Monica Lierhaus : Immer noch ich

Immer noch ich
Monica Lierhaus, Heike Gronemeier Immer noch ich. Mein Weg zurück ins Leben Originalausgabe: Ullstein Buchverlage, Berlin 2016 ISBN: 978-3-550-08118-7, 270 Seiten ISBN: 978-3-8437-1245-3 (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

"Immer noch ich. Mein Weg zurück ins Leben" beginnt im Dezember 2008, als Monica Lierhaus erfährt, dass sie sich einer Hirnoperation unterziehen muss. Dabei kommt es zu Komplikationen, und es wird befürchtet, dass sie die Nacht nicht überlebt. Dann bereiten die Ärzte die An­ge­hörigen auf ein Wachkoma der Pa­tien­tin vor, und in der Reha rechnen sie mit einem Leben im Rollstuhl, aber Monica Lierhaus lernt wieder gehen ...
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Kritik

"Immer noch ich" ist ein Mutmacher. Den Autorinnen ist es gelungen, Monica Lierhaus' "Weg zurück ins Leben" anschaulich und nach­denk­lich, ohne Verbitterung und Larmoyanz darzustellen.
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Als die 38-jährige „Sportschau“-Moderatorin Monica Lierhaus die kurzsichtigen Augen gelasert haben möchte, rät ihr ein Arzt, ihren Kopf zuvor mit einer MRT untersuchen zu lassen. Dabei werden im Dezember 2008 ein Angiom und ein Aneurysma entdeckt. Beides sind tickende Zeitbomben. Am 8. Januar 2009 wollen die Ärzte im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf erst einmal das Aneurysma minimalinvasiv entfernen. Platinspiralen (Coils) werden von einer Leistenarterie bis in das Aneurysma vorgeschoben, um dort eine die Blutgefäße verschließende Thrombose auszulösen. Dabei platzt das Aneurysma, und erst nach 25 Minuten bringen die Ärzte die Hirnblutung unter Kontrolle. Später stellt sich heraus, dass Monica Lierhaus auch einen Infarkt im Kleinhirn erlitten hat. Die Ärzte befürchten zunächst, sie könnten nicht mehr tun, als den Tod der Patientin bis zum Eintreffen der Angehörigen hinausschieben. Ihr Lebensgefährte Rolf Hellgardt und Familienangehörige eilen ins Krankenhaus; ihre ein Jahr ältere Schwester Eva-Maria kommt mit dem nächsten Flugzeug aus dem Urlaub in Florida.

Die in ein künstliches Koma versetzte und künstlich beatmete Patientin bleibt trotz der hoffnungslosen Prognose am Leben.

Als sich ein Journalist bei Günter Netzer erkundigt, was mit Monica Lierhaus los sei, und der ahnungslose Sportmoderator und ehemalige Profifußballer deshalb bei der ARD nachfragt, gibt der Programmdirektor Volker Herres am 14. Januar 2009 eine Presseerklärung heraus:

Monica Lierhaus ist ernsthaft erkrankt. Sie musste sich Anfang des Jahres einer Operation unterziehen und liegt zurzeit im künstlichen Koma.

Die Ärzte tauschen den Tubus, über den die Patientin beatmet wird, gegen eine Trachealkanüle aus, und um überschüssige Flüssigkeit aus den Gehirnkammern abzuleiten, setzen sie einen künstlichen Shunt. Über einen Sprechaufsatz der Trachealkanüle sagt Monica Lierhaus nach 46 Tagen erstmals ein Wort und antwortet auf die Frage eines Arztes nach dem Namen ihrer Dalmatinerhündin: „Lucy“. Zwei Tage später freut sich ihre Schwester über das erste Lachen der Patientin. Glücklicherweise erkennt Monica Lierhaus ihren Lebensgefährten und die Familienangehörigen, obwohl es sonst nur noch „Erinnerungsinseln“ gibt. Schließlich setzt man sie zeitweise in einen Rollstuhl, allerdings mit Kopfstütze, weil sie den Kopf nicht selbst hochzuhalten vermag.

