Max Landorff : Der Regler

Der Regler
Der Regler Originalausgabe: Scherz Verlag, Frankfurt/M 2011 ISBN: 978-3-502-11066-8, 335 Seiten Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt/M 2013 ISBN 978-3-596-51287-4, 379 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Der "Regler" Gabriel Tretjak ist ein Mann, der in der Kindheit traumatisiert wurde und als Erwachsener deshalb nur nach vorne blickt. Umsichtig regelt er Angelegenheiten von Personen, die bereit und in der Lage sind, dafür sehr viel Geld zu bezahlen. Aber plötzlich gerät sein eigenes Leben aus der Bahn. Jemand schickt ihm rätselhafte Nachrichten; mehrere Menschen, die er gut kannte, werden erstochen, und er gerät unter Mordverdacht. Holt ihn die verdrängte Vergangenheit ein?
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Kritik

Die Handlung des Thrillers von Max Landorff ist abstrus, und originelle Wendungen erweisen sich als Bluff. Unterhaltsam ist "Der Regler", wenn man das Buch als Parodie liest und sich in die ungewohnte Szenerie mitnehmen lässt.
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Gabriel Tretjak ist vierundvierzig Jahre alt. Er wohnt am Sankt-Anna-Platz im Münchner Stadtteil Lehel und verdient seinen Lebensunterhalt, indem er die Angelegenheiten von Personen regelt, die bereit und in der Lage sind, dafür sehr viel Geld zu bezahlen. Diese Tätigkeit verbindet die eines Privatdetektivs und eines Erpressers. Die Bäuerin Jedlitschka, auf deren Hof in Mörlbach Tretjak eine kleine private Sternwarte betreibt, prägte dafür den Begriff „Regler“.

Warum die Menschen so große Sehnsucht hatten, dass jemand anders etwas für sie erledigte. „Je angesehener sie sind, je mehr Geld sie haben, desto größer wird diese Sehnsucht“, hatte er gesagt. Und er hatte ihr ein bisschen erzählt, was seine Klienten von ihm wollten, nur Harmloses natürlich. Am Ende hatte sie gesagt: „Sie sind also ein Regler …“ Und nach einer Weile hatte sie hinzugefügt: „Wissen S‘, Herr Tretjak, früher hätten S‘ damit kein Geld verdient. Früher wären die Leute zu geizig gewesen, jedenfalls in dieser Gegend. Vielleicht hat’s auch noch nicht so viel gegeben – zum Regeln.“ Seit diesem Tag nannte ihn die alte Bäuerin nur noch so: den Regler.

Am 11. Mai trifft Gabriel Tretjak beispielsweise nach neun Stunden Flug in Colombo ein und lässt sich mit einem Auto in die Hafenstadt Galle im Südwesten von Sri Lanka bringen. Das dauert noch einmal vier Stunden. Er hat ein Zimmer im Hotel New Oriental reserviert, aber das Bett wird er nicht benützen, sondern stattdessen noch in der Nacht wieder nach Colombo fahren und am frühen Morgen nach München zurückfliegen. In der Halle spricht er einen Gast an und teilt ihm mit, er habe einen Tisch im Restaurant reservieren lassen und wolle ihn dort um 21 Uhr treffen.

„Wir werden uns über Ihr Leben unterhalten, Herr Schwarz. Ich bin gekommen, um es zu ändern. Mit Ihrer Hilfe natürlich.“

Peter Schwarz, der Vorstandsvorsitzende eines Kühlaggregate-Herstellers in Deutschland, ist irritiert, denn er kennt Gabriel Tretjak nicht. Der rechnet damit, dass Schwarz sich gleich noch mehr wundern wird, denn wenn er seine Ehefrau Melanie anruft, wird er eine Durchsage hören, der zufolge die gewählte Telefonnummer nicht vergeben ist. Dafür hat der Regler gesorgt, der in diesem Fall für Melanie Schwarz tätig ist. Das frühere Schlagersternchen will sich scheiden lassen. Gabriel Tretjaks Aufgabe ist es, dies ihrem Mann mitzuteilen und die Bedingungen auszuhandeln. Währenddessen wartet Melanie Schwarz in der portugiesischen Stadt Sintra auf das Ergebnis.

