Daniel Glattauer : Ewig Dein

Ewig Dein
Ewig Dein Originalausgabe: Deuticke im Paul Zsolnay Verlag, Wien 2012 ISBN: 978-3-552-06181-1, 206 Seiten Taschenbuch Wilhelm Goldmann Verlag, München 2014 ISBN 978-3-442-47881-1, 219 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Judith ist 36. Zunächst gefällt ihr der sechs Jahre ältere, höfliche und aufmerksame Architekt Hannes, der sie umwirbt, aber kein Draufgänger ist. Doch schon nach wenigen Monaten fühlt sie sich durch ihn eingeengt, und aus der Romanze wird allmählich ein Albtraum. Als Judith sich von Hannes trennt, mutiert der Liebhaber zum Stalker, der ihre Freunde und Verwandten so manipuliert, dass sie glauben, Judith schätze die Situation falsch ein ...
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Kritik

"Ewig Dein" beginnt als Romanze und endet mit ein paar Seiten Psychothriller. Während es Daniel Glattauer gelingt, die Entwicklung Judiths zur Psychiatriepatientin einigermaßen glaubhaft darzustellen, wirkt die Krimi-Handlung hanebüchen.
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Judith ist 36. Vor drei Jahren übernahm sie das Lampengeschäft ihrer geschiedenen Eltern in Wien. Das betreibt sie zusammen mit der 16-jährigen Auszubildenden Bianca. Judith lebt allein. Nach einer Reihe von Beziehungen hat sie die Illusion aufgegeben, irgendwann auf ihren Traummann zu treffen.

Am Gründonnerstag tritt ihr ein Fremder im Supermarkt auf die Ferse. An der Kasse entschuldigt er sich noch einmal, und am Ausgang wartet er auf sie, damit er ihr die Türe aufhalten kann. Weil er sieben oder acht Bananen gekauft hat, hält Judith ihn für einen Familienvater.

Am Dienstag nach Ostern taucht der Mann aus dem Supermarkt in Judiths Lampengeschäft auf. Der 42-Jährige heißt Hannes Bergtaler und führt ganz in der Nähe ein auf den Neu- und Umbau von Apotheken spezialisiertes Architektenbüro. Er habe sie zufällig in den Laden hineingehen sehen, behauptet er, und wolle nur kurz „hallo“ sagen.

Als Judith am Sonntag nach Ostern mit Freunden im „Phoenix“ ist, taucht dort auch Hannes Bergtaler mit seinen beiden Kolleginnen Gudrun Wolff und Beatrix Ferstl auf. Er fragt Judith, ob er sie einmal auf eine Tasse Kaffee einladen dürfe, und sie sagt „ja“.

Hannes umwirbt Judith und ist dabei „auf tollpatschige Weise zielstrebig“. Als sie im Mai mit anderen Freunden zusammen bei Ilse und Roland eingeladen ist, lässt sie sich dazu überreden, ihm eine SMS zu schicken und ihn zu fragen, ob er dazukommen wolle. Die Freunde sind von Judiths Verehrer begeistert: Er verhält sich höflich und zuvorkommend, und obwohl er gut aussieht, ist er kein Draufgänger. Schließlich ergreift Judith die Initiative und fordert ihn zu einem ersten Kuss auf. Und dann nimmt sie ihn mit in ihre Wohnung.

Judith: „Du musst mich zart anfassen, ich bin aus Porzellan.“ Sie tippte ihm mit dem Zeigefinger auf die Nasenspitze. Er legte seine Hände weich auf ihre Wangen. Sie: „Warum zitterst du?“ Er: „Ich begehre dich so sehr.“ Sie: „Willst du mit mir schlafen?“ Er: „Ja.“ Sie: „Dann tu es.“ Er: „Ja.“ Sie: „Aber das Licht bleibt an.“

Er schenkt ihr eine riesige Birkenfeige, die kräftig weitertreibt. Unvermittelt steckt er ihr einen Ring mit einem Bernstein an. Dabei mag Judith keinen Bernstein-Schmuck.

