The Salesman

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The Salesman – Originaltitel: Foruschande – Regie: Asghar Farhadi – Drehbuch: Asghar Farhadi – Kamera: Hossein Jafarian – Schnitt: Hayedeh Safiyari – Musik: Sattar Oraki – Darsteller: Shahab Hosseini, Taraneh Alidoosti, Babak Karimi, Farid Sajadhosseini, Mina Sadati, Maral Bani Adam, Mehdi Koushki, Emad Emami, Shirin Aghakashi, Mojtaba Pirzadeh, Sahra Asadollahi, Ehteram Boroumand, Sam Valipour u.a. – 2016; 120 Minuten

Inhaltsangabe

In der Annahme, ihr Ehemann Emad habe geklingelt, öffnet Rana die Tür und geht duschen. Als Emad tatsächlich nach Hause kommt, erfährt er von den Nachbarn, dass Rana ins Krankenhaus gebracht wurde. Die körperliche Verletzung ist weniger schlimm, als befürchtet, aber Rana ist völlig ver­stört. Ein Fremder sei ins Bad gekommen, sagt sie. Weil sie sich weigert, zur Polizei zu gehen, sucht Emad selbst nach dem Täter und nimmt sich vor, ihn zu bestrafen ...
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Kritik

"The Salesman" ist eine genau beobachtete, gründlich durchdachte Charakter- und Beziehungstudie von Asghar Farhadi. Sie dreht sich um Hass, der sich am Ende als ebenso absurd wie zerstörerisch erweist.
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Emad Etesami (Shahab Hosseini) arbeitet als Lehrer in einer iranischen Stadt. Er und seine Frau Rana (Taraneh Alidoosti) gehören zu einem Theaterensemble, das gerade Arthur Millers Drama „Der Tod des Handlungsreisenden“ probt. Ihre Wohnung in einem großen Mietshaus müssen Rana und Emad plötzlich aufgeben: Ebenso wie die Nachbarn werden sie aufgefordert, das durch Baggerarbeiten in der Nähe einsturzgefährdete Gebäude unverzüglich zu verlassen. Der mit Emad befreundete Theaterkollege Babak (Babak Karimi) vermittelt dem obdachlosen Paar eine andere, seit drei Wochen leerstehende Wohnung. Allerdings befindet sich in einem der Zimmer noch der Hausrat der Vormieterin, und die weigert sich, die Sachen abzuholen, bevor sie nicht eine neue Bleibe gefunden hat.

Eines Abends klingelt es bei den Etesamis. Weil Rana davon ausgeht, dass es Emad ist, drückt sie den Türöffner, ohne die Sprechanlage zu benutzen, öffnet die Wohnungstüre einen Spalt und geht duschen.

Als Emad nach Hause kommt, bemerkt er auf der Treppe Blut. Alarmiert geht er weiter – und folgt der Spur bis ins Bad, wo noch mehr Blut ist. Von Nachbarn erfährt er, dass Rana in ein Krankenhaus gebracht wurde. Dort näht man ihre Stirnwunde.

Die körperliche Verletzung ist zwar nicht so schlimm, wie zunächst befürchtet, aber Rana ist völlig verstört. Ein Fremder sei ins Bad gekommen, sagt sie. Bei einem kurzen Kampf ging die Scheibe der Duschkabine zu Bruch. Mehr verrät sie nicht. Aber sie hält es in der Wohnung nicht mehr aus, allein schon gar nicht, und sie lässt sich auch von ihrem Ehemann nicht mehr anfassen. Emad will mit ihr zur Polizei und Anzeige erstatten, aber Rana weigert sich mit der Begründung, nicht vor Fremden über den Vorfall reden zu wollen. Es würde die Schande öffentlich machen.

Weil Rana während einer Theateraufführung zu schluchzen anfängt, springt die Regisseurin Kati (Maral Bani Adam) für sie ein.

Mit seiner Schulklasse bespricht Emad Etesami die Erzählung „Die Kuh“ von Gholom-Hossein Sa’edi (1936 – 1985). Die Handlung dreht sich um einen Bauern, der über den Verlust seiner einzigen Kuh, der er seinen sozialen Status im Dorf verdankt, den Verstand verliert und sich am Ende selbst für eine Kuh hält. Weil Emad wegen der Ereignisse keine Ruhe findet, ist er so übermüdet, dass er während der Vorführung der Verfilmung der Erzählung (Regie: Dariush Mehrjui) einschläft. Einer der Schüler filmt den schlafenden Lehrer mit dem Smartphone. Obwohl er später beteuert, die Aufnahme bereits gelöscht zu haben, verlangt Emad die Herausgabe des Handys. Weil darauf offenbar unschickliche Fotos gespeichert sind, droht Emad damit, den Vater des Schülers darauf aufmerksam zu machen.

Unter einem Kissen im Wohnzimmer findet Emad ein fremdes Handy und einen Schlüsselbund. In einer Schublade liegt Geld. Das alles muss der Eindringling hinterlassen haben. Emad sucht auf der Straße, bis er das zum Autoschlüssel passende Fahrzeug findet. Es handelt sich um einen Kleintransporter. Den fährt er in die Tiefgarage des Mietshauses.

Aus Andeutungen der Nachbarn erfährt Emad, dass es sich bei der Vormieterin um eine Prostituierte handelt. Vermutlich war einer ihrer Freier, der nichts von dem Auszug wusste, in der Wohnung. Deshalb auch das Geld in der Schublade. Vielleicht merkte er erst im Bad, dass da eine andere Frau war. Bei dem kurzen Kampf trat er wohl in eine Glasscherbe. Das würde die Blutspur erklären.

