Die Liebesfälscher

Die Liebesfälscher

Die Liebesfälscher

Die Liebesfälscher – Originaltitel: Copie conforme – Regie: Abbas Kiarostami – Drehbuch: Abbas Kiarostami, Massoumeh Lahidji, Caroline Eliacheff – Kamera: Luca Bigazzi – Schnitt: Bahman Kiarostami – Darsteller: Juliette Binoche, William Shimell, Angelo Barbagallo, Jean-Claude Carrière, Agathe Natanson, Gianna Giachetti, Adrian Moore, Filippo Trojano, Manuela Balsinelli, Andrea Laurenzi u.a. – 2010;L 105 Minuten

Inhaltsangabe

Der britische Kunsthistoriker James Miller liest in Arezzo aus seinem Buch "Die perfekte Kopie". Am nächsten Vormittag besucht er eine Französin, die ein Antiquitätengeschäft in Arezzo betreibt. Während eines Ausflugs diskutieren sie über das Leben und die Kunst, das Verhältnis von Original und Abbild. Als eine Wirtin die beiden für ein Ehepaar hält, behaupten sie, seit 15 Jahren verheiratet zu sein und behalten die Rollen auch nach dem Verlassen des Cafés bei ...
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Kritik

Bei "Die Liebesfälscher" handelt es sich um ein Vexierspiel über Original und Kopie, Wahrheit und Täuschung. Zwei eindrucksvolle Schauspieler und eine exzellente Kameraführung machen aus dem dialoglastigen Kammerspiel anspruchsvolles Kino.
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Der britische Kunsthistoriker James Miller (William Shimell) kommt nach Arezzo, um aus seinem neuen Buch „Die perfekte Kopie“ zu lesen. Auf einem reservierten Platz in der ersten Reihe neben Millers italienischem Übersetzer Marco Lenzi (Angelo Barbagallo) sitzt eine schöne Frau (Juliette Binoche), die allerdings von ihrem pubertierenden Sohn (Adrian Moore) abgelenkt wird, der am Rand des Saals steht, mit seinem Handy spielt und ihr ungeduldig Zeichen macht. Schließlich schreibt sie etwas auf einen Zettel, gibt ihn Marco und verlässt mit ihrem Sohn die Veranstaltung.

Beim Essen im Restaurant neckt der Junge seine Mutter, indem er sagt, es sei ihm aufgefallen, wie sie James Miller angehimmelt habe. Sie sei wohl in ihn verliebt. Die Frau leugnet es lachend. Aber sie muss zugeben, dass sie Marco Lenzi einen Zettel für James Miller gab.

Am nächsten Vormittag kommt der Engländer in ihr Antiquitätengeschäft. Als er sie drängt, mit ihm ins Freie zu gehen, schlägt sie einen Ausflug mit dem Auto vor. Er ist einverstanden, weist allerdings darauf hin, dass er den Zug um 21 Uhr erreichen müsse. Sie fährt mit ihm nach Lucignano. Unterwegs signiert er ein halbes Dutzend Exemplare seines Buches, die sie gekauft hat, um sie zu verschenken.

Sie diskutieren über die Kunst und das Leben. Er stellt die Frage, ob es sich bei der „Mona Lisa“ von Leonardo da Vinci im Louvre um ein Original handele oder um die Kopie einer damals lebenden Frau. Die Idee für sein Buch kam ihm, als er eine Mutter mit ihrem Sohn vor der Kopie der David-Statue von Michelangelo auf der Piazza della Signoria in Florenz beobachtete. Miller vertritt die These, dass es fast nur Kopien und kaum Originale gebe, glaubt nicht an die Echtheit von Gefühlen in einer Welt des Scheins und meint, die meisten Menschen hätten vergessen, dass es darauf ankomme, Spaß zu haben.

Zwischendurch erzählt er ihr seinen Lieblingswitz. Der handelt von einem Mann auf einer einsamen Insel, der eine Flasche findet. Der Flaschengeist will ihm zum Dank für seine Befreiung drei Wünsche erfüllen. Als erstes wünscht der durstige Mann sich eine Flasche Cola, die nie versiegt. Nachdem er in großen Schlucken getrunken hat, füllt sich die Flasche von selbst nach. Der Flaschengast fragt nach den beiden anderen Wünschen des einsamen Mannes auf der Insel. Dessen Antwort lautet: „Noch zwei von diesen Cola-Flaschen.“

Die Frau am Lenkrad beklagt sich über den fehlenden Ehrgeiz ihrer Schwester Marie, die einen stotternden Mann geheiratet hat. Miller entgegnet, er beneide die beiden um ihr einfaches Glück und halte den Mann für ein Original. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten ergeben sich zwischen Miller und seiner Begleiterin Spannungen, aber nach der Ankunft in Lucignano gehen sie darüber hinweg.

Die Antiquitätenhändlerin führt den Kunsthistoriker ins Museo Comunale und zeigt ihm ein Madonnenbild, das man jahrhundertelang für ein römisches Original gehalten hatte. Erst vor fünfzig Jahren fand man heraus, dass es sich um die Fälschung eines unbekannten Neapolitaners handelt. Das Gemälde wird deshalb als „Originalkopie“ bezeichnet. Man habe das Bild als Original bewundert, sagt die Frau, aber es sei eine Kopie. War die Bewunderung deshalb weniger echt? Sie meint, das Bild veranschauliche Millers These, muss jedoch enttäuscht feststellen, dass er sich nicht weiter dafür interessiert.

