Robert Harris : Ghost

Ghost
Originalausgabe: The Ghost Hutchinson, London 2007 Ghost Übersetzung: Wolfgang Müller Wilhelm Heyne Verlag, München 2007 ISBN: 978-3-453-26575-2, 399 Seiten Heyne Taschenbuch, München 2008 ISBN: 978-3-453-40614-8, 399 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Ein New Yorker Verlag zahlt Adam Lang, dem früheren britischen Premierminister, 10 Millionen Dollar für seine Autobiografie. Die lässt er sich von Mike McAra schreiben. Als dieser unter mysteriösen Umständen stirbt, wird ein anderer Ghostwriter angeworben und auf die Insel Martha's Vineyard gebracht, wo er unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen zu arbeiten beginnt. Da wird die Nachricht verbreitet, Lang habe der CIA als Regierungschef vier als Terroristen verdächtigte britische Staatsbürger zur Folter überstellt ...
mehr erfahren

Kritik

"Ghost" ist ein furioser, spannender und witziger Politthriller. Robert Harris zeigt uns hier ein pointiertes, zynisches Bild von Politik und Moral. Gleichzeitig nimmt er den Literaturbetrieb aufs Korn.
mehr erfahren

Als ich hörte, wie McAra gestorben war, hätte ich aufstehen und gehen sollen. Heute weiß ich das. Ich hätte sagen sollen: „Tut mir Leid, Rick, das ist nichts für mich, irgendwie stinkt die Sache“, hätte austrinken und gehen sollen. Aber Rick war ein außerordentlicher Geschichtenerzähler. Wenn er erst einmal angefangen hatte, kam ich nie auch nur eine Sekunde lang auf den Gedanken, ihm nicht zuzuhören. Oft dachte ich, er hätte Schriftsteller und ich Literaturagent werden sollen. Denn als er fertig war, hatte er mich am Haken. (Seite 9)

So beginnt der namenlose Ich-Erzähler sein Buch mit dem Titel „Ghost“. Er sitzt mit seinem Literaturagenten Rick Riccardelli in London zusammen, der berichtet, wie Michael James McAra vor einigen Tagen ums Leben kam. McAra war Berater und Redenschreiber des britischen Premierministers Adam Peter Benet Lang, blieb nach dessen Rücktritt als Büroleiter bei ihm und sollte als Ghostwriter dessen Autobiografie schreiben. Für das Buch bezahlte der amerikanische Verleger Martin S. Rhinehart dem ehemaligen Regierungschef 10 Millionen Dollar Vorschuss. Um daran zu arbeiten, zogen sich Lang und McAra vor einiger Zeit in die Villa des New Yorker Verlegers auf der Insel Martha’s Vineyard vor Neuengland zurück. Am 12. Januar war McAra auf dem Festland und nahm die letzte Fähre von Woods Hole, Massachusetts, nach Martha’s Vineyard. Nach der Ankunft rief man ihn aus, weil sein Wagen andere blockierte, aber er wurde nirgendwo gefunden. Erst am nächsten Tag stieß eine Frau am Strand bei Lambert’s Gove auf seine Leiche. Ob es sich um einen Unfall oder Suizid gehandelt habe, fragt der Autor seinen Agenten.

„Unfall? Selbstmord?“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Wer kann das wissen? Was spielt das für eine Rolle? Jedenfalls war es das Buch, das ihn umgebracht hat.“ (Seite 15)

Trotzdem kann Rick den professionellen Ghostwriter überreden, sich als Ersatzmann für Mike McAra zu bewerben. Dazu soll er am nächsten Tag in die Londoner Niederlassung des Verlags kommen.

In seiner Wohnung in Notting Hill erzählt der Autor Kate – er weiß nicht, ob er sie als Freundin, Geliebte oder Partnerin bezeichnen soll – davon. Sie reagiert entsetzt, denn sie verabscheut den Premierminister, der seit seinem Rücktritt eine Menge Geld mit Vorträgen vor allem in den USA verdient.

„Und jetzt schreibst du ihm seine Propagandamemoiren und machst ihm die Taschen noch voller.“ (Seite 24)

Es kommt zum Streit, und Kate verlässt ihn.

