J. M. G. Le Clézio : Der Goldsucher

Der Goldsucher
Originalausgabe: Le Chercheur d'or Éditions Gallimard, Paris 1985 Der Goldsucher Übersetzung: Rolf und Hedda Soellner Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1987 ISBN 3-462-01868-X, 380 Seiten Coron-Verlag, Berlin 2009, 381 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Alexis wächst mit seiner ein Jahr älteren Schwester Laure am Ende des 19. Jahrhunderts in Mauritius auf. Als sich sein Vater, der immer wieder unrealistische Projekte in Angriff nimmt, finanziell ruiniert, muss die Familie ins Landesinnere ziehen. Vor seinem unerwarteten Tod erzählt der Bankrotteur seinem Sohn vom Goldschatz eines Korsaren. Den sucht Alexis auf der Insel Rodriguez. Er findet ihn zwar nicht, verbringt aber eine glückliche Zeit mit der naturverbundenen Kreolin Uma ...
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Kritik

J. M. G. Le Clézio verwendet in seinem Roman "Der Goldsucher" Versatzstücke eines Abenteuer-romans, um die Geschichte einer Läuterung bzw. Selbstfindung zu entwickeln. Er versteht es, dem Leser Bilder, Eindrücke und Stimmungen zu vermitteln.
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Alexis wächst mit seiner ein Jahr älteren Schwester Laure in Mauritius auf. Dass er mit einem dunkelhäutigen Jungen namens Denis befreundet ist, wird von seinem geschäftstüchtigen Onkel Ludovic und dessen Sohn Ferdinand missbilligt.

Als die Eltern die Lehrerin nicht mehr bezahlen können, die dreimal wöchentlich aus Floréal in die Boucan-Senke kommt, übernimmt die Mutter den Unterricht für ihre beiden Kinder. Der Vater verfolgt immer wieder neue Pläne, die sich allesamt als Luftschlösser erweisen. 1892 beabsichtigt er beispielsweise, an der Rivière Noire ein Elektrizitätswerk zu errichten und die Insel mit Strom zu versorgen. Das Projekt scheitert. Der Vater hat sich damit finanziell ruiniert.

Die Mutter wird krank. Ein Wirbelsturm zerstört einen Teil des Hauses. Bei der Zuckerfabrik kommt es zu einem Aufstand. Drei Reiter versuchen gewaltsam, die Lage unter ihre Kontrolle zu bekommen, doch als einer von ihnen vom Pferd stürzt, zerrt die aufgebrachte Menge ihn zu einem der mit getrocknetem Zuckerrohr beheizten Öfen und schleudert ihn in die Flammen.

Die verarmte Familie verlässt die die Boucan-Senke. Alexis ist nun acht Jahre alt. Für ihn kommt der Ortswechsel der Vertreibung aus dem Paradies gleich. In Forest Side im Zentrum der Insel Mauritius finden die Eltern eine neue Bleibe für sich und die beiden Kinder. Alexis besucht ein Internat in Curepipe. Laure muss die Schule nach kurzer Zeit abbrechen, um die Mutter pflegen und im Haushalt helfen zu können. Der mittellose Vater lässt sich von seinem Bruder Ludovic in Port Louis als Buchhalter anstellen. Kurz vor der Jahrhundertwende stirbt er bei einer Herzattacke.

Alexis erinnert sich an den Goldschatz, von dem der Vater ihm erzählte. Ein unbekannter Korsar soll ihn auf der Insel Rodriguez versteckt haben. Damit ließe sich die Not der Familie beheben. 1910 geht Alexis an Bord des von Kapitän Bradmer geführten Schoners „Zeta“. Die von seinem Vater hinterlassenen Pläne und Notizen über den Schatz hat er bei sich.

Anhand der Hinweise sucht Alexis auf Rodriguez nach Landmarken, führt Vermessungen durch und bereitet Grabungen bei Anse aux Anglais vor. Monatelang sieht er keinen anderen Menschen. Eines Tages bricht er zusammen. Als er wieder zu sich kommt, beugen sich eine junge Kreolin und ein kleiner nichtweißer Junge über ihn. Sie träufeln ihm Wasser aus einem nassen Tuch auf die Lippen und geben ihm dann zu trinken.

Nach einem Aufenthalt in einem Krankenhaus in Port Mathurin kehrt Alexis in die Wildnis zurück. Dort sieht er seine Retter wieder: Das Mädchen heißt Uma. Bei Sri handelt es sich um ihren Halbbruder. Er ist stumm.