Wie von Tretjak erwartet, kommt Peter Schwarz um 21 Uhr ins Restaurant. Der Regler erklärt ihm, um was es geht. Melanie will in ihre Heimatstadt Heidelberg zurückkehren. Schwarz soll ihr eine kleine Wohnung in der Innenstadt bezahlen, einen Buchladen einrichten, sie finanziell unterstützen und auch den Regler entlohnen. Als Gegenleistung will dieser dafür sorgen, dass die Intrige von zwei Managern gegen Schwarz fehlschlägt.

Während des Gesprächs überbringt der Portier Tretjak eine Nachricht, die er soeben am Telefon notierte: „Sieger im vierten Rennen, Pferd Nummer 6, Nu Pagadi.“ Damit kann Tretjak nichts anfangen, zumal der Anrufer keinen Namen angab. Tretjak geht von einer Verwechslung aus.

Zurück in München, wundert er sich darüber, dass Rosa Lanner, die seit fünf Jahren für ihn putzt, in der Zwischenzeit nicht da war.

Am selben Tag (12. Mai) kommt der einundfünfzigjährige Hauptkommissar August Maler von der Mordkommisssion in München zu ihm. Tretjak macht ihn mit der jungen Frau bekannt, die gerade dabei ist, die Buchhaltung des Ein-Mann-Unternehmens zu prüfen: Fiona Neustadt vom Finanzamt. Maler zeigt ihm ein Foto des achtundfünfzig Jahre alten Hirnforschers Prof. Harry Kerkhoff aus Rotterdam. Spontan verneint Tretjak die Frage, ob er den Mann kenne und erfährt nun, dass Kerkhoff ermordet wurde. Seine Leiche befand sich in einem Transporter, mit dem ein Mann namens Max Krug das Rennpferd Nu Pagadi von Berlin nach München bringen wollte. Als das Pferd unruhig wurde, hielt Krug auf einem Parkplatz kurz vor München, schaute nach und sah den Toten mit den leeren Augenhöhlen. Neben Kerkhoff lag ein Handy, in dem keine Telefonnummern gespeichert waren und mit dem ein einziger Anruf getätigt wurde: Jemand rief damit am Vorabend im Hotel New Oriental in Sri Lanka an und hinterließ, wie die Ermittler inzwischen herausgefunden haben, eine Nachricht für Gabriel Tretjak. Der Name des Pferdes ist übrigens russisch und lässt sich mit „Na warte!“ übersetzen.

Am 13. Mai durchkreuzt Tretjak die Pläne der Intriganten Meinhardt und Busse gegen Peter Schwarz. Nach einem abschließenden Gespräch mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Joachim Fritzen bestellt er die beiden für den nächsten Tag zum Flughafen. Dort sollen sie ein Schuldeingeständnis unterschreiben und sich verpflichten, Peter Schwarz je 50 000 Dollar zu überweisen. Andernfalls müssen sie mit einer Anzeige wegen Untreue rechnen.

Als Tretjak Rosa Lanner anruft, um herauszufinden, warum sie nicht zum Putzen kommt, meldet sich die Tochter. Carolina Lanner ist überrascht, denn sie glaubte, ihre Mutter sei mit Tretjak zu dessen Landhaus gefahren, um dort sauberzumachen. Das werde mehrere Tage dauern, hatte sie gesagt. Tretjak versichert Carolina Lanner, er besitze kein Landhaus und habe mit Frau Lanner nichts dergleichen besprochen. Bald darauf meldet Carolina Lanner sich bei ihm und bedankt sich herzlich für die Argentinien-Reise, die er ihrer Mutter schenkte. Sie habe gerade mit ihr telefoniert. Ihre Mutter sei überglücklich, nach vielen Jahren erstmals wieder ihre Familie besuchen zu können. Tretjak hat Rosa Lanner jedoch weder einen Flug nach Buenos Aires noch einen zweiwöchigen Aufenthalt in Argentinien bezahlt.

Er kann sich das alles nicht erklären.

Unabhängig davon ruft er Kommissar Maler an und gesteht, dass er Prof. Kerkhoff gut gekannt, also am Vortag gelogen habe.