Am nächsten Morgen wird er von dem Lektor Roy Quigley in einen Konferenzraum begleitet. Dort warten außer Rick John Maddox aus dem Vorstand der Rhinehart Inc., und Adam Langs Rechtsanwalt Sidney L. Kroll aus der Washingtoner Kanzlei „Brinkerhof Lombardi Kroll“. Am Ende entscheidet man sich für ihn, obwohl oder gerade weil er offen zugibt, sich nicht für Politik zu interessieren und bisher nur als Ghostwriter für Rockstars und prominente Baseballspieler tätig gewesen zu sein. Den politischen Teil könne der ehemalige Premierminister selbst abdecken, meint Maddox, aber er sei auf jemanden angewiesen, der sich darauf versteht, Gefühle in den Text einzubauen, damit das Buch die Leser anspricht. Mit einer Geheimhaltungsklausel hat der Ghostwriter gerechnet, aber er kann es kaum fassen, dass er nur einen Monat Zeit haben soll, um das Manuskript fertigzustellen. Maddox versucht es ihm zu erklären:

„Also gut, gehen wir die Sache mal von hinten an: Wir kommen im Juni raus, das heißt, wir liefern im Mai aus, das heißt, wir lektorieren und drucken im März und April, das heißt, wir müssen das Manuskript Ende Februar auf dem Tisch haben. Die Deutschen, Franzosen, Italiener und Spanier müssen sofort mit der Übersetzung anfangen. Die Zeitungen müssen wegen der Vorabdrucke einen Blick drauf werfen können […] In unserem Fahrplan ist keine Zeit für Korrekturen, die müssen während des Schreibens erledigt werden.“ (Seite 34f)

Überraschend ist auch das Honorar: 250 000 Dollar plus Spesen.

Zum Abschied drückt ihm Kroll eine Plastiktüte in die Hand und bittet ihn, sich das Manuskript für die Memoiren eines steinalten US-Senators mit dem Titel „Einer aus vielen“ anzuschauen. Er wolle seine Meinung darüber hören. Vor seiner Haustüre wird der Ghostwriter von zwei Kerlen überfallen und brutal niedergeschlagen. Sie rauben ihm weder die Brieftasche noch die Uhr, sondern lediglich die Tüte mit dem Manuskript. Besorgte Passanten raten ihm, sich ins Krankenhaus bringen zu lassen, aber das lehnt er ab.

Die prickelnde Aussicht, auf einer Unfallstation zehn Stunden darauf zu warten, bis man mich untersuchte, gefolgt von einem halben Tag auf einem Polizeirevier, bis man meine Aussage aufnahm, reichte aus, um mich aus dem Rinnstein die Treppe hinauf in meine Wohnung zu treiben. (Seite 41)

Wollte Kroll, dass es so aussah, als habe er das Manuskript für Adam Langs Autobiografie bei sich? Wollte er sehen, was passiert?

„Vielleicht benutzt Kroll mich als Köder, wie eine angebundene Ziege, um herauszufinden, wer sonst noch hinter dem Buch her ist und wie weit die gehen würden.“ (Seite 51)

Bereits am nächsten Tag fliegt er von London nach Boston. Ein Chauffeur holt ihn im Logan International Airport ab und bringt ihn zu Marty Rhineharts Villa auf Martha’s Vineyard. Dort empfängt ihn Amelia Bly, eine elegante Mitvierzigerin, die seit acht Jahren als Assistentin für Lang arbeitet. Sie stellt ihm die Sekretärinnen Lucy und Alice vor. Im Haus wohnen zur Zeit außerdem der Chauffeur Jeff, der vietnamesische Gärtner Duc, dessen Ehefrau Dep, die als Hausmädchen tätig ist, sechs Männer vom Personenschutz und das Ehepaar Lang.

Ruth Lang behauptet, sie kenne die von ihm verfasste Autobiografie des früheren Rockstars Christy Costello und habe ihn deshalb als Nachfolger McAras vorgeschlagen. Ihr Mann hat in New York zu tun. Er unternimmt nicht nur Vortragsreisen, sondern befindet sich auch auf einer Fundraising-Tour für seine Stiftung.

In den Nachrichten heißt es, dass vor fünf Jahren die vier als Terroristen verdächtigten britischen Staatsbürger Nasir Ashraf, Shakeel Qazi, Salim Khan und Faruk Ahmed in der pakistanischen Stadt Peschawar entführt wurden. Die CIA soll sie in verschiedenen geheimen Gefängnissen gefoltert haben. Dabei starb Nasir Ashraf. Die anderen drei kamen dann nach Guantanamo. Zwei von ihnen wurden nach drei Jahren freigelassen, Faruk Ahmed befindet sich noch immer in amerikanischer Gefangenschaft. Einer britischen Sonntagszeitung wurde ein Dokument zugespielt, aus dem hervorgeht, dass Premierminister Adam Lang die britische Eliteeinheit Special Air Services (SAS) beauftragt hatte, die vier Männer festzunehmen und der CIA zu übergeben. Die Operation lief unter dem Tarnnamen „Tempest“.

