Vorne ist verdammt weit weg

Vorne ist verdammt weit weg

Vorne ist verdammt weit weg

Originaltitel: Vorne ist verdammt weit weg – Regie: Thomas Heinemann – Drehbuch: Frank-Markus Barwasser, Thomas Heinemann – Kamera: Klaus Eichhammer – Schnitt: Tobias Haas – Musik: Peter Licht – Darsteller: Frank-Markus Barwasser, Philipp Sonntag, Christiane Paul, Franziska Schlattner, Martin Eschenbach, Sabrina White, Peter Lohmeyer, Tobias Oertel, Michael König, André Jung, Rainer Appel u.a. – 2007; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Durch eine Ungeschicklichkeit verursacht Erwin Pelzig einen Unfall, bei dem sich sein Nachbar, der einbeinige Chauffeur Johann Griesmaier, einen Arm bricht und für einige Zeit ins Krankenhaus muss. Damit der Vater von sieben Kindern nicht seinen Job verliert, springt Pelzig für ihn als Fahrer des gerade von einem Herzinfarkt genesenen Unternehmers Eduard Bieger ein. Als er mitbekommt, dass dessen Tochter die Verlagerung der Produktion in die Mongolei vorbereitet, muss er sich noch mehr einfallen lassen, um Griesmaier vor der Arbeitslosigkeit zu bewahren ...
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Kritik

"Vorne ist verdammt weit weg" ist eine Satire auf den Kapitalismus. Der eher märchenhaften Handlung fehlt es an satirischer Schärfe. Frank-Markus Barwasser und Thomas Heinemann beschränken sich in dem unausgegorenen Drehbuch zu sehr auf Klischees und Klamauk.
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Eines Morgens, als der Franke Erwin Pelzig (Frank-Markus Barwasser) das Haus verlässt, repariert sein Nachbar, der Chauffeur Johann Griesmaier (Peter Lohmeyer), gerade die Limousine seines Chefs Eduard Bieger (Philipp Sonntag). Der Vorstandsvorsitzende eines von seinem Großvater gegründeten Unternehmens zur Herstellung von Einkaufswagen hatte vor acht Monaten einen Herzinfarkt. Morgen soll Griesmaier den Vierundsechzigjährigen aus der Reha-Klinik holen. Pelzig stolpert über den Wagenheber, das Auto senkt sich, und Griesmaier wird eingeklemmt. Zwar kann Pelzig die Limousine wieder hochpumpen und Griesmaier befreien, aber dem Chauffeur wurde nicht nur das künstliche Bein abgerissen, sondern auch der rechte Arm gebrochen. Er muss für einige Zeit ins Krankenhaus.

Von seinen Schuldgefühlen getrieben, bringt Pelzig Griesmaiers Frau Hannelore (Heidi Ecks) und ihren sieben Kindern am Abend Pizze vorbei. Und damit sein Nachbar nicht seinen Job verliert, springt Pelzig für ihn ein: Er holt den Unternehmer ab und fährt ihn nach Hause, wo dieser von Melanie (Franziska Schlattner), seiner Tochter aus erster Ehe, empfangen wird. Bertram (Martin Eschenbach), sein Sohn aus dritter Ehe, macht gerade Urlaub auf Mallorca. Während Bertram ständig neue Geschäftsideen ausbrütet, von denen keine funktioniert, hat seine geschäftstüchtige Halbschwester den Vater monatelang in der Firmenleitung vertreten und sich dabei mit dem Unternehmensberater Max Kienze (Tobias Oertel) angefreundet.

Den kennt Erwin Pelzig bereits von seinem Besuch bei Griesmaier im Krankenhaus. Dort erklärte Kienze dem Chefarzt, es sei ineffizient, gut bezahlte Operationen hinauszuschieben, weil die Kapazitäten mit weniger einträglichen Fällen ausgelastet sind, zumal das Risiko besteht, dass einige der lukrativen Patienten während der Wartezeit sterben, die Einnahmen also verloren gehen.