Als sie mit ihrer Mutter zu einer Familienfeier bei ihrem Bruder Ali im oberösterreichischen Mühlviertel muss, will Hannes sie begleiten. Vergeblich versucht sie, es ihm auszureden. Ali arbeitet als Landschaftsfotograf, und seine schwangere Ehefrau Hedi betreibt eine kleine Biolandwirtschaft. Am Abend sind auch noch einige Freunde eingeladen. Sie alle sind von Hannes hingerissen und beglückwünschen Judith zu ihrer Eroberung.

Aber Judith fühlt sich durch Hannes eingeengt und will ein paar Tage allein sein. Er kommt ihrer Erklärung mit der Ankündigung zuvor, für eine Woche zu einem Architekturseminar nach Leipzig zu müssen. Endlich kann sie wieder einmal ohne ihn mit ihren Freunden ausgehen. Doch als sie spätabends nach Hause kommt, sitzt Hannes mit einem Rosenstrauß auf der Treppe und fragt vorwurfsvoll, wo sie sich herumgetrieben habe. Aufgebracht schickt sie ihn fort.

Am nächsten Tag gesteht er, das Seminar in Leipzig erfunden zu haben, weil er spürte, dass sie allein sein wollte. Von da an hält Hannes sich zurück. Schließlich fordert Judith ihn auf, mit ihr zu schlafen. Mit der Erklärung, er wolle nicht eine Nacht, sondern ein Leben mit ihr verbringen, lehnt er das Angebot ab.

Dann überrascht er sie mit Tickets für eine dreitägige Venedig-Reise. Die endet mit einem Fiasko, denn Judith begreift in diesen drei Tagen, in denen Hannes nicht von ihrer Seite weicht, dass er nicht der richtige Mann für sie ist. Zurück in Wien, beendet sie das Verhältnis, und als er am nächsten Tag Verständnis dafür zeigt, dass sie eine Pause brauche, macht sie ihm nochmals klar, dass sie nicht von einer vorübergehenden Unterbrechung gesprochen, sondern Schluss mit ihm gemacht habe.

Alle sind entsetzt, als sie erfahren, dass Judith die Beziehung mit dem Mann, der sie auf Händen trug, nicht fortsetzen möchte.

Weil die Mutter sofort für Hannes Partei ergreift, kann Judith nicht mit ihr darüber sprechen. Stattdessen wendet sie sich an Gerd, der zu ihrem Freundeskreis gehört. Er sagt ihr, dass Hannes ihn zwei Tage zuvor ins Vertrauen gezogen habe.

Hannes habe zwei Tage zuvor bei ihm angerufen, ganz im Vertrauen, und um einen „Ratschlag in einer sehr persönlichen Angelegenheit“ gebeten. Ungefähr hätte Hannes Folgendes gesagt: Judith hat unsere Beziehung beendet. Für mich kam das aus heiterem Himmel. Eine Welt ist zusammengestürzt. Ich habe in meiner ersten Verzweiflung falsch reagiert. Ich habe sie mit Blumen belästigt. Und dann habe ich mich auch noch mit ihrem Vater und ihrer Mutter getroffen und eine Familienfeier zu ihrem Geburtstag arrangiert. Ich hatte es gut gemeint, aber ich habe mich in private Dinge eingemischt, die mich überhaupt nichts angehen. Sie wird bestimmt böse auf mich sein. ich würde mich gerne bei ihr entschuldigen. Ich will, dass wir im Guten auseinandergehen. Aber ich wage jetzt nicht mehr, mich bei ihr zu melden. Was meinst du, Gerd, wie soll ich mich verhalten? Was soll ich tun?

Judith und Hannes treffen sich daraufhin in einem Café zu einer Aussprache. Sie erschrickt, denn er sieht krank und verwahrlost aus. Auf den Innenseiten seiner Unterarme entdeckt sie rote Striemen.

Aber wenn Judith glaubt, nun endgültig einen Schlussstrich gezogen zu haben, täuscht sie sich. Bald darauf schickt Hannes ihr ein Protokoll ihrer Tätigkeiten, aus dem hervorgeht, dass er sie beobachtet.

Sie geht zur Polizei. Dort fragt man sie zunächst, ob der Beschuldigte sie bedroht oder geschlagen habe. Das muss Judith verneinen. Bleibt noch Stalking. Aber das Beschattungsprotokoll hat Judith weggeworfen. Ohne Belastungsmaterial lässt sich nichts machen.