Der Ghostwriter nimmt sich vor, Lang darüber zu befragen, aber er will die anstehenden Interviews mit den Jugendjahren beginnen und sich dann vorarbeiten entsprechend der sechzehn chronologisch angeordneten Kapitel des Entwurfs von Mike McAra, der für einen Bestseller viel zu trocken, pedantisch und faktenstrotzend ist. McAra recherchierte ein Jahr lang im Adam Lang Archive Centre in Cambridge, das etwa eine Million Dokumente in 2000 Kartons aufbewahrt. Aus der Zeitung kennt der Ghostwriter ein Foto seines Vorgängers:

Er war exakt der Typ des faden Zukurzgekommenen, der sich von Natur aus zur Politik hingezogen fühlt und Leute wie mich dazu bringt, den Sportteil der Zeitung zu bevorzugen. Einen McAra findet man in jedem Land, in jedem System, im Dunstkreis von jeder Führungsperson, die einen politischen Apparat in Schwung zu halten hat: Sie sind die ölverschmierten Maschinisten im Kesselhaus der Macht. (Seite 19)

Als Lang am Abend mit einer gepanzerten Limousine eintrifft – von New York nach Boston flog er mit einem Privatjet –, fragt er, wer der ihm Unbekannte sei.

„Ich bin Ihr Ghost“, antwortete ich. (Seite 88)

Nach anfänglicher Irritierung über die taktlose Bemerkung lässt Lang Eistee servieren und unterhält sich mit seinem neuen Ghostwriter. Er klagt, als Premierminister den Kontakt zum Alltag verloren zu haben.

„Man verliert den Kontakt. Man geht in keinen Laden mehr. Alles wird für einen erledigt. Man hat kein Geld mehr in der Tasche […] Ich könnte es gar nicht selbst, ich weiß ja nicht mal meine … wie heißt das noch mal … nicht mal den Namen dafür kenne ich.“
„PIN?“
„Sehen Sie? Ich hab keinen Schimmer.“ (Seite 105f)

Adam Langs Vater war ein selbstständiger Bauunternehmer, der vermutlich nicht einmal wählte, weil er von Politikern nichts hielt. Er war fünfzig und brachte zwei halbwüchsige Söhne aus seiner ersten Ehe mit, als er seine zweite Frau kennenlernte, eine zwanzig Jahre jüngere Lehrerin. Von ihr wurde Adam geboren. Sechzehn Jahre später starb sein Vater, und während er in Cambridge Wirtschaftswissenschaften studierte, erlag seine Mutter, eine langjährige Alkoholikerin, einem Lebertumor. Als Student habe er Theater gespielt und von einer Karriere als Schauspieler geträumt, sich jedoch nicht für Politik interessiert, behauptet Adam Lang und erzählt von seiner ersten Begegnung mit Ruth Capel, durch die er seine Einstellung änderte. Sie war das einzige Kind zweier Universitätsdozenten und schloss in Oxford mit Bestnote in Philosophie, Politik- und Wirtschaftswissenschaften ab. Mit einem Fulbright-Stipenium war sie ein Jahr lang in Harvard. Sie klopfte 1977 an seine Tür, um ihn davon zu überzeugen, bei der anstehenden Kommunalwahl ihre Partei zu wählen. Er hatte bis dahin noch gar nichts von der Wahl gewusst, doch weil Ruth ihm gefiel, ging er zur nächsten Versammlung der Partei und wurde Mitglied. Ein Jahr später zogen sie zusammen, und als Ruth schwanger war, heirateten sie im Juni 1979 im Londoner Stadtteil Marylebone.

Obwohl Amelia Bly verlangte, dass McAras Entwurf im Haus bleiben müsse, schickt der Ghostwriter sich heimlich eine elektronische Kopie als Anhang einer E-Mail, um auch im Hotelzimmer weiterarbeiten zu können. Doch als er die Mail am Abend sucht, ist sie unauffindbar. Kann es sein, dass jemand sie auf dem Server des Providers gelöscht hat?

