Polizeiruf 110. Und vergib uns unsere Schuld

Polizeiruf 110. Und vergib uns unsere Schuld

Polizeiruf 110. Und vergib uns unsere Schuld

Originaltitel: Polizeiruf 110. Und vergib uns unsere Schuld – Regie: Marco Kreuzpaintner – Drehbuch: Alex Buresch, Matthias Pacht – Kamera: Philipp Haberlandt – Schnitt: Claus Wehlisch – Musik: Oliver Thiede – Darsteller: Matthias Brandt, Karl Markovics, Lola Dockhorn, Sebastian Griegel, André Jung, Stefan Merki, Sylvana Krappatsch u.a. – 2016; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Tim Haffling wurde 2006 als Mörder der 16-jährigen Mirjam Springer verurteilt. 10 Jahre später erhängt er sich im Gefängnis. Daraufhin meldet sich der Architekt Jens Baumann bei Hanns von Meuffels, der damals die Ermittlungen leitete, und gesteht, er habe das Mädchen getötet. Der Kommissar will nicht glauben, dass er einen Fehler machte, denn in diesem Fall hätte er nicht nur einen Unschuldigen ins Gefängnis gebracht, sondern wäre indirekt auch an dessen Selbstmord schuld ...
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Kritik

In "Polizeiruf 110. Und vergib uns unsere Schuld" werden die in einem Fernsehkrimi gewohnten Verhältnisse auf den Kopf gestellt. Matthias Brandt und Karl Markovics spielen in der von Marco Kreuzpaintner realistisch inszenierten Tragödie sehr überzeugend.
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Nachdem der junge Häftling Tim Haffling (Sebastian Griegel) 2015 in der Wäscherei einer Justizvollzugsanstalt von Mithäftlingen malträtiert wurde, erhängt er sich in seiner Zelle.

Kurz nachdem die Medien über den Suizid berichtet haben, meldet sich bei der Münchner Mordkommission ein aufgeregter Mann namens Jens Baumann (Karl Markovics), der Kommissar Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) sprechen möchte und behauptet, er habe am 30. Juni 2006 die 16-jährige Miriam Springer (Lola Dockhorn) umgebracht. Tim Haffling sei zu Unrecht verurteilt worden, und nach dessen Selbsttötung ertrage er seine Schuld nicht länger ohne Bestrafung. Hanns von Meuffels leitete damals die Ermittlungen, die dazu führten, dass Tim Haffling aufgrund von Indizien und Zeugenaussagen verurteilt wurde, obwohl die Leiche des Mädchens unauffindbar blieb. Hanns von Meuffels kann und will sich nicht vorstellen, dass er sich irrte. Stattdessen hält er den nervösen Mann für psychisch krank und versucht, ihn abzuschütteln.

Der vereinsamte frühere Architekt insistiert jedoch, und als er der Polizei zeigen will, wo er die Leiche vergraben hat, lässt Hanns von Meuffels sich mit ihm hinfahren. Aber an der Stelle steht seit 2009 ein Baumarkt.

Baumann behauptet zunächst, er habe Mirjam als Anhalterin auf der Straße mit einer Flasche Wodka in der Hand gesehen und ihr angeboten, sie ein Stück mitzunehmen. Sie wollte zu einem Waldsee, und nachdem er sie dort hatte aussteigen lassen, forderte sie ihn zum Mitkommen auf. Also verbrachte er den Nachmittag mit ihr gemeinsam. Sie tranken, badeten und sonnten sich. Schließlich gerieten sie in Streit, und als er sie schubste, stürzte sie mit dem Schädel auf einen Felsen. Sie sei sofort tot gewesen, sagt Baumann. Später habe er die Leiche vergraben. Erst bei einer weiteren Befragung durch den Kommissar gibt er zu, Mirjam schon vorher im Tante-Emma-Laden des Dorfs begegnet zu sein.

Widerstrebend fährt Hanns von Meuffels in das Dorf, aus dem sowohl Tim Haffling als auch Mirjam Springer stammten. Lisa Haffling (Margarete Tiesel), die Mutter des toten Häftlings, bespuckt das Seitenfenster seines Autos. Die Eltern (Stefan Merki, Sylvana Krappatsch) des ermordeten Mädchens können ihm nichts sagen, was er nicht schon wüsste. Die Ladenbesitzerin Eva Brunner bestätigt immerhin Baumanns Aussage: Nachdem Mirjam mit ihrem Freund Stefan Reiter (Hannes Wegener) im Laden aneinandergeraten war, wollte sie eine Flasche Wodka haben, die Eva Brunner ihr jedoch aufgrund der Minderjährigkeit verweigerte. Ein paar Minuten später kam der Fremde zurück und kaufte eine Flasche Wodka.

