Frida Kahlo


Als die Gymnasiastin monatelang im Bett liegen musste, nachdem sie bei einem Verkehrsunfall in Mexiko-Stadt schwer verletzt worden war, begann sie zu malen. Im November 1938 zeigte eine New Yorker Galerie erstmals Bilder von Frida Kahlo, im Jahr darauf reiste sie zu einer Ausstellung in Paris, und 1940 beteiligte sie sich an der Internationalen Surrealistenausstellung in ihrer Heimatstadt.


Frida Kahlo:
Der Elefant und die Taube

Leseprobe aus
Dieter Wunderlich: EigenSinnige Frauen. 10 Porträts
Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1999 / Piper Taschenbuch, München 2004 (12. Auflage: 2011)

Vor dem Unfall schaute Frida Kahlo Diego Rivera bei der Arbeit zu, als er in der Aula ihres Gymnasiums das Wandfresko »Die Schöpfung« malte. 1928 sucht sie den berühmten Künstler auf, zeigt ihm ihre Bilder und fragt ihn um Rat: »Bin ich begabt? Soll ich weitermachen?« Eine ermutigende Antwort erhofft sie, doch Diego Rivera »ist begeistert von der Frische und dem durch keine Ausbildung zurechtgestutzten Stil ihrer Bilder.«

In seiner Autobiographie erinnert er sich: »Da war nichts von den Tricks, mit denen ehrgeizige Anfänger oft fehlende Originalität übertünchen […] Für mich bestand gar keine Frage, daß dieses Mädchen bereits eine eigene und selbständige Künstlerpersönlichkeit vorstellte. Sie muß mir meine Begeisterung vom Gesicht abgelesen haben; denn bevor ich noch etwas sagen konnte, ermahnte sie mich nochmals in barsch abweisendem Ton: ›Ich will keine Komplimente von dir hören, sondern die Kritik eines ernsthaften Menschen. Ich bin weder Sonntagsmaler noch Kunstliebhaber, ich bin bloß ein Mädchen, das sich seinen Lebensunterhalt verdienen muß.‹«

Diego Rivera besucht die junge Frau; sie treffen sich häufiger. Später erinnert sich Frida Kahlo: »Die Begegnung fand zu einer Zeit statt, als alle Leute mit Pistolen bewaffnet herumliefen […] So schoß auch Diego einmal auf das Grammophon bei einer von Tinas Parties. Damals fing ich an, mich für ihn zu interessieren, obwohl er mir zugleich Angst machte.« Frida Kahlo verliebt sich in das »Feuer des flunkernden, sinnlichen, unkonventionellen, intuitiven, spöttischen und spaßenden, sehr neuweltlichen Rivera«.

Im August 1929 findet die Hochzeit statt: Die zierliche zweiundzwanzigjährige Braut steht während der Zeremonie im Rathaus neben einem doppelt so alten Mann mit barocker Leibesfülle und aufgedunsenem Gesicht, dem sie nur bis zur Schulter reicht. Fridas Eltern sprechen von einem »vollgefressenen Breughel« und vergleichen das Paar mit »einem Elefanten und einer Taube«.

[…]

Ein Jahr nach der Hochzeit begleitet Frida Kahlo ihren vielbeschäftigten Mann für sechs Monate nach San Francisco.

Vor der Abreise unterzog sie sich einer medizinisch notwendigen Abtreibung; 1932 erleidet sie eine Fehlgeburt, und zwei Jahre später muß eine weitere Schwangerschaft im dritten Monat abgebrochen werden. Über den Verlust der ungeborenen Kinder kommt sie nur schwer hinweg, und schließlich nimmt ihr ein Arzt jede Hoffnung, noch ein Kind auszutragen.

