T. C. Boyle : Schluss mit cool

Schluss mit cool
Originalausgabe: After the Plague Viking Penguin, New York 2001 Schluss mit cool Übersetzung: Werner Richter Carl Hanser Verlag, München / Wien 2002 dtv, München 2004 ISBN 3-423-13158-6, 391 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Torschusspuder – Nicht zimperlich – Babymörder – Gefangene der Indianer – Achates McNeil – Mexiko – Die Liebe meines Lebens – Rost – Peep Hall – Abwärts – Guten Flug – Die schwarz-weißen Schwestern – Schluss mit cool – Meine Witwe – Die unterirdischen Gärten – Nach der Pest
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Kritik

Einige der Plots in "Schluss mit cool" wirken konstruiert, wie virtuelle Laborsituationen, in denen die Stresstoleranz der Figuren ausgetestet werden soll. Obwohl die meisten der Geschichten mit einem Fiasko enden, schildert T. C. Boyle das Geschehen kühl und unaufgeregt – allerdings mit einem gehörigen Schuss Sarkasmus.
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Gefangene der Indianer

Sean bereitet sich auf seine Promotion in Literaturtheorie vor. Sobald er den Doktor geschafft hat, will er Melanie heiraten, die als Assistentin im Katalogsaal der Universitätsbibliothek arbeitet und davon die Miete für die gemeinsame Wohnung bezahlt. Melanie möchte Sean sagen, dass sie im zweiten Monat schwanger ist, aber nachdem sie mit ihm einen Vortrag der Bioethikerin Dr. Tony Brinsley-Schneider besucht hat, wartet sie damit lieber noch etwas, denn die Referentin hatte für Euthanasie plädiert und gefragt:

„Will den wirklich auch nur einer von Ihnen noch mehr Apartmenthäuser, noch mehr Ghettos und favelas, noch mehr Autos auf den Freeways? Noch mehr Behindertenbetreuungseinrichtungen um die Ecke von Ihrer Wohnung?“ (Seite 91)

Melanie ist allein zu Hause, als ein Latino klingelt. Handelt es sich um den mexikanischen Serienmörder, der sich entlang der Eisenbahnstrecke herumtreibt, an der sie auch wohnen? Sie öffnet nicht und berichtet Sean am Abend angstvoll über den Vorfall.Nachts wacht sie von einem Geräusch auf. Aus der Mietwohnung über ihnen, in die vor einem Monat Jessica Fortgang eingezogen ist, hört sie einen dumpfen Schlag, eine kehlige Männerstimme, zwei Schreie. Da erwacht auch Sean. Er greift nach seiner Pistole und geht hinaus. Melanie folgt ihm. Die Pistole liegt im Gras. Sean kämpft mit dem Latino, der am Nachmittag geklingelt hat. Dem gelingt es, zu fliehen.


Mexiko

Viel wusste er im Grunde nicht über Mexiko, außer dass er gelegentlich mal Margaritas bestellte und sich vor zwanzig Jahren im Alkoholdunst, aber fest entschlossen, durch die Seiten von Unter dem Vulkan gequält hatte […] (Seite 136)

Lester ist seit zwei Jahren Witwer. April kam bei einem Verkehrsunfall ums Leben.

Ein Auto hatte sie überfahren, einen Block von ihrer Wohnung entfernt, und obwohl der Fahrer ein blutjunger Bursche war, im Kombiwagen seines Vaters starr vor Schreck hinter dem Steuer, traf ihn nicht allein die Schuld. Erstens war April unvermittelt vor ihm auf die Fahrbahn getreten, etliche Meter hinter einem Zebrastreifen, und als wäre das nicht schlimm genug, hatte sie auch noch die Augen verbunden. (Seite 142)

Im Rahmen einer Psychologieübung, die April an der San Francisco State University belegt hatte, sollte sie eine Woche lang mit verbundenen Augen leben und anschließend darüber berichten.

