John Grisham : Der Gerechte

Der Gerechte
Originalausgabe: Rogue Lawyer Doubleday, New York 2015 Der Gerechte Übersetzung: Kristiana Dorn-Ruhl, Bea Reiter, Imke Walsh-Araya Wilhelm Heyne Verlag, München 2016 ISBN: 978-3-453-27068-8, 415 Seiten ISBN: 978-3-641-18816-0 (eBook) ISBN: 978-3-453-42182-0 (Taschenbuch)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Unschuldige können sich nicht auf die Rechtsprechung verlassen. Vor Gericht geht es weniger um Gerechtigkeit als um den Sieg des Staatsanwalts oder des Verteidigers. Dazu kommen unter Erfolgs­druck stehende Ermittler, die ebenso wie die Juristen an ihre Karrieren denken. Der Strafverteidiger Sebastian Rudd, der die Tricks der Polizei und der Staatsanwälte kennt, wehrt unfaire Machenschaften zulasten seiner Mandanten mit unge­wöhn­lichen Strategien ab ...
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Kritik

John Grisham verknüpft in dem Justizroman eine Reihe verschiedener Gerichtsfälle durch eine unge­wöhn­liche Hauptfigur. Lesenswert ist "Der Gerechte" wegen der kenntnis­reichen, in anschaulich erzählten Geschichten verpackten Kritik an der Rechtsprechung.
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Sebastian Rudd schloss vor zehn Jahren sein Jura-Studium ab. Als Strafverteidiger vertritt er vor allem Angeklagte, mit denen sich kein anderer Anwalt abgeben mag, weil die ihnen zur Last gelegten Verbrechen zu abscheulich sind. Rudd wird deshalb von vielen angefeindet. Wer akzeptiert schon, dass auch ein mutmaßlicher Kinderschänder das Recht auf einen fairen Prozess hat?! Rudds Kanzlei wurde vor fünf Jahren durch einen Sprengstoffanschlag zerstört.

Zurzeit muss ich in billigen Motels nächtigen, jede Woche in einem anderen. Nicht dass ich Geld sparen will. Nein, ich versuche, am Leben zu bleiben. Es gibt jede Menge Leute, die mich umbringen wollen.

Inzwischen bevorzugt er ein mobiles Büro, das er sich in einen gepanzerten schwarzen Ford-Transporter mit abgedunkelten Scheiben einbauen ließ. Gefahren wird der Wagen von einem 38-Jährigen, der nicht nur sein Chauffeur, sondern auch sein Bodyguard, Assistent und Freund ist, seit er angeklagt war, einen verdeckten Drogenermittler ermordet zu haben und Rudd einen Freispruch für ihn erwirkte. Rudd bezahlte „Partner“ – so nennt er ihn – Abendkurse, damit er sich zum Rechtsassistenten ausbilden lassen konnte. Partner lebt mit seiner schwer zuckerkranken Mutter Luella in einer Sozialwohnung. Sein 19-jähriger Sohn Jameel verbüßt eine Haftstrafe in der Nathan-Roseburg-Justizvollzugsanstalt.

Verheiratet war Sebastian Rudd kurze Zeit mit Judith Whitly. Eigentlich hatte er die Affäre bereits beenden wollen, aber da war Judith schwanger geworden. Daraufhin ließ er sich mit ihr trauen. Später erfuhr er, dass Judith ihn schon vor der Hochzeit mit einer Frau betrogen hatte. Der Sohn Starcher wurde während des Rosenkriegs geboren. Inzwischen ist er sieben Jahre alt, und sein Vater darf einmal im Monat 36 Stunden lang mit ihm zusammen sein. Die Hälfte der Zeit verbringt Starcher bei seinen Großeltern, denn Judith arbeitet ebenfalls als Anwältin, als eine von vier Partnerinnen in einer Kanzlei mit zehn militanten Lesben.

Sebastian Rudd übernimmt in Milo die Pflichtverteidigung für Gardy Baker, einen 18-jährigen Schulversager mit einem IQ von 70, dem vorgeworfen wird, die zwei elfjährigen Zwillingsschwestern Jenna und Raley Fentress umgebracht zu haben.

Gardy wurde praktisch am Tag seiner Verhaftung verurteilt, sein Prozess ist nur noch eine Formalität. In tumbem Eifer erfanden die Polizisten alle Anklagepunkte und fälschten Beweismittel. Der Staatsanwalt weiß das.