Es wird gemeldet, dass Richard Rycart den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag aufforderte, die gegen Adam Lang im Zusammenhang mit der Operation „Tempest“ erhobenen Vorwürfe zu untersuchen. Er steht dazu, belastende Dokumente nach Den Haag geschickt zu haben. Rycart war britischer Außenminister, bis er vor einigen Jahren von Lang entlassen wurde – weil er ihm nicht genügend proamerikanisch gewesen sei, behauptet er. Inzwischen ist er als UN-Sonderbeauftragter für humanitäre Angelegenheiten zuständig und zählt zu den Kritikern der amerikanischen Außenpolitik.

Lang lässt eine von seinem Ghostwriter formulierte Presseerklärung veröffentlichen, in der es heißt:

„Der internationale Kampf gegen den Terror ist zu wichtig, als dass er für innenpolitiische persönliche Rachefeldzüge missbraucht werden darf.“ (Seite 140)

Aufgrund der neuesten Nachrichten ruft Maddox den Autor an. Als dieser ihm berichtet, er beschäftige sich gerade mit Langs Jugendzeit, fordert ihn der Manager unwirsch auf, das alles zu vergessen und sich auf die Anschuldigungen gegen Lang zu konzentrieren. Er will dessen Stellungnahme dazu exklusiv für die Memoiren – und den Abgabetermin zieht er um zwei Wochen vor.

„Es bedeutet wahrscheinlich, dass wir uns mit ein bisschen Feinschliff an dem Manuskript begnügen und das komplette Umschreiben vergessen müssen. Und? Was soll’s? Das meiste von dem Zeug liest doch sowieso keiner. Je früher wir rauskommen, desto mehr verkaufen wir.“ (Seite 142)

Amelia ruft an: Der Autor soll sofort vom Hotel in ein leeres Zimmer in der Villa umziehen, denn sonst läuft er Gefahr, von der Medienmeute ausgequetscht zu werden.

Kroll fliegt mit zwei Kanzleimitarbeitern ein, der Mexikanerin Encarnación und dem Afroamerikaner Josh. Sie erklären Lang, seiner Frau, seiner Assistentin und seinem Ghostwriter, Folter sei nach Artikel Artikel 7 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs von 1998 ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und nach Artikel 8 ein Kriegsverbrechen. Auch die Beihilfe zu so einem Verbrechen ist strafbar. Die Juristen raten Lang, vorerst in den USA zu bleiben, denn die erkennen den Internationalen Strafgerichtshof nicht an. Kroll überredet Lang, mit ihm nach Washington zu fliegen und dort angeblich vor längerer Zeit geplante Termine mit hohen amerikanischen Politikern wahrzunehmen, so als lasse er sich durch die Beschuldigungen nicht von seinen Pflichten abhalten.

Kurz darauf gibt die Chefanklägerin in Den Haag bekannt, sie werde Ermittlungen gegen den Ex-Premierminister einleiten. Und die britische Regierung beeilt sich, ihr uneingeschränkte Kooperation zuzusichern.

Sobald Lang fort ist, setzt sein Ghostwriter sich an den Laptop und fängt das Manuskript neu an:

Politiker bin ich aus Liebe geworden. Nicht aus Liebe zu einer bestimmten Partei oder Ideologie, sondern aus Liebe zu einer Frau, die eines regnerischen Sonntagnachmittags an meine Tür klopfte … (Seite 186)

McAras Sachen sind noch im Schrank des Zimmers, das er nun bewohnt. Beim Ausräumen stößt er auf einen Umschlag. Absender: Dr. Julia Crawford-Jones, die Direktorin des Adam Lang Archive Centre in Cambridge. Beim Inhalt handelt es sich um Fotos aus Langs Studentenzeit und eine Kopie seines Parteiausweis. Der Autor stutzt, als er das Ausstellungsdatum sieht: 1975! Zwei Jahre bevor Adam Lang und Ruth Capel sich erstmals begegneten und er angeblich von ihr für die Politik gewonnen wurde. Die Geschichte stimmt also gar nicht. Auf der Rückseite eines Fotos hat McAra mit Kugelschreiber eine Telefonnummer notiert. Der Ghostwriter wählt sie – und bricht die Verbindung gleich wieder ab, als sich Richard Rycart meldet.

Obwohl er nicht damit rechnet, am Fundort von McAras Leiche noch etwas zu entdecken, leiht er sich ein Rad und fährt zu Lambert’s Cove. Kurz bevor er den Strand erreicht, wird er von einem Wolkenbruch überrascht und stellt sich auf der Veranda eines Hauses unter. Der greise Bewohner behauptet, ein Toter von der Fähre würde niemals hier angeschwemmt werden und erzählt, die Witwe Annabeth Wurmbrand habe in der Nacht, bevor die Leiche gefunden wurde, durchs Fenster ihres Hauses das Licht von Taschenlampen am Strand gesehen. Inzwischen sei sie über die Treppe hinuntergestürzt und liege im Koma.

