite der Scheibe steht. Dass sie nicht aus Kummer, sondern vor Zorn schluchzt, können die Reporter nicht wissen.

[…] es war das erschütternde Szenario einer jungen Familie, die durch tragische Umstände auseinandergerissen worden war, sodass der Vater die Seinen fortan nur am Besucherfenster sehen konnte.

Ramsay zieht die Schmierenkomödie durch. Er weiß, dass Space Ecosphere Enterprises auf ihn und seine Verschwiegenheit angewiesen ist, und daraus will er Kapital schlagen. Er lässt sich zum leitenden Direktor für Public Relations befördern.

Linda sieht es ähnlich. Die Überraschung am 6. März bedeutete für sie eine tiefe Demütigung. Aber Judy bot ihr nicht nur einen Scheck über 50 000 Dollar, sondern dazu einen Anstellungsvertrag als geschäftsführende Vizepräsidentin von SEE an und außerdem die Garantie, dass sie bei Mission 4 dabei sein werde. Als Gegenleistung erwartet man von ihr, dass sie mit ihrem Wissen über Dawn und vor allem Ramsay nicht zur Presse geht.

Ihre Rachepläne hat Linda allerdings nicht aufgegeben. Heimlich durchsucht sie Judys E-Mail-Ablage, und prompt entdeckt sie eine Verabredung von ihr mit Ramsay. Sie parkt gegenüber dem Motel, schraubt ein Teleobjektiv auf die eigens für solche Zwecke angeschaffte Kamera und knipst damit Fotos von Judy und Ramsay beim Betreten eines Apartments.

Wartet nur, bis GV diese Bilder sieht. Wartet nur, bis Dawn sie sieht.

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Der Roman „Die Terranauten“ von T. C. Boyle basiert auf dem Projekt „Biospäre 2“, das in den Neunzigerjahren in Arizona durchgeführt wurde. Die drei fiktiven Autoren tun denn auch so, als wüssten wir Leser bereits einiges aus den Medien:

Bestimmt erinnern Sie sich an die Presseberichte in jenem Herbst, als wir das letzte Schwein schlachteten, weil wir nicht genug Futter für sie hatten und dringend Fleisch brauchten.

„Die Terranauten“ ist eine Satire auf die Mediengesellschaft und die Gier nach Publicity. Wie in einer Reality-Show – zum Beispiel: „Big Brother“ oder „Dschungelcamp“ – wird eine isolierte Gruppe von Menschen von außen begafft. Tom Coraghessan Boyle lässt drei Ich-Erzähler auftreten. Linda beobachtet das Geschehen von außen, ist aber als Mitarbeiterin des Unternehmens sowie durch ihre eigenen Ambitionen und persönliche Beziehungen selbst daran beteiligt. Bei Dawn und Ramsay handelt es sich dagegen um Terranauten im Einsatz; sie verbringen zwei Jahre in der „Ecosphere 2“, erleben also die von Eitelkeit und Geltungssucht, Missgunst und Rivalität, Sexualtrieb und Eifersucht geprägte Gruppendynamik unmittelbar und berichten darüber aus ihren subjektiven Perspektiven.

Allerdings bleiben sie kaum weniger schablonenhaft wie die übrigen Romanfiguren. T. C. Boyle versucht nicht, die Charaktere und ihre Entwicklung auszuleuchten. Die Handlung entwickelt er chronologisch und leider auch langatmig. Eine Straffung hätte dem Roman „Die Terranauten“ gutgetan.

Übrigens weist der Plot in einigen Aspekten auch Ähnlichkeiten mit der Dystopie „The Circle“ von Dave Eggers und dem Film „Die Truman-Show“ (Regie: Peter Weir) auf.

Den Roman „Die Terranauten“ von T. C. Boyle gibt es auch als Hörbuch, gelesen von August Diehl, Ulrike C. Tscharre und Eli Wasserscheid.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2017
Textauszüge: © Carl Hanser Verlag

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