Gudrun Wolff betritt das Lampengeschäft. Ihr Chef komme seit Wochen nicht mehr ins Büro, sagt sie, und nun habe sie auch noch einen Zettel von ihm gefunden, auf dem es heißt, er existiere bald nur noch auf dem Papier. Sie mache sich deshalb Sorgen um ihn. Aber Judith bleibt ungerührt; sie will nichts mehr mit Hannes zu tun haben.

Ein paar Tage später lässt Judith dann doch Bianca mit verstellter Stimme im Architekturbüro anrufen und nach Herrn Bergtaler fragen. Er liege im Spital, heißt es.

Im September lernt Judith einen 27-Jährigen kennen und nimmt ihn mit nach Hause. Im Morgengrauen hat sie einen Albtraum und beißt ihn in den Arm. Da zieht er sich erschrocken an und geht.

Kurz darauf wird Judith in die Psychiatrie eingewiesen. Sie irrte auf der Straße umher und pöbelte Passanten an. „Akute schizophrene Psychose“ lautet die Diagnose der Psychiaterin Jessica Reimann.

Das befreundete Ehepaar Lukas und Antonia besucht Judith im Krankenhaus. Antonia erzählt, dass Hannes sie vor einer Woche mit einem Besuch überrascht habe. Sie ist überzeugt, dass Judith ihm Unrecht tut und die Situation falsch einschätzt.

In Abwesenheit ihrer Chefin verkaufte Bianca einen Kronleuchter für 7580 Euro, das teuerste Stück unter den Lampen, das seit 15 Jahren im Geschäft hing.

„Da hat ein Mann angerufen von einem Büro Soundso, und der hat gesagt, dass die Frau Dingsda einen Luster kaufen will, den sie bei uns im Geschäft gesehen hat. Und der Mann, der angerufen hat, der hat den Luster dann eindeutig beschrieben, dass ich gleich gewusst habe, das kann nur der Riesenluster aus Barcelona sein, wo das Kristall so schön knistert. Und dann hab ich natürlich gesagt, was er kostet. Und dem Mann ist dabei aber gar nicht alles heruntergefallen, sondern er hat gesagt, dass der Preis volle okay geht, weil die Frau den Luster unbedingt haben will, und dass wir ihn gleich abhängen und verpacken können, und dass jemand kommen wird und ihn abholen wird.“

Immerhin erfragte Bianca noch den Namen der Auftraggeberin von den beiden jungen Männern, die den Lüster abholten: Isabella Permason.

Hannes schreibt Judith und erwähnt dabei auch, dass er einige Zeit wegen eines Burn-out-Syndroms im Krankenhaus gelegen habe.

Judith lädt Freunde zum Essen ein. Mit Hannes als Überraschungsgast will sie demonstrieren, wie gut sie sich wieder unter Kontrolle hat, aber zur vereinbarten Zeit schickt Hannes eine SMS. Er habe noch im Büro zu tun, schreibt er. Da wird Judith übel, und sie muss sich hinlegen. Weil sie am nächsten Morgen im Nachthemd auf der Straße kauert, wird sie erneut in die Psychiatrie eingewiesen.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus schluckt Judith nicht nur täglich die verschriebenen Psychopharmaka, sondern geht auch jede Woche dreimal zu dem Psychotherapeuten Arthur Schweighofer. Sie ist so lethargisch, dass sie auch nichts gegen Hannes‘ regelmäßige Besuche einwendet. Er zeigt Verständnis für sie, während die Freunde ihre Antriebslosigkeit missbilligen. Nachts glaubt Judith seine Stimme und das Klirren des Lüsters zu hören. Sie befürchtet, verrückt zu werden.

Als Hannes ihr eines Tages acht Bananen bringt, erinnert Judith sich an die erste Begegnung mit ihm im Supermarkt. Später fragte sie ihn nach den Bananen, die er gekauft hatte, und er sagte, die seien für seine gehbehinderte Nachbarin mit Kindern gewesen. Judith schöpft Verdacht. Heimlich steckt sie die Tabletten, die sie nehmen soll, in ihr Sparschwein, statt sie zu schlucken. Bald fühlt sie sich sehr viel besser, aber sie lässt sich weiterhin von ihrer Mutter und Hannes pflegen, gibt sich matt und desorientiert und verbringt die meiste Zeit im Bett oder auf der Couch.