Das Angiom, um das es ganz zu Anfang ging, wurde wegen der Komplikationen noch nicht angetastet, und weil die Mediziner nach wie vor dazu raten, die gefährliche Wucherung zu entfernen, stimmt Rolf Hellgardt, den seine Lebensgefährtin vor einiger Zeit bevollmächtigt hatte, entsprechende Entscheidungen für sie zu treffen, dem Vorhaben zu. Zwei Tage nach dem Anfang März vorgenommenen Eingriff wird die Sedierung reduziert, aber als es unerwartet zu Nachblutungen kommt, versetzen die Ärzte Monica Lierhaus erneut in ein künstliches Koma.

Seit 2005 werden alle zwei Jahre im Grand Elysée Hotel in Hamburg die nach dem legendären Sportreporter Herbert Zimmermann (1917 – 1966) benannten HERBERT-Awards verliehen. Am 30. März 2009 gehört Monica Lierhaus zu den Preisträgern. Matthias Steiner, der Europameister und Olympiasieger im Gewichtheben, hält die Laudatio, und der NDR-Sportchef Axel Balkansky nimmt den HERBERT-Award für die beste TV-Sportmoderatorin stellvertretend entgegen.

Im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf wird schließlich auch Monica Lierhaus‘ neue Langzeitnarkose stufenweise abgebaut. Dadurch gleitet sie in ein Wachkoma, also einen Zustand, in dem zwar die physiologischen Grundfunktionen vom Hirnstamm aufrechterhalten werden, aber die kognitiven Funktionen ausgefallen sind. Die Patienten sind wach, starren aber nur an die Zimmerdecke („Deckengucker“). Die Prognose der Ärzte ist niederschmetternd: Sie bereiten die Angehörigen darauf vor, dass Monica Lierhaus möglicherweise nicht mehr zu sich kommen wird.

Dennoch hofft Eva Lierhaus auf eine „Auferstehung“ ihrer Schwester an Ostern. Sie und die Mutter sitzen am 13. April, dem Ostermontag, neben dem Krankenhausbett, als Monica Lierhaus erstmals die Augen öffnet und kurze Zeit nicht nur ins Leere starrt.

Nach der zweiten Hirnoperation planten die Ärzte für Monica Lierhaus einen 36-stündigen Aufenthalt in der Intensivstation. Daraus werden 104 Tage.

Inzwischen hat sich Rolf Hellgardt nach neurologischen Reha-Zentren umgesehen und sich für die Kliniken Schmieder Allensbach am Bodensee entschieden. Mitte Juni wird Monica Lierhaus in einem Sanitätsauto liegend zum Flughafen Fulsbüttel gefahren und mit einer Maschine der Deutschen Luftrettung nach Friedrichshafen geflogen. Ihr Lebensgefährte begleitet sie. Mutter und Schwester sind mit dem Auto vorausgefahren und empfangen sie in Allensbach.

Um die prominente Patientin zu schützen, nimmt man sie in der Klinik unter dem Namen „Valeska Meyer“ auf. So hieß ihre Urgroßmutter, die 1945 mit ihren beiden Töchtern und der Enkelin Sigrid aus Danzig geflüchtet war. Zum Glück verpassten sie am 30. Januar in Gdingen die „Wilhelm Gustloff“. Sie schlugen sich über Bad Segeberg nach Hamburg durch. Valeska Meyer starb 1983 im Alter von 96 Jahren.

Monica Lierhaus wird noch über eine PEG-Sonde, also einen durch die Bauchdecke geschobenen Schlauch, künstlich ernährt. Bevor sie wieder etwas essen oder trinken kann, muss sie erst das Schlucken neu lernen. Ohne Hilfe kann sie zunächst nur auf dem Rücken im Bett liegen. Mit viel Geduld bringen ihr die Therapeuten den Bewegungsablauf bei, der erforderlich ist, um sich auf die Seite zu drehen. Die Ärzte in Allensbach rechnen mit einem Leben im Rollstuhl. Während die Therapeuten die Fortschritte mit Video-Aufnahmen dokumentieren, führt Rolf Hellgardt weiter Tagebuch, damit seine Lebensgefährtin die Entwicklung später nachvollziehen kann. Am 113. Tag nach der Entfernung des Angioms schreibt er:

