Operation Zucker

Operation Zucker

Operation Zucker

Originaltitel: Operation Zucker – Regie: Rainer Kaufmann – Drehbuch: Philip Koch – Kamera: Morten Søborg – Schnitt: Christel Suckow – Musik: Gerd Baumannn, Verena Marisa Schmidt ‐ Darsteller: Nadja Uhl, Senta Berger, Anatole Taubman, Paraschiva Dragus, Adrian Ernst, Stefan Rudolf, Hans-Uwe Bauer, Uwe Preuss u.a. – 2012; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Im Mittelpunkt des Fernsehfilms über Menschenhandel und Kinderprostitution stehen eine zehnjährige nach Berlin verschleppte Rumänin, eine engagierte junge LKA-Beamtin und eine ältere Staatsanwältin, die zunächst nicht glauben kann, dass außer einem bekannten Geschäftsmann und einem hochrangigen Politiker auch ein mit ihr befreundeter Richter zu den Kunden eines Kinderschänder-Rings gehört ...
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Kritik

Auch wenn Rainer Kaufmann mit Metaphern arbeitet, kommt es ihm darauf an, die Darstellung realistisch wirken zu lassen. Entsprechend sachlich hat er den spannenden und erschütternden Fernsehfilm "Operation Zucker" inszeniert.
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Die zehnjährige Rumänin Fee (Paraschiva Dragus) soll eine Berufsschule in Deutschland besuchen. Der Vater unterschreibt einen entsprechenden Vertrag, als zwei Männer das Kind im Dorf abholen. Aber Fee wird in Berlin nicht zur Schule geschickt, sondern in einem Haus untergebracht, das die LKA-Polizistin Karin Wegemann (Nadja Uhl) und ihr Kollege Uwe Hansen (Anatole Taubman) seit einiger Zeit observieren, weil sie den Verdacht haben, dass es sich um einen Stützpunkt einer Gruppe gehört, die Pädophilen gegen gute Bezahlung Kinder zuführt. Unter den Männern, die Uwe Hansen beim Betreten oder Verlassen des verdächtigen Gebäudes fotografiert, befinden sich bekannte Persönlichkeiten wie der Geschäftsmann Michael Guthen (Gernot Kunert), der Politiker Kurt Wagner (Matthias Dittmer) und der Richter Hans Neidhart (Hans-Uwe Bauer).

Als sich die beiden Polizisten ihrer Sache einigermaßen sicher sind, wendet Karin Wegemann sich an die Staatsanwältin Dorothee Lessing (Senta Berger) und beantragt einen Durchsuchungsbefehl. Die Staatsanwältin sitzt hinter Stapeln von Akten und versucht, die Polizistin erst einmal loszuwerden, ohne sich zusätzliche Arbeit aufzuladen, aber Karin lässt sich nicht abweisen. Die Angelegenheit ist ihr zu wichtig.

Nachdem Dorothee Lessing einen entsprechenden richterlichen Beschluss erwirkt hat, stürmt ein Sondereinsatzkommando das observierte Gebäude. Aber die Zimmer sind leer. Offenbar wurden die Täter gewarnt. Spuren deuten darauf hin, dass sie die Kinder durch den Keller und einen Hinterausgang unbemerkt fortschafften. Nur Fee, der ein mit ihr von Rumänien nach Deutschland verschleppter Junge namens Bran (Adrian Ernst) einen Kellerraum zeigte, in dem sie sich verstecken konnte, wird von der Polizei befreit. Das Mädchen ist verstört, spricht kein Wort und verhält sich wie eine Autistin. Vernehmungsfähig ist Fee nicht.

Die Staatsanwältin verübelt es der Polizistin, dass diese ihr Fotos vorenthielt, auf denen der Richter Hans Neidhart zu erkennen ist. Dorothee Lessing ist seit 40 Jahren mit ihm befreundet und kann sich nicht vorstellen, dass er pädophil bzw. kriminell ist. Es gibt ihr jedoch zu denken, dass sie den Durchsuchungsbeschluss von ihm ausstellen ließ und die Täter offenbar vor der Razzia gewarnt wurden. Kann es sein, dass Hans Neidhart etwas zu vertuschen hat und die Warnung von ihm kam?

Karin trifft sich mit einem Informanten namens Ronnie (Stefan Rudolf). Bei ihm handelt es sich um einen der beiden Männer, die Fee aus Rumänien holten. Weil er längst aussteigen möchte, wäre er unter der Voraussetzung, dass er in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen wird, zu einer umfassenden Aussage gegen seine Auftraggeber und das Netzwerk bereit. In einem Schließfach habe er eine Liste mit Namen hochrangiger Kunden deponiert, sagt er. Um sowohl sein Insiderwissen als auch seine Entschlossenheit zu demonstrieren, führt er Karin Wegemann und Dorothee Lessing in die Nähe einer Villa, in der die Kinder inzwischen untergebracht sind.

