Dennis Lehane : The Drop. Bargeld

The Drop. Bargeld
Originalausgabe: The Drop William Morrow, New York 2014 The Drop. Bargeld Übersetzung: Steffen Jacobs Diogenes Verlag, Zürich 2014 ISBN: 978-3-257-06915-0, 256 Seiten eBook: ISBN 978-3-257-60451-1
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Bob Saginowski arbeitet als Barkeeper in einer Kneipe in Boston, die früher seinem Cousin Marv Stipler gehörte, aber inzwischen der Tschetschenen-Mafia als Drop Bar dient. Bob ist einsam, bis er in einer Mülltonne einen halb tot geprügelten Welpen findet und ihn eine junge Frau, die ihn dabei beobachtete, hin und wieder beim Gassi-Gehen be­gleitet. Ein Detective, der wie Bob jeden Sonntag die Messe besucht, will herausfinden, was aus einem Gast der Kneipe wurde, der vor zehn Jahren spurlos verschwand. Eric Deeds, der ihn Gerüchten zufolge ermordete, bedroht nun Bob ...
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Kritik

Die Groteske "The Drop. Bargeld" gibt sich lange Zeit so scheinbar harmlos wie der schüchterne Protagonist, aber Dennis Lehane erzählt eine skurrile, originelle, durchtriebene und unterhaltsame Geschichte, in der Gewalt und Komik verzahnt sind.
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Bob Saginowski arbeitet seit fast zwei Jahrzehnten als Barkeeper in der Kneipe in Boston, die früher einmal Marv Stipler gehörte.

Marv ist sein Cousin. Dessen Vater, ein immigrierter Flickschuster, hieß noch Stepanski. In den späten Achtzigern und frühen Neunzigern führte Marv eine Gang, aber die wurde von brutaleren Banden abgelöst, und vor achteinhalb Jahren übernahm die Tschetschenen-Mafia seine Kneipe. Jetzt fungiert er dort nur noch als Geschäftsführer und muss tun, was Pjotr Umarov bzw. dessen Sohn Chovka Umarov von ihm verlangen. Er teilt sich mit seiner Schwester Dottie eine Wohnung, und wenn er Sex haben möchte, muss er zu Fantasia in Betsy Cannons Bordell gehen.

Bob ist eher noch einsamer, denn er hat weder Schwester noch Freund oder Freundin und lebt ganz allein im Haus seiner verstorbenen Eltern. Er gilt als schüchterner Verlierer-Typ ohne Selbstvertrauen. Als Marv von ihm verlangt, dass er die altersdemente Greisin Millie nicht mehr bedient, bis sie die 140 Dollar bezahlt, die sie der Kneipe inzwischen schuldet, legt Bob den entsprechenden Betrag von seinem eigenen Geld in die Kasse.

Auf dem Heimweg hört er ein Winseln aus einer Mülltonne und findet darin einen halb toten Welpen. Als er ihn herausholt, spricht ihn eine der Bewohnerinnen des Apartmenthauses an, zu dem die Mülltonne gehört und fragt, was er da treibe. Sie heißt Nadia Dunn, erklärt ihm, bei dem verprügelten Tier handele es sich um einen American Staffordshire Terrier, also einen Pitbull, und wenn er den verletzten Kampfhund nicht aufnehme, müsse dieser ins Tierheim. Sie könne ihn nicht nehmen, weil sie zu viel unterwegs sei. So kommt Bob unversehens zu einem Hund – und einer Freundin, denn Nadia hilft ihm nicht nur, alles Erforderliche für „Rocco“ zu kaufen, sondern begleitet ihn auch des Öfteren, wenn er ihn ausführt. Man könne das Leben nicht kontrollieren, wird Bob später sagen.

Nachdem Anwar, einer von Chovka Umarovs Männern, in einer der folgenden Nächte die illegalen Einnahmen abgeholt hat, wird die Kneipe von zwei bewaffneten Männern mit Skimasken überfallen. Als Leser wissen wir, dass es sich um die Brüder Ed und Brian Fitzgerald handelt.