Unerwartet taucht Ruth Lang mit dem Bodyguard Barry auf. Sie packen das Rad in den Kofferraum und fahren zusammen zurück.

Mehrmals hörte der Ghostwriter, wie Ruth und Adam Lang stritten. Inzwischen ahnt er auch, dass das Verhältnis des ehemaligen Premierministers und seiner Assistentin nicht aufs Dienstliche beschränkt ist.

Nachts kommt Ruth überraschend zu ihm ins Zimmer und schläft mit ihm, doch am anderen Morgen gibt sie sich so unnahbar wie zuvor.

Mit dem Auto, das am 12. Januar auf der Fähre stehengeblieben war, fährt er los und folgt den Anweisungen des Navigationsgerätes zum zuletzt eingestellten Zielort. Die Route führt nach Belmont, eine Vorstadt von Boston, und endet vor einem abgelegenen Anwesen. Es gehört dem emeritierten Professor Paul Emmett und dessen Ehefrau Nancy. Als er sich als als Mitarbeiter Langs vorstellt, wird er eingelassen. Er zeigt Emmett die Fotos aus Cambridge. Der Professor ist auf mehreren zu sehen; er war das älteste Mitglied der Studententheater-Gruppe. Jetzt interessiert er sich lebhaft dafür, woher sein Besucher die Fotos hat, behauptet jedoch, Mike McAra nicht zu kennen, und als der Autor meint, McAra sei vor drei Wochen hier gewesen, streitet der Professor es ab.

In einem Internet-Café in Belmont googelt der Ghostwriter den Namen Paul Emmett. Er wurde 1949 in Chicago geboren, studierte in Yale und war als Rhodes-Stipendiat am St. John’s College in Cambridge. Von 1975 bis 1991 lehrte er in Harvard. Am 50. Jahrestag des Gipfeltreffens von Winston Churchill und Franklin D. Roosevelt in Placentia Bay auf Neufundland gründete er die Arcadia Institution in Washington und wurde ihr erster Präsident. 2007 zog er sich aus dem Amt zurück. Bei seiner Frau Nancy, einer geborenen Cline, handelt es sich um eine Militärexpertin aus Houston, Texas. Der Autor findet im Internet auch heraus, dass Adam Lang vor einem Jahr von der Hallington Group als strategischer Berater gewonnen wurde. Der Konzern produziert Waffen, militärisches Gerät und betreibt auf militärische Anlagen spezialisierte Bauunternehmen. Zwei Vorstandsmitglieder waren früher Abteilungsdirektoren der CIA. Zwei Tage nach der Verschleppung der vier britischen Staatsbürger in Peschawar soll ein Hallington-Jet ohne Firmenlogo auf der polnischen Militärbasis Stare Kiejkuty gesehen worden sein. Dort unterhielt die CIA angeblich ein geheimes Gefängnis, in dem Häftlinge mit Waterboarding zum Reden gebracht wurden. Der Kreis schließt sich, als der Ghostwriter auf das Gerücht stößt, Paul Emmett sei 1969 oder 1970 von der CIA angeheuert worden.

Er ruft Richard Rycart an und bleibt diesmal am Apparat, als dieser sich meldet. Der ehemalige Außenminister fordert ihn auf, so rasch wie möglich zu ihm nach New York zu kommen. In La Guardia wird der Autor von einem Fahrer namens Frank abgeholt, der ihm ein noch unbenutzes Handy gibt und ihm rät, sein altes ausgeschaltet zu lassen, damit es nicht geortet werden kann. Außerdem bekommt er eine Kreditkarte auf den Namen Clive Dixon. Kaum ist er in seinem Hotelzimmer, da stehen Rycart und Frank in der Tür. Nachdem sie sich vergewissert haben, dass niemand sonst im Zimmer ist, schickt Rycart Frank in die Lobby. Er erzählt seinem Gesprächspartner, dass er schon jahrelang versucht habe, die illegalen Praktiken im „Krieg gegen den Terror“ vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu bringen. Doch es fehlten im Beweise – bis er Ende letzten Jahres anonym das Memorandum des britischen Premierministers an den Verteidigungsminister über die Operation „Tempest“ und andere Dokumente zugespielt bekam. Zwei Wochen später rief Mike McAra bei ihm an und gab sich als Absender zu erkennen. Bevor McAra weiterreden konnte, gab Rycart ihm die Nummer eines neuen Handys, das wahrscheinlich noch nicht abgehört wurde.