Diesmal werden einige Kinder bei dem Zugriff des SEK befreit, darunter Bran. Bei seiner Vernehmung identifiziert Bran auf Fotos den Politiker Kurt Wagner, der ihn kürzlich in einem Hotelzimmer zwang, sich nackt auszuziehen und ihn dann auspeitschte. Auf Bildern von Überwachungskameras ist Wagner beim Betreten und Verlassen des Hotels zu sehen. Mit der Aussage des Jungen konfrontiert, gibt Wagner zu, zur fraglichen Zeit im Hotel auf einen Callboy gewartet zu haben. Er habe jedoch sofort begriffen, dass man ihm einen Minderjährigen zugeführt hatte. Um den Jungen nicht in Schwierigkeiten zu bringen, habe er ihm die vereinbarte Geldsumme gegeben und sei noch eine Weile in dem Zimmer geblieben. Dabei habe er allerdings nur Fernsehen geschaut und sich selbstverständlich nicht an dem Minderjährigen vergriffen. Weil der Oberstaatsanwalt (Rolf Kanies) nichts gegen Wagner unternehmen will, springt Bran zornig aus dem Fenster und rennt weg.

Im Anschluss an die abgebrochene Vernehmung erklärt der Oberstaatsanwalt Dorothee Lessing, er lehne eine Aufnahme des Informanten Ronnie in ein Zeugenschutzprogramm ab. Bei dem Mann handele es sich möglicherweise um einen Trittbrettfahrer und Wichtigtuer.

Dorothee Lessing geht in ihr Büro, wo Ronnie auf sie wartet. Während sie ihm mit förmlichen Worten die Ablehnung mitteilt, schreibt sie auf einen Zettel „sofort untertauchen“, zeigt ihn Ronnie, zerknüllt das Papier und wirft es weg. Auf dem Weg zum Ausgang flüstert sie ihm zu, dass die Akte mit seiner Zeugenaussage verschwunden sei.

Karin Wegemann und Uwe Hansen erhalten von ihrem Vorgesetzten Dirk Baalke (Uwe Preuss) die Weisung, die Ermittlungen gegen die Hintermänner und Kunden des Kinderschänder-Rings einzustellen. Aber Karin ist nicht bereit, die Angelegenheit im Sand verlaufen zu lassen. Sie macht weiter, und Uwe unterstützt sie, obwohl er befürchtet, damit seine Karriere zu ruinieren.

Eine SMS Ronnies macht Karin auf den Verein „Villa Schneeflocke“ aufmerksam. Als sie danach googelt, stellt sie fest, dass der Geschäftsmann Michael Guthen Ehrenmitglied ist und eine beträchtliche Summe gespendet hat. Handelt es sich bei dem Verein um eine Tarnorganisation des Netzwerks?

Fee wird inzwischen wegen ihrer dissoziativen Störung im Krankenhaus behandelt. Weil Dorothee Lessing, Karin Wegemann und Uwe Hansen befürchten, dass sie dort nicht mehr sicher ist, holen sie das Mädchen auf eigene Faust aus dem Krankenhaus und bringen es in eine Datsche der Staatsanwältin an einem zugefrorenen See. Karin bleibt dort mit dem Kind, während Dorothee Lessing und Uwe Hansen nach Berlin zurückfahren.

Währenddessen dringt Bran in Kurt Wagners Villa ein, nimmt einen Brieföffner in die Hand, schleicht sich an den Politiker heran, sticht auf ihn ein, lässt dann den Brieföffner fallen und rennt aus dem Haus.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Dorothee Lessing und Uwe Hansen erfahren, dass die Kinderhändler einen Auftrag bekommen haben, fünf Kinder in eine bestimmte Villa zu bringen. Der Polizist und die Staatsanwältin überreden Dirk Baalke zu einer Polizeiaktion. Die rings um die Villa verteilten Einsatzkräfte beobachten, wie die fünf Kinder in einem Minivan gebracht und von ihren Bewachern ins Gebäude geführt werden. In diesem Augenblick erhält das SEK den Befehl zum Abrücken. Damit findet Dorothee Lessing sich nicht ab, und Uwe Hansen bleibt an ihrer Seite. Nachdem er übers Handy Verstärkung angefordert hat, drückt er der Staatsanwältin eine Pistole in die Hand und dringt mit ihr zusammen in die Villa ein. Im Gebäude treffen sie auf ein halbes Dutzend Männer und die fünf bis auf die Unterhose oder ganz entkleideten Jungen. Die Staatsanwältin erklärt die Päderasten für verhaftet. Einer von ihnen ist Hans Neidhart. Sie richtet die Waffe auf ihn, aber er geht auf sie zu, entreißt sie ihr und nimmt Dorothee Lessing als Geisel. Als die von Uwe Hansen angeforderte Verstärkung eintrifft, erkennt er die Ausweglosigkeit seiner Situation, nimmt den Lauf der Waffe in den Mund und drückt ab. Aber die Pistole ist nicht geladen. Neidhart und die anderen Kinderschänder werden abgeführt.