Lester hatte immer getrunken, und nach Aprils Tod schien er den Alkohol weniger gern zu mögen, dafür aber mehr zu brauchen. (Seite 142)

Bei einer Wohltätigkeitslotterie zu Gunsten eines Hauses für misshandelte Frauen gewinnt Lester den Hauptpreis: Eine zweiwöchige Reise für zwei Personen nach Puerto Escondido. Er hat seit einem halben Jahr nichts mehr mit einer Frau gehabt, doch um sein Gesicht zu wahren, erzählt er den Kollegen von einer aufregenden Halbmexikanerin, die ihn angeblich begleiten wird.

Nach dem Einchecken im Hotel setzt er sich in das klimatisierte Restaurant und bestellt einen Cocktail. Nach mehreren Drinks fällt ihm eine attraktive Frau auf, die allein an einem Tisch sitzt und isst. Mühsam besinnt er sich auf einige spanische Floskeln, aber sie sagt: „Setz dich einfach, ja?“

Sie heißt Gina Caramella, und er kann es kaum glauben, sie ist Boxerin, Gina, die Gepardin. Obwohl sie gerade gegessen hat, lässt sie sich von ihm zum Dinner einladen. Sie gehen ein Stück am Strand entlang zu einem von ihr empfohlenen Restaurant, wo es nicht nur Fisch, sondern auch Steaks gibt. Nach dem Essen und einigen Digestifs brechen sie auf. Gina weist darauf hin, dass im Hotel überall Schilder hängen, auf denen den Gästen geraten wird, nach Einbruch der Dunkelheit den Strand zu meiden. Aber Lester will nichts von einem Taxi wissen, sondern wieder zu Fuß zurückgehen.

Sie waren keine zweihundert Meter weit gekommen […] Es lief ohne Worte, ohne Vorwarnung ab […] Eben noch stapfte er besoffen durch den Sand, den Arm hoffnungsfroh um Ginas Schultern geschlungen, kurz darauf lag er auf dem Boden, und zwei Stiefenpaare traten methodisch auf sein Gesicht und seine Rippen ein […] (Seite 149)

Irgendwie kriegt er noch mit, dass Gina die Angreifer in die Flucht schlägt. Am nächsten Nachmittag wacht er in seinem Hotelzimmer auf. Die Brieftasche ist fort, sein Gesicht ist verschwollen, überall am Körper schmerzen Blutergüsse und Prellungen. Lester rappelt sich auf und sucht nach Gina.

Er musste Gina den vergangenen Abend erklären, sich darüber hinwegwitzeln, rationalisieren, eine Entschuldigung finden, Scheiße in Gold verwandeln; sie musste begreifen, dass er betrunken und sein Urteilsvermögen eingeschränkt gewesen war und dass er unter anders gearteten Umständen mit diesen Drecksäcken den Strand aufgewischt hätte, das hätte er. (Seite 152)

Endlich entdeckt er sie – mit einem anderen Mann an der Theke. Als sie ihn entsetzt ansieht, ihn mit Drew bekannt macht und erklärt, sie seien auf dem Weg in ein Restaurant, denn Drew wolle endlich mal wieder ein Steak essen, fühlt er sich ausgesperrt und geht allein hinaus in die Nacht.


Peep Hall

Ich lasse mir meine Privatsphäre nicht nehmen. Mein Telefon hat eine Geheimnummer, mein Briefkasten ein Schloss, und das Tor an der Einfahrt geht automatisch hinter mir zu, wenn ich heimkomme. (Seite 201)

Hart Simpson besucht weder Konzerte noch Sportveranstaltungen, er geht nicht ins Theater und nicht ins Kino, weil er Menschenansammlungen widerlich findet. Der Einundvierzigjährige ist geschieden, lebt allein, hat keine Haustiere und arbeitet als Barmixer im El Encanto Hotel. Seinen Sexualtrieb befriedigt er sporadisch mit Stefania Porovka, einer aus Russland stammenden, zweiunddreißig Jahre alten Konditoreiassistentin im El Encanto.