Weil Jens Baumann angibt, Mirjam sei während des Aufenthalts am See einmal weggewesen, um von einer nahen Bude Pommes zu holen, befragt Hanns von Meuffels noch einmal den damals neunjährigen Michael Korzig, der seinen Vater während der Übertragung des Viertelfinales der Fußballweltmeisterschaft am 30. Juni 2006 in der Bude vertrat. Nachdem Mirjam eine Portion Pommes gekauft hatte, stritt sie mit Tim Haffling, der im Auto saß. In Michaels damaliger Zeugenaussage hieß es, sie sei dann eingestiegen und mit Tim Haffling weggefahren. Aber Michael Korzig nahm das nur an; gesehen hatte er es nicht.

Mit dem Hinweis auf die revidierte Zeugenaussage und andere offene Fragen kann von Meuffels den Staatsanwalt Rösner (André Jung) überzeugen, dass an der von Jens Baumann angegebenen Stelle auf dem Parkplatz des Baumarkts gegraben werden muss. Die Arbeit bleibt jedoch vergeblich. Der Leichenspürhund schlägt nicht an. „Wer gibt mir die Strafe, die ich verdiene?“, klagt Baumann, und der Kommissar antwortet: „Vielleicht ist es Ihre Strafe, frei zu sein.“


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Weil Jens Baumann begreift, dass der Kommissar erneut annimmt, dass er lüge oder unter Wahnvorstellungen leide, gesteht er in einem Telefongespräch mit Hanns von Meuffels, Mirjam nicht nur geschubst zu haben. Nachdem sie beide nackt in der Sonne gelegen und die Flasche Wodka getrunken hatten, wollte er Sex mit ihr. Aber die 16-Jährige lachte ihn aus. Als er es mit Gewalt versuchte, wehrte sie sich, bis er sie erwürgt hatte. Dann kopulierte er mit der Toten.

Bevor die Polizei Jens Baumann aufspüren kann, provoziert dieser im Garten der Familie Springer den Vater des ermordeten Mädchens, bis dieser mit einem Schürhaken auf ihn einschlägt.

Währenddessen findet Hanns von Meuffels heraus, dass die bei der Suche nach der Leiche von Jens Baumann angegebene Straßenausfahrt im Zuge der Baumarkt-Eröffnung verlegt wurde. Er fährt noch einmal hin, findet den vom Täter beschriebenen Waldweg – und beginnt zu graben.

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In „Polizeiruf 110. Und vergib uns unsere Schuld“ stellen Marco Kreuzpaintner (Regie), Alex Buresch und Matthias Pacht (Drehbuch) die in einem Thriller bzw. Fernsehkrimi gewohnten Verhältnisse auf den Kopf. Hier versucht der Mörder die Polizei von seiner Schuld zu überzeugen, und der Kommissar will ihm nicht glauben, weil er befürchten muss, bei seinen Ermittlungen vor zehn Jahren versagt zu haben. In diesem Fall hätte er nicht nur einen Unschuldigen ins Gefängnis gebracht, sondern wäre indirekt auch an dessen Selbstmord in der Zelle schuld.

Marco Kreuzpaintner (* 1977) inszeniert die Tragödie sehr realistisch. Dabei illustriert er die Aussagen des Mörders in „Polizeiruf 110. Und vergib uns unsere Schuld“ mit zahlreichen Rückblenden, denen allerdings nicht zu trauen ist: Sie variieren ebenso wie Jens Baumanns voneinander abweichende Darstellungen des Tathergangs. Während zur Tatzeit am 30. Juni 2006 die Sonne schien und es erst abends zu regnen begann, finden die aktuellen Ermittlungen des Kommissars zehn Jahre später bei schlechtem Wetter statt.

Matthias Brandt ist in „Polizeiruf 110. Und vergib uns unsere Schuld“ zum zehnten Mal in der Rolle des Kommissars Hanns von Meuffels zu sehen. Karl Markovics, der die zweite Hauptrolle spielt, verkörpert den vereinsamten, heruntergekommenen und von seiner Schuld beinahe schon in den Wahnsinn getriebenen Täter recht eindrucksvoll.

Bei „Polizeiruf 110. Und vergib uns unsere Schuld“ handelt es sich um die 355. Folge der Fernsehserie bzw. die erste Episode der 45. Staffel. Gedreht wurde vom 10. Juni bis zum 10. Juli 2015 in München und Umgebung. Die Erstausstrahlung erfolgte am 17. Januar 2016 im Ersten Programm der ARD.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2016

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Stefan Mühldorfer - Tagsüber dieses strahlende Blau
"Tagsüber dieses strahlende Blau" ist ein melancholischer, aber nicht schwerfälliger, sondern leichter, eleganter und feinsinniger Roman. Stefan Mühldorfer vermeidet jede Effekthascherei und macht das Geschehen gerade dadurch nachvollziehbar.
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