Etwa zur gleichen Zeit liegt das Ergebnis der Obduktion der Leiche vor: Kerkhoff starb durch einen Stich in die Leber.

Am 14. Mai bringt ein Bote Tretjak einen Strauß roter Rosen. Auf der beigefügten Karte steht: „Leichentücher sind weiß“.

Im Zimmer 242 des Hotels „Zum blauen Mondschein“ in Bozen findet das dreiundachtzigjährige Zimmermädchen Maria Unterganzner an diesem Tag einen Toten. Es handelt sich um den Wiener Psychiater Prof. Norbert Kufner. Wie Harry Kerkhoff wurde er durch einen Stich in die Leber getötet, und man schälte ihm ebenfalls die Augen heraus. Offenbar handelt es sich um das Verbrechen eines Serienmörders.

Die Schriftstellerin Charlotte Poland hält sich mit ihrem vierzehnjährigen Sohn Lars in einer Ferienanlage in Kochel auf. Seit vier Jahren fällt er immer wieder durch Diebstähle, Tierquälereien und Drogenmissbrauch auf. Am 15. Mai stiehlt er seiner Mutter zum wiederholten Mal Geld und Kreditkarten. Bevor sie es merkt, verschwindet er.

Gabriels neunundsechzig Jahre alter Vater Paul Tretjak, ein Freund, den Charlotte Poland in ihrer Verzweiflung in seinem Haus in Maccagno am Ostufer des Lago Maggiore anruft, rät ihr, sich seinem Sohn in München anzuvertrauen.

Zur Zeit benötigt Tretjak selbst Rat. Den holt er sich zunächst bei Stefan Treysa, der in München das „Psychologie Journal“ redigiert, und bei Joseph Lichtinger, dem Pfarrer der Gemeinde Grisbach.

Tretjak und Lichtinger kennen sich seit über zwanzig Jahren. Damals studierten sie in München, Lichtinger Physik an der Technischen Universität, Tretjak Psychologie und Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität. Als Lichtinger „ausstieg“, nach Südamerika reiste, Kletterpartien in den Anden unternahm und Drogenpartys in Kolumbien feierte, suchte Tretjak nach ihm, bis er ihn in Haiti fand. Er brachte ihn nach München zurück, wo er ein Apartment im Olympiadorf für ihn gemietet hatte. Einige Zeit später begann Lichtinger, Theologie zu studieren. Vor zwanzig Jahren erbeutete Tretjak von russischen Verbrechern 50 Millionen Dollar. Das Geld befindet sich in einem Koffer auf dem Dachboden der zu Lichtingers Pfarrgemeinde gehörenden Kirche in Oberronnberg. Wie genau Tretjak an das Vermögen gekommen war, weiß Lichtinger bis heute nicht. Als er nun von den beiden Morden, der rätselhaften Nachricht, dem Blumenstrauß und der verschwundenen Putzfrau hört, befürchtet er, dass das zu einem Plan gehört, mit dessen Ausführung die Rechnung für die Unterschlagung der 50 Millionen Dollar präsentiert werden soll.

Über die damaligen Vorgänge weiß auch Dimitri Tschernokov etwas. Er hatte Tretjak die 50 Millionen überbracht. Inzwischen hat er sich als Geheimagent zur Ruhe gesetzt und wohnt als deutscher Staatsbürger Dieter oder Dimitri Steiner in Hamburg. Als er am 16. Mai mit seiner Harley Davidson über die Seefelder Straße am Zirler Berg fährt, erhält er einen Anruf. Am Abend soll er sich vor der Abfahrt im Speisewagen des Autoreisezugs, mit dem er von München nach Hamburg zurückkehren will, mit Hauptkommissar August Maler treffen.

Nachdem dieser den früheren Agenten über die Morde unterrichtet hat, rät Steiner ihm, Dr. Martin Krabbe, einen im Sterben liegenden Hals-Nasen-Ohren-Arzt vom Tegernsee, im Klinikum Großhadern zu besuchen.