Gegen 5.30 merke ich, dass du sprechen willst. Du formst immer wieder ein Wort, das mit Sp anfängt. Spaß? Kopfschütteln. Sport? Kopfschütteln. Ich versuche es mit Buchstabieren, aber das klappt nicht. Du wirst ganz verzweifelt. Ich rufe die Schwester und bitte sie, dir für einen Moment den Sprechaufsatz in die Trachealkanüle zu setzen. Endlich ist es geschafft. Du sagst: Specht! Da ist ein Specht draußen.

Vor allem nachts schreckt Monica Lierhaus mit Panikattacken aus dem Schlaf. Die Gehirnblutung hat sich auch auf Augen und Sehnerven ausgewirkt. Ende August unterzieht sie sich deshalb in Konstanz der ersten von sechs Augen-Operationen.

Anfang September beginnt für Monica Lierhaus in einem anderen Trakt die zweite Phase der Rehabilitation. Rolf Hellgardt und Familienangehörige sind die ganze Zeit bei ihr in Allensbach. Als diese einmal mit ihr ein Restaurant betreten, verstummen die Gespräche der anderen Gäste. Alle starren die 39-jährige Frau an, die zum Tisch geführt werden muss. Dann tuscheln sie. Und als Monica Lierhaus sich beim Essen verschluckt und einen Hustenanfall bekommt, wird es noch schlimmer:

Alle guckten. Die Blicke haben mich getroffen: Muss man so eine denn in ein Restaurant zerren? Kann die denn nicht zu Hause essen?

Mitte Dezember verlässt Monica Lierhaus die Reha-Klinik am Bodensee. Ihre Angehörigen bringen sie im Auto zurück nach Hamburg.

Jacqueline Klöckner, die Monica Lierhaus schon in der Intensivstation des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf betreute, lässt sich für zunächst sechs Monate freistellen und übernimmt Anfang Januar 2010 die Pflege. Sie fährt Monica Lierhaus zu den verschiedenen Therapien: Neuropsychologie, Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie. (2012 kommt noch eine Hippotherapie dazu.) Inzwischen kann Monica Lierhaus stehen und auch ein paar Schritte ohne Hilfe gehen. Allerdings ist ihre Haltung so instabil, dass Lachen sie aus dem Gleichgewicht bringt. Immer wieder stürzt sie, und weil sie sich im Fallen nicht abzustützen vermag, verletzt sie sich dabei einige Male so schlimm, dass sie im Krankenhaus behandelt werden muss. Durch den erhöhten Muskeltonus leidet sie permanent unter Rückenschmerzen. Und sie nimmt zu, bis als Ursache eine durch die Hirnblutung ausgelöste Schilddrüsenunterfunktion erkannt wird.

Am 4. Februar 2011 fahren Rolf Hellgardt und Monica Lierhaus nach Berlin und übernachten bei einer Freundin. Am nächsten Tag bringt ein Fahrer sie zur Ullstein-Halle, wo die im ZDF live übertragene Verleihung des deutschen Film- und Fernsehpreises „Goldene Kamera“ stattfindet. Nur wenige wissen, dass Monica Lierhaus persönlich einen Ehrenpreis entgegennehmen wird. Unter dem Codewort „Mona Lisa“ bereitete sie ihren ersten öffentlichen Auftritt nach den Operationen monatelang vor und übte ihre kleine Ansprache immer wieder mit der Logopädin. Weil es keinen Teleprompter gibt, muss sie mit Stichwörtern auf Karteikarten auskommen. Rolf Hellgardt überredete Günter Netzer, die Laudatio zu halten. Der berühmte frühere Fußballer sagt unter anderem:

Bei diesem Preis geht es einmal nicht darum, wer ist der Beste in seiner Disziplin. Die Preisträgerin musste um etwas viel Wichtigeres kämpfen. Um ihr Leben.