Melanie Bieger hat während der Abwesenheit ihres Vaters viel verändert. Die Hausangestellte Else und der Gärtner Semmelweiß wurden entlassen. Den Garten pflegt jetzt der Afrikaner Dr. Mavambo (Jonathan Kinsler), der in seiner Heimat Togo als HNO-Arzt praktizierte und hier für 4 Euro pro Stunde die Stauden schneidet. In der Bieger Einkaufswagenfabrik AG ersetzte Melanie die langjährige Chefsekretärin Goldbach (Johanna Schubert) durch eine jüngere, besser aussehende Kraft mit einem tiefen Dekolleté. Und mit Kienze zusammen bereitete sie die Verlagerung der Produktion in die Mongolei vor.

In der Nacht ruft Bieger bei Pelzig an und fordert ihn auf, die Edelprostituierte Chantal (Christiane Paul) zu chauffieren. Pelzig erfährt, dass Chantal früher als Wirtschaftsanwältin tätig war aber wegen einiger Unregelmäßigkeiten ihre Zulassung verlor und am Ende mit hohen Schulden dastand. Nach der Schließung der Kanzlei wurden aus ihren Klienten Freier: der Fabrikant Bieger, der Betriebsratsvorsitzende des Unternehmens (Rainer Appel), der mit Bieger befreundete Wirtschaftsminister Dr. Margenmeier (André Jung) und so weiter.

Nachdem Bertram Bieger mit seiner Freundin Lisa (Sabrina White) aus Mallorca zurückgekommen ist, überredet Kienze ihn dazu, sein Paket von Bieger-Aktien der Russin Jelzinova (Marika Giorgobiani) zu verkaufen. Bertram, der kein Interesse an dem Familienunternehmen hat, lässt sich darauf ein, zumal er eine neue Geschäftsidee verfolgt: Er will die Friedhofsgärtnerei, die Lisa von ihrer Mutter erbte, auf den Verleih von Blumen, Gebinden und Kränzen umstellen.

Zufällig bekommt Pelzig mit, dass Kienze der Geliebte der russischen Spekulantin ist und die beiden die Aktienmehrheit bei Bieger anstreben, um das Unternehmen zerschlagen und die Teile gewinnbringend an verschiedene Investoren verkaufen zu können. Er macht sich Sorgen, dass Johann Griesmaier arbeitslos werden könnte und dann mit sieben Kindern, einer Frau und einem „wegenen [fehlenden] Bein“ dastehen würde. Vergeblich versucht Pelzig, den entmachteten Vorstandsvorsitzenden zu warnen; Bieger lässt seinen Aushilfschauffeur nicht zu Wort kommen.

Als Eduard Bieger merkt, dass er aus der Firmenleitung verdrängt und das Unternehmen abgewickelt werden soll, ist es zu spät, um das Aktienpaket seines Sohnes zurückzukaufen, denn der Kurs ist inzwischen aufgrund des Gerüchts über einen massiven Stellenabbau kräftig gestiegen.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Pelzig wendet sich an Chantal und überredet sie, bei ihren Freiern das Gerücht zu streuen, Eduard Bieger plane die Einstellung schwer vermittelbarer, über fünfzig Jahre alter Arbeitsloser. Dr. Margenmeier beruft für den nächsten Morgen eine Pressekonferenz ein und versucht, aus der Situation politisches Kapital zu schlagen, indem er das vermeintliche Vorhaben seines Unternehmerfreundes scheinheilig als vorbildlich lobt. Dadurch kommt es zu Panikverkäufen von Bieger-Aktien, und der Kurs bricht ein.