Maria Unterganzner erhält am 17. Mai im Hotel „Zum blauen Mondschein“ in Bozen mit der Post eine Originalseite aus einem wertvollen mittelalterlichen Zyklus der Stadt Udine. Darauf hat jemand mit der Hand geschrieben: „Liebe Maria, bitte erzählen Sie der Polizei die Geschichte von Gabriel Tretjak.“ Maria zeigt den seltsamen Brief Max, der vor vierzig Jahren als Page im Hotel angefangen hatte und inzwischen fünfundsechzig Jahre alt ist. Er ruft die Polizei an.

Kommissar Fritz Innerhofer befragt Maria Unterganzner. Aber sie weiß nicht recht, was sie erzählen soll. Von Gabriel Tretjak hat sie seit dreißig Jahren nichts mehr gehört. Gekannt hatte sie ihn, als er noch ein Kind gewesen war. Seine Mutter, eine tüchtige Türkin, und sein Vater Paul Tretjak hatten Ende der Siebzigerjahre das Hotel übernommen. Paul Tretjak war ein Taugenichts und lief den Frauen nach. Außer Gabriel gab es noch einen Sohn von ihm, aus einer früheren Ehe: Luca war zehn Jahre älter als sein Halbbruder. Als Gabriels Mutter an einem Gehirntumor erkrankte, verließ Paul Tretjak die Familie. Und weil Gabriel nach dem Tod seiner Mutter allein zurückblieb, übernahm der Bürgermeister von Bozen die Vormundschaft und brachte den Jungen bei Verwandten auf einem Bauernhof oberhalb von Bozen unter. Nach dem Schulunterricht kam Gabriel jeden Tag zu Maria ins Hotel, denn sie kochte für ihn. Aber nach dem Abitur verließ er Südtirol und meldete sich nie wieder.

Charlotte Poland erklärt ihrem Mann Markus, dass sie sich von ihm scheiden lassen wolle, und er willigt ein. Seit siebzehn Jahren sind sie verheiratet. Als fünfundzwanzigjährige Studentin hatte Charlotte den mit neunundvierzig Jahren fast doppelt so alten IT-Unternehmer kennengelernt. Drei Jahre nach der Hochzeit wurde Lars geboren.

Inzwischen hat Paul Tretjak für Charlotte Poland einen Termin mit seinem Sohn in der „Osteria“ in München gemacht, wo dieser seine Kundengespräche zu führen pflegt. Er holt sie in Kochel ab und fährt mit ihr nach München.

Paul Tretjak war damals von Bozen nach Bad Tölz gezogen. Dort hatte er mit seiner neuen Lebensgefährtin zusammen einen Gasthof eröffnet und war Stadtrat geworden. Am 15. September 1990 stand in der Zeitung, ein Hotelier T. in Bad Tölz habe die sechsjährige Tochter von Hotelgästen sexuell missbraucht und betreibe groß angelegte Waffengeschäfte mit Serbien. Weil in dem Artikel auch eine Geliebte erwähnt wurde, trennte sich die Lebensgefährtin von ihm. Das Hotel musste er schließen und sein politisches Mandat erst einmal ruhen lassen. Dann tauchte Gabriel bei ihm auf und gab unumwunden zu, dass er hinter den Gerüchten stand und sich auf diese Weise an seinem Vater rächen wollte. Gabriel forderte ihn auf, sich in ein Haus am Lago Maggiore zurückzuziehen. Die Miete dafür sei bereits auf Lebenszeit bezahlt. Paul blieb nichts anderes übrig, als sich zu fügen. Als Gegenleistung sorgte Gabriel dafür, dass die polizeilichen Ermittlungen gegen seinen Vater eingestellt wurden.

Nach der Ankunft in München sucht Charlotte Poland zwei Männer auf, die wissen könnten, wo Lars sich versteckt. Einer von ihnen heißt Borbely und arbeitet als Kundenberater in einer Bankfiliale in der Sendlinger Straße.

Während Gabriel Tretjak am Nachmittag dieses 17. Mai mit der attraktiven, fünfzehn Jahre jüngeren Steuerprüferin Fiona Neustadt bei Icking am Isarufer in der Sonne liegt, fährt Carolina Lanner zu seiner Wohnung am Sankt-Anna-Platz in München. Über den telefonischen Auftragsdienst erhielt sie seine Bitte, bei ihm kurz sauber zu machen. Carolina hat zwar selbst viel zu tun, ist aber gern bereit, für ihre Mutter einzuspringen.