Mit Trippelschritten und roboterhaften Bewegungen kommt Monica Lierhaus auf die Bühne. Aus guten Gründen trägt sie zum tief dekolletierten stahlblauen Abendkleid flache Schuhe. Ihre Mimik ist noch sehr eingeschränkt. Sie bedankt sich, bittet dann ihren Lebensgefährten zu sich und überrascht ihn vor dem Publikum mit einem Heiratsantrag.

Ich wollte Rolf etwas zurückgeben, weil er so wahnsinnig viel für mich getan hatte. (Monica Lierhaus im Interview mit Marco Fenske, „Hannoversche Allgemeine Zeitung“, 17. Juli 2015)

Rolf Hellgardt versteht es so:

Beziehungen pendeln sich im Idealfall irgendwo in der Mitte ein, keiner ist auf einer Skala übermäßig im Plus, keiner im Minus. In den letzten zwei Jahren ist Monica aus ihrer Sicht tief ins Minus gerutscht. Weil sie nicht viel von dem tun konnte, was sie gerne tun würde. Und ich bin aus ihrer Sicht hoch ins Plus gerutscht. Das war eine Schieflage, die sie nicht gut aushalten konnte. Der Antrag war für sie ein Schritt, sozusagen mit Gewalt wieder in Richtung Plus zu kommen, indem sie mir das Maximale, was sie mir in diesem Augenblick anbieten konnte, auf dieser Bühne gegeben hat.

Als Monica Lierhaus beim Verlassen der Ullstein-Halle Danny DeVito begegnet, meint er: „You’ve been fantastic. Great show.“ Aber die Medien sind weniger begeistert. Kritiker unterstellen Rolf Hellgardt, er wolle Kapital aus der „privatesten Tragik“ („Der Spiegel“ 7/2011) seiner Lebensgefährtin schlagen.

Wer sich an die Anatomie dieses Comeback-Versuchs macht, seziert auch das hiesige Unterhaltungsgeschäft. Dass im Fall Lierhaus alle Beteiligten Medienprofis sind, macht das spektakuläre Finale nicht netter, aber die Strukturen hinter den Kulissen transparent. Alle Akteure funktionierten wie Zahnrädchen in einer gut geölten Quotenmaschine – allen voran Lierhaus‘ Lebensgefährte Rolf Hellgardt, der mittlerweile, so heißt es, fein unterscheidet zwischen Monica 1 und Monica 2. […] Hellgardts Aufgabe besteht nun darin, Monica 2 zu positionieren. Sie ist quasi sein neues Produkt. Und mit Fernsehprodukten kennt er sich aus. […] Es geht noch um Würde, aber es geht auch schon wieder um Jobs und Geld und eine Rückkehr in das, was für das Medienpaar Zukunft und Leben bedeutet. Das Fernsehen ist ihr Leben. […] Monica 1 ist tot, Monica 2 ist im Dschungelcamp der Realität angekommen. (Markus Brauck, Alexander Kühn, Martin Müller, Thomas Tuma: Anatomie eines Comebacks, „Der Spiegel“ 7/2011)

Noch im Februar 2011 teilt Monica Lierhaus ihren Kolleginnen und Kollegen beim „Sportstudio“ der ARD mit, dass sie auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein werde, ihre Tätigkeit als Sportmoderatorin wieder aufzunehmen.

Zur selben Zeit löst sie Frank Elstner als Botschafterin der 1956 gegründeten ARD-Fernsehlotterie „Ein Platz an der Sonne“ ab. Das sollte eigentlich erst im Mai publik werden, aber als die Medien bereits im Februar darüber spekulieren, zieht man die Bekanntmachung auf Anfang März vor. Monica Lierhaus erklärt:

Ich möchte weitergeben, was ich selbst bekommen habe. Neuen Lebensmut. Und ich möchte vielen Menschen zu einem Platz an der Sonne verhelfen. Das ist meine neue Lebensaufgabe.

„Der Spiegel“ vermutet eine Jahresgage in Höhe von 450 000 Euro – und löst in der Öffentlichkeit eine Neiddebatte aus, zumal in einigen Medien der Eindruck erweckt wird, die ARD wolle Monica Lierhaus einen Ausgleich für den nicht mehr erfüllbaren Vertrag bei der Sportschau zuschieben. Kaum jemand weist darauf hin, dass die neue Botschafterin der Fernsehlotterie auch als Mutmacherin und Beispiel einer Inklusion gesehen werden könnte.

