Station Agent

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Station Agent – Originaltitel: The Station Agent – Regie: Thomas McCarthy – Drehbuch: Thomas McCarthy – Kamera: Oliver Bokelberg – Schnitt: Tom McArdle – Musik: Stephen Trask – Darsteller: Peter Dinklage, Patricia Clarkson, Bobby Cannavale, Raven Goodwin, Michelle Williams, Paul Benjamin, Lynn Cohen, Jayce Bartok, Marla Sucharetza, John Slattery u.a. – 2003; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Nach dem Tod seines Freundes und Arbeitgebers erbt der zwergwüchsige Amerikaner Fin ein abgelegenes Häuschen neben einer stillgelegten Bahnstrecke. Froh, den Gaffern in der Stadt zu entkommen, zieht der Einzelgänger dort ein. Aber Joe, der jeden Tag ganz in der Nähe mit seinem Imbisswagen steht, lässt Fin keine Ruhe und will unbedingt mit ihm ins Gespräch kommen. Außerdem erhält Fin Besuch von der Künstlerin Olivia, die ihn beinahe überfahren hätte und sich dafür entschuldigen möchte ...
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Kritik

Tom McCarthy hat die Außenseiterballade "The Station Agent" ruhig, unsentimental und ohne Effekthascherei inszeniert. Die prägnanten Szenen sind voll origineller Einfälle, und die drei Hauptdarsteller überzeugen mit kleinen Gesten und sparsamer Mimik.
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Der zwergwüchsige Amerikaner Finbar („Fin“) McBride (Peter Dinklage) repariert Modelleisenbahnen und sitzt dazu tagsüber im Hinterzimmer des Ladengeschäftes „The Golden Spike“ von Henry Styles (Paul Benjamin) in Hoboken, New York. Fin begeistert sich für alles, was mit Eisenbahnen zusammenhängt und obwohl er ein Einzelgänger ist, besucht er die Abendveranstaltungen, bei denen so genannte „Train Chaser“ ihre Filmaufnahmen von fahrenden Dampflokomotiven vorführen. Auf der Straße wird Fin nicht selten verspottet, am ärgsten von Kindern, die bereits größer sind als er.

Eines Tages hört Fin im Verkaufsraum ein polterndes Geräusch, und auf seinem Arbeitstisch kippt eine Spielfigur um. Als er aufsteht und nachsieht, stellt er fest, dass der alte Henry, der gerade zum Mittagessen gehen wollte, tot umgefallen ist.

In seinem Testament hat Henry bestimmt, dass das Haus mit dem Laden verkauft werden soll. Seinem Freund und Mitarbeiter Fin hinterlässt er ein Grundstück in Newfoundland, New Jersey, das an einer nicht mehr befahrenen Bahnstrecke liegt. Darauf steht ein altes Häuschen, das die Bewohner der nächsten Kleinstadt Eisenbahndepot nennen, weil in der Nähe auch noch ein ausrangierter Waggon herumsteht. Froh, den Gaffern und Spöttern zu entkommen, zieht Fin drei Wochen nach dem Tod Henrys in die einsame Gegend.

Doch wenn er glaubt, hier Ruhe zu finden, täuscht er sich. Am nächsten Morgen steht ein paar Meter vom Häuschen entfernt ein Imbisswagen. Joe Oramas (Bobby Cannavale), der seit sechs Wochen seinen kranken, aus Kuba eingewanderten Vater vertritt und hier seinen gewohnten Platz hat, obwohl nur selten jemand vorbeikommt, vertreibt sich die Zeit ohne Kunden mit Plaudereien am Handy. Sobald Fin bei ihm auftaucht und fragt, ob er einen Becher Kaffee haben könne, redet er auf ihn ein, obwohl Fin nur einsilbig antwortet. Von dem Misserfolg lässt Joe sich seine Lebensfreude allerdings nicht verderben.