Um 20 Uhr treffen Gabriel Tretjak und Charlotte Poland sich in der „Osteria“. Paul Tretjak wartet im Wagen. Charlotte erzählt von den Sorgen, die sie sich um ihren Sohn macht. Der Regler soll den Jungen auf den Pfad der Tugend zurückführen. Während des Gesprächs leuchtet sein Handy auf, und Charlotte Poland entgeht nicht, dass er erschrickt. Sie fragt, was am Abend des 11. Mai vor zehn Jahren passierte, wartet jedoch die Antwort nicht ab, sondern geht zum Wagen.

Kurz darauf wird Gabriel Tretjak von August Maler in der „Osteria“ verhaftet. Carolina Lanner fand in seiner Wohnung die Leiche ihrer erstochenen und ihrer Augen beraubten Mutter. Tretjak ist über den Zugriff nicht überrascht, denn gerade empfing er auf seinem Handy ein Foto vom Inneren seiner mit Blut bespritzten Wohnung.

In dieser Nacht nehmen sich Fiona Neustadt und ein Begleiter ein Zimmer im Hotel Splendid in München. Er kann es kaum erwarten, mit ihr ins Bett zu kommen. Weil sie ahnte, was geschehen würde, zog sie kurz zuvor in einer von der Hotelhalle aus zugänglichen Toilette ihren Slip aus und rieb sich mit Massageöl ein.

Am 18. Mai wartet Dimitri Steiner im Café Paris in Hamburg auf Gabriel Tretjak. Als dieser sich verspätet, ruft Steiner bei der Lufthansa an und erfährt, dass Tretjak zwar einen Flug gebucht aber nicht angetreten hat. Steiner kommt nicht mehr dazu, sein Handy wieder einzustecken. Eine attraktive junge Frau tritt hinter ihn, holt hinter ihrer Handtasche ein Stilett hervor und rammt es Steiner mit einer blitzschnellen Bewegung ins Herz. Eine ganze Weile sitzt er noch am Tisch, bis jemandem auffällt, dass er tot ist.

Kommissar Maler erhält die Nachricht von dem Mord in Hamburg, während er noch Tretjak im Polizeipräsidium in München befragt.

„Es gibt einen vierten Toten“, sagte Maler. „Dimitri Steiner, Sie kennen ihn. Er wurde vor einigen Minuten in einem Hamburger Café erstochen. Viel weiß man noch nicht, nur dass er dort mit Ihnen verabredet war.“
„Das ist richtig“, sagte Tretjak, „wir wollten über alte Zeiten reden.“
„Das geht jetzt nicht mehr“, sagte Maler.
„Aber zumindest“, sagte Gabriel Tretjek, „können Sie es sich sparen, mich nach meinem Alibi zu fragen.“

Bevor Tretjak nach einer Nacht freigelassen wird, klärt er den Kommisar darüber auf, von wem das Spenderherz stammt, das seit sieben Jahren in Malers Brust schlägt. Laura Müller war zweiundzwanzig, als sie bei einem Verkehrsunfall mit einem betrunkenen Autofahrer ums Leben kam. Woher er das weiß? Das verrät Tretjak nicht.

Ein Vierteljahr später, im September, findet ein Schlafwagenschaffner im Nachtzug von Mailand nach München Paul Tretjak tot in seinem Bett vor. Bei der Ankunft in München wartet die Polizei bereits am Bahnsteig. Bei der Leiche liegt ein Zettel: „Ich bin tot. Bitte informieren Sie die Kriminalpolizei in München, Hauptkommissar Maler.“ In einer von der Polizei sichergestellten Schachtel befindet sich ein Handy mit Fotos der in Gabriel Tretjaks Wohnung ermordeten Putzfrau, eine Auftragsbestätigung für die Lieferung eines Rosenstraußes an dieselbe Adresse, ein hasserfüllter Brief des Vaters an seinen Sohn und ein Marmeladenglas voll Wodka, in dem drei Augenpaare schwimmen. Offenbar stieg Paul Tretjak in Mailand mit dem Karton voller Beweismaterial ein und schluckte während der Fahrt eine Überdosis Schlaftabletten.

