Henning Mankell : Der Mann mit der Maske

Der Mann mit der Maske
Originalausgabe: Pyramiden Ordfront Verlag, Stockholm 1999 Der Mann mit der Maske in: Wallanders erster Fall Übersetzung: Wolfgang Butt Paul Zsolnay Verlag, Wien 2002 Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2004 ISBN 3-423-20700-0, 425 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Am Heiligen Abend findet Kurt Wallander in einem Tante-Emma-Laden die Leiche der Inhaberin. Bevor er einen klaren Gedanken fassen kann, wird er von hinten niedergeschlagen ...
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Kritik

In fünf Erzählungen unter dem Buchtitel "Wallanders erster Fall" beleuchtet Henning Mankell das Leben des Protagonisten seiner Romanreihe über Kurt Wallander in der Zeit, bevor dieser am 8. Januar 1990 im ersten Roman auftrat.
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Am Heiligen Abend 1975 ruft Kurt Wallander Mona an, um ihr mitzuteilen, dass er eine Stunde früher vom Dienst nach Hause komme. Die beiden sind inzwischen verheiratet und haben eine fünfjährige Tochter: Linda. Wallander, der seit einigen Jahren bei der Mordkommission in Malmö arbeitet, rechnet mit seiner Versetzung nach Ystad im nächsten Sommer. Er ist bereits mit seiner Familie in die fünfzig Kilometer östlich von Malmö gelegene Kleinstadt gezogen, und Mona hat dort einen Friseursalon günstig erworben. Als er gerade aufbrechen will, steht sein Chef Hemberg in der Tür und schlägt ihm vor, auf dem Heimweg bei Elma Hagman vorbeizuschauen. Die Inhaberin eines kleinen Lebensmittelgeschäftes rief am Nachmittag mehrmals an, weil sich eine sonderbare Person vor dem Haus herumtrieb. Da sei bestimmt nichts los, meint Hemberg, aber Wallander könne die Frau beruhigen und ihr schöne Weihnachten wünschen.

In dem Tante-Emma-Laden brennt Licht. Die Tür ist unverschlossen, aber niemand scheint in dem Geschäft zu sein. Kurt Wallander geht um die Ladentheke herum und klopft an die Tür zu einem Nebenraum. Er geht hinein. Da liegt die Frau blutüberströmt am Boden. Tot. Bevor er einen klaren Gedanken fassen kann, wird er von hinten niedergeschlagen.

Hinter der Ladentheke kommt er wieder zu sich. Er sitzt gefesselt auf dem Boden und hört, dass der Mörder noch anwesend ist. Worauf wartet er? Warum ist er nicht längst mit dem Geld aus der Kasse verschwunden? Ein Mann mit einer schwarzen Maske schaut nach ihm, sagt jedoch kein Wort und entfernt sich wieder aus Wallanders Blickfeld.

Es gelingt dem Kriminalassistenten, sich allmählich aus den Fesseln zu befreien. Leise richtet er sich auf. Da fährt der Mann mit der Maske herum. Wallander wirft sich auf ihn. Der andere weicht aus. Im nächsten Augenblick richtet er eine Pistole auf Wallanders Stirn.

Der schwedische Polizist redet so lange auf den Täter ein, bis dieser die Maske abnimmt. Es handelt sich um einen Schwarzen, kaum älter als zwanzig. Sein Name sei Oliver, sagt er. Er stamme aus Südafrika. Sein Vater sei von Polizisten mit einem Hammer erschlagen worden, nur weil er dem ANC angehört und mit Arbeitskollegen über Freiheit und Widerstand geredet habe.

Wallander hofft, dass Mona sich inzwischen Sorgen gemacht und im Polizeipräsidium angerufen hat. Hemberg würde sofort losfahren. Kurz darauf halten Autos vor dem inzwischen verschlossenen Laden. Autotüren werden zugeschlagen. Hemberg ruft. Der Schwarze richtet seine Pistole auf die Ladentür. Wallander will ein Blutbad verhindern und versucht, den Südafrikaner zum Aufgeben zu überreden. Aber sie geraten aneinander, und der Schwarze zielt erneut auf Wallander. Der schließt in Erwartung des tödlichen Schusses die Augen. Hört den Knall – und öffnet verwundert die Augen. Der Täter hat sich selbst in den Kopf geschossen und liegt tot am Boden. Hemberg tritt in diesem Augenblick die Tür ein.