Ed war älter und übergewichtig, und alle nannten ihn Fitz. Brian war dünner als ein Zungenspatel, und alle nannten ihn Bri. Außer, wenn man sich auf sie als Paar bezog. Dann nannte man sie „10“, denn so sahen sie aus, wenn sie nebeneinanderstanden.

Um halb drei Uhr morgens halten sie Marv und Bob eine Mülltüte hin und sagen: „Vollmachen!“ Aber mehr als die regulären Tageseinnahmen – 5000 Dollar und ein bisschen Kleingeld – erbeuten sie nicht.

Weil Rardy, einer der Gäste, zusammengeschlagen in einem Nebenraum liegt, wählen Marv und Bob die Notrufnummer. Bob und der Detective, der den Fall aufnimmt, kennen sich aus der Kirche Saint Dominic in East Buckingham.

„Seit wie vielen Jahren sehen wir uns jetzt jeden Morgen – zwei? Drei? Und nie sind wir uns irgendwo anders begegnet.“ Er streckte seine Hand aus: „Detective Evandro Torres“.
Bob schüttelte ihm die Hand: „Bob Saginowski.“

Evandro Torres teilt Bob mit, dass die Kirchengemeinde Saint Dominic demnächst mit Saint Cecilia zusammengelegt und die Kirche an einen Immobilienhai verkauft werde. Dann fragt er ihn, warum er beim Abendmahl immer sitzen bleibe.

„Ich sehe Sie seit Jahren in der Messe. Sie sind kein einziges Mal zum Abendmahl gegangen.“

Bob bleibt ihm die Antwort schuldig.

Evandro Torres war eineinviertel Jahre lang bei der Mordkommission gewesen, aber dann hatte er seinen Dienstwagen mit Alkohol im Blut und der Ehefrau des Chefs Scarpone neben sich zu Schrott gefahren. Seither arbeitet er im weniger angesehenen Raubdezernat.

Nachdem er sich Marvs Bericht über den Raubüberfall angehört hat, fragt er:

„Wenn ich mich also ein bisschen umhöre, dann würde mir nichts darüber zu Ohren kommen, dass hier Wetten angenommen werden oder, keine Ahnung“ – er sah Marv an – „entwendetes Sachgut unauffällig weitergeleitet wird?“

Er weiß, dass es sich um eine Drop Bar handelt, in der an bestimmten Abenden Mafia-Gelder gesammelt und zwischengelagert werden. Unvermittelt weist Bob darauf hin, dass einer der beiden Räuber eine stehengebliebene Armbanduhr getragen habe. Sobald der Detective fort ist, fragt Marv seinen Cousin, ob er von allen guten Geistern verlassen sei, weil er den Cop einen Tip gab und gegen das Schweigegebot der Mafia verstieß.

Die Uhr gehört Brian alias Bri. Der Vater hatte sie ihm zum 10. Geburtstag geschenkt, aber sie war noch am selben Tag stehengeblieben. Weil sie gestohlen war, hatte der Vater den Schaden nicht reklamieren können und stattdessen zu seinem Sohn gesagt: „Mecker nicht rum, zweimal am Tag geht sie richtig.“

Als Bob und Marv am Morgen nach dem Überfall vor der Kneipe Schnee schippen, halten eine schwarze Limousine und ein weißer Lieferwagen. Chovka Umarov fragt, wer die Kneipe seines Vaters überfallen habe.

„Wir wissen es nicht“, sagte Cousin Marv. „Die hatten Masken auf.“
Chovka sagte: „Im Polizeibericht steht, dass einer von denen eine kaputte Uhr hatte. Habt ihr das der Polizei erzählt?“

Der Tschetschene verlangt von Marv und Bob, das Geld wiederzubeschaffen, und um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, zeigt er ihnen den Gefangenen im Lieferwagen, dessen rechter Fuß mit einem Metallbolzen durchbohrt ist. „Holt unser verdammtes Geld zurück!“

Ein junger Kerl namens Eric Deeds kontaktiert Bob und behauptet, der Besitzer des Hundes zu sein. Es bricht Bob beinahe das Herz, als er sieht, wie der Besucher zweimal auf den Oberschenkel klopft und Rocco ihm auf den Schoß springt. Eric verlangt seinen Hund zurück. Er habe gesehen, wie Bob ihn aus dem Müll gezogen habe, sagt er.

