Nikola Hahn : Wie das Schneeglöckchen zu seiner Farbe kam

Wie das Schneeglöckchen zu seiner Farbe kam
Wie das Schneeglöckchen zu seiner Farbe kam Thoni Verlag, Rödermark 2013 "edition farbe", ISBN 978-3-944177-26-7 "edition schwarzweiß", ISBN 978-3-944177-27-4 eBook, ISBN 978-3-944177-25-0
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Unter dem Buchtitel "Wie das Schneeglöckchen zu seiner Farbe kam" kombiniert Nikola Hahn drei Märchen. Neben dem titelgebenden sind das "Die Geschichte von der faulen und der fleißigen Maus" und "Die Geschichte vom Hirsch mit den kurzen Beinen". Das erste Märchen ermutigt dazu, bei Schwierigkeiten nicht gleich aufzugeben und Hilfe anzunehmen, im zweiten geht es um Freundschaft, Teilen, Vergeben (im Sinne von Verzeihen), und im dritten lernen wir, dass äußere Schönheitsmerkmale nicht entscheidend sind ...
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Kritik

Das Besondere an dem Geschenkbuch "Wie das Schneeglöckchen zu seiner Farbe kam" ist der Zusammenklang von Bild und Text. Die Illustrationen sind hier kein Beiwerk, sondern ein wesentlicher Bestandteil des Buches.
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Wie das Schneeglöckchen zu seiner Farbe kam

Bei der Farbverteilung durch den Lieben Gott ging eine Blume leer aus; sie war so schüchtern und unscheinbar, dass er sie übersehen hatte. Vergeblich bat sie Sonnenblume, Rose, Vergissmeinnicht und Stiefmütterchen, ihr ein wenig Farbe abzugeben. Alle weisen sie ab.

Niedergeschlagen weint sie sich in den Schlaf. Als sie nachts erwacht, fällt ihr Blick auf eine Schneeflocke, und sie bewundert deren weiße Farbe. Daraufhin ruft die Schneeflocke andere Schneeflocken herbei, und alle zusammen hüllen die Blume ein, verschaffen ihr ein weißes Kleid.

Der Liebe Gott gab ihr deshalb den Namen Schneeglöckchen und bestimmte, dass es in jedem Frühling vor allen anderen Blumen blühen darf.

Die Geschichte von der faulen und der fleißigen Maus

Eine faule und eine fleißige Maus werden Freundinnen. Während die fleißige herumeilt, hält die faule sie hin und wieder dazu an, auszuruhen und Spaß zu haben.

Im Herbst sammelt die fleißige Maus einen Wintervorrat an, aber die faule tut nichts dergleichen.

Als die fleißige Maus dann ein erstes Mal aus dem Winterschlaf aufwacht, überprüft sie ihre Vorräte.

Sie zählte ihre Vorräte und stellte fest: „Ich hatte zehn Haferähren – jetzt sind es nur noch sieben! Ich hatte 48 Weizenähren – jetzt sind es nur noch 44! Und ich hatte 33 Nüsse – jetzt sind es nur noch 32! Und von meinen Speckstückchen fehlen drei, obwohl ich doch bloß eins gegessen habe.“

Da entdeckt sie die faule Maus in ihrem Erdloch. Misstrauisch geworden besteht die fleißige Maus darauf, sich die Vorratskammer der faulen anzuschauen. Wie befürchtet, findet sie dort Ähren aus ihrem Besitz, aber sie sind bereits abgenagt.

Die fleißige Maus ging zurück in ihre Speisekammer, nahm eine Portion Ähren, packte ein Dutzend Brotkrümel, Nüsse und zwei Stückchen Speck dazu und brachte alles der faulen Maus.
„Hier!“, sagte sie unversöhnlich. „Damit du über den Winter kommst.“

Die faule Maus will sich bedanken, aber die fleißige schneidet ihr das Wort ab und kündigt die Freundschaft auf.

Einige Zeit später dringt Feuchtigkeit in das Erdloch der fleißigen Maus ein und verdirbt die Vorräte. Nun ist es die faule Maus, die mit ihr die noch vorhandenen Vorräte teilt. Und die beiden Mäuse versöhnen sich.

Die Geschichte vom Hirsch mit den kurzen Beinen

Ein junger Hirsch stellt beim Blick in das Wasser eines Baches fest, dass ihm ein Geweih wächst. Es entwickelt sich prächtiger als das seines Vaters. Darauf ist der junge Hirsch sehr stolz, und er fragt eine Eule: „Habe ich nicht ein wunderschönes Geweih?“ Sie antwortet: „Ein langes Geweih und kurze Beine.“ Der Hirsch besieht seine Beine im Wasser und kommt zu der Auffassung, dass sie tatsächlich kurz sind, und weil er von da an nur noch über sein Aussehen klagt, verlassen ihn seine Freunde.

Schließlich verdrängt er den Gedanken an die Beine und genießt umso mehr die Vorstellung, das schönste Geweih zu tragen. Seine Eitelkeit vertreibt die letzten noch verbliebenen Freunde.