Paul Tretjak wird in der kleinen Kirche Santo Stefano oberhalb von Maccagno zu Grabe getragen. Bei dem Geistlichen, der die Zeremonie leitet, handelt es sich um Joseph Lichtinger. Gabriel wird von seiner neuen Freundin Fiona Neustadt begleitet. Auch Rainer Gritz, Malers dreiunddreißigjähriger Assistent, ist unter den Trauergästen, denn der Kommissar liegt wegen einer Abstoßungsreaktion im Klinikum Großhadern.

Die Mordfälle Harry Kerkhoff, Norbert Kufner und Rosa Lanner sind abgeschlossen. Aufgrund seines Suizids kann Paul Tretjak nicht mehr dafür zur Rechenschaft gezogen werden.

In den Unterlagen findet Gritz ein über zwanzig Jahres altes Schreiben, mit dem sich ein Kommando „Roter Junistern“ zur Ermordung des Bankvorstands Ernst Kindermann bekannte, und den Bericht des V-Mannes Dieter Steiner, der an der Echtheit des Bekennerschreibens zweifelte. Steiner hielt es für möglich, dass Kindermann im Auftrag eines Wirtschaftskonsortiums ermordet wurde und man den Verdacht auf die Terrorszene lenken wollte. Das Konsortium, das nach dem Fall des Eisernen Vorhangs eine Geschäftsausweitung nach Osten anstrebte, hatte auch Kontakt zu Gabriel Tretjak, der damals noch studierte.

Außerdem findet Gritz heraus, dass zwei Stunden bevor Gabriel Tretjak in der „Osteria“ festgenommen wurde, ein Bankangestellter, den Tretjaks Gesprächspartnerin Charlotte Poland gekannt hatte, an einer Vergiftung gestorben war. Borbely wurde ermordet. Offenbar hatte ihm jemand gewaltsam eine mit Schlangengift versetzte Überdosis Heroin injiziert. Die Polizei lässt die Leichen von Harry Kerkhoff, Norbert Kufner und Rosa Lanner exhumieren, aber bei der gerichtsmedizinischen Untersuchung werden bei ihnen keine Hinweise auf Vergiftungen gefunden. Bei der zweiten Obduktion fällt allerdings auf, dass Paul Tretjaks DNA-Spuren an den drei Toten mit Massageöl vermischt sind.

Charlotte Poland wohnt seit drei Wochen im „Hilton“ im Stadtviertel Am Tucherpark. Dort hat sie sich für ein halbes Jahr ein Zimmer genommen. Regelmäßig besucht sie ihren Sohn Lars in einer geschlossenen Abteilung des Bezirkskrankenhauses Haar. Weil er aufgrund einer Psychose und von Gehirnschädigungen durch Drogenmissbrauch als gefährlich gilt, muss er eine Zwangsjacke tragen, wenn seine Mutter bei ihm ist.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Am 1. Oktober kommt Charlotte Poland mit der Fähre „Alpino“ nach Maccagno und wird von Gabriel Tretjak abgeholt. Sie haben ein Zimmer im Hotel Torre Imperial. Kurz nach der Ankunft erhält Charlotte eine SMS, mit der Fiona Neustadt sie vor Tretjak warnt:

Ich habe etwas Furchtbares herausgefunden. Paul Tretjak war unschuldig. Ihr Leben ist in Gefahr. Glauben Sie Gabriel kein einziges Wort.

Im Hotelzimmer fragt Tretjak seine Begleiterin, ob sie eine Affäre mit seinem Vater gehabt habe. In diesem Augenblick öffnet Fiona Neustadt die Tür. Sie hat eine Pistole in der Hand. Nicht Charlotte Poland, sondern sie habe mit Paul Tretjak geschlafen, sagt Fiona. Dann fesselt sie die beiden mit Handschellen an den Heizkörper.