Er lässt sich von ihr auf einen Kaffee einladen. Die Wirtin (Gianna Giachetti) ist überzeugt, dass es sich bei den beiden um ein Ehepaar handelt. Als Miller zum Telefonieren ins Freie geht, redet sie mit der Frau, die bestätigt, dass es sich bei ihm um einen Engländer und bei ihr um eine Französin handelt. Sie lebe seit fünf Jahren in Arezzo, sagt sie. Auf eine entsprechende Frage der Wirtin antwortet sie, dass sie und ihr Mann seit 15 Jahren verheiratet seien.

Auf der Straße beschwert sie sich bei ihm darüber, dass er nur seine Arbeit kenne und nie für sie und den Sohn da sei. Ob er sich erinnern könne, wann sie zuletzt gemeinsam frühstückten, fragt sie. Miller entgegnet ebenso vorwurfsvoll, darauf wisse er ebenso wenig eine Antwort wie auf die Frage, wann sie zum letzten Mal beim Frühstück guter Laune gewesen sei.

Sie spricht ein Brautpaar (Filippo Trojano, Manuela Balsinelli) an, behauptet, sie und ihr Mann würden den 15. Hochzeitstag feiern und erreicht dadurch, dass sie mit aufs Foto kommen.

Auf einem Platz sehen sie ein Liebespaar als Brunnenskulptur. Miller hält es für Kitsch, aber sie meint, unabhängig davon, ob es Kunst sei oder nicht, gefalle ihr die Geste, mit der die Frau ihren Kopf an die Schulter des Mannes lehne. Sie fragt ein Touristenpaar (Jean-Claude Carrière, Agathe Natanson) nach dessen Meinung. Der Fremde nimmt Miller auf die Seite und rät ihm, seiner Frau einfach mal die Hand auf die Schulter zu legen, sie erwarte so eine Geste von ihm. Auf dem Weg zu einem Restaurant folgt Miller dem Ratschlag.

Dann ärgert er sich über den nachlässigen Kellner und den korkelnden Wein. Sie behauptet, er sei gestern von einer zweiwöchigen Reise zurückgekommen und eingeschlafen, während sie sich im Bad für ihn zurechtgemacht habe.

Nach dem Essen geht sie in eine Kirche. Er wartet draußen auf sie und beobachtet einen Greis und eine Greisin, die offenbar zusammen alt geworden sind. Als die Antiquitätenhändlerin zurückkommt, sagt er, er wundere sich über ihren Kirchenbesuch. Sie habe sich beengt gefühlt und deshalb in der Kirche ihren Büstenhalter ausgezogen, erklärt sie, während sie auf einer Treppenstufe sitzt und sich die schmerzenden Füße massiert.

Ob er sich an das Hotel erinnere, in dem sie ihre Hochzeitsnacht verbrachten, fragt sie ihn. Er deutet auf eines, aber sie schüttelt den Kopf und betritt ein anderes. An der Rezeption bittet sie darum, das Zimmer 9 aufsuchen zu dürfen, wenn es frei sei. In diesem Zimmer, sagt sie, hätten sie und ihr Mann vor genau 15 Jahren die Hochzeitsnacht verbracht, und nun wollten sie in Erinnerungen schwelgen.

Die beiden gehen hinauf in das Zimmer. Miller weist noch einmal darauf hin, dass er um 21 Uhr am Bahnhof in Arezzo sein müsse. Sie legt sich aufs Bett. Er geht ins Bad. Da läuten die Kirchenglocken, und er kehrt zu ihr zurück.

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In „Die Liebesfälscher“ geht es um die Frage nach dem Verhältnis von Original und Kopie, Realität und Fiktion, Sein und Schein, Wahrheit und Täuschung. Der iranische Regisseur Abbas Kiarostami (* 1940) stellt die Frage, ob Emotionen echt sein können, auch wenn sie von einer Kopie oder durch eine Vorstellung ausgelöst werden.

Sind James Miller und die Frau, deren Namen wir nicht erfahren, ein Ehepaar oder tun sie nur so? Und wenn sie nur Rollen spielen, handelt es sich bei ihren Äußerungen um persönliche Erfahrungen oder um erfundene Improvisationen? Abbas Kiarostami löst das intellektuelle Vexierspiel in „Die Liebesfälscher“ nicht auf.

Bei den Protagonisten handelt es sich nicht um Charaktere, sondern um artifizielle Figuren in einer philosophischen Versuchsanordnung. Äußerlich geschieht in dem Film kaum etwas. Obwohl „Die Liebesfälscher“ so dialoglastig ist, dass man sich das Ganze leicht als Hörspiel vorstellen könnte, handelt es sich mindestens wegen der Kameraführung und der Schauspieler um anspruchsvolles Kino. Zum einen gibt es Szenen wie die Autofahrt von Arezzo nach Lucignano. Da werden nicht nur herrliche Landschaftsbilder geboten, sondern – und das ist genial – die beiden Hauptdarsteller so durch die Windschutzscheibe gefilmt, dass die Spiegelung auf dem Glas eine deutliche Trennlinie zwischen ihnen bildet. Die schauspielerischen Leistungen in „Die Liebesfälscher“ sind hervoragend. Der Engländer William Shimell (* 1952), eigentlich ein Opernbariton, mimt überzeugend den intellektuellen Zyniker, während Juliette Binoche (* 1964) eine ganze Palette verschiedener Gefühlslagen ausdrückt. Die große französische Schauspielerin wurde dafür bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes 2010 als beste Darstellerin mit dem Prix d’interprétation féminine ausgezeichnet.

Bemerkenswert ist übrigens das unglückliche Gesicht einer der Bräute in Lucignano.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013

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