Eines Tages gerät er an einen hungrigen Bären. Bei der Flucht vor dem Raubtier bleibt er mit dem Geweih im Geäst hängen. Erst im letzten Augenblick kann er sich losreißen und weiterlaufen. Zum Glück tragen ihn seine Beine so schnell, dass der Bär die Verfolgung nach einiger Zeit erschöpft aufgibt.

Das, was er am meisten liebte, hatte ihn beinahe ins Verderben geführt, und das, was er am meisten hasste, hatte sein Leben gerettet.

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In dem quadratischen Geschenkbuch „Wie das Schneeglöckchen zu seiner Farbe kam“ hat Nikola Hahn drei Märchen zusammengestellt, die ihre Mutter Barbara Schneider (1942 – 2004) ihr und ihrem Bruder als Gute-Nacht-Geschichten erzählte, als sie noch Kinder waren. Das erste Märchen ermutigt dazu, bei Schwierigkeiten nicht gleich aufzugeben und Hilfe anzunehmen, im zweiten geht es um Freundschaft, Teilen, Vergeben (im Sinne von Verzeihen), und im dritten lernen wir, dass äußere Schönheitsmerkmale nicht entscheidend sind.

Als Nikola noch kaum schreiben konnte, versuchte sie, die Märchen ihrer Mutter schriftlich festzuhalten. Vor jedem Abschnitt des Buches sehen wir denn auch ein paar Zeilen in Kinderschrift. Diese abgedunkelten Faksimiles gehören zur Illustration, bei der es sich in diesem Fall allerdings nicht um Beiwerk handelt. Die Bilder sind vielmehr ein wesentlicher Bestandteil des Buches. Der Zusammenklang von Text und Bild macht „Wie das Schneeglöckchen zu seiner Farbe kam“ zu etwas Besonderem.

Bei den Bildern handelt es sich fast ausschließlich um Fotos der Autorin oder ihres Ehemanns Thomas Hahn, die von Nikola Hahn am Computer so bearbeitet wurden, dass sie beinahe wie Gemälde aussehen. Vor allem bei den Blumen sind auf diese Weise faszinierende Bilder entstanden.

„Die Geschichte von der faulen und der fleißigen Maus“ und „Die Geschichte vom Hirsch mit den kurzen Beinen“ werden in diesem Buch zum ersten Mal veröffentlicht. Das Märchen „Wie das Schneeglöckchen zu seiner Farbe kam“ erschien bereits 1995. Erst später fand Nikola Hahn heraus, dass ihre Mutter es nicht spontan erfunden hatte. Offenbar geht es auf eine Sage aus der Oberpfalz zurück, die zwischen 1857 und 1859 von Franz Xaver Schönwerth (1810 – 1886) und später auch von Oskar Dähnhardt (1870 – 1915) veröffentlicht worden war. Allerdings erhält in diesen alten Versionen nicht das Schneeglöckchen vom Schnee die Farbe, sondern umgekehrt der Schnee vom Schneeglöckchen. Rolf Krenzer (1936 – 2007) erzählte das Märchen schon in der neueren Form.

Im Anhang ist nicht nur das Märchen „Warum der Schnee weiß ist“ von Franz Xaver Schönwerth („Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen“) abgedruckt, sondern auch das Märchen „Das Schneeglöckchen“ von Hans Christian Andersen (Prachtausgabe aus Leipzig, vermutlich vor 1884). Außerdem zitiert Nikola Hahn aus Gedichten und Prosatexten anderer Autoren (die in Kurzbiografien vorgestellt werden) über das Schneeglöckchen: Erich Kästner, Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Rückert, Friedrich Hofmann, Theodor Storm, Joseph Freiherr von Eichendorff, Brüder Grimm („Schneeglöckchenmuth“), Anna Laetitia Barbauld und Isaac de Benserade.

Einen Teil des Anhangs benutzt Nikola Hahn für Informationen über die Gattung Galanthus (Schneeglöckchen), Mäuse und die Familie Cervidae (Hirsche). Daraus ist zu ersehen, dass es sich bei der fleißigen Maus im Märchen um eine Spitzmaus handelt, bei der faulen hingegen um eine Waldmaus. Aufschlussreich ist vor allem der Abschnitt über die Familie Hirsche. Wer weiß schon, dass das Reh (Capreolus capreolus) zu den Hirschen gehört und es andererseits auch in der Gattung Damhirsche (Dama dama) Weibchen gibt?

Der Thomi-Verlag bietet „Wie das Schneeglöckchen zu seiner Farbe kam“ in drei Ausführungen an:

  • „edition farbe“ (21,6 x 21,6 cm): ISBN 978-3-944177-26-7
  • „edition schwarzweiß“ (17 x 17 cm): ISBN 978-3-944177-27-4
  • eBook: ISBN 978-3-944177-25-0
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013
Textauszüge: © Thoni Verlag

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