Ein halbes Leben

Ein halbes Leben

Ein halbes Leben

Originaltitel: Ein halbes Leben – Regie: Nikolaus Leytner – Drehbuch: Nikolaus Leytner – Kamera: Hermann Dunzendorfer – Schnitt: Andreas Kopriva – Musik: Matthias Weber – Darsteller: Matthias Habich, Josef Hader, Franziska Walser, Wolfgang Böck, Ingrid Burkhard, Ursula Strauss, Katharina Straßer, Franziska Weisz, Kristina Yntema, Anna Yntema u.a. – 2009; 90 Minuten

Inhaltsangabe

1986 wurde die Tochter des Ehepaars Peter und Marianne Grabowski in Wien vergewaltigt und ermordet. Der Polizei gelang es nicht, den Fall aufzuklären. Während Marianne sich nach Jahren still mit dem Tod der Tochter abfindet, kommt Peter nicht darüber hinweg. – Der Mörder Ulrich Lenz arbeitet unentdeckt als Fahrer bei der Wiener U-Bahn. Er leidet unter seiner Schuld, hat aber nicht vor, sich zu stellen und hofft, ein normales Leben führen zu können ...
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Kritik

Die Inszenierung von "Ein halbes Leben" ist unspektakulär, nüchtern und ohne überraschende Wendungen. Josef Hader beweist, dass er auch tragische Rollen überzeugend spielen kann.
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1986 wurde Manuela, die zwanzigjährige Tochter des Ehepaars Peter und Marianne Grabowski (Matthias Habich, Franziska Walser), in Wien vergewaltigt und ermordet. Der Polizei gelang es nicht, den Fall aufzuklären.

Während Marianne sich sechs Jahre später still mit dem Tod der Tochter abgefunden hat und deren Zimmer im Februar 1992 ausräumen lässt, sucht Peter obsessiv nach dem Mörder. Als er von der neuen Möglichkeit genetischer Fingerabdrücke erfährt, drängt er den mit ihm befreundeten Wiener Kriminalkommissar Max (Wolfgang Böck), eine inoffizielle Untersuchung der Asservate mit den neuen Methoden durchführen zu lassen. Die Gerichtsmedizinerin Dr. Anna Lorenz (Franziska Weisz) stellt jedoch fest, dass das vorhandene DNS-Material für eine Analyse ungeeignet ist.

Ulrich Lenz (Josef Hader) arbeitet als Fahrer bei der Wiener U-Bahn. Seiner Lebensgefährtin Beate (Ursula Strauss) hat er zwar nicht verschwiegen, dass er eine Haftstrafe wegen versuchter Vergewaltigung verbüßte, aber erst zwei Wochen vor der geplanten Hochzeit gesteht er ihr, dass er 1986 – drei Jahre nach seiner Freilassung – eine Zwanzigjährige vergewaltigte und aus Angst vor der Entdeckung ermordete. Er hatte die attraktive junge Frau in einer Kneipe kennen gelernt, im Auto mitgenommen und aufgrund ihrer guten Laune angenommen, sie sei mit einer sexuellen Beziehung einverstanden. Nach der Vergewaltigung erwürgte er sie aus Angst vor der Entdeckung. „Sie war plötzlich tot.“ Ulrich leidet unter seiner Schuld, hat aber nicht vor, sich zu stellen und hofft, ein normales Leben führen zu können. Beate nimmt sich zunächst vor, ihm dabei zu helfen, bringt es jedoch nicht fertig, mit einem Mörder zusammenzuleben und verlässt ihn.

Im November 1999 wird Ulrich Lenz Vater einer Tochter, die den Namen Kiki bekommt. Er macht daraufhin der Mutter des Kindes einen Heiratsantrag, aber Sabine (Katharina Straßer) will davon nichts wissen und beschwert sich darüber, dass er ihr das Kind „angehängt“ habe.

Max und die Forensikerin Anna Lorenz weisen Peter darauf hin, dass die Gentechnik es inzwischen ermögliche, auch geringe Mengen Sperma zu untersuchen. Allerdings müsse man das vorhandene Material in diesem Fall dabei zerstören. Es geht also um alles oder nichts. In der Hoffnung, einen genetischen Fingerabdruck des Mörders zu finden, willigt Peter in die Untersuchung ein – aber sie misslingt.

Fünf Jahre später akzeptiert Peter endlich, dass die Ermordung seiner Tochter nicht aufgeklärt werden kann und verbrennt alle Unterlagen, die er dazu gesammelt hat.

Im Dezember 2004 erhält Ulrich Lenz eine Vorladung zum Amtsarzt: Wie alle vorbestraften Sexualstraftäter muss er eine Speichelprobe für den Aufbau einer DNS-Datenbank bei Europol abgeben.

