Toter Winkel

Toter Winkel

Toter Winkel

Originaltitel: Toter Winkel – Regie: Stephan Lacant – Drehbuch: Ben Braeunlich – Kamera: Michael Kotschi – Schnitt: Monika Schindler – Musik: Dürbeck & Dohmen – Darsteller: Herbert Knaup, Hanno Koffler, Emma Drogunova, Johanna Gastdorf, Theresa Scholze, Valentino Fortuzzi, Axel Gottschick, Kasem Hoxha, Ruzica Hajdari, Eve Marie Gleißner u.a. – 2017; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Eine seit langem in Deutschland lebende Familie aus dem Kosovo wird nachts aus der Wohnung geholt: Abschiebung! Statt in den bereitstehenden Bus zu steigen, rennt die 15-jährige Tochter Anyá davon, und bei der Verfolgung wird einer der Uni­for­mier­ten von einem LKW erfasst. Am nächsten Tag hört der Frisörmeister Karl Holzer, dass ein Freund seines Sohnes ums Leben kam, als er nachts über die Straße rannte. Er hatte die vor zwei Jahren geraubte Dienstpistole eines Polizisten bei sich ...
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Kritik

Das Familiendrama "Toter Winkel" dreht sich um einen Vater-Sohn-Konflikt und zeigt, dass nicht nur Verlierer rechts­radikale Gewalt­täter sind. Die Angehörigen wollen das in diesem Fall nicht wahrhaben. Im zweiten Teil des Films haut Stephan Lacant zu sehr auf die Pauke.
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Mitten in der Nacht wird die Familie Krasniqi aus dem Schlaf geklingelt. Uniformierte Polizisten erklären Fazil und Dafina Krasniqi (Kasem Hoxha, Ruzica Hajdari), dass ihr Bleiberecht abgelaufen sei. Sie sind völlig überrascht, denn sie waren vor vielen Jahren aus dem Kosovo geflüchtet und alle drei Kinder sind in Deutschland geboren. Aber sie fügen sich den Anweisungen, packen das Notwendigste und verlassen mit den Männern die Wohnung. Als Fazil Krasniqi auf dem Weg zu einem bereitstehenden Kleinbus einen Anwalt anrufen will, entreißt ihm einer der Beamten das Handy. Anyá (Emma Drogunova), das mit 15 Jahren älteste der Kinder, nutzt die Ablenkung durch die Auseinandersetzung, um davonzurennen. Zwei Uniformierte verfolgen sie, aber sie entkommt, nachdem einer der beiden beim Überqueren einer Straße von einem Lastwagen erfasst wurde.

Zuflucht sucht Anyá bei dem Mitschüler Martin (Valentino Fortuzzi), der sie zunächst vor seiner Mutter auf dem Dachboden versteckt. Anyá erhält SMS vom Handy ihres Vaters. Er fordert sie auf, sich zu melden und sich der Familie wieder anzuschließen, aber sie bleibt misstrauisch. Vielleicht zwingt man ihren Vater, die Nachrichten zu schreiben.

Am nächsten Tag hört Karl Holzer (Herbert Knaup), der in der Kleinstadt, in der auch die Krasniqis wohnten, einen Frisörsalon betreibt und schon die Polizei ruft, wenn die Scherben einer weggeworfenen Bierflasche vor dem Eingang liegen, dass Manuel Retzlaf beim Überqueren einer Straße ums Leben kam. Der junge Mann war vor einen Lastwagen gerannt. Manuels Vater Harald Retzlaf (Axel Gottschick) führt schräg gegenüber dem Frisörsalon ein Laden­geschäft. Karl und Elsa Holzer (Johanna Gastdorf) kennen Harald und Lotte Retzlaf gut, denn die Söhne Thomas (Hanno Koffler) und Manuel sind seit der Schulzeit eng befreundet.

Harald Retzlaf beklagt sich bei Karl Holzer darüber, dass LKA-Beamte das Haus durchsucht hätten.

Von dem Polizisten Zeiler (Dirk Borchardt) erfährt Karl Holzer, dass der arbeitslose Manuel Retzlaf die vor zwei Jahren geraubte Dienstpistole eines Polizeibeamten bei sich hatte und zu vermuten ist, dass er rechtsradikalen Kreisen angehört.


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Weil die Retzlafs seit der polizeilichen Durchsuchung nicht einmal mehr über ein Foto ihres Sohnes für die Trauerfeier verfügen, sucht Karl Holzer in alten Fotoalben und stößt auf ein Kuvert mit Bildern, die Manuel, Thomas und deren Freund Rolf Wenzel (Jan Pohl) mit zum Hitlergruß erhobenen Händen zeigen. Zur Rede gestellt, weist Thomas darauf hin, dass sie damals 16 Jahre alt waren. Das sei nur eine Episode gewesen und für ihn längst vorbei, fügt er hinzu.

Karl Holzer kann sich auch gar nicht vorstellen, dass sein Sohn etwas mit Neonazis zu tun haben könnte. Thomas ist inzwischen verheiratet und arbeitet als Ingenieur auf einer Baustelle. Er und seine ebenfalls berufstätige Frau Marianne (Theresa Scholze) haben eine Tochter, die demnächst eingeschult wird, und sie erwarten ihr zweites Kind. Um sich Gewissheit zu verschaffen, fährt Karl Holzer zu Rolf Wenzel. Doch da erwartet ihn eine Überraschung: Der Hund liegt tot vor dem Haus, und daneben lodert ein Feuer. Thomas brauche sich keine Sorgen zu machen, erklärt Rolf Wenzel dem Besucher, in ein paar Minuten werde das ganze Belastungs­material verbrannt sein. Dann erschießt er sich vor Karl Holzers Augen.

