Half Nelson

Half Nelson

Half Nelson

Half Nelson – Originaltitel: Half Nelson – Regie: Ryan Fleck – Drehbuch: Anna Boden, Ryan Fleck – Kamera: Andrij Parekh – Schnitt: Anna Boden – Musik: Broken Social Scene – Darsteller: Ryan Gosling, Shareeka Epps, Anthony Mackie, Tina Holmes, Monique Curnen, Jay O. Sanders u.a. – 2006; 105 Minuten

Inhaltsangabe

Durch Zufall entdeckt die 13-jährige Schülerin Drey, dass der Lehrer Dan drogensüchtig ist. Dan ist zwar orientierungslos und nicht in der Lage, sein eigenes Leben auf die Reihe zu kriegen, aber er fühlt sich für die Schüler verantwortlich. Drey hingegen wirkt trotz ihres Alters bereits gefestigt, und das, obwohl ihre einzige Bezugsperson neben der allein erziehenden und Doppelschichten arbeitenden Mutter ein Drogendealer ist ...
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Kritik

Ryan Fleck verzichtet auf Effekte, cineastische Ambitionen und tiefschürfende Dialoge. Ohne künstlerische Überhöhung veranschaulicht er in der Milieu- und Charakterstudie "Half Nelson", was Drogen anrichten.
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Der Geschichtslehrer Daniel („Dan“) Dunne (Ryan Gosling) unterrichtet an einer Highschool in Brooklyn und trainiert die Basketballschulmannschaft. Die Rektorin (Starla Benford) tadelt ihn, weil er sich nicht an die Lehrpläne hält, aber bei den Schülerinnen und Schülern kommt es gut an, dass er auf unkonventionelle Weise versucht, ihnen zum Beispiel die Bürgerrechtsbewegung gegen Rassismus in den USA nahezubringen. Geschichte, erklärt er, entwickle sich dialektisch, im Kampf der Gegensätze. Und er scheut sich nicht, zuzugeben, dass die Schule ein Teil der staatlichen Unterdrückungsmaschinerie sei.

Aber Dan weiß selbst nicht, wofür er steht. Er ist orientierungslos. Innere Dämonen und Selbstzweifel hindern ihn daran, sein eigenes Leben auf die Reihe zu kriegen. Seine Freundin Rachel (Tina Holmes) ist jetzt mit einem anderen Mann verlobt. Als er nach einer kurzen Begegnung mit Rachel in den leeren Umkleideräumen Crack raucht, entdeckt ihn die 13-jährige afroamerikanische Schülerin Audrey („Drey“ – Shareeka Epps). Sie hilft ihm aufzustehen und behält das entdeckte Geheimnis, dass der Lehrer drogenabhängig ist, für sich.

Drey ist viel allein. Ihre Mutter Karen (Karen Chilton) leistet oft Doppelschichten beim Rettungsdienst, ihr getrennt lebender Vater vernachlässigt sie, und ihr älterer Bruder Mike (Collins Pennie) verbüßt wegen eines Drogendelikts eine Haftstrafe. Der einzige Mensch, der sich um Drey kümmert, ist Mikes Freund Frank (Anthony Mackie), ein Drogendealer, der auch Drey in seine Geschäfte einbezieht und sie Drogenbriefchen austragen lässt.

Das gemeinsame Geheimnis verbindet Lehrer und Schülerin. Dan fährt Drey nach Hause, wenn deren Vater vergessen hat, sie abzuholen. Einmal tut Drey so, als habe sie die Wohnungsschlüssel vergessen, um den Nachmittag mit Dan verbringen zu können. Als er herausfindet, dass Frank für sie eine Bezugsperson ist, fordert er den Drogendealer erfolglos auf, sich von ihr fernzuhalten.

Einen Abend verbringt Dan mit seinen Eltern, seinem Bruder Jeff (David Easton) und dessen Freundin Cindy (Nicole Vicius). Sein Vater (Jay O. Sanders) betrinkt sich, und Dan verhält sich trotz guten Willens wie ein Außenstehender. Nicht einmal seine Mutter (Deborah Rush) merkt, dass er kurz vor dem Zusammenbruch steht.

Auch die Beziehung mit der Kollegin Isabel (Monique Curnen), die mit ihm ausgeht, ist voller Konflikte.

Eines Abends feiert er mit anderen Drogenkonsumenten eine Party, und Drey liefert in Franks Auftrag das bestellte Kokain. Am nächsten Morgen übernimmt ein Vertretungslehrer (Matt Kerr) den Geschichtsunterricht von Dan. Nach der Schule lehnt Drey es ab, sich von Frank im Auto mitnehmen zu lassen. Sie geht zu Dans Apartment und bringt ihn dazu, sich zu rasieren und ein Glas Wasser zu trinken.

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„Half Nelson“ ist der Begriff für einen Nackenhebel beim Ringen. Ryan Fleck (* 1976) und Anna Boden wählten ihn als Titel für ihren ersten abendfüllenden Kinofilm. Hier wird der Nacken des Protagonisten nach unten gedrückt, nicht von einem anderen Mann, sondern von seiner eigenen Orientierungslosigkeit.

Ohne erhobenen Zeigefinger, aber auch ohne effektheischende Szenen veranschaulicht „Half Nelson“, dass Drogenkonsum alles andere als eine Lösung für psychische Probleme ist. Ebenso unaufdringlich vermittelt „Half Nelson“ Werte wie Solidarität und Freundschaft. Ansätze von Gesellschaftskritik werden von Ryan Fleck und Anna Boden allerdings nicht weiter verfolgt. Das würde auch nicht zu diesem stillen Drama passen, in dem absichtlich nichts „erklärt“ wird. Zwar gibt es kein Happy End, aber immerhin den Hoffnungsschimmer, dass im Scheitern eine Chance steckt.

Ryan Fleck verzichtet auf cineastische Ambitionen ebenso wie auf tiefschürfende Dialoge. Er nimmt sich viel Zeit, den Niedergang des drogensüchtigen Lehrers und die Entwicklung der Beziehung zwischen ihm und seiner 13-jährigen Schülerin realistisch und ohne jede künstlerische Überhöhung darzustellen. Dadurch ist „Half Nelson“ auch eine Milieustudie.

Geschichte entwickle sich dialektisch, erklärt Dan. Auch Ryan Fleck und Anna Boden stellen zwei gegensätzliche Figuren in den Mittelpunkt ihres Films: Während der Lehrer Dan sein eigenes Leben nicht auf die Reihe kriegt, wirkt die Schülerin Drey trotz ihres Alters bereits gefestigt, und das, obwohl ihre einzige Bezugsperson neben der allein erziehenden und Doppelschichten arbeitenden Mutter ein Drogendealer ist.

Andrij Parekh setzt eine Handkamera ein und bleibt nah an den Personen. Das ist wichtig, denn in „Half Nelson“ kommt es vor allem auf kleine Gesten und unauffällige Veränderungen der Mimik an. Und dabei überzeugen Ryan Gosling (* 1980) und Shareeka Epps (* 1989) mit ihren schauspielerischen Leistungen. Ryan Gosling wurde für diese Rolle für einen „Oscar“ nominiert.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2014

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