An einem seiner freien Tage liegt er auf der Veranda. Da rüttelt eine Unbekannte am Tor und ruft, sie wolle kurz mit ihm sprechen. Er bewegt sich nicht, aber sie sieht seine Füße und gibt nicht auf, bis er ans Tor kommt. Da steht eine attraktive Frau um die zwanzig in Jeans, auf Stöckelschuhen und ohne BH unter dem tief ausgeschnittenen Oberteil. Samantha – so nennt sie sich – möchte wissen, ob er einer von denen ist, die sich beschwert haben. Aber Hart weiß nicht einmal, um was es geht. Ganz gegen seine Gewohnheit bittet er Samantha auf ein Bier ins Wohnzimmer, und sie erzählt ihm, dass sie mit sechs anderen jungen Frauen in dem weißen Haus an der Straßenecke lebe, in dem überall Webcams laufen. Man könne sie rund um die Uhr unter www.peephall.com sehen.

Nachdem sie sich verabschiedet hat, streicht er eine Weile um seinen Computer herum, dann gibt er den URL ein, zahlt die Monatsgebühr – wagt sich aber während der ersten Stunden nur an die Kameras in der Küche.

An den folgenden beiden Tagen kommt er zu spät zur Arbeit.

Da taucht Samantha mit zwei anderen Bewohnerinnen des weißen Hauses während seiner Dienstzeit im El Encanto auf. Er spendiert ihnen die Getränke, behauptet aber, noch nicht auf der Website gewesen zu sein. Um ihm zu beweisen, dass sie wirklich gerade ihren 21. Geburtstag feiert, zeigt Samantha ihm ihren Führerschein. „Jennifer B. Knickish“ steht da. Das hat sie nicht bedacht. Sie gibt zu, dass Samantha nicht ihr richtiger Name ist, aber den soll auch keiner der Wichser kennen.

Sobald Hart zu Hause ist, klickt er sich wieder bei www.peephall.com ein.

Aber ich glaube, es gab keine wache Minute außerhalb meiner Arbeit, in der ich nicht die Zimmer von Peep Hall durchstreifte, mich von Kamera zu Kamera klickte, immer auf der Suche nach einem neuen Blickwinkel, einem besseren, nach der Perspektive, die mir alles zeigen würde. (Seite 223)

Eines Tages, als er vom Dienst nach Hause kommt, fängt ihn seine Nachbarin Sarah Schuster ab und fordert ihn auf, eine Petition zu unterschreiben. In einer Wohngegend mit Kindern könne man so ein Treiben wie in dem weißen Haus nicht dulden. Auch Steve, ihr Mann, sei empört darüber. Hart gibt vor, keine Zeit zu haben und fährt – ohne unterschrieben zu haben – in die Garage, deren Tor sich automatisch hinter ihm schließt.

Gleich darauf geht er wieder fort, zunächst in die dem weißen Haus entgegengesetzte Richtung, dann im Bogen dorthin. Cyndi öffnet. Hart fragt nach Samantha. „Du weißt schon, Jennifer.“ Er wird ins Wohnzimmer geführt. Samantha trinkt ein Bier mit ihm. Hart erzählt Samantha, dass er ihr am liebsten beim Schlafen zusehe. Daraufhin küsst sie ihn gerührt. Als er keuchend mehr will, vertröstet sie ihn auf „nicht hier“, denn die Betreiber der Website mögen das nicht.


Schluss mit cool

Edison Banks ist Mitte vierzig. Gerade hat ihn Kim, seine Geliebte, verlassen – natürlich mit dem BMW Z3, den er ihr gekauft hatte, mit Schmuck, Kleidern und Kreditkarten. Als er zum Strand hinuntergeht, begegnet er drei angetrunkenen Jugendlichen, die mit einem Retriever spielen. Sobald Edison sich hingelegt hat, werfen sie das Stöckchen in seine Richtung, bis der nasse, sandige Hund über sein am Boden ausgebreitetes Handtuch läuft. Wütend springt Edison auf und fordert die Halbstarken auf, ihn nicht länger zu belästigen. Der älteste von ihnen wirft ihm einen Stock mit solcher Wucht gegen die Brust, dass er rückwärts in den Sand fällt, während die Jugendlichen weglaufen.