Gardy jedoch ist unschuldig, was allerdings keinen interessiert. Für Milo zählt nur, dass er zum Tode verurteilt und hingerichtet wird, damit sich die Stadt endlich besser fühlen und zur Normalität übergehen kann.

Von einem ortsansässigen Anwalt mit guten Kontakten – Jimmy Bressup („Bischof“) – erfährt Rudd, dass Staatsanwalt Dan Huver längst von der Unschuld des Angeklagten überzeugt ist, aber weitermacht, um seine Reputation nicht zu gefährden.

Der Staatsanwaltschaft ist es am liebsten, wenn die Jury glaubt, die Mädchen seien vergewaltigt und bewusstlos geprügelt worden, ehe sie in den Teich geworfen wurden. Es gibt keinerlei objektive Beweise dafür, dass sie sexuell missbraucht wurden, doch das hat die Staatsanwaltschaft nicht im Mindesten davon abgehalten, diesen Punkt für ihre Argumentationslinie zu verwenden.

In seiner Freizeit entspannt sich Sebastian Rudd bei Mixed Martial Arts. Er investiert sogar in Kämpfer wie Tadeo Zapate, einen 22-jährigen aus El Salvador, der seit sieben Jahren zu einer mit Kokain dealenden Streetgang gehört, ebenso wie dessen Bruder Miguel Zapate.

Er ist der vierte Kämpfer, in den ich Geld stecke, und der erste, der sich auszahlt.

An diesem Abend gewinnt Rudd bei Käfigkampf-Wetten 8000 Dollar. Mitten im Getümmel hört er seinen Namen rufen. Eine gepiercte Fremde Mitte 20 mit lila Haaren spricht ihn an, sagt ihm, dass ihre Mutter Glynna Roston im Prozess gegen Gardy Baker die Geschworene Nummer 8 sei. Ihre Mutter und die meisten anderen Geschworenen hielten den Staatsanwalt und dessen Zeugen für Lügner, erzählt sie.

Vor der nächsten Verhandlung im Fall Gardy Baker ruft Richter Kaufmann den Staatsanwalt und den Verteidiger in sein Zimmer. Es liegt eine eidesstattliche, von einem Notar beurkundete Erklärung einer Marlo Wilfang vor. Darin heißt es, sie sei beim MMA-Turnier gewesen. Dort habe Rudd sie kontaktiert, mit ihr über den Fall gesprochen und ihr aufgetragen, ihre zur Jury gehörende Mutter Glynna Roston darauf hinzuweisen, dass die Zeugen der Staatsanwaltschaft alle lügen würden und es keine Schuldbeweise gegen den Angeklagten gebe. Sebastian Rudd gelingt es, Dan Huver in die Enge zu treiben, bis dieser zugibt, dass eine seiner Assistentinnen die komplette Aussage verfasste. Glynna Roston wird aus der Jury entlassen und durch eine andere Frau ersetzt. Weil Rudd jedoch bei der Auseinandersetzung nicht nur den Staatsanwalt, sondern auch den Richter hart anging, muss er wegen Missachtung des Gerichts für eine Nacht ins Milo City Jail.

Sebastian Rudd verdächtigt einen 35-Jährigen namens Jack Peeley als Mörder der Zwillinge. Der war vor einiger Zeit mit deren Mutter Julie Fentress zusammen, bis Witwe die Beziehung wegen eines anderen Mannes beendete.

Während sie sozial aufstieg, zog Peeley mit gebrochenem Herzen aus. Er war der Letzte, der mit den Mädchen gesehen wurde. Ich habe die Polizei von Beginn an gefragt, warum man ihn nicht verdächtige oder zumindest gegen ihn ermittle.

Nachdem Rudd herausgefunden hat, in welcher Kneipe Jack Peeley zu finden ist, provozieren ihn dort Tadeo und Miguel Zapate. Bei der Schlägerei lässt Tadeo etwas von Jack Peeleys Nasenblut auf seine Hand tropfen. Rudd, der draußen mit Partner im Wagen wartet, streicht das Blut sorgfältig ab und schickt es mit ein paar bei den ermordeten Mädchen gefundenen Haaren, die er sich unbemerkt bei der Polizei besorgte, an ein DNA-Labor in San Diego. Der Eilauftrag kostet 6000 Dollar.

