Frederick Forsyth : In Irland gibt es keine Schlangen

In Irland gibt es keine Schlangen
Originalausgabe: No Comebacks Hutchinson & Co, London 1982 In Irland gibt es keine Schlangen Übersetzung: Rolf und Hedda Soellner R. Piper & Co. Verlag, München / Zürich 1982
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Zehn Kurzgeschichten:

In Irland gibt es keine SchlangenAuftrag ausgeführt – Der Kaiser – Glück muss man haben – Wer zuletzt lacht – Corpus delicti – Wie du mir – Nur ein Soldat – Ein umsich­tiger Mensch – Mit harten Bandagen

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Kritik

Frederick Forsyth entwickelt die Geschichten detailgenau, unterhalt­sam und mit viel britischem Humor. Wie es sich für Short Stories gehört, treibt er die Handlungen jeweils auf eine Schlusspointe zu.
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In Irland gibt es keine Schlangen

Um sein Medizinstudium in Belfast zu finanzieren, jobbt der aus Pandschab stammende Hindu Harkishan Ram Lal bei einem Abbruchunternehmen in Bangor. Er wird dem 41-jährigen irischen Vorarbeiter Big Billie Cameron zugeteilt, der mit seinem Trupp eine aufgelassene Whiskeybrennerei in Comber abreißt. Big Billie schikaniert Harkishan Ram Lal nicht nur, sondern beschimpft ihn auch wiederholt als „Nigger“.

Nachdem Big Billie ihn durch eine Ohrfeige gedemütigt hat, sinnt Harkishan Ram Lal auf Rache und betet zur Göttin Çakti. Dann leiht er sich das Geld für ein Flugticket, reist nach Bombay, erwirbt dort eine Sandrasselotter (Echis carinatus) und schmuggelt sie auf dem Rückflug in einer Zigarrenkiste durch den Zoll.

Am nächsten Arbeitstag platziert er die 30 Zentimeter lange, hochgiftige Schlange in Big Billies Jackentasche. Doch obwohl der Vorarbeiter in der Mittagspause hineingreift, um Pfeife und Tabakbeutel herauszunehmen, passiert nichts. Schließlich bemerkt Harkishan Ram Lal den Grund: Die Tasche hat ein Loch, und die Schlange befindet sich im Jackenfutter.

Ohne etwas von der todbringenden Schlange zu ahnen, nimmt Big Billie sie in der Jacke mit nach Hause. Harkishan Ram Lal sorgt sich das ganze Wochenende um die Ehefrau und die beiden Kinder.

Am Montagmorgen entdeckt Big Billies Tochter Jenny die Schlange auf dem Boden. Die Mutter fürchtet sich vor dem Tier, aber Big Billie meint:

„Red keinen Stuss, Frau. In Irland gibt es keine Schlangen, das weiß jedes Kind.“

Der Sohn Bobby hält die Schlange für eine Blindschleiche. Big Billie will mit dem vermeintlich ungefährlichen Tier den „Nigger“ erschrecken. Nur weil er die Schlange ekelig findet und nicht anfassen mag, schützt er die Hand, mit der er sie packt, mit einem Topflappen.


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Im Lauf des Vormittags weiht er alle Arbeiter bis auf das Opfer in sein Vorhaben ein.

Als Harkishan Ram Lal in der Mittagspause seine Lunchbox öffnet, kringelt sich darin die Schlange. Erschrocken schleudert er die Dose von sich und schreit. Er warnt die anderen vor der hochgiftigen Schlange, aber sie lachen alle schallend.

„Du blöder Nigger“, keuchte Big Billie, „weißt du das denn nicht? In Irland gibt’s keine Schlangen.“

Big Billie lacht am lautesten. Er sitzt im Gras und stemmt sich mit den Armen ab. Von dem Biss der kleinen Schlange merkt er nichts.

Am Nachmittag muss er eine Pause einlegen und sich in den Schatten setzen. Bevor der Krankenwagen kommt, stirbt er. Der Arzt stellt eine Gehirnblutung als Ursache fest.


Auftrag ausgeführt

Eigentlich rechnet der reiche, 37 Jahre alte Unternehmer Mark Sanderson gar nicht damit, dass er sich jemals ernsthaft verlieben würde, aber es passiert, als er die fünf Jahre jüngere Angela Summers in London kennenlernt. Sie ist zwar verheiratet, aber Mark ist gewohnt, alles zu bekommen, was er sich wünscht. Umso überraschter ist er, als Angela ihm erklärt, sie könne ihren Ehemann nicht verlassen, denn er sei schwach und brauche sie. Major Archibald Clarence Summers wartet in der gemeinsamen Villa San Crispin in Ondara südlich von Valencia auf sie, und sie kehrt zu ihm zurück.