Als Martin sich seiner Mutter anvertraut, geht sie mit ihm und Anyá zur Polizei. Dort stellt sich heraus, dass von einer Abschiebung der Familie Krasniqi nichts bekannt ist. Martins Mutter verdächtigt Anyá deshalb als Lügnerin, und das Mädchen läuft erneut davon.

Während Karl Holzer seiner Enkelin die Haare schneidet, trällert sie Lieder vor sich hin und stimmt schließlich „Die Wacht am Rhein“ an. Der Großvater ist entsetzt.

Er durchsucht Thomas‘ Werkstatt. Dort klingelt ein verstecktes Handy. Als Zuschauer wissen wir mehr als Karl Holzer und begreifen, dass Anyá gerade wieder versucht, ihren Vater anzurufen: Es handelt sich um Fazil Krasniqis Handy.

Indem Karl Holzer den Spuren nachgeht, findet er heraus, dass Thomas, Manuel und Rolf sich als Polizisten ausgaben, die Familie Krasniqi aus der Wohnung holten und sowohl die Eltern als auch die beiden kleineren Kinder vor einem zuvor ausgehobenen Grab erschossen. Nur Anyá entkam den rechtsradikalen Mördern.

Thomas versucht nicht, die Tat zu leugnen. Er weist darauf hin, dass ihm der Vater bei der Kaninchenzucht beigebracht habe, auf die Reinheit der Rassen zu achten. Außerdem stamme von ihm der Satz, dass man nicht immer nur reden dürfe, sondern auch handeln müsse. Der Ausländeranteil beispielsweise an den Schulen sei längst zu hoch. Deshalb hätten er, Manuel und Rolf gehandelt.

Marianne Holzer sucht ihren Schwiegervater im Frisörsalon auf und sagt ihm, sie habe erst jetzt vom Fanatismus ihres Mannes und dem vierfachen Mord erfahren, aber sie werde zu ihm halten, denn die Familie sei das Wichtigste. Als sie andeutet, dass Karl Holzer als Thomas‘ Erzieher mit an dessen Entwicklung schuld sei, wirft er Marianne hinaus.

Was soll nun mit der Augenzeugin Anyá geschehen? Thomas verspricht, er werde sie von einem Bekannten auf den Balkan bringen lassen. Karl Holzer, der Fazil Krasniqis Handys an sich genommen hat, verabredet sich mit Anyá, gibt sich als neuer Rechtsanwalt ihres Vaters aus und behauptet, er habe den Auftrag, sie zu ihrer Familie zu bringen. Misstrauisch steigt Anyá zu ihm ins Auto.

In einem aufgelassenen Steinbruch wartet Thomas auf die beiden. Als er Anyá zwingt, sich auf den Boden zu knien und ihr eine Pistole an den Kopf hält, weist ihn sein Vater darauf hin, dass das Mädchen in Deutschland geboren wurde und sogar dieselbe Schule wie Thomas besuchte. Dennoch drückt Thomas ab. Aber Karl Holzer hat die Pistolen vertauscht: Es klickt nur.

Anyá springt auf und rennt los. Im selben Augenblick trifft ein SEK der Polizei ein. Karl und Thomas Holzer werden festgenommen. Zwei Beamte laufen Anyá nach und holen sie ein.

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Weder die Eltern noch die Ehefrau wollen wahrhaben, dass der Sohn bzw. Ehemann ein fanatischer Neonazi sein könnte. Diese Möglichkeit liegt für sie im „toten Winkel“. Das Fernsehdrama „Toter Winkel“ veranschaulicht, dass rechtsradikale Gewalt nicht nur im Milieu der Verlierer entsteht, die glauben, sie seien zu kurz gekommen. Die Erklärungsansätze dafür, dass auch in harmonischen Mittelstandsfamilien fanatischer Fremdenhass existiert, beschränken sich allerdings auf Küchenpsychologie.

Ben Braeunlich (Drehbuch) und Stephan Lacant (Regie) konzentrieren sich in „Toter Winkel“ auf den Vater-Sohn-Konflikt. Große Teile der Handlung werden aus Karl Holzers subjektiver Perspektive dargestellt, also aus dem Blickwinkel des verunsicherten Vaters, der zunächst nicht glauben will, dass sein Sohn ein rechtsradikaler Gewalttäter sein könnte und sich dann entscheiden muss, ob er den Familienverbund von den Großeltern bis zur Enkelin schützen oder für Gerechtigkeit sorgen soll.

In „Toter Winkel“ werden zwei scheinbar voneinander unabhängige Handlungs­stränge parallel entwickelt, bis sie als zwei Aspekte ein und desselben Geschehens erkennbar werden und zusammenlaufen. Das ist vor allem in der ersten Hälfte spannend und interessant, aber dann hauen Ben Braeunlich und Stephan Lacant zu sehr auf die Pauke.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2017

Pascal Mercier - Das Gewicht der Worte
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