Sebastian Rudd hat sechs Zeugen, die aussagen, dass sie zur Tatzeit mit Gardy Baker zusammen waren. Und er legt den Nachweis vor, dass Jack Peeleys Blut die gleiche DNA hat wie die Haare, die bei den toten Mädchen gefunden wurden. Vor der nächsten Verhandlung stellt der Verteidiger den Richter und den Staatsanwalt vor die Wahl:

Wenn sie sich weigern, den Prozess abzubrechen, den Fall zu schließen und alle nach Hause zu schicken – das ist es, was ich von ihnen erwarte –, dann werde ich entweder (1) Jack Peeley zwangsvorladen lassen, ihn vor Gericht zerren, in den Zeugenstand stellen und als Mörder entlarven, (2) mit dem Ergebnis der DNA-Analyse zur Presse gehen, (3) der Jury verkünden, was ich weiß, (4) dies alles tun oder (5) nichts davon tun, sie ihr Todesurteil fällen lassen, um sie in der nächsten Instanz fertigzumachen.

Daraufhin wird Jack Peeley verhaftet, und Gardy Baker kommt frei.

George („Link“) Scanlon wurde vor sechs Jahren für den Mord an einem Richter zum Tod verurteilt. In seinem Auftrag erschoss der Profikiller Knuckles den Richter Nagy und dessen Ehefrau im Bett.

Knuckles saß etwa zwei Jahre lang in der Todeszelle, bis man ihn mit reichlich Abflussreiniger in Mund und Rachen vorfand.

Am Abend der für 22 Uhr im Gefängnis Big Wheeler angesetzten Hinrichtung von Link Scanlon sitzt Sebastian Rudd bei seinem Mandanten in der Todeszelle. In dem Gerichtssaal, in dem Scanlon verurteilt wurde, explodiert ein Sprengkörper. Kurz nachdem das Bezirksgericht die Klage gegen die Hinrichtung abgewiesen hat, geht dort eine Bombe hoch. Ein dritter Anschlag richtet sich gegen das Büro des Staatsanwalts Max Mancini, des Chefanklägers der Stadt.

CNN berichtet mit kaum kaschierter Hysterie, dass um den Obersten Gerichtshof in Washington die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt wurden. Der Reporter vor Ort zeigt immer wieder Bilder von beleuchteten Büros, um uns glauben zu machen, dass die Richter dort oben ausharren und hitzig über Links Fall beraten. Was natürlich nicht so ist. Sie sitzen längst alle zu Hause beim Abendessen. Einer der Gerichtsangestellten wird in Kürze unser Gesuch ablehnen.

Um 20.15 Uhr lehnt der Oberste Gerichtshof Scanlons Gnadengesuch ab. Ein Lagerhaus im Westen und eine Autowerkstatt im Osten der Stadt gehen in Flammen auf. Das Büro des Gefängnisdirektors McDuff wird um 20.45 Uhr durch eine Detonation in der Nähe erschüttert, und dann bricht ein Häftlingsaufstand los. Um 21.30 Uhr fällt in der Justizvollzugsanstalt der Strom aus, und der Notstromgenerator im Todestrakt springt nicht an.

Scanlon verbarrikadiert die Tür mit einem Tisch. Jemand schiebt eine Platte der eingezogenen Decke zur Seite. Das Licht einer Taschenlampe streift durch den Raum. Jemand ruft von oben „Link, hierher!“ Ein Seil fällt herunter.

Als nach einer Stunde das Licht wieder brennt, ist Link Scanlon verschwunden. Komplizen haben ihn in dem Chaos mit einem kleinen Hubschrauber vom Dach geholt.

Douglas („Doug“) Renfro verkaufte nach 14 Jahren beim Militär bis zu seiner Pensionierung medizintechnische Geräte. Seine Frau Katherine („Kitty“) arbeitete als Sachbearbeiterin einer Versicherungsgesellschaft. Inzwischen sind beide Anfang 70. Um 3 Uhr nachts werden gleichzeitig die Vorder- und die Hintertür aufgebrochen. Doug Renfro greift nach seiner auf dem Nachttisch liegenden, ordnungsgemäß registrierten Pistole, wirft sich zu Boden, wie er es in der Armee gelernt hat und schießt auf die durchs Haus polternden Schatten, die das Feuer erwidern. Er wird an der Schulter und am Unterarm getroffen. Kitty, die in panischer Angst aus dem Bett gesprungen und ihrem Mann gefolgt ist, stirbt im Kugelhagel. Zu spät begreift Doug, dass es sich bei den eingedrungenen vermummten und schwer bewaffneten Männern nicht um Einbrecher, sondern um ein SWAT-Team der Polizei handelt. Ein Cop namens Scott Keestler hat einen Streifschuss am Hals abbekommen. Die anderen sieben sind unverletzt. Später werden 38 Schüsse gezählt.