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Die fünf in dem Band „Wallanders erster Fall“ zusammengefassten Erzählungen bilden einen Prolog zu der Kriminalroman-Reihe, die Henning Mankell über den Protagonisten Kurt Wallander geschrieben hat: „Mörder ohne Gesicht“ (1991), „Hunde von Riga“ (1992), „Die weiße Löwin“ (1993), „Der Mann, der lächelte“ (1994), „Die falsche Fährte“ (1995), „Die fünfte Frau“ (1996), „Mittsommermord“ (1997), „Die Brandmauer“ (1998). „Wallanders erster Fall“ wurde jedoch erst 1999 – also nach den Romanen – veröffentlicht, um nachträglich die Vorgeschichte der Hauptfigur zu beleuchten.

Was war mit Wallander, bevor die Romanserie beginnt? Also, um Datum und Uhrzeit genau zu bestimmen, vor dem frühen Morgen des 8. Januar 1990. Was war, bevor Wallander an jenem winterlichen Morgen erwacht und der Fall Mörder ohne Gesicht beginnt? Wer war dieser Wallander? In den einzelnen Bänden der Serie finden sich immer wieder Andeutungen. Doch Genaues erfährt man nicht. Wallander kehrt in Gedanken ständig zu dem Tag zurück, an dem er als junger Polizist von einem Messerstecher überfallen wurde, ein Erlebnis, das sein ganzes Leben geprägt hat.
Die vielen brieflichen Anfragen hatten zur folge, dass ich selbst anfing, darüber nachzudenken […]
Wallander ist für viele ein lebendiger Mensch geworden […] Auch wenn alle im Innersten natürlich wissen, dass er nur in der Vorstellung existiert. Aber er hat trotzdem eine Vergangenheit. Er war einmal jung. In diesen Erzählungen versuche ich, einige der frühesten Teile seines Lebens, so wie ich sie mir vorstelle, in das Bild einzufügen.
(Henning Mankell im Vorwort zu „Wallanders erster Fall“)

Seine Ankündigung, mehr über Kurt Wallanders Charakter oder die Ereignisse, die ihn geprägt haben, zu verraten, erfüllt Henning Mankell allerdings nicht. Meilensteine im Privatleben des Kommissars wie die Eheschließung, die Geburt seiner Tochter Linda oder die Scheidung von Mona werden lediglich kurz erwähnt. Über Kurt Wallanders ambivalentes Verhältnis zu seinem Vater erfahren wir nicht mehr als aus den acht Romanen; Erklärungen liefert Henning Mankell nicht. Dazu kommt, dass Kurt Wallander mit einundzwanzig schon genau derselbe Melancholiker zu sein scheint wie mit fünfzig. Eine Entwicklung ist nicht erkennbar. Woher kommen seine Scheu vor engen Beziehungen mit anderen Menschen oder sein Hang zum Einzelgänger? Wir erfahren es nicht.

Wie es die Leserinnen und Leser der Romanserie über Kurt Wallander gewohnt sind, verknüpft Henning Mankell auch in den fünf Erzählungen Kriminalfälle mit Kurt Wallanders Privatleben und der Frage nach bedenklichen gesellschaftlichen Tendenzen.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004
Textauszüge: © Paul Zsolnay Verlag

Henning Mankell (Kurzbiografie)

Henning Mankell: Der Sandmaler
Henning Mankell: Mörder ohne Gesicht (Verfilmung)
Henning Mankell: Hunde von Riga (Verfilmung)
Henning Mankell: Die weiße Löwin (Verfilmung)
Henning Mankell: Der Mann, der lächelte (Verfilmung)
Henning Mankell: Die falsche Fährte (Verfilmung)
Henning Mankell: Die fünfte Frau (Verfilmung)
Henning Mankell: Mittsommermord (Verfilmung)
Henning Mankell: Die Brandmauer (Verfilmung)
Henning Mankell: Wallanders erster Fall
Henning Mankell: Der Mann mit der Maske
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Laetitia Colombani hält die Darstellung kurz, knapp und schnörkellos. Allerdings bleibt dabei auch wenig Raum für Nuancen, Reflexionen und Tiefgang. Empfehlenswert ist die leichte und unterhaltsame Lektüre, weil "Das Mädchen mit dem Drachen" am extremen Beispiel der indischen Gesellschaft die Entrechtung von Frauen thematisiert und dazu ermutigt, sich dagegen aufzulehnen.
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