„Die Amerikaner hören jedes Wort mit, das in der westlichen Hemisphäre gesprochen oder sonst wie übermittelt wird. Jede Silbe, die Sie am Telefon sagen, jede E-Mail, die Sie verschicken, jede Kreditkartentransaktion, die Sie vornehmen – alles wird aufgezeichnet und aufbewahrt. Das einzige Problem ist, das Ganze auszuwerten.“ (Seite 315)

Offenbar notierte sich McAra die Telefonnummer auf der Rückseite eines Fotos. Langs Büroleiter berichtete Rycart, er habe bei seinen Recherchen für die Autobiografie des früheren Premierministers noch Skandalöseres als die Operation „Tempest“ entdeckt, aber darüber wolle er nicht am Telefon reden. Er habe das Geheimnis in seinem Manuskript versteckt („Die Lösung von allem liegt am Anfang“) und werde in ein paar Tagen einen Termin für ein persönliches Gespräch mit ihm vereinbaren. Dazu kam es dann nicht mehr, weil McAra am 12. Januar starb. Rycart vermutet, dass Adam Lang für die CIA arbeitete und weist darauf hin, dass er als Premierminister erstaunlich viele Entscheidungen getroffen habe, die für die USA vorteilhaft waren. Der Ghostwriter soll Lang in seinen Interviews dazu bringen, darüber eine Aussage zu machen.

Während Rycart noch da ist, klingelt das doch nicht abgeschaltete Handy. Lang ist am Apparat. Er erfuhr von Ruth, die seinen Ghostwriter in Belmont anrief, dass dieser nach New York wollte, angeblich, um sich mit Maddox zu treffen. Nun fordert er ihn auf, zu ihm ins Hotel Waldorf Astoria zu kommen. Um keinen Verdacht zu erwecken, bleibt dem Autor nichts anderes übrig, als zu versprechen, er werde gleich da sein.

Sofort nach dem Telefongespräch drängt Rycart zum Aufbruch und eilt voraus, um mit Frank den Wagen zu holen. In der Drehtüre des Hotels entdeckt der Ghostwriter Paul Emmett mit zwei anderen Männern, aber sie bemerken ihn nicht.

Als er die Halle des Waldorf Astoria betritt, bricht Adam Lang mit seiner Entourage gerade auf. Er hat plötzlich beschlossen, vorzeitig nach Martha’s Vineyard zurückzukehren, und Amelia Bly besorgte einen Jet der Hallington Group.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Im Flugzeug sagt Lang zu seinem Ghostwriter:

„Und dann diese ganze Scheiße mit den Bürgerrechten. Wissen Sie, was ich machen würde, wenn ich wieder an der Macht wäre? Ich würde sagen, okay, Leute, ab sofort gibt’s am Flughafen zwei Schlangen. Links ist die Schlange für Flüge, bei denen wir nichts machen, keine Hintergrundüberprüfung der Passagiere, keine Personenprofile, keine biometrischen Daten, nichts, was die kostenbaren Bürgerrechte von irgendwem verletzt, und wir verwerten auch keine unter Folter erlangten Informationen – nichts. Rechts ist die Schlange für die Flüge, bei denen wir alles Menschenmögliche für die Sicherheit der Passagiere unternommen haben. Und dann können die Leute entscheiden, in welches Flugzeug sie einsteigen.“ (Seite 352)

Lang weiß, dass er bei Paul Emmet war und lässt sich nun ebenfalls die Fotos aus Cambridge zeigen. Er versichert, nichts mit McAras Tod zu tun zu haben.

Als er das Flugzeug verlässt, ruft ein Mann im Techniker-Overall „Adam“. Der Ex-Premierminister geht überrascht auf ihn zu – und wird zusammen mit dem anderen bei einer Explosion zerfetzt.

Bei dem Selbstmordattentäter handelte es sich um George Arthur Boxer, einen ehemaligen britischen Major, dessen Sohn im Irak gefallen war und dessen Ehefrau ein halbes Jahr später Selbstmord begangen hatte. Weil er Adam Lang dafür verantwortlich machte, bastelte er Sprengkörper aus Peroxiden und Unkrautvernichtungsmitteln und folgte schließlich der gepanzerten Limousine zum Martha’s Vineyard Airport.