Karin und Fee halten sich zu diesem Zeitpunkt noch in der Datsche auf. Allmählich beginnt das Kind der Polizistin zu vertrauen. Sie hilft Karin, die sich die rechte Hand verstaucht hat, beim Umlegen einer Schlinge und legt sich nachts nach einem Albtraum zu ihr ins Bett.

In derselben Nacht überfällt ein Mann die beiden Schlafenden. Wenig später sitzt Karin gefesselt und mit zugeklebtem Mund im Fond eines Wagens, als dieser auf einer Landstraße hält. Sie muss mit ansehen, wie Fee von Ronnie aus dem Auto gezerrt und zu einem in der Nähe neben einer Luxuslimousine wartenden gut gekleideten Herrn gebracht wird. Nachdem der Pädophile mit dem Kind weggefahren ist, droht Ronnie, die wehrlose Polizistin zu erschießen. Sie muss aussteigen und sich auf die Erde knien. Aber dann tötet er sie doch nicht, sondern fährt mit dem Wagen weg und lässt sie zurück.

Im letzten Bild sehen wir Bran. Er schlägt sich jetzt als Strichjunge in Berlin durch.

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Der spannende und erschütternde Fernsehfilm „Operation Zucker“ von Philip Koch (Drehbuch) und Rainer Kaufmann (Regie) befasst sich mit dem Thema Menschenhandel und Kinderprostitution. Im Mittelpunkt stehen eine zehnjährige nach Berlin verschleppte Rumänin, eine engagierte junge LKA-Beamtin und eine ältere Staatsanwältin, die zunächst nicht glauben kann, dass außer einem bekannten Geschäftsmann und einem hochrangigen Politiker auch ein seit langer Zeit mit ihr befreundeter Richter zu den Kunden eines Kinderschänder-Rings gehört.

Auch wenn Rainer Kaufmann mit Metaphern arbeitet und die traumatisierte Psyche Fees in einer Winterlandschaft bzw. einem zugefrorenen See spiegelt, kommt es ihm darauf an, die Darstellung realistisch wirken zu lassen. Entsprechend sachlich hat er „Operation Zucker“ inszeniert. Und auf ein Happy End warten wir vergeblich.

Der Fernsehfilm „Operation Zucker“ wurde am 6. Juli 2012 beim Filmfest München uraufgeführt und am 16. Januar 2013 erstmals ausgestrahlt (Das Erste), und zwar um 20.15 Uhr in einer um drei Minuten gekürzten und vier Stunden später in der ungeschnittenen Fassung. (Die „entschärfte“ Version endet mit der Festnahme der in flagranti überraschten Pädophilen.)

Nadja Uhl wurde für ihre Rollen in „Operation Zucker“ und in der Verfilmung des Romans „Der Turm“ mit dem Bayerischen Fernsehpreis 2013 ausgezeichnet. Prämiert wurde „Operation Zucker“ auch in den Kategorien Beste Kameraführung (Morten Søborg) und Bester Fernsehfilm.

Der Verein „Doña Carmen“, der für die sozialen und politischen Rechte von Prostituierten eintritt, kritisiert „Operation Zucker“ in einem allerdings polemischen Pamphlet:

[Der Fernsehzuschauer] soll sich über die Ungerechtigkeit, die dem Mädchen im Film widerfährt, empören und Abscheu empfinden. […] Die „Fernsehnation“ soll nicht nur im Film, sondern auch in der gesellschaftlichen Realität die Polizei als Inbegriff des „Guten“ würdigen, die mit viel zu wenig Kapazitäten einen schier aussichtslosen Kampf gegen „das Böse“ (= „Kinderhandel“, „Kinderprostitution“) führt und diesen Kampf – so die politische Botschaft – im Grunde nur gewinnen kann, wenn sich die Zivilgesellschaft – sprich: der Fernsehzuschauer – an ihrer Seite für mehr Razzien gegen Menschenhandel und Prostitution, für mehr Polizeikontrollen in dieser Gesellschaft und mehr Geld für die Polizei ausspricht.

Sherry Hormann drehte im April/Mai 2015 in Berlin und Potsdam unter dem Titel „Operation Zucker. Jagdgesellschaft“ ein Sequel zu „Operation Zucker“. Die Erstausstrahlung erfolgte am 20. Januar 2016 im Ersten Programm.

Originaltitel: Operation Zucker. Jagdgesellschaft – Regie: Sherry Hormann – Drehbuch: Friedrich Ani, Ina Jung, Sherry Hormann – Kamera: Armin Golisano – Schnitt: Mona Bräuer – Musik: Fabian Römer – Darsteller: Nadja Uhl, Mišel Matičević, André Szymanski, Jördis Triebel, Rainer Bock, Sebastian Hülk, Carlotta von Falkenhayn, Stephanie Amarell, Mathilde Bundschuh, Robert Schupp u.a. – 2016; 90 Minuten

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013 / 2016

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Hans-Jochen Vogel urteilt erfahren und kenntnisreich; er denkt analy­tisch und formuliert ebenso präzise wie differenziert. Seine Gespräche mit Sandra Maischberger gehen immer wieder über die Tagespolitik hinaus.
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