Auf diesen Augenblick hat Pelzig gewartet. Nun soll Eduard Bieger sich die Aktienmehrheit wiederbeschaffen. Der hat sich jedoch inzwischen betrunken. Pelzig setzt ihn ins Auto, rast mit ihm los – und wird von einer Polizeistreife (Luise Kinseher, Maximilian Reeg) angehalten. Während an der Börse Chaos herrscht, müssen Pelzig und Bieger mit zum Polizeirevier, wo sich herausstellt, dass Pelzigs Führerschein vor drei Monaten eingezogen wurde. Bis die beiden wieder freikommen, nutzt die Russin die Gunst der Stunde und kauft weitere Bieger-Aktien.

Auf der kurze Zeit später stattfindenden Aktionärsversammlung agitiert Kienze dafür, Eduard Bieger als Vorstandsvorsitzenden abzulösen, die Produktion in die Mongolei auszulagern und die Mitarbeiter freizusetzen. Da stürmt Pelzig aufs Podium und durchkreuzt Kienzes Plan durch einen leidenschaftlichen Appell an die Aktionäre.

Als Kienze seine russische Geliebte anruft, um ihr von seinem Misserfolg zu berichten, liegt diese mit einem neuen Liebhaber am Strand und will nichts mehr von ihm wissen: „It’s all about money, honey!“

Erwin Pelzig, Eduard Bieger und Chantal verlassen die Aktionärsversammlung zu Fuß. Sie kommen an einem Obdachlosen vorbei. Es handelt sich um Biegers früheren Gärtner Semmelweiß. Er schläft neben einem Bieger-Einkaufswagen. In dem will Bieger von Pelzig geschoben werden. Durch den Sieg auf der Aktionärsversammlung wird er wieder zum skrupellosen Unternehmer. Er kündigt an, Johann Griesmaier zu entlassen und einen Limousinen-Service zu beauftragen. Pelzig lässt daraufhin den Einkaufswagen los. Bieger rattert ein abschüssiges Stück Straße hinunter und stürzt in einen See.

Der Verletzte muss erneut in ein Sanatorium. Erwin Pelzin vertritt Eduard Bieger im Vorstand des Unternehmens und lässt sich von Johann Griesmaier chauffieren.

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Aus der Fernsehsendung „Pelzig unterhält sich“ kennen wir die von Frank-Markus Barwasser geschaffene Kunstfigur Erwin Pelzig. Die steht im Mittelpunkt der Komödie „Vorne ist verdammt weit weg“ (so wie später Hape Kerkeling alias Horst Schlämmer in „Horst Schlämmer. Isch kandidiere!“). Obwohl ein Kabarettist das Drehbuch zusammen mit dem Regisseur Thomas Heinemann schrieb, ist „Vorne ist verdammt weit weg“ keine Nummernrevue. Der Film hat eine Handlung, wenn auch eine verhältnismäßig einfach gestrickte.

„Vorne ist verdammt weit weg“ ist eine Satire auf den Turbokapitalismus, auf eine Welt, in der ein Unternehmensberater von einem „emotional baggage“ redet, wenn er Arbeitnehmer meint, die zum Zweck der Gewinnmaximierung entlassen werden sollen. Der Abstand zwischen den Reichen und den Unterprivilegierten ist groß: Vorne ist verdammt weit weg, vor allem, wenn man ganz hinten steht. Die Heuschrecken und Börsenspekulanten, die hier rücksichtlos ihren Nutzen aus der Globalisierung ziehen wollen, werden allerdings von einem unbedarften Underdog mit ihren eigenen Mitteln geschlagen.

Der eher märchenhaften Handlung fehlt es an satirischer Schärfe. Frank-Markus Barwasser und Thomas Heinemann beschränken sich in dem unausgegorenen Drehbuch zu sehr auf Klischees und Klamauk.

Als Kulisse für die Bieger Einkaufswagenfabrik AG diente ein Werk der Wanzl Metallwarenfabrik GmbH in Leipheim.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010

 

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Alain Claude Sulzer erzählt die traurige Geschichte in einer undramatischen, bewusst etwas altmodisch wirkenden Weise, ohne Gefühlsüberschwang und in einer behutsam geschliffenen Sprache: "Ein perfekter Kellner".
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