Die Polizei untersucht die beiden Laptops im Haus. Noch vor Sonnenaufgang ist klar, dass Doug und Kitty Renfro keine Drogen übers Internet verkauften. Lieutenant Chip Sumerall und seine Männer haben einen Fehler gemacht.

Am Nachmittag klingeln drei Polizisten in Zivil beim Nachbarhaus und weisen dem 19-jährigen Lance, der ihnen öffnet, einen Durchsuchungsbeschluss vor. Sie beschlagnahmen seinen Laptop und sein Handy. Als seine Mutter nach Hause kommt, ist er gerade dabei, ein Geständnis abzulegen. Seit einem Jahr dealt der Arbeitslose im Internet mit Ecstasy, und zwar über das ungesicherte WLAN des ahnungslosen Ehepaars Renfro, dessen IP-Adresse den Drogenfahndern aufgefallen war.

Sebastian Rudd besucht Doug Renfro im Krankenhaus. Der Verletzte ist noch nicht ansprechbar, aber der Anwalt kann mit seinem Sohn Thomas Renfro reden, einem Optiker. Die Töchter Fiona und Susanna, die weiter weg wohnen, sind noch auf dem Weg zum Krankhaus.

„Mr Renfro, ich erkläre Ihnen jetzt, was passieren wird. Ihr Vater wird so schnell nicht wieder nach Hause kommen. Wenn die Ärzte mit ihm fertig sind, wird er ins Gefängnis gebracht. Dann wird er des versuchten Mordes an einem Polizeibeamten angeklagt. Dafür kann es bis zu zwanzig Jahre geben. Die Kaution wird sich in der Größenordnung von einer Million Dollar bewegen, irgendeine unverschämt hohe Summe, die er nicht aufbringen kann, weil der Staatsanwalt sein Vermögen einfrieren wird. Das Haus, Bankkonten, alles.“

Es ist gesetzlich geregelt, dass ein SWAT-Team, das formal korrekt gegen Unschuldige vorgeht, nicht strafrechtlich belangt werden kann, während ein Bürger, der auf einen Polizisten schießt, des versuchten Mordes angeklagt wird, auch wenn er wie Doug annahm, er müsse sich gegen Einbrecher verteidigen. Sebastian Rudd rät zu einer Zivilklage gegen die Stadt:

„Widerrechtliche Tötung Ihrer Mutter, tätlicher Angriff auf Ihren Vater, übermäßige Gewaltanwendung, polizeiliche Unfähigkeit, Rechtsverletzung und so weiter.“

Der Anwalt wendet sich an Okie Schwin, einen Mitarbeiter der Geschäftsstelle des Bundesgerichts in der Stadt. Für ein Bestechungsgeld von 3000 Dollar wird er dafür sorgen, dass der Fall dem Richter Arnie Samson zugeteilt wird.

Um neun Uhr am nächsten Morgen betrete ich die Geschäftsstelle und verklage die Stadtverwaltung, die Polizei, den Polizeichef und die acht Mitglieder des SWAT-Teams, die vor sechs Tagen das Haus der Renfros gestürmt haben, auf fünfzig Millionen Dollar Schadensersatz. Irgendwo in den unergründlichen Tiefen der Geschäftsstelle wirkt Okie sein Wunder, und der Fall wird „per Zufallsprinzip und automatisiert“ Richter Arnold Samson zugewiesen. Ich schicke eine Kopie der Klage per E-Mail an meinen Kontakt beim Chronicle.

Mit Doug Renfros Haus als Sicherheit für die Kaution bekommt Rudd ihn frei.

Im Idealfall erstreitet er zunächst durch die Zivilklage eine Entschädigung für seinen Mandanten, und die Medienberichte darüber erhöhen die Wahr­schein­lichkeit eines Freispruchs in der Strafsache. Allerdings dauern Zivilsachen in der Regel länger als Strafsachen. Deshalb ist nicht mit dem Idealfall zu rechnen. Tatsächlich beginnt der Strafprozess vor einer Entscheidung in der Zivilsache, zehn Monate nach der für Kitty Renfro tödlichen Schießerei.