Eric Deeds hatte nach einem Raubüberfall auf einen Pfandhausbesitzer eine dreijährige Haftstrafe verbüßt. Als er wieder auf freiem Fuß war, wandte er sich an den bereits vor ihm entlassenen Mithäftling Padgett Webster, der ihm ein Kilo Black-Tar-Heroin zum Weiterverkauf anbot. Er verlangte keine Vorkasse, denn Eric hatte ihm während der Haft das Leben gerettet – was Padgett nicht davon abgehalten hatte, ihn zu vergewaltigen, wann immer ihm danach war. Als Eric das Heroin abholen wollte, änderte Padgett allerdings die Aufteilung des Gewinns: Eric sollte nur noch 20 statt 40 Prozent bekommen.

„Was du geglaubt hast, dass du gehört hast“, sagte der Alte. „Nee nee. Achtzig-zwanzig sind’s. Dich hier mit dem ganzen Kilo rausspazieren lassen? Ohne zu wissen, ob ich dich je wiedersehe? Dazu braucht’s viel Vertrauen.“

Erics jüngerer Bruder Jeffrey kam dazu, tastete Eric misstrauisch nach Waffen ab, fand jedoch nichts. Umso verblüffter war er, als Eric eine Pistole aus dem Hemd zog, an der noch ein Fetzen Klebeband flatterte und ihn direkt unter den Adamsapfel traf. Padgetts Frau Monica griff nach einer unter der Tischplatte versteckten Waffe, aber Eric schoss ihr in den Kopf und tötete dann auch Padgett mit einem Schuss ins Gesicht. In einem Versteck fand er 14 Beutel mit Black-Tar-Heroin. Als er nach einer Tasche suchte, um sie einzupacken, fiel ihm auf, dass der tot geglaubte Jeffrey nicht mehr am Boden lag, und er hörte das rasselnde Atmen des Schwerverletzten im Obergeschoss. Da zog er einen Sack Holzkohle vor die Treppe und zündete ihn an. Das Heroin musste er nach einem Schusswechsel mit Jeffrey zurücklassen, denn inzwischen brannte das ganze Haus. Eric tröstete er sich mit dem Gedanken, dass er ohnehin nicht gewusst hätte, wie er 14 Kilo Heroin hätte verkaufen sollen.

Als Bob und Marv einige Zeit nach dem Raubüberfall die geleerten Mülltonnen von der Straße holen, fällt ihnen ein extrastarker schwarzer Müllsack auf.

Ein Arm, unter dem Ellbogen abgehackt, lag in einem Häufchen blutiger Geldscheine. Der Arm trug eine Uhr, deren Zeiger auf Viertel nach sechs zeigten. Die Uhr war stehengeblieben.

Während Marv das Blut von den Banknoten wäscht und die noch feuchten Scheine später Chovka und Anwar mitgibt, fährt Bob mit dem Arm los und schleudert ihn schließlich in hohem Bogen in einen Kanal. Kurz darauf taucht Evandro Torres auf und fragt ihn nach Eric Deeds. Bob hofft, dass der Detective nicht gesehen hat, was er ins Wasser warf.

In der Hoffnung auf eine Rückversetzung zur Mordkommission versucht der Polizist ohne Wissen seiner Vorgesetzten, einen zehn Jahre alten Fall aufzuklären. Damals verließ Richie Whelan die Kneipe, die damals noch Marv gehörte, um sich bei seinen Dealern Eric Deeds und Tim Brennan Dope oder ein paar Quaaludes zu besorgen. Seither fehlt jede Spur von ihm. Gerüchten zufolge, die auch Evandro Torres gehört hat, soll Richie Whelan von Eric Deeds ermordet worden sein.