Die Los-Käufer investieren ihren sauer verdienten Lohn oder ihre schmale Rente, um mit ein bisschen Glück vielleicht eine lebenslange Rente, ein Haus, eine Traumreise oder gleich eine richtige Million zu gewinnen. Dass derjenige, der sie im Fernsehen zum Kauf animiert, allein dadurch selbst zum Gagenmillionär wird, haben sie bisher offenbar ausgeblendet. […] Womöglich entspringt der Neid auf Lierhaus‘ Gage ja nur der Fehleinschätzung der Lotteriespieler. „Sie halten sich für Spender“, sagt Burkhard Wilke, Geschäftsführer des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen. Das seien sie aber nicht. „Spenden sind eine freiwillige Gabe ohne Gegenleistung“, so Wilke. Die TV-Lotterien basieren gerade auf der cleveren Vermischung von Eigennutz und Gutmenschentum: Einerseits wollen die Mitspieler Millionengewinne erzielen, andererseits können sie sich dabei auch noch wohl fühlen. (Ralf Wiegand, „Süddeutsche Zeitung“, 17. Februar 2011)

Die Gewinnzahlen werden jeweils für sechs Wochen im Voraus gezogen. Sechs Sendungen entstehen nacheinander an einem Tag. Für Monica Lierhaus bedeutet das jeweils eine Serie von Aufnahmen in sechs Outfits und mit verschiedenen Texten. Im Mai 2012 wird aus der „ARD-Fernsehlotterie“ die „Deutsche Fernsehlotterie“, und der Zusatz „Ein Platz an der Sonne“ entfällt. Monica Lierhaus‘ Vertrag läuft bis Ende 2013. Am 29. Dezember wird die letzte Sendung mit ihr ausgestrahlt. Seither treten keine prominenten „Botschafter“ mehr auf.

Ein Anfang Oktober 2011 von Sigrid Lierhaus gerufener Notarzt stellt bei ihrem 74-jährigen Ehemann Horst einen zu niedrigen Blutdruck fest. Im Alter von 43 Jahren erlitt er zwei Herzinfarkte, vier Jahre später unterzog er sich in London einer Bypass-Operation; Stent, Ablation, Schrittmacher, Defibrillator folgten. Seine Frau fährt ihn ins Krankenhaus und wartet dort, um ihn wieder mit nach Hause zu nehmen. Aber nach vier Stunden stirbt Horst Lierhaus. Seinem Wunsch entsprechend, findet eine Seebestattung vor Hörnum statt.

Im April 2012 beginnt Monica Lierhaus auch wieder als Journalistin zu arbeiten und führt für die Zeitschrift „Sport Bild“ Interviews beispielsweise mit Joachim Löw und Franziska van Almsick. Zum Interview mit dem Sportfunktionär Matthias Sammer fliegt sie erstmals ohne Begleitung nach München. Anfang März 2014 startet der Bezahlsender Sky mit der Interviewreihe „Monica Lierhaus trifft …“. Gleich der allererste Termin – mit Jürgen Klinsmann, dem Trainer der Fußballnationalmannschaft der USA – in Frankfurt wird kurzfristig um zwei Stunden verschoben. Das stellt für die angespannte, schmerzgeplagte Reporterin eine zusätzliche Tortur dar.

Vom 12. Juni bis 13. Juli 2014 wird die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien ausgetragen. Sky besitzt zwar keine Übertragungsrechte, aber Monica Lierhaus soll vor Ort ein paar Interviews führen. Rolf Hellgarth begleitet sie auf der zweiwöchigen Reise im Juni. Als sich abzeichnet, dass es die deutsche Mannschaft ins Endspiel schaffen wird, schickt Sky sie noch einmal nach Brasilien. Am 13. Juli sitzt Monica Lierhaus unter 75 000 Zuschauern im Estádio do Maracanã in Rio de Janeiro. Die Show beginnt um 14.20 Uhr; der Anpfiff des Endspiels erfolgt um 16 Uhr. Das deutsche Team gewinnt gegen das argentinische und wird Weltmeister.