Als Frida Kahlo und Diego Rivera im Dezember 1933 von einem zweijährigen USA-Aufenthalt zurückkehren, beziehen sie ein Doppelhaus in San Angel, unweit von Frida Kahlos Geburtshaus am Rand von Mexiko-Stadt. Ein befreundeter Architekt gestaltete die beiden mit einer Metallbrücke verbundenen Kuben im Bauhaus-Stil: »getrennt verbunden«.

[…]

»Diego ist hemmungslos, exhibitionistisch, legendär durch die Geschichten, die man sich über ihn erzählt und die er selbst über sich erzählt.« Er liebt es, andere durch haarsträubende Äußerungen zu düpieren – etwa indem er das »Geheimnis« verbreitet, er sei der Vater des deutschen Generals Rommel –, oder er schockiert die Besucher, indem er ihnen von lesbischen Neigungen seiner Frau erzählt.

Über seine eigenen Seitensprünge berichtet die Regenbogenpresse. 1934 schläft er sogar mit seiner Schwägerin Cristina.

»Warum nenne ich ihn meinen Diego? Er war nie mein und wird es nie sein. Er gehört sich selbst.« Und Diego Rivera gesteht: »Je mehr ich sie liebte, um so mehr wollte ich sie verletzen.«

Frida Kahlo schreibt Leo Eloesser, dem Arzt, der sie in San Francisco behandelte und sich seither auch aus der Ferne um sie kümmert: »Ich habe in den letzten Monaten so viel erleiden müssen, daß ich mich kaum so schnell erholen werde, aber ich habe alles getan, um zu vergessen, was zwischen Diego und mir vorgefallen ist, und um wieder wie früher leben zu können. Ich glaube allerdings

Dieter Wunderlich: EigenSinnige Frauen © Piper Verlag

kaum, daß es mir ganz gelingen wird, weil es Dinge gibt, die einfach stärker als eines Menschen Wille sind; aber ich kann nicht endlos in dieser äußersten Traurigkeit verharren, in der ich mich befunden habe.«

Diego Rivera droht zwar, jeden Liebhaber seiner Frau zu erschießen, aber Frida Kahlo beansprucht nun dasselbe Recht auf sexuelle Freiheit wie er. Der aus Japan stammende amerikanische Bildhauer Isamu Noguchi ist mutig genug, sich auf ein Verhältnis mit ihr einzulassen. Als Trotzkij und dessen Frau im Januar 1937 durch den persönlichen Einsatz von Diego Rivera in Mexiko Asyl finden und von 1937 bis 1939 in Coyoacán wohnen, verdreht Frida Kahlo dem siebenundfünfzigjährigen russischen Revolutionär den Kopf, bis dessen Anhänger für ein Ende der wochenlangen Affäre sorgen, weil sie einen politischen Skandal befürchten.

Quelle: Dieter Wunderlich, EigenSinnige Frauen. 10 Porträts
© Pustet Verlag, Regensburg 1999
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Fußnoten wurden in der Leseprobe weggelassen. Zitate:
Linde Salber: Frida Kahlo, 1997, S. 42 / 47
Heyden Herrera: Frida Kahlo. Ein leidenschaftliches Leben, 1998, S. 74 / 75 / 84 / 155
Carlos Fuentes: Frida Kahlo, in: Vera Eckstein (Hg.): Kultfrauen, 1996, S. 198 / 199
Carlos Monsiváis: Frida und ihre Freunde,
in: Erika Billeter (Hg.): Das Blaue Haus. Die Welt der Frida Kahlo, 1993, S. 187
Frida Kahlo: Gemaltes Tagebuch, 1995, S. 61 / 235

Frida Kahlo (Kurzbiografie)

T. S. Eliot - Mord im Dom
Bei der Gestaltung seines Theaterstücks "Mord im Dom" griff T. S. Eliot auf Elemente der griechischen Tragödie und mittelalterlicher Mysterienspiele zurück. Ungeachtet der schauerlichen Mordtat am Altar der Kathedrale von Canterbury ist das vorwiegend in Versen geschriebene Stück mehr Liturgie als Drama.
Mord im Dom