Bob findet heraus, dass Eric Deeds mit Nadia Dunn zusammen war. In einem Wutanfall schlug der Kerl den Welpen und warf ihn dann in die Mülltonne, weil er ihn für tot hielt. Nadia warnt Bob vor ihrem Ex-Freund. Der habe einen umgebracht, sagt sie. „Richie Whelan“, sagt Bob. „Ich weiß.“

Eric verlangt von Bob 10 000 Dollar. „Geben Sie mir zehn Riesen, und ich verschwinde.“ Bob hat zwar mehr als 50 000 Dollar in einer Kaffeedose gespart, tut jedoch so, als könne er nicht so viel Geld auftreiben. Damit hat Eric gerechnet. Er weiß, dass der Safe in Marvs Büro mit einem Zeitschloss gesichert ist und nur um Punkt 2 Uhr nachts geöffnet werden kann. Bob soll noch in dieser Nacht 10 000 Dollar herausnehmen, und Eric will sich das Geld am nächsten Morgen abholen.

„Sie sitzen morgen Punkt neun mit zehn Riesen bei sich zu Hause. Wenn nicht, springe ich so lange auf dem Kopf dieser Schlampe Nadia herum, bis ihr das Genick bricht.“

In der Zwischenzeit nimmt Marv Ed Fitzgerald im Auto mit. „Die haben sich meinen Bruder geschnappt“, klagt Fitz. Marv nickt verständnisvoll. Als die Kofferraumklappe aufschwingt und scheppert, fährt Marv auf einen abgelegenen Parkplatz, einen Treffpunkt von Schwulen, der jedoch an diesem Abend leer ist. Fitz steigt aus und drückt die Haube zu. Als die Bremslichter ausgehen, begreift er, was Marv vorhat, aber es ist zu spät. Marv haut den Rückwärtsgang hinein und wirft ihn um. Dann fährt er mehrmals vorwärts und rückwärts über den am Boden liegenden Kleinkriminellen. Erst als er sicher ist, dass Fitz tot ist, fährt er zu seinem auf der anderen Seite geparkten eigenen Wagen hinüber. Weil Winter ist und er ohnehin Handschuhe trägt, muss er in dem gestohlenen Auto nicht einmal Fingerabdrücke abwischen.

Zu Hause klebt Marv mehrere Müllbeutel aneinander und legt damit den Kofferraum seines Wagens aus.

Am nächsten Morgen holt Bob zehn 1000-Dollar-Scheine aus der Kaffeedose im Keller, legt sie auf den Küchentisch und wartet auf Eric. Aber der taucht nicht auf.

Evandro Torres fährt zum Concord Prison und stellt Tim Brennan ein paar Fragen über den Abend vor zehn Jahren, an dem Richie Whelan verschwand. Im Verlauf des Tages lässt Detective Lisa Romsey von der Mordkommission, mit der er hin und wieder seine Ehefrau betrügt, ein psychologisches Gutachten über Eric Deeds durchblättern. Die Daten über einen der Aufenthalte Eric Deeds in der Psychiatrie liest er zweimal, um sicher zu sein, dass er sie richtig gelesen hat.

An diesem Abend findet der Super Bowl in Boston statt, und in Marvs Kneipe sollen die Wettgelder der Tschetschenen-Mafia gesammelt werden. Eine Million Dollar werden in der Drop Bar erwartet. Weil Marv ausgerechnet an diesem Abend etwas anderes vorhat, besorgt Bob sich zwei Aushilfen von einer Zeitarbeitsfirma.

Männer mit den Umschlägen kommen und gehen. Bob schiebt die Banknoten möglichst unauffällig durch einen Schlitz unter der Kasse in einen Behälter.

Er ist entsetzt, als er unter den Gästen Eric mit Nadia erblickt. Sind die beiden wieder zusammen?

Marv ruft Eric an und fragt, wann er in die Kneipe gehen werde. Dass Eric bereits seit einer Stunde dort ist, war nicht abgemacht.