Sabine geht weiterhin mit Freunden aus, kommt mitunter erst um 4 Uhr morgens nach Hause und vernachlässigt ihre kleine Tochter. Schließlich zieht sie mit einem anderen Mann nach Südafrika. Ulrich kümmert sich liebevoll um Kiki (Anna Yntema), und glücklicherweise hat er eine ältere Frau als Nachbarin (Ingrid Burkhard), die nichts lieber tut, als sich mit dem fröhlichen Kind abzugeben, während er im Dienst ist.

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Als Peter und Marianne im Oktober 2006 gerade packen, um nach Neuseeland in den Urlaub zu fliegen, kommt Max vorbei und berichtet vom Aufbau der DNS-Datenbank. Nach ihrer Rückkehr zeigt Max seinem Freund ein Foto des Mörders. Seine Festnahme wird in den nächsten Tagen erfolgen.

Ulrich Lenz, der seit der Speichelprobe mit seiner Verhaftung rechnet, würde gern reinen Tisch machen, aber wer soll sich um seine inzwischen bald sieben Jahre alte Tochter (Kristina Yntema) kümmern, während er im Gefängnis sitzt?

Als er Kiki zur Schule bringt, merkt er, dass er beschattet wird. Mit den Worten, er sei immer für sie da, verabschiedet er sich von seiner Tochter. Sobald sie außer Sichtweite ist, nehmen ihn zwei Kriminalbeamte fest. Max und Peter beobachten es vom Auto aus.

Ulrich Lenz legt ein umfassendes Geständnis ab.

Ein Jahr später, im Oktober 2007, wendet sich sein Pflichtverteidiger Paul Raich (Cornelius Obonya) an Peter Grabowski und teilt ihm mit, dass sein Mandant um ein Gespräch bitte. Peter erkundigt sich zunächst, was mit der Tochter des Inhaftierten geschehen sei und erfährt, dass man sie in einem Kinderheim untergebracht habe und eine Pflegefamilie für sie suche.

Widerstrebend fährt er zur Justizvollzugsanstalt. Entsetzt stellt er fest, dass zwischen ihm und dem Mörder seiner Tochter weder eine Glasscheibe noch ein Gitter ist. Vor einigen Jahren hätte er die Gelegenheit genutzt, um ihn zusammenzuschlagen. Ulrich Lenz beteuert, dass er die Tat bereue und bittet um Verzeihung. Peter bricht das Gespräch nach wenigen Worten ab. Schockiert darüber, dass die Wut weg ist, die er früher empfand, verlässt er das Gefängnis.

Statt an der Gerichtsverhandlung gegen Ulrich Lenz teilzunehmen, fahren Peter und Marianne Grabowski zu dem Kinderheim, in dem Kiki sich befindet. Sie sind entzückt von dem liebenswerten Kind, das rasch Vertrauen zu ihnen fasst.

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Nikolaus Leytner zeigt in dem Drama „Ein halbes Leben“, wie nicht nur die Familie des Opfers einer Gewalttat jahrzehntelang leidet, sondern auch der unentdeckte Mörder, der sein Verbrechen bereut und vergeblich versucht, ein normales Familienleben zu führen. Dabei moralisiert Nikolaus Leytner nicht, sondern zeigt viel Verständnis für den Täter. Er geht sogar soweit, die Vergewaltigung einer Zwanzigjährigen durch ein Missverständnis zu entschuldigen und ihre anschließende Ermordung als Tat im Affekt zu verharmlosen. Der Mörder wird erst zwanzig Jahre nach der Tat aufgrund neuer Möglichkeiten in der DNS-Analyse entdeckt und festgenommen. Damit entreißt man jedoch einem siebenjährigen Mädchen den liebevollen Vater, der es allein erzog.

Nicht alle Aspekte der Handlung sind plausibel. (Zum Beispiel: Wie kann der Mörder durch eine Speichelprobe überführt werden, obwohl inzwischen keine DNS-Spuren vom Tatort mehr verfügbar sind?) Die Inszenierung ist unspektakulär, nüchtern und ohne überraschende Wendungen. Weil das Ende schon bald vorhersehbar ist, wirkt „Ein halbes Leben“ zu lang. Franziska Walser hat keine Chance, ihr schauspielerisches Potenzial in der Rolle der stillen Dulderin unter Beweis zu stellen, aber Josef Hader zeigt in „Ein halbes Leben“, dass er nicht nur in Komödien ein großartiger Darsteller ist, sondern auch tragische Rollen überzeugend spielen kann.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2009

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