Gedemütigt verlässt Edison den Strand und sinnt auf Rache. In einer Bar versucht er, von einer etwa fünfunddreißigjährigen attraktiven Frau die Telefonnummer zu bekommen, doch sie weist ihn ab. Da kommen drei junge Männer herein. Einer von ihnen spricht Edison an und stellt sich vor: Lyle Hansen. Er schwärmt von der Rockband, in der Edison Banks Gitarrist war und von der Fernsehserie „Savage Street“, für die er die ersten zwei Staffeln geschrieben hatte. Die Anerkennung tut Edison gut. Er lädt den höflichen jungen Mann ein, bei ihm vorbeizukommen, sagt ihm, wo er wohnt und wann er normalerweise zu Hause ist.

Als er am nächsten Tag wieder zum Strand gehen will, sieht er schon von weitem die drei Halbstarken. Da kehrt er um und fährt stattdessen eine Weile ziellos mit dem Auto herum. Zu Hause wundert er sich über die offene Hintertür. Er nimmt eine hinter Telefonbüchern versteckte Pistole in die Hand – und überrascht Lyle Hansen im Schlafzimmer. Das ist also der wählerische Juwelendieb, von dem seit einiger Zeit die Rede ist! Lyle wirft eine Halskette auf den Boden, meint spöttisch, es gebe keine Beweise gegen ihn, denn Edison habe ihn vor Zeugen eingeladen, vorbeizukommen. Dann erzählt er ihm auch noch, dass er die Band und „Savage Street“ in Wirklichkeit erbärmlich fand.

Ob Edison Banks schießt, bleibt offen.


Meine Witwe

Meine Witwe mag Katzen. Niemand weiß genau, wie viele Katzen das große, solide alte Haus aus Redwoodholz bewohnen, das ich ihr hinterlassen habe, aber nach mehreren Generationen der Inzucht und der Ablagerung von Fäkalien in ausgewählten Ecken und als ständig wachsender Berg auf dem Kaminsims muss sich ihre Zahl auf über dreißig belaufen, wenn nicht über vierzig. (Seite 315)

Fünf Jahre nach dem Tod des Erzählers war ein gewisser Roland Secourt bei seiner Witwe aufgetaucht. Er wurde ihr zweiter Mann, ist aber inzwischen auch schon seit zweiundzwanzig Jahren tot. Der aus der ersten Ehe stammende Sohn Philip kümmert sich in Kalkutta als Arzt um die Bedürftigen.

Die mehr als siebzig Jahre alte Witwe trägt tagsüber eine karierte Bluse über ihrem speckigen Flanellnachthemd. Das Haus verkommt; auch das Dach wird trotz der lebenslangen Garantie undicht.

Beim Einkaufen verliert die Witwe ihre Handtasche. Bald darauf meldet sich ein Mann; Bob Smith nennt er sich. Er habe die Handtasche gefunden, sagt er ihr am Telefon.

„Jemand dürfte sie vor Macy’s in eine Mülltonne geworfen haben – Bargeld ist natürlich keins mehr drin, aber Ihre Kreditkarten sind noch da und Ihr Führerschein und das alles.“ (Seite 329)

Er bringt die Tasche vorbei, und die Witwe freut sich über so viel Nächstenliebe. Der Mann sieht sich um, erkundigt sich nach ihrem Mann, unterhält sich eine Weile höflich mit ihr und erfährt, dass sie antiken Schmuck gesammelt hat. Plötzlich gibt er die Freundlichkeit auf, packt sie am Arm und herrscht sie an:

„Okay, also wo haben Sie Ihren Schmuck? Können Sie den überhaupt finden in diesem Drecksloch? Hä?“ (Seite 332)

Da greift die Witwe in die wiedergefundene Handtasche. Tatsächlich funktioniert die Spraydose mit dem Reizgas noch, obwohl das Verfallsdatum seit Jahren abgelaufen ist. Der Mann krümmt sich am Boden. Die Witwe schreit. An der Haustür taucht ihre Nachbarin Megan Capaldi auf und beginnt ebenfalls gellend zu schreien.


