Steve Jones : Darwins Garten

Darwins Garten
Originalausgabe: Darwin's Island Little, Brown Book Group, London 2009 Darwins Garten Leben und Entdeckungen des Naturforschers Charles Darwin und die moderne Biologie Übersetzung: Michael Bayer, Anne Emmert, Hans Freundl Piper Verlag, München 2009 ISBN: 978-3-492-05213-9, 398 Seiten Piper Taschenbuch, München 2011 ISBN: 978-3-492-26411-2, 398 Seiten, 10.95 € (D)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Wer etwa aufgrund des Untertitels etwas wie eine Biografie erwartet, wird von "Darwins Garten" enttäuscht sein. Über das Leben von Charles Darwin erfahren wir in dem Buch so gut wie nichts. Steve Jones beschäftigt sich stattdessen mit einigen weitgehend unbekannten Schriften des Forschers und stellt Darwins Erkenntnisse auf ganz verschiedenen Gebieten der Biologie in den Kontext des heutigen Wissens.
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Kritik

Steve Jones verfügt über profundes Wissen, das er allgemeinverständlich im Plauderton ausbreitet. "Darwins Garten" ist keine systematische Abhandlung, sondern eine Art Streifzug durch verschiedene Themen.
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Der britische Naturforscher Charles Darwin (1809 – 1882) wird mit der Evolutionstheorie assoziiert (Darwinismus), und jeder kennt zumindest den Titel seines Buches „Über die Entstehung der Arten im Tier- und Pflanzen-Reich durch natürliche Züchtung, oder Erhaltung der vervollkommneten Rassen im Kampfe ums Dasein“ („On the origin of species by means of natural selection, or the preservation of favoured races in the struggle for life“, London 1859).

[Die verbreiteten] Vorstellungen haben nicht viel mit der Wirklichkeit gemein. Darwin war kein angestellter Naturforscher, sondern er bezahlte seine Reise als Begleiter des Kapitäns der Beagle aus eigener Tasche. Während der fünfjährigen Reise verbrachte er nur fünf Wochen auf Galápagos, und davon nur die Hälfte der Zeit an Land, und besuchte nur vier der rund ein Dutzend Inseln des Archipels. Er zeigte nur geringes Interesse an seiner Finkensammlung und verwahrte sie achtlos in einer Kiste, ohne festzuhalten, woher die Exemplare stammten, denn viele der berühmten Vögel kamen auf mehreren Inseln vor, nicht nur auf einer. Es vergingen zwei Jahrzehnte bis zum Erscheinen der Entstehung der Arten (ein Werk, in dem der Ausdruck „Evolution“ nicht ein einziges Mal vorkommt). Der Ausdruck „Survival of the Fittest“ (das Überleben der bestangepassten Individuen) stammt nicht von Darwin, sondern wurde von dem Philosophen Herbert Spencer geprägt als zusammenfassender Begriff für die natürliche Auslese, das Herzstück der Evolutionstheorie.

Die Logik der Evolution ist einfach. Bei allen Pflanzen und Tieren ereignen sich Variationen, die von einer Generation an die nächste weitergegeben werden. Es werden mehr Individuen geboren, als leben oder Nachkommen hervorbringen können. Daher entwickelt sich ein Kampf darum, am Leben zu bleiben und einen Geschlechtspartner zu finden. In diesem Kampf setzen sich jene durch, die über bestimmte Eigenschaften verfügen, gegenüber jenen, die weniger gut ausgestattet sind. Solche angeborenen Unterschiede in der Fähigkeit, Gene weiterzugeben – die natürliche Auslese, wie Darwin es nannte – hat zur Folge, dass die begünstigten Formen von Generation zu Generation an Zahl zunehmen. Im Laufe der Zeit verändert sich eine Linie allmählich so weit, dass sie mit den Abkömmlingen einer anderen Linie, die einst ihre Verwandten waren, keine Gene mehr austauschen kann. Eine neue Art ist entstanden.

Die Evolution ist nicht teleologisch, sie folgt keinem Endziel.

Die Darwin-Maschine folgt keiner Strategie und kann nicht nach vorne blicken.

Darwin schaute auf die Vergangenheit, um die Gegenwart zu verstehen. Er dachte kaum einmal über die (biologische) Zukunft nach.