In London ist man insgeheim froh, dass Adam Lang im Ausland ermordet wurde, in Washington ist man erleichtert, dass kein Amerikaner, sondern ein britischer Staatsbürger den Anschlag beging und es nun keinen unbequemen Asylanten mehr geben wird, und beide Regierungen atmen auf, weil sie keine Enthüllungen vor dem Internationalen Strafgerichtshof befürchten müssen.

Als der Ghostwriter, der bei dem Anschlag leicht verletzt wurde, wieder in London ist, erfährt er, dass Kate sich mit einem anderen Mann verlobt hat und Ruth Lang möchte, dass er die Memoiren ihres Mannes fertigstellt. Maddox gibt ihm dafür nun doch einen Monat länger Zeit.

Er porträtiert auf 650 Seiten einen Adam Lang entsprechend der Rolle, die dieser in der Öffentlichkeit spielte. Auf den Verdacht, der ehemalige britische Premierminister könne für die CIA gearbeitet haben, geht er mit keiner Silbe ein. Er schickt eine Kopie nach New York und die andere an die Adam Lang Foundation in London, und zwar zu Ruths Händen. Sie trägt jetzt den Titel Baroness Lang of Calderthorpe und hat einen Sitz im Oberhaus. Auf ihrem neuen Briefpapier schreibt sie ihm, das Buch sei so, wie sie es sich erhofft habe.

Vom Empfang zur Vorstellung seines Buches in London erfährt er nur durch einen Anruf von Amelia. Obwohl er nicht eingeladen ist, begleitet er sie zu der Veranstaltung. Sein Name wird im Buch nicht erwähnt, und Ruth nennt in ihrer Dankesadresse auch nur Marty Rhinehart, John Maddox, Sid Kroll und Mike McAra. Immerhin geht sie später auf ihn zu und begrüßt ihn. Als in diesem Augenblick Paul Emmett auftaucht, erzählt sie dem Buchautor, der Professor sei ihr Tutor in Harvard gewesen.

Weil Amelia ihm an diesem Abend gesagt hatte, dass sowohl der MI5 als auch die CIA in McAras Manuskript einen geheimnisvollen Hinweis vermutet hätten, schaut er sich den Text zu Hause noch einmal an und setzt schließlich die Anfänge der Kapitelanfänge zu folgendem Satz zusammen:

„Langs Frau Ruth Studierte Seit Sechsundsiebzig In Den USA Dort Für Die CIA Rekrutiert Von Harvard-Professor Paul Emmett“ (Seite 392)

Das war also das Geheimnis, das Mike McAra herausgefunden hatte: Zwar arbeitete nicht Adam Lang für die CIA, aber seine ihm geistig überlegene Frau tat es, und sie lenkte den britischen Premierminister, der eigentlich nur ein Medienstar ohne eigene politische Überzeugungen war, nach ihren Vorgaben aus den USA.

Kein Wunder, dass sie mich vorgeschlagen hat, um das Buch fertigzustellen. Sie hatte jede Menge zu verbergen, und sie war zuversichtlich, dass der Verfasser von Christy Costellos nebulösen Memoiren so ziemlich der letzte Mensch auf Erden war, der das enthüllen würde. (Seite 397)

Noch in derselben Nacht verlässt der Ghostwriter seine Wohnung. In wechselnden Hotels schreibt er das vorliegende Buch. Noch vorsichtiger wird er, als er aus den Nachrichten erfährt, dass Richard Rycart und sein Fahrer Frank in New York bei einem Autounfall ums Leben kamen. Das fertige Manuskript des neuen Buches wirft er verpackt in Kates Briefkasten. In einem Anschreiben bittet er sie, das Päckchen erst zu öffnen, wenn er sich binnen eines Monats nicht mehr meldet oder sie erfährt, dass ihm etwas zustieß.