Nach der Pest

Eine Mutante des Ebola-Virus rottet innerhalb weniger Tage fast die gesamte Menschheit aus. Nach den ersten Meldungen verstummen auch die Radiogeräte.

Francis Xavier Halloran III. hat die Seuche in einer abgelegenen Hütte über dem San Joaquin Valley in den kalifornischen Bergen überlebt. Bis zum nächsten Dorf mit – früher – achtundzwanzig Einwohnern sind es vierzehn Kilometer. Francis ist – oder war – Lehrer für Sozialkunde an der Montecito School in einem Vorort von Santa Barbara. Nach vierzehn Jahren „schonungslosen Lehrerdienstes“ hat er ein Sabbatical genehmigt bekommen, ein freies Semester bei halbem Gehalt, und das wollte er nutzen, um in der Berghütte seine Erinnerungen an die entbehrungsreiche irisch-katholische Kindheit aufzuschreiben. Das hat jetzt natürlich nicht mehr viel Sinn, weil es an Verlegern, Lektoren, Rezensenten, Buchhändlern und Lesern mangelt.

Nach vier Wochen rüttelt plötzlich jemand an der Tür. Eine Frau. Aus Angst vor der Ansteckungsgefahr öffnet er nicht, aber sie brüllt und schlägt gegen die Tür, bis er sich überlegt, dass sie offenbar nicht infiziert ist, weil sie sonst längst tot wäre. Sie heißt Sarai und ist achtunddreißig, drei Jahre älter als er. Ihr Haar erinnert an den Pelz eines totgefahrenen Nagetiers. Sie war mit ihrem Freund Howard auf einer langen Wanderung durch die Golden Trout Wilderness. Howard kehrte eines Tages nicht mehr vom Angeln zurück, und sie verlief sich.

Sarai glaubt Francis nicht, dass kaum noch jemand lebt. Auch als er mit ihr nach Fish Fry Flats fährt und das öffentliche Telefon vor der Tankstelle, die zugleich Kneipe, Restaurant, Souvenirladen und Supermarkt war, keinen Ton von sich gibt, wiederholt sie ihr Mantra: „Das beweist gar nichts.“ Francis, der inzwischen Dosen aus dem verwaisten Supermarkt ins Auto geladen hat, redet auf sie ein:

„Hör zu, Sarai, es ist alles vorbei. Das hab ich dir jetzt schon hundertmal gesagt. Du hast keinen Job mehr. Du brauchst weder Miete, die Stromrechnung noch die Raten fürs Auto zu zahlen, und an den Geburtstag deiner Mutter musst du dich auch nie wieder erinnern. Es ist vorbei. Kapierst du das nicht?“ (Seite 374)

Schließlich fahren sie die Bergstraße hinunter, durch ausgestorbene Ortschaften wie Springville, Porterville und Bakersfield. Zwar funktionieren wegen des fehlenden elektrischen Stroms die Benzinpumpen an den Tankstellen nicht mehr, aber sobald der Tank leer wird, steigt man einfach in eines der überall herumstehenden Autos und fährt damit weiter. Francis bringt Sarai in das Häuschen, das er auf dem Anwesen der Familie DuPompier gemietet hat. Aber sie halten es nicht lange zusammen aus.

Wir waren so unpassend für einander, wie es zwei Menschen nur sein können, und unser Sex war langweilig und pflichtbewusst, ein Ballett der wechselseitigen Not und Verachtung. (Seite 378)

Anfangs hofft er noch, wie Adam und Eva Nachkommen zeugen zu können, aber als er davon spricht, lacht sie ihn aus: Sie hat sich vor fünfzehn Jahren die Eileiter veröden lassen. Da schiebt er sie ins Herrenhaus der DuPompiers ab.