Nur wenige wissen, dass Charles Darwin sich mit sehr viel mehr Themen beschäftigte und darüber schrieb.

Darwins fünfzigjährige Arbeit über Rankenfüßer und Kletterpflanzen, Haustiere und Regenwürmer sollten die Biologie für immer verändern.

Er schrieb rund sechs Millionen Worte, niedergelegt in neunzehn Büchern, Hunderten von wissenschaftlichen Aufsätzen und unzähligen Briefen, rund 14 000, die erhalten geblieben sind.

Seine Texte verfasste Charles Darwin so, dass sie nicht nur von Wissenschaftlern, sondern auch von gebildeten Laien verstanden werden.

Charles Darwin war somit der erste populär-wissenschaftliche Autor.

Steve Jones beschäftigt sich in seinem Buch „Darwins Garten. Leben und Entdeckungen des Naturforschers Charles Darwin und die moderne Biologie“ vor allem mit den weniger bekannten Forschungsgebieten Darwins.

In diesem Buch geht es um den verkannten Darwin, die berühmteste Persönlichkeit auf dem Gebiet der Biologie, und um seine jahrelangen Forschungen über Pflanzen, Tiere und Menschen in seinem Heimatland.

In diesem Buch versuche ich, Darwins Schriften auf die heutige Zeit zu beziehen und den bedeutendsten Biologen der Welt im Kontext der heutigen Forschung zu verankern.

Von Ende 1831 bis Oktober 1836 unternahm Charles Darwin eine Weltumsegelung auf der „Beagle“. Am 29. Januar 1839 heiratete er seine Cousine Emma Wedgwood (1808 – 1896). Ab 1842 lebte die Familie in Down House bei dem südlich von London gelegenen Dorf Down(e). Dort und in der Umgebung des Anwesens seiner Schwägerin Sarah Elizabeth Wedgwood in Hartfield, Sussex, erforschte Charles Darwin heimische Pflanzen. (Down House ist heute ein Museum und befindet sich längst nicht mehr außerhalb von London, sondern im Stadtteil Bromley.)

Sechs Jahre nach der letzten Niederkunft seiner Ehefrau, die zwischen 1839 und 1856 zehn Kinder geboren hatte und, wie gesagt, mit ihm verwandt war, begann Charles Darwin, die Auswirkungen von Inzucht im Pflanzenreich zu untersuchen. Seine Erkenntnisse hielt er 1876 in „Die Wirkungen der Kreuz- und Selbstbefruchtung im Pflanzenreich“ fest. Heute wissen wir, dass alle Populationen Gendefekte aufweisen, die erst manifest werden, wenn sie doppelt vererbt werden – und das ist unter verwandten Sexualpartnern wahrscheinlicher als unter fremden.

Darwin befasste sich auch mit der Mimik und Gestik von Tieren und Menschen: „Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren“ (1872).

In Bezug auf Darwins Schrift „Das Variieren der Tiere und Pflanzen im Zustande der Domestikation“ (1868) erwähnt Steve Jones das Problem der Fettleibigkeit: Inzwischen stehen 800 Millionen Hungernden auf der Welt 1 Milliarde übergewichtige Menschen gegenüber.

In „Die verschiedenen Einrichtungen, durch welche Orchideen von Insekten befruchtet werden“ (1862) beschreibt Charles Darwin, wie Pflanzen Insekten anlocken, die sie zur Bestäubung benötigen.

Ebenso intensiv beobachtete er Seepocken (Rankenfüßer, Cirripeden).

Die an unseren Ufern vorkommenden Arten fristen ihr Leben quasi verkehrt herum, denn sie stehen auf dem Kopf und wedeln mit den Füßen im Wasser über ihnen.

Da viele Arten von zweigeschlechtlichen Rankenfüßern an einem Ort festsitzen, fällt es ihnen nicht leicht, sich zu vermehren:

Aus diesem Grund muss jedes Männchen ständig mit dem Penis wedeln (dessen Erektion eine Menge hydraulischer Energie verschlingt) und ihn so weit ausstülpen, bis er einen seiner Nachbarn berührt, in der Hoffnung, dass wenigstens einer davon ein Weibchen ist. Diejenigen, die in einer Gruppe mit wenigen Individuen leben, zwischen denen größere Abstände herrschen, müssen ein längeres Organ ausbilden, wenn sie Erfolg haben wollen, als diejenigen, die dicht gedrängt siedeln.