Staatsanwalt Chuck Finney bietet einen Deal an: Falls die Zivilklage fallen gelassen wird, braucht Doug Renfro keine Haftstrafe zu befürchten. Rudd und sein Mandant lassen sich nicht darauf ein. In der Verhandlung kommt Bezirksrichter Ryan Ponder schon bald zu der Ansicht, dass man den Angeklagten nicht verurteilen könne, weil er davon ausgehen musste, dass Kriminelle in sein Haus eingebrochen seien. Im Richterzimmer herrscht er den Staatsanwalt an:

„Haben Sie etwa vor, alle acht Mitglieder des SWAT-Teams in den Zeugenstand zu rufen?“

Finney beteuert, das nicht zu beabsichtigen, aber da meldet sich Rudd:

„Großartig, dann werde ich sie als Zeugen der Gegenpartei aufrufen. […] Ich will, dass alle acht vor die Geschworenen treten.“ Der Richter sieht mich erschrocken an.

Am Ende befinden die Geschworenen den Angeklagten für nicht schuldig. Ihr Sprecher Willie Grant äußert die Ansicht, dass sich die Polizisten, die Mrs Renfro erschossen, vor Gericht verantworten müssten.

Eines Abends kann Judith sich nicht um Starcher kümmern und vertraut ihn deshalb ihrem Ex-Mann an. Sebastian Rudd ist mit Tadeo Zapate verabredet und nimmt seinen sieben Jahre alten Sohn einfach mit zu den MMA-Kämpfen. Starcher ist begeistert. Tadeo Zapate erwartet am Ende seines Käfigkampfes, dass er zum Sieger erklärt wird, aber der Ringrichter Sean King hebt überraschend den Arm des afroamerikanischen Gegners Bo Fraley („Crush“) hoch. Der Verlierer schlägt blitzschnell zu. Während Crush zusammensackt, prügelt Tadeo Zapate blindwütig auf Sean King ein und hört nicht auf, als der Ringrichter bereits das Bewusstsein verloren hat. Sean King stirbt an einer Gehirnblutung. Im Publikum gehen die Fans von Tadeo Zapate und Crush ebenso wie die Latinos und die Schwarzen aufeinander los. Sebastian Rudd ist froh, dass er seinen Sohn unbeschadet durch das Getümmel ins Freie bringen kann.

Allerdings entdeckt Judith auf einem Foto zu einem Zeitungsbericht über die Gewaltorgie ihren Sohn. Obwohl sie als erfahrene Juristin weiß, dass sie damit nicht durchkommen wird, beantragt sie, ihrem Ex-Mann alle Besuchsrechte zu entziehen. Weitere Argumente liefert Starcher ihr, als er vier Tage später einem Mitschüler, der ihn schubste, auf den Mund schlägt und die Lehrerin Naomi Tarrant die Eltern einbestellt. Wie zu erwarten, weist Richter Stanley Leef Judiths Antrag ab – und Sebastian Rudd hat sich in eine 33-jährige, sehr attraktive und frisch geschiedene Lehrerin verliebt, die seine Gefühle teilt.

In einem Pfandhaus taucht eine Kette auf, die Jiliana Kemp gehört, der Tochter des stellvertretenden Polizeichefs Roy Kemp der Stadt, die vor einigen Monaten entführt wurde. Sie war im dritten Monat schwanger. Die Spur führt zu Arch Swanger, einem vorbestraften 31-Jährigen, der nach seiner Festnahme behauptet, Sebastian Rudd sei sein Anwalt. Landy Reardon, ein rechtschaffener Polizist, ruft den Strafverteidiger an, und der fährt zum Alten Gericht.

Weil Arch Swanger nichts nachzuweisen ist, wird er freigelassen. Aber er rechnet damit, dass nicht alles vorbei ist. Er befürchte, dass die Cops ihn umbringen könnten, weil sie keine Beweise gegen ihn haben und unter Druck stehen, einen Täter zu präsentieren. Rudd erklärt, das Honorar betrage zunächst bis zu einer eventuellen Anklageerhebung 10 000 Dollar. Swanger gibt ihm einen Scheck über 5000 Dollar vom Konto seiner Mutter Louise Powell und beteuert, mehr Geld sei nicht vorhanden. Und er behauptet, nicht nur zu wissen, wo die Leiche der Entführten liege, sondern auch, wer sie ermordet habe.

Der Scheck ist ungedeckt. Swanger ruft an und teilt mit, dass er untergetaucht sei. Aber er beschreibt Rudd den Ort, an dem Jiliana Kemp angeblich vergraben wurde: unter einem Plakat, mit dem Dr. Woo seine Dienste beim Rück­gängig­machen von Vasektomien anbietet.