Im Februar 2010 erzählte Monica Lierhaus dem Bundestrainer Joachim („Jogi“) Löw auf Sylt von ihrem Traum, bei der WM 2014 als Journalistin dabei sein zu können. Daraufhin versprach er ihr für den Fall, dass die Deutschen den Titel gewinnen, ein Interview. Das bekommt sie denn auch in Rio de Janeiro.

Die Euphorie wegen der Erfüllung ihres Traums und das vom Körper vermehrt produzierte Adrenalin bewirken, dass Monica Lierhaus in Brasilien keine Schmerzen empfindet, obwohl dies sonst fast ununterbrochen der Fall ist.

An manchen Tagen kam ich vor Schmerzen kaum aus dem Bett, jeder Schritt war eine Qual. Ich war mal wieder antriebslos, verzweifelt, dass alles so langsam ging. Ich mochte das Bild nicht, das mich morgens aus dem Spiegel anstarrte – gezeichnet, mit dieser steilen Falte auf der Stirn, verletzlich, verletzt. So wollte ich nicht sein.

In ihrem Buch „Immer noch ich. Mein Weg zurück ins Leben“ beklagt Monica Lierhaus, dass sie Defizite stärker als Erfolge wahrnimmt. Schafft sie es beispielsweise, einzukaufen, ärgert sie sich über die Schwierigkeit, den Chip für den Einkaufswagen einzuschieben, weil die Feinmotorik nicht zufriedenstellend funktioniert.

[…] gibt es Momente, in denen ich mit den Folgen meiner Entscheidung hadere. […] In denen ich nicht das sehe, was wieder geht, sondern nur das, was immer noch nicht geht.

Im Mai 2015 geben Monica Lierhaus und Rolf Hellgardt das Ende ihrer 18-jährigen Beziehung bekannt.

Am 17. Juli 2015 veröffentlicht die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ ein Interview von Marco Fenske mit Monica Lierhaus und ihrer Mutter Sigrid.

Frage: Was wäre gewesen, wenn es die OP nicht gegeben hätte?
Sigrid Lierhaus: Monica ist freiwillig zur Schlachtbank gegangen. Aber ohne OP wäre sie irgendwann tot umgefallen.
Monica Lierhaus: Ich glaube, ich würde es nicht mehr machen.
Sigrid Lierhaus: Du wärst sonst tot.
Monica Lierhaus: Egal. Dann wäre mir vieles erspart geblieben. (hier zit. nach Zeitung, im Buch: 246)

Der Eindruck, sie bedauere ihre Entscheidung, sich der Operation am Gehirn unterzogen zu haben, sorgt für Schlagzeilen, und man wirft ihr vor, ihre Rolle als Mut machendes Vorbild torpediert zu haben. Sie empfindet das als ungerecht. Selbstverständlich hadere sie zeitweise mit ihrem Schicksal, aber sie gebe sich nicht auf. Im selben Interview sagte sie, allein schon dafür, dass sie zur Weltmeisterschaft nach Brasilien fliegen konnte, habe sich die Mühe gelohnt. „Es muss ja auch immer weitergehen.“

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Aufgrund von Komplikationen bei zwei Hirnoperationen im Frühjahr 2009 befürchten die Ärzte, dass die 39 Jahre alte Sportmoderatorin Monica Lierhaus das Bewusstsein nicht wiedererlangen werde. Als sie doch zu sich kommt und nach 104 Tagen auf der Intensivstation für ein halbes Jahr in eine Reha-Klinik gebracht wird, lautet die medizinische Prognose, dass sie auf einen Rollstuhl angewiesen bleiben wird. Aber statt sich aufzugeben, arbeitet Monica Lierhaus unermüdlich an sich, und als die deutsche Fußball-Nationalmannschaft am 13. Juli 2004 die Weltmeisterschaft gewinnt, sitzt sie unter den Zuschauern im Estádio do Maracanã in Rio de Janeiro.