Nachdem sie sich Bianca anvertraut hat, bittet diese ihren Freund Basti, einen 20-jährigen Feuerwehrmann, der Privatdetektiv werden möchte, Hannes zu beschatten. Basti findet heraus, dass der Architekt, wenn er nach Hause kommt, nicht in seine Wohnung geht, sondern in die benachbarte. Was hat das zu bedeuten? In Uniform klingelt Basti an der Nachbarwohnung. Eine ältere Frau öffnet. Gehbehindert ist sie nicht. Kinder entdeckt Basti auch keine. Also log Hannes, als er behauptete, für seine Nachbarin einzukaufen. Unter dem Vorwand einer Brandschutz-Kontrolle verschafft Basti sich Zugang. Nur in einen Raum, dessen Türe verschlossen ist, lässt die Frau ihn nicht. Basti erfährt, dass Hannes mit ihrer Tochter Bella verheiratet ist und seit zwölf Jahren hier wohnt. Von Bella ist nichts zu sehen, aber Basti vermutet sie in dem Raum, den er nicht betreten darf.

Judith bringt die Namen Bella und Isabella Permason sofort zusammen. Nun erinnert sich auch daran, den Namen auf einer Liste der Psychiaterin gelesen zu haben. Es gehe um ähnliche Krankengeschichten aus dem Archiv hatte Jessica Reimann ihr damals erklärt.

Judith lässt sich von Bianca abholen. Ihre Mutter glaubt, sie würden spazierengehen. Tatsächlich fahren sie zu Hannes‘ Adresse, wo Basti bereits auf sie wartet. Hannes und seine Schwiegermutter haben das Haus verlassen. Basti öffnet die Türe mit einem Spezialwerkzeug. Dann stehen er und seine Freundin Schmiere, während Judith in die Wohnung geht und in dem geheimnisvollen Zimmer auf eine wie ein Gespenst aussehende, halb bewusstlose Frau trifft. Judith ist sich sicher, dass Hannes Isabella Permason Psychopharmaka verabreicht hat.

Am 23. Dezember lädt Hannes Judiths Freundeskreis in deren Wohnung ein und überrascht sie mit der Besichtigung der Nachbarwohnung, deren Mieter im Herbst verstarb. Inzwischen hat Hannes sie übernommen und renoviert. Prunkstück der Einrichtung ist der Kronleuchter aus Judiths Geschäft. Judith hat sich bei ihrem Bruder Ali eingehängt und tut weiter so, als bekomme sie das alles gar nicht mit. Erst als es klingelt, strafft sie sich und kündigt mit klarer Stimme weitere Gäste an. Es sind Bianca und Basti in Begleitung von Hannes‘ Schwiegermutter Adelheid Permason, Inspektor Bittner und Oberinspektor Kainreich. Die beiden Kriminalbeamten wollen Hannes Bergtaler zur Befragung mit ins Präsidium nehmen. Es geht um eine umfangreiche Strafanzeige.

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Der Roman „Ewig Dein“ beginnt wie eine harmlose Liebesgeschichte mit komischen Zügen. Doch als Judith sich von Hannes trennt, wird aus der Romanze eine beklemmende Stalking-Geschichte. Und das ist nicht die letzte Wendung: Nachdem es eine Zeit lang so aussah, als ob Judith die Situation völlig falsch einschätzen würde, mutiert „Ewig Dein“ am Ende noch zum Pschothriller.

Die Entwicklung Judiths vom selbstbewussten Single zum verzweifelten Stalking-Opfer und zur Psychiatrie-Patientin mag noch einigermaßen überzeugen, aber die Thriller-Handlung wirkt hanebüchen, obwohl es heißt, sie basiere auf einem tatsächlichen Fall, mit dem sich Daniel Glattauer als Gerichtsreporter beschäftigt hatte.

Daniel Glattauer erzählt aus der Perspektive der Protagonistin Judith. Statt in Kapitel hat er seinen Roman „Ewig Dein“ in 15 „Phasen“ eingeteilt, die er chronologisch durchgeht, von Gründonnerstag bis 23. Dezember.

Den Roman „Ewig Dein“ von Daniel Glattauer gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Andrea Sawatzki (Hamburg 2012, 4 CDs, ISBN 978-3-89903-349-6).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2012
Textauszüge: © Deuticke im Paul Zsolnay Verlag

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