Eine Woche später erkundigt sich Detective Landy Reardon, ob Sebastian Rudd noch Arch Swanger vertrete, und als der Anwalt das wegen des ungedeckten Schecks verneint, meint der Officer, der Ganove sehe das anders. Reardon spielt eine nachts auf seinem Anrufbeantworter eingegangene Nachricht Swangers ab:

„Reardon, nur drei Leute wissen, wo sie vergraben ist. Nur drei. Ich, der Typ, der sie umgebracht hat, und mein Anwalt, Sebastian Rudd. Ich habe es Rudd erzählt, weil er Anwalt ist und es niemandem sagen darf.“

Roy Kemp kommt hinzu und schreit den Juristen an:

„Ihre Schweigepflicht und die Berufsethik und diese ganze Scheiße sind mir völlig egal, Rudd.“

Weil der Anwalt seine Zulassung nicht verlieren möchte, etwa durch den Bruch der Schweigepflicht, verrät er nichts.

Als er sich einige Tage später mit seinem Sohn im Stadtpark aufhält, fallen Schüsse und ein Mann mit einer Pistole in der Hand jagt hinter einem anderen her. Passanten werfen sich in Panik auf den Boden. Sebastian Rudd schaut nach Starcher, der kurz zuvor die öffentliche Toilette aufgesucht hat. Der Junge ist fort. Augen­scheinlich waren die Schüsse ein Ablenkungsmanöver, um ihn entführen zu können.

Landy Reardon überbringt Rudd eine Forderung: Der Anwalt verrät, was er über den Verbleib der Leiche des Mädchens erfahren hat und erhält dafür den Jungen zurück. Rudd bleibt nichts anderes übrig, als die Polizei zu der Plakatwand zu führen. Obwohl alles umgegraben und mit Spürhunden untersucht wird, ist nichts zu finden. Offenbar sind alle auf Arch Swanger hereingefallen. Trotzdem erhält Sebastian Rudd den Hinweis, dass Starcher Whitly in einem bestimmten Truckstop vor einem Eis sitzt.

Ein Ganove namens Danny („Tubby“) Fango passt Sebastian Rudd zwei Monate nach Link Scanlons Befreiung aus der Todeszelle ab. Der Mörder will die 100 000 Dollar Honorar zurückhaben.

„Sie haben dreißig Tage, um das Geld zu beschaffen.“

Drei Wochen später erinnert Fango den Anwalt an die Forderung, aber Rudd lässt keinen Zweifel daran, dass er nicht bezahlen wird, zumal er ein Drittel der Summe als Steuern abführte. Daraufhin explodiert ein Brandsatz am Transporter, und Partner wird mit Verbrennungen ins Krankenhaus gebracht.

Den Anschlag haben vermutlich Tubby Fango und ein Komplize namens Artur („Razor“) Robilio verübt. Die Leichen der beiden werden auf einer Müllhalde gefunden.

Arch Swanger meldet sich bei Sebastian Rudd und behauptet, Jiliana Kemp sei am Leben.

„Ich sage Ihnen jetzt, was Sache ist, Rudd. Jiliana Kemp ist sehr lebendig, aber ich wette, sie wäre lieber tot. Sie hat vor einigen Monaten entbunden. Das Baby wurde für fünfzigtausend Dollar verkauft. […] Im Augenblick schuftet sie tausend Kilometer von hier als Stripperin und Nutte in einem Sexclub. Sie wird praktisch als Sklavin gehalten, von ein paar üblen Gestalten, die sie heroinsüchtig gemacht haben. […] Sie wird eine Weile in den Clubs eingesetzt, dann muss sie wieder als Gebärmaschine herhalten. Sie wird herumgereicht, und wenn sie schwanger wird, nehmen sie ihr die Drogen weg und sperren sie ein. Das Baby soll ja schließlich gesund sein.“

Für einen Hinweis, wo Jiliana Kemp zu finden sei, verlangt Swanger 150 000 Dollar.

Sebastian Rudd trifft sich mit Bürgermeister L. Woodrow Sullivan III und dessen Rechtsberater Moss Korgan im Rathaus. Die Stadt bietet im Fall Doug Renfro einen Vergleich an und ist bereit, eine Million Dollar zu zahlen. Rudd besteht darauf, dass außerdem der Polizeichef und die acht an dem Einsatz gegen das Ehepaar Renfro beteiligten Polizisten entlassen werden. Dann weist er darauf hin, dass die Entführung seines Sohnes von Roy Kemp inszeniert wurde und legt den Entwurf einer entsprechenden Klage gegen die Stadt auf den Tisch. Damit schlägt er eine zweite Million für Doug Renfro heraus.