Ein paar Tage zuvor hatte August Maler Fiona Neustadt zufällig in der Cafeteria des Klinikums Großhadern getroffen. Sie habe gerade ihren krebskranken, im Sterben liegenden Vater besucht, erzählte sie ihm. Ein paar Tage später erfuhr der Kommissar von einer Schwester in der onkologischen Abteilung, dass es sich bei dem Todkranken um Dr. Martin Krabbe handelte. Er war gerade in ein Hospiz in München-Solln verlegt worden. Maler ließ sich die Telefonnummer der Tochter Nora Krabbe geben und rief sie auf ihrem Handy an. Als er sie sowohl mit Krabbe als auch mit Neustadt ansprach, beendete sie die Verbindung.

Etwa zur gleichen Zeit suchte Rainer Gritz im Finanzamt die Beamtin Fiona Neustadt auf. Es handelte sich um eine korpulente Frau Mitte fünfzig, die ihm versicherte, dass bei Gabriel Tretjak keine Steuerprüfung durchgeführt wurde.

Nora Krabbe erinnert sich, wie sie als Elfjährige mit einem Kissen zwischen den Beinen in ihrem Zimmer lag und ihren ersten Orgasmus hatte, während sie im Wohnzimmer Gabriel Tretjak mit ihrem Vater und zwei anderen Männern reden hörte. Um sich als Steuerprüferin bei ihm einschleichen zu können, programmierte sie die Telefonanlage des Finanzamtes so um, dass sie mit ihrem Handy jeden Anruf für Fiona Neustadt mithören konnte und leitete darüber hinaus alle vom Polizeipräsidium ausgehenden Anrufe bei Fiona Neustadt auf ihr eigenes Handy um. Sie beobachtete die Ankunft Charlotte Polands in Maccagno, schickte ihr die SMS und folgte ihr und Gabriel Tretjak ins Hotel Torre Imperial.

Bevor sie es verlässt, ersticht sie den Portier. Neben dem Eingang hat sie einen mit Sprengstoff gefüllten Minivan geparkt. Als sie glaubt, ausreichend weit gegangen zu sein, drückt sie die Taste auf ihrem Handy, die den Zündmechanismus auslösen soll. Aber die Explosion bleibt aus. Stattdessen wird Nora Krabbe von dem Carabiniere Mario Facchetti festgenommen.

In Maresciallo Facchettis Protokoll sollte später stehen, dass Nora Krabbe alias Fiona Neustadt bei ihrer Festnahme keinerlei Gegenwehr geleistet hatte. Sie habe nur verwirrt und erstaunt gewirkt und immer wieder auf eine Taste ihres Handys gedrückt, bis man es ihr abgenommen hatte.

Eigentlich war der neunundzwanzigjährige Maresciallo mit der Geldbotin Stella Scipio zum Essen verabredet, aber zehn Minuten vor Dienstschluss hatte er einen Anruf bekommen und war zum Hotel Torre Imperial gefahren, um die ihm beschriebene Frau zu verhaften.

Sechs Wochen später kehrt Gabriel Tretjak von einem Urlaub aus Bordeaux zurück. Rainer Gritz holt ihn am Flughafen Franz Josef Strauß ab und fährt mit ihm nach Haar, wo außer Lars Poland nun auch Nora Krabbe eingesperrt ist.

Ihr Vater, der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Martin Krabbe, hatte ihre Mutter, eine Frau aus der Ukraine, kurz nach der Niederkunft mit Geld abgefunden und Nora allein aufgezogen. Vor drei Jahren diagnostizierten der Hirnforscher Harry Kerkhoff und der Psychiater Norbert Kufner bei ihr eine Schizophrenie. Das erfuhr Nora, als sie den PC ihres Vaters durchsuchte. Dabei fand sie auch heraus, wer ihrem Vater geraten hatte, die beiden Koryphäen zu konsultieren: der Regler Gabriel Tretjak.

Gritz fragt, woher Tretjak gewusst habe, dass der Brief seines Vaters gefälscht war. Die letzte Begegnung sei darin falsch dargestellt gewesen, antwortet er.