Weil der Lieferwagen in der Tiefgarage stört, parkt Rana ihn auf der Straße. Aber als sie Emad zeigen will, wo der Wagen steht, ist er weg.


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Emad entdeckt den Transporter vor einer Bäckerei. Er folgt dem jungen Ausfahrer und spricht ihn schließlich an. Er benötige jemanden mit einem Lieferwagen, lügt er. Majid (Mojtaba Pirzadeh) lehnt es zunächst ab, einen Extra-Auftrag anzunehmen, aber am Ende verabreden sich Emad und er in dem einsturzgefährdeten Haus.

Zur vereinbarten Zeit meldet sich dort statt Majid dessen zukünftiger Schwieger­vater (Farid Sajadhosseini). Der Junge sei mit seiner Zukünftigen und deren Mutter beim Einkaufen für die Hochzeit, erklärt der ältere, herzkranke Mann. Emad redet mit ihm und meint zunächst, ihn über seinen Schwiegersohn aufklären zu müssen. Der habe seine Frau überfallen, behauptet er. Schließlich ahnt er, dass nicht Majid, sondern der alte Mann in der Wohnung war. Er zwingt ihn, Schuhe und Strümpfe auszuziehen. Ein Fuß ist verbunden. Dadurch überführt, berichtet der Alte, die frühere Bewohnerin habe von ihm erwartet, dass er ihr mit dem Lieferwagen bei einem Transport helfen würde. Aber in den letzten vier Wochen ließ sie nichts mehr von sich hören. Deshalb wollte er nachschauen. Nachdem er geklingelt hatte, fand er die Türe offen vor und ging hinein – nach wie vor in der Annahme, in der Wohnung die Bekannte anzutreffen. Er habe niemand verletzen wollen, beteuert er, sei jedoch erregt gewesen und deshalb zur Dusche gegangen.

Weil Emad zum Theater muss, sperrt er den alten Mann in einer Kammer ein. Nach der Vorstellung kehrt er mit Rana zurück. Während sie den Mann gehen lassen will, telefoniert Emad mit Majid. Der soll sofort mit seiner Braut und deren Mutter kommen. Emad will der Familie berichten, was geschehen ist.

Weil Rana mit der Demütigung des Mannes und der zu befürchtenden Zerstörung seiner Familie nichts zu tun haben möchte, verläßt sie das Haus. Aber ihr Mann ruft sie telefonisch zurück: der Alte liegt nach einem Herzanfall bewußtlos auf dem Boden. Nachdem Rana und Emad ihm eine seiner Tabletten in den Mund geschoben haben, erholt er sich.

Es klingelt. Rana droht ihrem Ehemann, sie werde ihn verlassen, falls er der Familie etwas erzähle.

Weil der Lift in dem leerstehenden Haus abgestellt worden ist, kommen Majid, seine Braut und deren Mutter die Treppe herauf. Nachdem Emad dem Alten einen Beutel mit dem bei seiner Flucht aus der fremden Wohnung zurückgelassenen Handy und dem Schlüsselbund ebenso wie dem zuvor in die Schublade gelegten Geldbetrag in die Hand gedrückt hat, verabschiedet sich die Familie.

Auf der Treppe bricht der alte Mann erneut zusammen. Majid ruft einen Krankenwagen und führt nach telefonischen Anweisungen eine Herzmassage durch.

Rana geht wortlos weg.

Am nächsten Tag sitzen sie und Emad vor der nächsten Theatervorstellung schweigend und regungslos in der Maske.

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Durch das Eindringen eines Fremden in die Wohnung werden nicht nur die überfallene Frau, sondern auch ihr Ehemann aus der Bahn geworfen. Was an dem Abend im Bad geschieht, sehen wir nicht, und wir erfahren es auch später ebensowenig wie Emad. Weil Rana sich weigert, die Polizei einzuschalten, versucht Emad, den Täter selbst aufzuspüren und zu bestrafen. Der kultivierte Lehrer, Literaturkenner und Theaterschauspieler steigert sich in eine Obsession hinein, muss aber am Ende erkennen, dass das Hassobjekt ganz anders ist, als er annahm. Die Grenze zwischen Recht und Unrecht wird unscharf. Die eigentliche Auseinandersetzung findet nicht zwischen Emad und dem Eindringling statt, sondern zwischen den Eheleuten. „The Salesman“ ist eine genau beobachtete und gründlich durchdachte Studie von Asghar Farhadi über die Veränderungen bei den betroffenen Personen und der ehelichen Beziehung von Rana und Emad.

Das Theaterstück, in dem Rana und Emad die Hauptrollen spielen, spiegelt ihren eigenen Lebensabschnitt. Arthur Millers Drama „Der Tod des Handlungsreisenden“ dreht sich ebenfalls um Scheitern, Selbstbetrug und Verblendung.

Die im Iran auf der Bühne zu beachtenden Verbote nimmt Asghar Farhadi in einer komischen Szene von „The Salesman“ satirisch aufs Korn: Eine aus dem Bad kommende Schauspielerin trägt einen roten Regenmantel, obwohl es ihm gesprochenen Text mehrmals heißt, sie sei halbnackt.

„The Salesman“ wurde für einen „Oscar“ in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ nominiert. Asghar Farhadi lehnte es jedoch ab, an der „Oscar“-Verleihung teilzunehmen und protestierte in einer öffentlichen Erklärung gegen ein Dekret des US-Präsidenten Donald Trump über ein Einreiseverbot für Bürger aus Libyen, Syrien, Somalia, dem Iran und dem Jemen.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2017

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