In einer weiteren Unterredung mit Moss Korgan legt Sebastian Rudd nach: Er berichtet von Arch Swangers Angebot, Jiliana Kemps Versteck gegen 150 000 Dollar zu verraten und verlangt für den Fall ihrer Rettung einen für Tadeo Zapate günstigen Deal. Der Bürgermeister soll den Chefankläger Max Mancini dazu bringen, ihn anzunehmen.

„Darauf lässt sich Mancini niemals ein.“
„Dann werft Mancini raus. Auf der Stelle. Bestellt ihn ein und zwingt ihn zum Rücktritt. In unserer Version von Demokratie hat der Bürgermeister die Befugnis dazu.“

„Da ist noch was“, sage ich.
„Oh, ein mehrteiliger Deal. Wundert mich irgendwie nicht.“
„Vor etwa einem Monat hat die Polizei zwei Leichen auf einer Müllkippe gefunden. Zwei Gangster, die für Link Scanlon gearbeitet haben. Aus irgendeinem Grund werde ich verdächtigt. Keine Ahnung, wie ernst die Sache ist, aber ich wäre da gern raus.“

Moss Korgan fasst zusammen:

„Erstens soll der Bürgermeister Mancini zwingen, deinen Käfigkämpfer glimpflich davonkommen zu lassen, damit seine Karriere nicht den Bach runtergeht. Zweitens soll der Bürgermeister Druck auf die Polizei ausüben, damit sie woanders nach den Mördern von Scanlons Jungs sucht. Und drittens, was war drittens gleich noch?“
„Das Sahnestück. Swanger.“
„Ach ja. Dafür, dass der Bürgermeister seinen Hals riskiert, kannst du vielleicht der Polizei helfen, Swanger zu finden, der möglicherweise die Wahrheit sagt und eventuell in der Lage ist, die Beamten zu dem Mädchen zu führen. Habe ich dich richtig verstanden, Rudd?“

Weil jemand Tadeo Zapates tödliche Attacke gegen den Ringrichter gefilmt hat und das Video bei YouTube hochgeladen hat, gibt es nach Rudds Einschätzung keine Chance auf einen Freispruch, aber er hofft, ihn durch einen Deal vor einer jahrzehntelangen Haftstrafe bewahren zu können.

Er trifft sich mit Arch Swanger, um ihm den geforderten Geldbetrag zu übergeben und dafür zu erfahren, wo Jiliana Kemp und ihre Leidensgefährtinnen zu finden sind. Das als „Atlas Physical Therapy“ getarnte Bordell ist im Einkaufszentrum West Ivy in Vista View, einem Vorort von Atlanta. – Die Polizei hört das Gespräch im Auto zwar ab, aber der Ganove verschwindet nach der Geldübergabe in einem Maisfeld.

Bei Atlas Physical Therapy werden drei Männer festgenommen und sechs Zwangsprostituierte – darunter Jiliana Kemp – befreit. Ein Unternehmer stellt einen Privatjet zur Verfügung, mit dem Jiliana Kemp zu ihren Eltern gebracht wird. Aufgrund der neuen polizeilichen Erkenntnisse führt das FBI im ganzen Land Razzien durch und rettet mehr als zwei Dutzend Mädchen.

Vergeblich versucht Sebastian Rudd, seinen Mandanten Tadeo Zapate zur Annahme des außerordentlich günstigen Deals zu bewegen. Der 22-Jährige will nicht einsehen, dass er andernfalls mit einer langjährigen Haftstrafe zu rechnen hat. Stattdessen erwartet er einen Freispruch, und Rudd gelingt es nicht, ihm das auszureden. Um sich abzusichern, bittet Rudd die Richterin Fabineau, seinen Mandanten vor der Verhandlung über seine Entscheidung zu befragen und das zu protokollieren.

Miguel Zapate kontaktiert den Anwalt seines Bruders und teilt ihm mit, dass ein Geschworener, der 38-jährige LKW-Fahrer Esteban Suarez, bereit sei, für 10 000 Dollar einen einstimmigen Spruch der Jury gegen den Angeklagten zu verhindern. Rudd hält es für viel zu riskant, sich auf die Bestechung eines Geschworenen einzulassen, aber Miguel Zapate will wenigstens das Geld von ihm und weist den Anwalt darauf hin, dass dieser ihm zu Dank verpflichtet sei, weil er Scanlons Leute – Tubby und Razor – für ihn beseitigt habe.