Nachdem Tretjak durchschaut hatte, dass sein Vater nicht der Serienmörder war, wandte er sich an Luigi, einen italienischen Geheimagenten, der ihm noch einen Gefallen schuldete, und bat ihn, sich in Maccagno nach Auffälligkeiten umzuhören. Luigi fand heraus, dass jemand im Hotel Torre Imperial alle Zimmer reserviert und im Voraus bezahlt hatte. Außerdem war eine größere Menge Sprengstoff bestellt worden. Tretjak trug ihm auf, dafür zu sorgen, dass statt des explosiven Materials ein ungefährliches Gemisch geliefert wurde.

Gritz und Tretjak treffen im Bezirkskrankenhaus Haar ein. Nora Krabbe trägt eine Augenbinde, denn vor zwei Wochen stach sie sich mit einem Tafelmesser die Augen aus. Aber sie erkennt Gabriel Tretjak sofort am Geruch.

Angeblich verschwand Paul Tretjaks älterer Sohn nach einem Treffen mit seinem Halbbruder am 11. Mai vor zehn Jahren. Gabriel Tretjak behauptet allerdings, Luca seit mehr als dreißig Jahren nicht mehr gesehen zu haben. Paul Tretjak hatte August Maler gesagt, wenn er seinen Sohn Luca finden wolle, müsse er sich in Jenesien, einem Bergdorf über Bozen, nach dem „Mann, der bei den Adlern lebt“ umhören. Weil der Kommissar noch immer im Klinikum Großhadern liegt, reist sein Assistent am 21. Dezember nach Südtirol. Er findet den „Mann, der bei den Adlern lebt“. Es handelt es sich um Joseph Lichtinger.

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Wer sich hinter dem Pseudonym Max Landorff verbirgt, wissen wir nicht. Es könnte sich auch um mehrere Autorinnen bzw. Autoren handeln. Jedenfalls ist „Der Regler“ der erste Thriller, der unter diesem Namen erschien.

Der „Regler“ Gabriel Tretjak ist ein Mann, der in der Kindheit traumatisiert wurde und als Erwachsener deshalb nur nach vorne blickt. Umsichtig regelt er Angelegenheiten von Personen, die bereit und in der Lage sind, dafür sehr viel Geld zu bezahlen, aber plötzlich gerät sein eigenes Leben aus der Bahn: Holt ihn die verdrängte Vergangenheit ein?

Originelle Einfälle verlocken anfangs zum Weiterlesen. Aber die hohen Erwartungen werden enttäuscht, denn die ausgefallenen Wendungen erweisen sich am Ende als Bluff. Die Handlung ist abstrus, und Max Landorff macht sich nicht einmal die Mühe, alle offenen Fragen zu klären. Unterhaltsam ist „Der Regler“ zumindest im ersten Teil, wenn man das Buch als Parodie liest und sich in die ungewohnte Szenerie mitnehmen lässt. Die Pseudo-Intellektualität trägt nur bedingt zum Vergnügen bei.

Es gibt keine Wahrheit, sondern nur Konstruktionen persönlicher Wahrheiten.

Es faszinierte ihn [Gabriel Tretjak], wie Menschen das, was sie wahrnehmen, in ihrem Gehirn so lange umprogrammierten, bis es eine Logik ergab, die in ihr Denken und ihr Leben passte.

Nichts ist dem menschlichen Gehirn so verhasst wie der bloße Zufall, also ein Ereignis, das nicht vorhersehbar ist. Deshalb sucht das Gehirn ständig nach verborgenen Regeln, Gesetzen und Botschaften. Das Unvorhersehbare ist gefährlich. Tritt es dennoch ein, setzt das Gehirn sofort Prioritäten und konzentriert sich ganz und gar auf die Verarbeitung dieses Ereignisses.

Den Roman „Der Regler“ von Max Landorff gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Detlef Bierstedt (Regie: Jessica Güsken, Dicky Hank, Berlin 2011, ISBN 978-3-8398-5094-7).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2011
Textauszüge: © S. Fischer Verlag

J. J. Voskuil - Die Mutter von Nicolien
"Die Mutter von Nicolien" ist ein trauriger, berührender Roman mit tragikomischen Zügen. J. J. Voskuil verzichtet auf jede Effekthascherei. Form und Sprache sind betont schlicht. Der Autor fokussiert auf die Beziehung des Ehepaars Koning zu Nicoliens Mutter und blendet alles andere aus.
Die Mutter von Nicolien