Mark weiß, dass sich die charakterstarke Frau nicht mit Geld kaufen ließe. Es gibt nur einen Weg, sie zu gewinnen: Der Ehemann muss weg.

Also gibt Mark sich als Michael Johnson aus, mietet eine Wohnung und kontaktiert einen Gangster, von dem er den Namen eines korsischen Profikillers erhält, der sich mit ihm in Paris trifft.

Der Korse übernimmt den Auftrag. Weil er nicht an der Grenze mit einer Schusswaffe auffallen möchte, versteckt er eine zerlegte Browning Automatic Pistole in einem ausgehöhlten Buch, das er so verschweißt, als sei es ungeöffnet. Nachdem er unter dem Namen Alfred Calvi zwei Zimmer im Hotel Metropol in Valencia reserviert hat, schickt er das Päckchen per Post voraus.

Bei der Ankunft behauptet er, sein Bekannter sei verhindert, aber er werde das zweite Zimmer ebenfalls bezahlen. Beim Auschecken am nächsten Morgen fragt er den Hotelangestellten nach der nächsten Maschine nach Madrid, aber am Flughafen bucht er einen Platz in der Abendmaschine nach Paris. Dann stiehlt er den geparkten Wagen eines Mannes, der weggeflogen ist und fährt damit nach Ondara.


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Dort bricht er in die Villa San Crispin ein und erschießt Archibald Clarence Summers.

Am übernächsten Abend trifft er sich mit seinem Auftraggeber erneut in Paris und versichert, die Zielperson mit zwei Kugeln ins Herz und einem Kopfschuss getötet zu haben. Es gebe keine Zeugen, sagt er, obwohl er unmittelbar nach den drei Schüssen von einer Frau überrascht worden sei.

Er sah das panische Entsetzen im Gesicht des Kunden und klopfte ihm tröstend auf die Schulter.
„Keine Sorge, Monsieur“, sagte er beruhigend. „Auftrag ausgeführt. Ich hab‘ sie auch gleich erledigt.“



Wer zuletzt lacht

Durch Zufall findet der Versicherungsangestellte Samuel Nutkin zwischen den Polstern des Pendlerzugs Edenbridge – London ein „Kontaktmagazin für sexbewusste Menschen“. Obwohl er befürchtet, er könne einen Unfall haben und mit dem Blättchen erwischt werden, nimmt er es mit. Eine der Anzeigen geht ihm nicht mehr aus dem Sinn, zumal er mit seiner Ehefrau Lettice schon lange keinen Sex mehr hatte.

Sie war meist ans Bett gefesselt und gab die Schuld einer schweren Arthritis und einem schwachen Herzen, während Dr. Bulstrode einen schweren Fall von Hypochondrie annahm.

Schließlich schreibt er der „verehrten gnädigen Frau“ unter der angegebenen Chiffre, nennt als Absender allerdings vorsichtshalber neben der richtigen Adresse einen falschen Namen: Henry Jones. Tatsächlich erhält er Antwort von einer Sally in Bayswater, und als er sie in der nächsten Mittagspause von einer Telefonzelle aus anruft, verabredet sie sich mit ihm in ihrer Wohnung. Von ihren Freunden erwarte sie kleine Geschenke, etwa 20 Pfund, erklärt sie ihm noch, bevor sie auflegt.

Es handelt sich um eine schäbige Souterrainwohnung. Sally ist Mitte 30, älter als Samuel annahm. Nachdem er ihr 20 Pfund gegeben und im Wohnzimmer sein Jackett abgelegt hat, nimmt sie ihn mit ins Schlafzimmer.

Drei Tage später zieht Samuel Nutkin aus einem mit der Post zugestellten Kuvert sechs kompromittierende Fotos, die ihn mit Sally zusammen zeigen. In der Mittagspause geht er zu einer Telefonzelle und wählt ihre Nummer. Ein Mann hebt ab und erklärt ihm barsch, noch nie von einer Sally gehört zu haben. Samuel fährt mit einem Taxi zu der Adresse, aber an der Souterrainwohnung hängt ein Schild „Zu vermieten“.

Zu Hause erhält er den Anruf eines Mannes, der sich weigert, seinen Namen zu nennen. Er verlangt 1000 Pfund und droht, die Fotos der Ehefrau, dem Vorgesetzten in der Versicherungsgesellschaft und dem Sekretär des Tennisklubs zu schicken. Offenbar wurde Nutkins Brieftasche durchsucht, während er mit der Prostituierten im Schlafzimmer war.

Er meldet sich für einen halben Tag krank, nimmt einen Kredit auf und kauft ein.