Soll ich zufrieden sein oder enttäuscht, dass Sie das alles jetzt lesen können? Zufrieden, was natürlich wäre, weil ich doch noch mit eigener Stimme sprechen kann. Oder enttäuscht, was naheliegend wäre, weil es wahrscheinlich bedeutet, dass ich tot bin. Aber wie hat meine Mutter immer gesagt? Man kann im Leben nicht alles haben. (Seite 398)

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

„Ghost“ ist ein furioser, spannender und witziger Politthriller. Dass nicht jedes Detail plausibel ist, schmälert das Lesevergnügen kaum. Robert Harris zeigt uns hier ein pointiertes, zynisches Bild von Politik und Moral, Täuschung und Wirklichkeit. Er unterstellt, dass London und Washington im „Krieg gegen den Terror“ nicht vor illegalen Mitteln zurückschreckten und kritisiert den Einfluss der USA auf befreundete Staaten, besonders auf das Vereinigte Königreich. Gleichzeitig ist „Ghost“ ein Hieb gegen den Literaturbetrieb, in dem es nicht um Qualität und Wahrhaftigkeit, sondern ums Geschäft geht. Die Skrupellosigkeit, mit der Verlagsmanager Bestseller machen, spiegelt die bedenkenlose Verlogenheit von Politikern.

Vor dreißig Jahren wäre auch kein britischer Ex-Premier automatisch nach Amerika entschwunden, um dort ein Vermögen zu verdienen. Vor dreißig Jahren hätte kein amerikanischer Vize-Präsident den Einsatz von Folter gerechtfertigt. Und niemand hätte Gefangene in Privatjets zu osteuropäischen Stützpunkten geflogen. Mich macht das ziemlich wütend. Nicht, weil ich ein Liberaler wäre, dem das Herz blutet, sondern weil ich es für ineffektiv halte. Der Westen verliert so an moralischer Autorität. Dieser Preis steht in keinem Verhältnis zum Erreichten. (Robert Harris in einem Interview, „Die Welt“, 22. Oktober 2007)

Beim Lesen des Romans „Ghost“ denkt man an Tony Blair und seine Frau. Die hochintelligente Rechtsanwältin Cherie Booth ist noch immer die einzige Absolventin der London School of Economics and Political Science, die in allen Prüfungsfächern die Bestnote erzielte. 1976 lernten sie und Tony Blair sich kennen; sie heirateten am 29. März 1980. Anders als Adam und Ruth Lang bekamen sie vier Kinder. Die eine oder andere Parallele gibt es zwischen Amelia Bly und Angela Margaret Jane („Anji“) Hunter, die von 1988 bis 2001 für Tony Blair tätig war, zuletzt als Director of Government Relations. Auch wenn Handlung und Romanfiguren fiktiv sind, ist unverkennbar, dass Robert Harris mit „Ghost“ George W. Bushs „Krieg gegen den Terror“ und die britische Außenpolitik unter Tony Blair heftig kritisiert.

Aber ich gestehe zu, dass man in Adam Lang ein satirisches Porträt Blairs sehen könnte. Es ist aber kein ausschließlich boshaftes Porträt. Lang ist auch ein tragischer Held. (Robert Harris a.a.O.)

Wie in „Imperium“ lässt Robert Harris in „Ghost“ einen Schreiber in der Ich-Form über einen Politiker erzählen, in „Imperium“ ist es Ciceros Privatsekretär Tiro, hier handelt es sich um den namenlosen Ghostwriter eines ehemaligen britischen Premierministers.

Dass der Titel „Ghost“ eine besondere Bedeutung hat, erkennt man erst auf der letzten Seite des Romans, und ich möchte die Pointe an dieser Stelle nicht verraten.

Den Roman „Ghost“ von Robert Harris gibt es auch in einer von Joachim Hoell gekürzten Fassung als Hörbuch, gelesen von Hannes Jaenicke (Regie: Bernadette Joos, Köln / Hamburg 2007, 6 CDs, ISBN: 978-3-86604-706-8).

Bei der kongenialen Verfilmung seines Romans „Ghost“ durch Roman Polanski arbeitete Robert Harris mit am Drehbuch: „Der Ghostwriter“.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2009
Textauszüge: © Wilhelm Heyne Verlag

Roman Polanski: Der Ghostwriter

Robert Harris: Vaterland
Robert Harris: Enigma (Verfilmung)
Robert Harris: Pompeji
Robert Harris: Imperium
Robert Harris: Angst
Robert Harris: Intrige
Robert Harris: Dictator
Robert Harris: Konklave
Robert Harris: München
Robert Harris: Der zweite Schlaf
Robert Harris: Vergeltung

Tom Wolfe - Fegefeuer der Eitelkeiten
"Fegefeuer der Eitelkeiten" ist eine grandiose Satire über New York City. Tom Wolfe gibt das Leben in verschiedenen New Yorker Stadtteilen so plastisch und lebendig wieder, dass man beim Lesen den Eindruck hat, dabei zu sein: man sieht, hört und riecht, was da los ist.
Fegefeuer der Eitelkeiten