„Alles war so einfach. Du tauchst zur verabredeten Zeit auf, machst dein Ding und gehst. Warum kann sich auf dieser Welt niemand mehr an einen Plan halten?“

Er warnt Eric vor Bob.

„Es ist besser, wenn du den Mann nicht verscheißerst. Lass ihn einfach in Frieden, und halt dich im Hintergrund. […] Trink nicht zu viel, bleib auf der Hut, und wir treffen uns um zwei am Hintereingang.“

Während Eric in der Toilette ist, kommt Nadia zu Bob an den Tresen und beteuert, nicht wieder mit Eric zusammen zu ein. Er sei am Vorabend bei ihr eingebrochen und habe sie mit einer Waffe in der Hand bedroht, als sie heimkam.

Um Viertel vor zwei Uhr sind alle Gäste bis auf Eric, Nadia und Millie fort. Die Greisin geht dann auch, und Bob schließt hinter ihr ab. Dann legt er 10 000 Dollar auf den Tresen.

Eric schaute herab. „Was ist das?“
Bob sagte: „Die zehn Riesen, die Sie haben wollten.“
„Für was noch mal?“
„Den Hund.“

Aber damit gibt Eric sich nicht zufrieden. Er fragt, wie viel Bob bereit sei, für Nadia zu bezahlen.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Statt darauf einzugehen, erzählt Bob ruhig eine Geschichte. Marv sei vor zehn Jahren vor allem als Kredithai tätig gewesen, habe jedoch zu viel gekokst und sei dadurch selbst in Schwierigkeiten geraten. Eric weist ungeduldig darauf hin, dass es kurz vor 2 Uhr sei und das Zeitschloss nur wenige Minuten offen bleibe. Aber Bob fährt ungerührt mit seiner Erzählung fort: Ein Kerl, der sich von Marv Geld besorgt hatte, es aber nicht zurückzahlen konnte, gewann beim Glücksspiel im Mohegan Sun Casino 17 000 Dollar, etwas mehr, als er Marv schuldete.

„Das Geld von dem Kleinen war ein wahrer Segen, solange niemand wusste, dass es von ihm kam. Verstehen Sie, was ich meine?“

Eric, der immer aufgeregter auf die Uhr schaut, ahnt, dass von einem Mord die Rede ist, und Bob bestätigt es.

„Auf die Weise konnten weder er noch sonst jemand ausplaudern, dass er Marv alles zurückgezahlt hatte. Marv nimmt das Geld, stopft alle Lücken, bleibt in Zukunft auf geradem Kurs, und es ist, als ob nie was passiert wäre.“

Marv und er hätten Richie Whelan umgebracht, behauptet Bob, die sterblichen Überreste befänden sich im nicht mehr benötigten Öltank seines Elternhauses. Dann hat er plötzlich eine Waffe in der Hand und schießt Eric direkt unter dem Kehlkopf in den Hals. Nadia schreit auf.

„Er wäre einfach immer wiedergekommen“, sagte Bob. „Wenn jemand dir was nimmt, und du lässt es zu, weißt du, was dann passiert? Er empfindet keine Dankbarkeit, er hat einfach das Gefühl, du würdest ihm noch mehr schulden.“

Marv, der ein Stück von der Drop Bar entfernt geparkt hat, wundert sich, als eine junge Frau allein herauskommt und weggeht. Eric Deeds hätte schon vor zehn Minuten da sein sollen. Gerade, als er nachsehen will, fährt Chovkas schwarzer Chevrolet Suburban vor. Chovka und seine Begleiter steigen aus. Sie haben große Rollkoffer dabei und betreten die Drop Bar. Da weiß Marv, dass ihm die Flugtickets, die er bei sich hat, nichts nützen werden und er sich die Arbeit mit dem Auslegen des Kofferraums umsonst gemacht hat. Was sollte er ohne Geld in Bangkok anfangen? Wenn sein Plan funktioniert hätte, läge jetzt eine Leiche im Kofferraum, und er wäre er unterwegs, um in Südostasien unterzutauchen.