„Immer noch ich. Mein Weg zurück ins Leben“ ist keine Autobiografie. Monica Lierhaus und ihre Co-Autorin Heike Gronemeier beginnen das Buch mit der Diagnose im Dezember 2008 und konzentrieren sich auf die Folgen der Hirnblutungen, den Verlauf des Heilungsprozesses, die Belastung für die Angehörigen und Monica Lierhaus‘ Anstrengungen, die Einschränkungen zu minimieren. Notizen von Angehörigen über Beobachtungen in dieser Zeit sind ebenso geschickt eingestreut wie biografische Notizen beispielsweise über die Flucht der Urgroßmutter 1945 aus Danzig, Monica Lierhaus‘ Jugend, ihren Vater und ihre Liebesbeziehung mit Rolf Hellgardt.

Auf den ersten Seiten des Buches „Immer noch ich. Mein Weg zurück ins Leben“ lesen wir Sätze wie:

Wo beginnt man, wenn der Anfang fehlt? Wenn es nur noch Erinnerungsinseln gibt?

Ohne die Erinnerungen meiner Familie könnte ich die Geschichte meines zweiten Anfangs, meines neuen Lebens nicht erzählen.

Seit dem 8. Januar 2009 ist mein Leben geteilt in ein „Davor“ und ein „Danach“.

Etwas in mir ist damals gestorben, und etwas hat überlebt. Ich bin, was meine Fähigkeiten angeht, eine andere geworden. […] Ein Kern ist geblieben. Einige Charakterzüge, die mir dabei geholfen haben, überhaupt zurückzukommen. Deshalb kann ich sagen, ich bin immer noch ich, auch wenn mir manches an diesem neuen Ich fremd ist. Vielleicht immer fremd bleiben wird.

Im Nachhinein stellt sich die Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, am 8. Januar 2009 den Schädel zu öffnen, statt minimalinvasiv vorzugehen. Aber Monica Lierhaus kritisiert in ihrem Buch die Ärzte nicht.

[…] ich hatte vollstes Vertrauen in meine Ärzte, ich habe es noch heute. Dass der Verlauf anders war, als ich mir, als sie sich das vorgestellt haben, kann ich ihnen nicht vorwerfen. Ich weiß nur, dass sie hundertprozentig da waren, als es um alles ging.

Und obwohl ihre Beziehung mit Rolf Hellgardt nach 18 Jahren scheiterte, äußert sich Monica Lierhaus voller Dankbarkeit über ihren früheren Lebensgefährten, übrigens ebenso wie über ihre Familienangehörigen. Eine Frau, die so viel verloren hat, könnte verbittert sein. Aber davon ist in „Immer noch ich“ nichts zu spüren. Diese positive Haltung verdient großen Respekt.

Den Autorinnen ist es gelungen, die außerordentliche Entwicklung, die Monica Lierhaus und ihre Angehörigen erlebt haben, nicht nur eindrucksvoll, sondern auch anschaulich und nachvollziehbar darzustellen. Sie geben kluge Beobachtungen ebenso einprägsam wie nachdenklich wieder. Beim Lesen spüren wir die Anstrengungen dieser starken Frau, die trotz ihrer permanenten Schmerzen und ihrer immer wiederkehrenden Frustration über verbliebene Defizite Tag für Tag ihren „Weg zurück ins Leben“ weitergegangen ist. „Immer noch ich“ zeigt, wie unglaublich viel sich auch in zunächst hoffnungslos erscheinenden Situationen erkämpfen lässt. Es ist ein ermutigendes Buch, zumal Monica Lierhaus ohne jegliche Larmoyanz auskommt. Ergreifend ist das Buch trotz oder gerade wegen seiner Sachlichkeit.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2016
Textauszüge: © Ullstein Buchverlage

Monica Lierhaus (kurze Biografie)

Leon de Winter - Malibu
"Malibu" ist eine flott geschriebene Mischung aus Familiendrama, Psycho- und Politthriller. Leon de Winter versteht es sehr gut, die Leser in seinen Bann zu ziehen, Mitgefühl zu evozieren und Spannung aufzubauen.
Malibu