Für 20 000 Dollar plus Spesen erklärt der pensionierte Psychiater Dr. Taslman im Zeugenstand, der Angeklagte sei zum Zeitpunkt der Tat unzurechnungsfähig gewesen. Aber Max Mancini zaubert ein zweites Video aus dem Hut, das zeigt, wie Tadeo Zapate bereits früher nach einem Käfigkampf mit Corliss Beane auf seinen Gegner losgegangen war. Damit überzeugt er die Geschworenen, dass Dr. Taslmans Einschätzung nicht stichhaltig sei, und am Ende befinden sie den Angeklagten einstimmig des Mordes mit bedingtem Vorsatz schuldig. Noch vor der Urteilsverkündung wird Miguel Zapate verhaftet. Esteban Suarez arbeitete nämlich mit der Polizei zusammen und war verkabelt.

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An verschiedenen Beispielen demonstriert John Grisham in dem Justizthriller „Der Gerechte“, dass sich Unschuldige nicht auf die Rechtsprechung in den USA (und anderswo) verlassen können. Einige Gesetze sind absurd, und vor Gericht geht es ohnehin weniger um Wahrheit und Gerechtigkeit, als um den Sieg des Staatsanwalts oder des Verteidigers. Dazu kommen unter Erfolgsdruck stehende Ermittler, die ebenso wie die Juristen an ihre Karrieren denken. Und das alles spielt sich nicht im politikfreien Raum ab.

In den Mittelpunkt des Romans „Der Gerechte“ stellt John Grisham einen Street Lawyer, der die Methoden der Polizei ebenso wie die Tricks der Staatsanwälte kennt und unfaire Machenschaften zulasten seiner Mandanten mit ungewöhnlichen Strategien abwehrt. Sebastian Rudd ist ein „Rogue Lawyer“ (Schurkenanwalt) – so der Originaltitel –, der vor allem Angeklagte verteidigt, mit denen sich kein anderer Anwalt abgeben mag, weil die ihnen zur Last gelegten Verbrechen zu abscheulich sind. Rudd wird deshalb von vielen angefeindet. Wer akzeptiert schon, dass auch ein mutmaßlicher Kinderschänder das Recht auf einen fairen Prozess hat?! Aus Sicherheitsgründen hat er seine „Kanzlei“ nicht in einem Gebäude, sondern in einem umgebauten Fahrzeug – ebenso wie Michael („Mickey“) Haller, die von dem Schriftsteller Michael Connelly (* 1956) erfundene Romanfigur eines Strafverteidigers („The Lincoln Lawyer“, 2005).

In „Der Gerechte“ überlässt John Grisham dem Protagonisten das Wort und entwickelt die Story konsequent aus der Perspektive dieses ungewöhnlichen, mit allen Wassern gewaschenen und von mehreren Seiten bedrohten Ich-Erzählers.

Es geht in „Der Gerechte“ nicht um einen einzelnen großen Gerichtsprozess, sondern um eine ganze Reihe von Fällen, die zum Teil durch die Figur des Anwalts Sebastian Rudd miteinander verknüpft sind. Vor allem der erste Teil des Buches wirkt wie eine Aneinanderreihung von Geschichten. Einige davon werden im weiteren Verlauf fallengelassen, andere greift John Grisham noch einmal auf. Dabei verstärken überflüssige Wiederholungen biografischer Daten den Eindruck fehlender Geschlossenheit.

Lesenswert ist „Der Gerechte“ wegen der auf breitem Wissen basierenden Kritik am Justizsystem, vor allem aber, weil John Grisham temporeich, anschaulich und unterhaltsam schreibt.

Den Roman „Der Gerechte“ von John Grisham gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Charles Brauer (ISBN 978-3-8371-3193-2).

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2016
Textauszüge: © Wilhelm Heyne Verlag

John Grisham (kurze Biografie / Bibliografie)

John Grisham: Die Firma
John Grisham: Der Klient (Verfilmung)
John Grisham: Die Kammer
John Grisham: Der Verrat
John Grisham: Das Urteil (Verfilmung)
John Grisham: Das Fest
John Grisham: Die Schuld
John Grisham: Der Anwalt
John Grisham: Das Geständnis
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John Grisham: Die Erbin
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John Grisham: Das Bekenntnis
John Grisham: Die Wächter
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Willibald Karl (Hg.) - Trudering Waldtrudering Riem
In dem Stadtteilbuch "Trudering, Waldtrudering, Riem. Münchens ferner Osten" wird die Geschichte dieses Gebiets in 17 Beiträgen dargestellt, die mit über 200 Abbildungen illustriert sind.
Trudering Waldtrudering Riem