Die Würmer in „Darwins Garten“ wurden über Jahre hinweg beoachtet. Was Charles Darwin darüber herausfand, schildert er in „Die Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der Würmer mit Beobachtungen über deren Lebensweise“ (1881). Steve Jones geht darauf ausführlich ein und beschreibt die erstaunlichen Leistungen von (Regen-)Würmern, die selbst Prärien in fruchtbares Land verwandeln.

Pflanzenarten, die im Boden zu wenig Stickstoff finden, können sich diesen holen, indem sie Insekten fangen, verdauen und die Nährstoffe absorbieren. Unabhängig voneinander entwickelten 600 Pflanzenarten Techniken und Lebensformen, mit denen sie zu Fleischfressern wurden.

In der Umgebung von Down House wurde zu Darwins Lebzeiten viel Hopfen angebaut. Der Forscher wunderte sich darüber, wie die Schösslinge es schaffen, die Hopfenstangen zu finden und sich daran hochzuwinden. Das gelingt selbst dann, wenn der neue Trieb ein Stück weit entfernt von der nächsten Klettermöglichkeit aus der Erde sprießt.

Darwin selbst erkannte, dass Pflanzen einen Tastsinn haben müssen, da die Kletterpflanzen sofort ihr Verhalten ändern, wenn sie einem vertikalen Objekt begegnen. Sie stellen dann sofort ihre weiteren Kreisbewegungen ein und beginnen, sich um die neue Stütze herum zu winden. Auch Wurzeln sondieren den Erdboden und wachsen notfalls um einen Stein herum, den sie nicht bewegen können.

Sie haben keine Muskeln, aber sie wachsen dorthin, wo sie sein müssen, oder bewegen sich mithilfe einer molekularen Maschinerie.

Auch wenn Pflanzen sich nach dem Licht ausrichten, bewegen sie sich. Darwin konnte zeigen, dass es dabei auf die Triebspitze ankommt.

Um mit der Außenwelt zurechtzukommen, muss jedes Lebewesen, ob Pflanze oder Tier, herausfinden, was dort vor sich geht, diese Information an den richtigen Ort weiterleiten und dann auf die Herausforderungen der Natur auf geeignete Weise reagieren. Der Mensch erledigt dies mit seinen Augen, Ohren, Nerven, Hirnzellen und Muskeln. Pflanzen besitzen nichts davon, kommen aber trotzdem erstaunlich gut zurecht.

Was Charles Darwin darüber in Erfahrung bringen konnte, erläuterte er in „Die Bewegungen und Lebensweise der kletternden Pflanzen“ (1865) und in „Das Bewegungsvermögen der Pflanzen“ (1880). Nach seinem Tod, im Jahr 1913, wurde der Botenstoff nachgewiesen, mit dem Pflanzen ihre „Bewegung“ steuern können: Auxin. Es handelte sich um die Entdeckung des ersten Hormons.

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Wer etwa aufgrund des Untertitels „Leben und Entdeckungen des Naturforschers Charles Darwin und die moderne Biologie“ etwas wie eine Biografie erwartet, wird von „Darwins Garten“ enttäuscht sein. Über Darwins Leben erfahren wir in dem Buch so gut wie nichts. Steve Jones (* 1944) beschäftigt sich stattdessen mit einigen weitgehend unbekannten Schriften des Forschers und stellt Darwins Erkenntnisse auf ganz verschiedenen Gebieten der Biologie in den Kontext des heutigen Wissens.

Dabei beweist Steve Jones seine Sachkenntnis. Nach Darwins Vorbild bleibt er allgemein verständlich; er schreibt im Plauderton. Das ist zugleich informativ und unterhaltsam. „Darwins Garten“ ist jedoch keine systematische Abhandlung, sondern eher eine Art Lesebuch, ein nur locker anhand von Darwins Schriften geordneter Streifzug mit punktuellen Darstellungen und vielen Abschweifungen.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2011
Textauszüge: © Piper Verlag

Darwinismus

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