Umas Großvater war ein entlaufener Sklave. Er starb, als man ihm die Beine in einer Zuckerpresse zerquetschte. Sein Sohn fuhr als Matrose zur See. In Kalkutta lernte er eine in Bengalen geborene Sängerin kennen und heiratete sie. Das Paar bekam eine Tochter: Uma. Als das Kind acht Jahre alt war, erlag der Vater einem Fieber. Die Witwe schickte Uma in ein Kloster auf Mauritius. Die französische Oberin musste schließlich nach Europa zurück, aber sie nahm Uma mit, zunächst nach Bordeaux, dann in ein Kloster bei Paris. Mit dreizehn erkrankte Uma an Tuberkulose. Daraufhin holte die Mutter sie nach Mauritius. Erst nach ihrer Ankunft sah sie ihren kleinen Halbbruder Sri zum ersten Mal. Obwohl sie im Kloster aufgewachsen war, lernte Uma, wie die Einheimischen barfuß über Felsen zu gehen und Fische mit einer Harpune zu erlegen.

Alexis und Uma tauchen miteinander nackt, jagen Fische und lieben sich im Freien. Als Alexis glaubt, ein Versteck des unbekannten Korsaren gefunden zu haben, teilt Uma seine Aufregung nicht. Gold hat für sie keinen Wert. – Das Versteck ist ohnehin leer.

Am 10. Dezember 1914 meldet Alexis sich freiwillig zum Kriegsdienst bei den Briten. Ein Schiff bringt ihn nach Portsmouth. Von dort wird er nach Belgien geschickt. 1916 erkrankt er an Typhus, und man bringt ihn in ein Lazarett in Sussex.

Nach dem Ersten Weltkrieg kehrt Alexis nach Mauritius zurück. Er besucht seine inzwischen fast blinde Mutter und seine Schwester Laure in Forest Side. Das Elternhaus in der Boucan-Senke wurde von Onkel Ludovic längst abgerissen; er vergrößerte mit dem Areal seine Zuckerrohr-Felder.

Alexis setzt die Suche nach dem Gold des Korsaren auf Rodriguez fort, bis er 1921 durch einen Brief von Laure erfährt, dass seine Mutter im Sterben liegt. Da eilt er zu ihr. Er weiß jetzt, dass es sich beim Schatz des unbekannten Korsaren um ein Hirngespinst seines Vaters handelte. Gold interessiert ihn auch gar nicht mehr.

Nachdem seine Mutter gestorben ist, siedelt Alexis sich in Mananava an, einem bis dahin ausschließlich von Nichtweißen bewohnten Gebiet.

Noch einmal verbringt er einige Zeit mit Uma. Deren Mutter starb auf dem Schiff, das sie nach Port Louis bringen sollte. Uma und ihr Halbbruder Sri wurden ins Flüchtlingslager am Ruisseau des Créoles gebracht, und sie arbeiten in den Salinen an der Rivière Noire.

Eines Nachts verschwindet Uma. Britische Soldaten umzäunen das Lager mit Stacheldraht. Alexis vermutet, dass Uma freiwillig ins Lager zurückkehrte, um ihren Halbbruder nicht im Stich zu lassen.

Mittellos zieht er nach Port Louis.

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Jean-Marie Gustave Le Clézio benutzt in seinem Roman „Der Goldsucher“ Versatzstücke eines Abenteuerromans, um die Geschichte einer Läuterung bzw. Selbstfindung zu entwickeln. Alexis lernt, dass es nicht auf Gold und andere Besitztümer ankommt, sondern vor allem auf die Verbundenheit mit der Natur. Die vorwiegend auf Mauritius und Rodriguez spielende Handlung spannt sich von 1892 bis 1922. Der Protagonist erzählt sie in der Ich-Form und im Präsens.

Wer von einem Roman Action und Spannung erwartet, wird von „Der Goldsucher“ enttäuscht sein. Jean-Marie Gustave Le Clézio lässt sich viel Zeit, die handlungsarme Geschichte zu erzählen. Aber er tut es in einer gehobenen Sprache und versteht es, dem Leser Bilder, Eindrücke und Stimmungen zu vermitteln.

2008 wurde Jean-Marie Gustave Le Clézio mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. In der Begründung des Nobelpreis-Komitee heißt es, der Autor sei geehrt worden als „Verfasser des Aufbruchs, des poetischen Abenteuers und der sinnlichen Ekstase, als Erforscher einer Menschlichkeit außerhalb und unterhalb der herrschenden Zivilisation“. (Süddeutsche Zeitung vom 10.10.2008)

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2011
Textauszüge: © Verlag Kiepenheuer & Witsch

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