Bob hat den Tschetschenen einen Millionenverlust erspart. Chovka weiß das zu schätzen. Er schenkt ihm Karten für ein Spiel der Celties und einen prall mit Geldscheinen gefüllten Umschlag.

„Du bist jetzt ein Ehren-Umarov, Bob.“

Nachdem Chovka in der Anrufliste auf Eric Deeds Handy Marvs Nummer entdeckt hat, verschickt er eine SMS. Damit Erics Leiche in einen der Rollkoffer passt, brechen die Männer dem Toten die Beine. Das Geld wird statt in die Gepäckstücke in Bierfässern verstaut, die ein Tschetschene namens Dakka in zwanzig Minuten abholen wird.

Marv beobachtete, wie die Tschetschenen die Kneipe mit einer Rolltasche verließen, die so schwer war, dass zwei Männer sie in den Laderaum des Lieferwagens hieven mussten.

Während er sich noch darüber wundert, taucht ein Mann am Seitenfenster auf und schießt ihm ins Gesicht.

In der Kirche, die verkauft werden soll, wendet sich Evandro Torres an Bob und spricht ihm das Beileid zum Tod des Cousins aus. Bob sagt:

„Ein missglückter Autodiebstahl, heißt es.“
Torres‘ Augen weiteten sich. „Das war eine Hinrichtung. Anderthalb Blocks von Ihrer Kneipe entfernt.“

Dann kommt der Detective auf Eric Deeds zu sprechen. Der sei am Super Bowl Sunday in Marvs Kneipe gewesen. Ob Bob ihn gesehen habe. Bob antwortet ausweichend, die Kneipe sei voll gewesen. Torres fährt fort:

„Der letzte Ort, an dem er gesehen wurde. Und dann? Wie vom Erdboden verschluckt. Genau wie Richie Whelan.“

In der Zeit, in der Richie Whelan verschwand, sei Eric Deeds übrigens Patient in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt gewesen, erzählt der Detective. Dann beugt er sich vor und sagt:

„Niemand traut es Ihnen zu, nicht wahr.“

Ein paar Tage später führen Bob und Nadia wieder gemeinsam den Hund aus, der sich in den zwei Monaten, seit Bob ihn aus der Mülltonne zog, prächtig entwickelt hat.

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Die Groteske „The Drop. Bargeld“ von Dennis Lehane gibt sich lange Zeit so scheinbar harmlos wie der schüchterne Protagonist Bob Saginowski. Aber man sollte niemandem trauen, auch Dennis Lehane nicht. „Man kann das Leben nicht kontrollieren“, lautet der Schlusssatz des Romans, und damit fasst Bob seine Erfahrungen zusammen. Die Welt, in der er Leben muss, ist grausam. Die Kirche, in der er regelmäßig die Messe besucht, soll an einen Immobilienhai verkauft werden. Nicht einmal auf seinen Cousin Marv Stipler kann er sich verlassen, und ob er auf Nadia Dunns Freundschaft oder gar Liebe bauen kann, weiß er noch nicht. Ebenso wenig lässt sich vorhersehen, was aus dem vorerst noch ungefährlichen Kampfhund-Welpen wird.

Die Figuren in „The Drop. Bargeld“ sind skurril. Die Geschichte, die Dennis Lehane erzählt, mag ein wenig konstruiert wirken, aber auf jeden Fall ist sie originell, durchtrieben und unterhaltsam. Unerwartete Wendungen sorgen für Spannung. Wie bei Quentin Tarantino sind Gewalt und Komik in „The Drop. Bargeld“ verzahnt.

Michaël R. Roskam verfilmte die Ende 2009 in einer Anthologie veröffentlichte Kurzgeschichte „Animal Rescue“ von Dennis Lehane, der nicht nur das Drehbuch für den Film „The Drop. Bargeld“ schrieb, sondern auch gleich noch einen Roman daraus machte.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2014
Textauszüge: © Diogenes Verlag

Michael R. Roskam: The Drop. Bargeld

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