Im Supermarkt hört er eines Tages einen Einkaufswagen quietschen. Es ist Felicia, die frühere Kassiererin in der Bankfiliale. Sie hat die Seuche überlebt, weil sie gerade in einem Tank für sensorische Deprivation gelegen hatte, um zu sich selbst zu finden. Erst als infolge des Stromausfalls das Wasser abkühlte, kletterte sie heraus. Inzwischen hat sie sich in der Villa Ruscello eingerichtet.

Als Sarai merkt, dass Francis jetzt mit einer anderen in der Villa Ruscello wohnt, wirft sie die Scheibe des Wohnzimmerfensters ein.

Ich wollte sie umbringen. Es war unglaublich – soweit ich wusste, hatten nur drei Menschen das Ende von allem überlebt, aber einer davon war zuviel. (Seite 385)

Um der Furie wenigstens für eine Weile zu entkommen, ziehen Francis und Felicia in ein Haus am Strand. Splitternackt im Sand sitzend, sehen sie auf einmal einen Mann in Wanderkleidung auf sich zukommen. Während der Seuche wanderte er mit seiner Freundin in den Bergen, oben bei Fish Fry Flats. Nachdem er sie aus den Augen verloren hatte, suchte er sie tagelang vergebens. Schließlich kam er zu einer Straße, nahm sich ein herumstehendes Auto und fuhr nach Los Angeles: Die Angehörigen sind alle tot. Zu Fuß ging er dann wieder los, immer an der Küste entlang. Als Francis sagt: „Du heißt Howard!“, ist dieser wie vom Donner gerührt. Francis meint: „Nach dem Essen muss ich dich unbedingt mit jemandem bekannt machen.“

 

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In seinen unter dem Titel „Schluss mit cool“ zusammengefassten Erzählungen zeigt Tom Coraghessan Boyle Momentaufnahmen des Lebens, teils in alltäglichen, teils in außergewöhnlichen Situationen.

Boyle packt das zappelnde Leben in einem besonders dramatischen, exemplarischen und allegorischen Moment am ängstlich gesträubten Nackenfell und sperrt es zwischen seine Zeilengitter, wo er mit seinem Opfer lustige Experimente veranstaltet. (Stephan Maus in: Süddeutsche Zeitung, 17. April 2002)

Einige der Plots in „Schluss mit cool“ wirken konstruiert, wie virtuelle Laborsituationen, in denen die Stresstoleranz der Figuren ausgetestet werden soll. Obwohl die meisten der Geschichten mit einem Fiasko enden, schildert T. C. Boyle das Geschehen kühl und unaufgeregt – allerdings mit einem gehörigen Schuss Sarkasmus.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004
Textauszüge: © Carl Hanser Verlag

Tom Coraghessan Boyle (kurze Biografie / Bibliografie)

Tom Coraghessan Boyle: Wassermusik
Tom Coraghessan Boyle: World’s End
Tom Coraghessan Boyle: Willkommen in Wellville (Verfilmung 1994)
Tom Coraghessan Boyle: Grün ist die Hoffnung
Tom Coraghessan Boyle: América
Tom Coraghessan Boyle: Riven Rock
Tom Coraghessan Boyle: Zähne und Klauen
Tom Coraghessan Boyle: Talk Talk
Tom Coraghessan Boyle: Die Frauen
Tom Coraghessan Boyle: Das wilde Kind
Tom Coraghessan Boyle: Wenn das Schlachten vorbei ist
Tom Coraghessan Boyle: San Miguel
Tom Coraghessan Boyle: Hart auf hart
Tom Coraghessan Boyle: Die Terranauten
Tom Coraghessan Boyle: Das Licht
Tom Coraghessan Boyle: Sprich mit mir
Tom Coraghessan Boyle: Blue Skies

Martin Mosebach - Das Beben

In seinem episch breit erzählten Roman "Das Beben" stellt Martin Mosebach die Realität der westlichen Demokratie und ein überkommenes exotisches Königreich gegeneinander.

Das Beben