Kein vernünftiger Mensch käme auf die Idee, einen Betrag von tausend Pfund lose in der Tasche herumzutragen. […] Er ging also in ein Geschäft für Büroartikel und kaufte eine kleine Stahlkassette mit Schlüssel. In verschiedenen anderen Läden besorgte er ein Pfund Puderzucker (für den Geburtstagskuchen seiner Frau, erklärte er), eine Dose Dünger für seine Rosen, eine Mausfalle für die Küche, ein Stück Leitungsdraht für den Sicherungskasten unter der Treppe, zwei Taschenlampenbatterien, einen Lötkolben, um den Wasserkessel zu flicken und ein paar weitere harmlose Gegenstände, die jeder gewissenhafte Hausvater zur Hand haben sollte.

Der Erpresser erklärt ihm bei weiteren Anrufen, wie er das Lösegeld zu übergeben habe, und Nutkin folgt den Anweisungen. Während er zu dem Park geht, wo er das Geldkuvert ablegen soll, fällt ihm ein am Straßenrand haltender Motorradfahrer auf, der scheinbar eine Karte studiert. Das Gesicht kann er nicht erkennen, weil der Mann nicht nur einen Sturzhelm und eine Schutzbrille trägt, sondern auch einen Schal ums Kinn geschlungen hat. Der Motorradfahrer ruft, ob er ihm helfen könne, und als Nutkin bei ihm ist, verlangt er das Geld. Im nächsten Augenblick gibt er Gas.

In der folgenden Woche steht Detective Sergeant Smiley bei Samuel Nutkin in der Tür.

„Äh … was ich zu besprechen habe, Mr Nutkin, ist sozusagen persönlicher Natur, vielleicht sogar ein bisschen peinlich“, begann er.
„Du lieber Gott“, sagte Nutkin, warum sollte es Ihnen peinlich sein, Sergeant?“

Erst nach einigem Hin und Her erklärt der Polizist, die Angelegenheit sei nicht peinlich für ihn, sondern für Nutkin. Die Polizei habe bei einer Wohnungsdurchsuchung im Londoner West End 30 Umschläge mit Namen und Adressen von Männern sowie kompromittierenden Fotos gefunden, sagt Smiley, darunter auch von Nutkin.

Der stammelt, er habe nicht geahnt, dass es gesetzwidrig ist, was er tat. Worauf ihn der Detective mit der Versicherung beruhigt, das sei auch gar nicht der Fall. Es gehe auch gar nicht um Prostitution, sondern um Erpressung, denn die Fotos wurden offenbar für diesen Zweck angefertigt. Nutkin starrt den Polizisten an:

„Erpressung“, flüsterte er. „O mein Gott, das ist ja noch schlimmer.“


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Nutkin berichtet, wie er auf die Prostituierte aufmerksam wurde, Kontakt mit ihr aufnahm und sie besuchte. Von den Fotos habe er nichts gewusst, lügt er, und ein Erpressungsversuch habe nicht stattgefunden. Vermutlich seien die Erpresser vor dem Zugriff der Polizei nicht mehr dazu gekommen. Schließlich eröffnet der Detective ihm, dass die Ermittlungen über die Erpressungen des Gaunerpaars dazu dienen, einen Mordfall aufzuklären.

„Wollen Sie sagen, die beiden haben auch jemanden umgebracht?“
„Wer?“
„Die Erpresser.“
„Nein, Sir, sie haben niemanden umgebracht. Irgendwer hat sie umgebracht. […]
Der Täter legte ihnen einfach ein Päckchen vor die Tür. […] Das Päckchen enthielt eine Geldkassette mit Schlüssel, der offenbar an den Deckel geklebt war. Als der Schlüssel benutzt wurde, sprang der Deckel unter dem Druck einer, wie die Laborjungens herausfanden, Spannfeder aus einer Mausefalle auf, ein brillant ausgeklügelter Zündmechanismus wurde ausgelöst, und die Bombe riss sie beide in Stücke.“

Nachdem der Detective gegangen ist, schaut Samuel Nutkin ein im Juli 1943 in dem Dorf Steeple Norton aufgenommenes Foto an. Es zeigt ihn als Gefreiten zusammen mit Major Mike Halloran nach der Entschärfung einer 5-Tonnen-Bombe.

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Unter dem Titel „No Comebacks“ wurden 1982 in London zehn Kurzgeschichten von Frederick Forsyth zusammengefasst. Für die deutsche Ausgabe wählte der Verlag den Titel „In Irland gibt es keine Schlangen“.

Es handelt sich um folgende Kurzgeschichten:

 

Frederick Forsyth entwickelt die Geschichten detailgenau, unterhaltsam und mit viel britischem Humor. Wie es sich für Short Stories gehört, treibt er die Handlungen jeweils auf einen überraschenden Schlussakkord zu.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2015
Textauszüge: © Piper Verlag

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Amos Oz - Dem Tod entgegen
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