Während Fin zum Dorfladen geht, wird er beinahe von der Malerin Olivia Harris (Patricia Clarkson) mit ihrem Geländewagen überfahren. Die Ladenbesitzerin Patty (Lynn Cohen) kann es kaum glauben, als sie den 1.30 m großen Kunden sieht, und sie holt gleich ihre Kamera, um ihn zu knipsen. Auf dem Rückweg muss Fin noch einmal in den Straßengraben hechten, um Olivia auszuweichen, die sich gerade mit einem bei Joe gekauften Becher Kaffee den Oberschenkel verbrühte und deshalb die Kontrolle über ihr Fahrzeug verlor. Barsch weist Fin ihr Hilfsangebot zurück, und er will auch nicht von ihr nach Hause gefahren werden.

Um sich bei ihm zu entschuldigen, kommt Olivia am Abend mit einer Flasche Bourbon zu ihm – und wirft in seinem Häuschen versehentlich eine alte Fahrkartenbox um. Weil sie nicht über den Tod ihres Sohnes Sam vor zwei Jahren hinwegkommt, ist ihre Ehe mit David (John Slattery) gescheitert. Obwohl sie auch allein in ihrem Haus lebt und die Anrufe ihres Mannes nicht entgegennimmt, kann sie doch nicht begreifen, dass Fin kein Telefon haben möchte. Weil sie zu viel trinkt, schläft sie bei Fin auf der Couch ein.

Joe traut seinen Augen nicht, als er Olivia am nächsten Morgen aus dem Haus kommen sieht. Der kleine Mann scheint die attraktive Künstlerin im Sturm erobert zu haben! Neugierig versucht er, Fin auszufragen, aber der gibt ihm deutlich zu verstehen, dass er weder Lust hat, mit Joe spazierenzugehen noch mit ihm einen Abend zu verbringen oder auch nur ein Gespräch zu führen.

Die junge Bibliothekarin Emily (Michelle Williams) lässt vor Schreck einen Stapel Bücher fallen, als Fin bei ihr ein Buch ausleihen möchte.

Eine dicke afroamerikanische Schülerin – sie heißt Cleo (Raven Goodwin) – schleicht neugierig hinter Fin her, bis sie es wagt, ihn anzusprechen und zu fragen, ob er noch zur Schule gehe.

Manchmal sitzt Fin auf einer Bank vor einer Eisenbahnbrücke, die alle paar Stunden von einem Zug überquert wird. Er kann jeweils nur einen kurzen Blick auf die Lokomotive und die Waggons werfen, dann sind sie schon wieder in der Ferne verschwunden. Joe lässt sich eigens von Olivia hinfahren, um sich neben Fin zu setzen und mit ihm zu reden. Unbekümmert bemüht er sich um einen Kontakt mit Fin, bis dieser mit ihm die Gleise abschreitet und sich sogar mit einem Buch auf einen der Plastikstühle vor dem Imbisswagen setzt, nachdem Joe versprochen hat, kein Wort zu reden – was er allerdings nur acht Minuten lang durchhält.

Olivia schenkt Fin eine Videokamera, damit er Züge filmen kann, während Joe mit ihm auf dem Beifahrersitz des Imbisswagens neben einer Eisenbahnstrecke herfährt.

Fin, Joe und Olivia werden Freunde, doch als David die beiden Männer eines Morgens bei einem unerwarteten Besuch in seinem Haus vorfindet und über Olivias vermeintliche Unmoral tobt, zieht sich die Künstlerin wieder zurück. Nun ist es ausgerechnet Fin, der sich darum bemüht, die Freundschaft mit ihr aufrechtzuerhalten, und als Olivia versucht, sich das Leben zu nehmen, rettet er sie.

In einer Kneipe kommt Emily mit Fin ins Gespräch. Während er mit Joe und dessen Vater verabredet ist, aber vergeblich auf die beiden wartet, ärgert Emily sich darüber, dass sie von ihrem Freund Chris (Jayce Bartok) versetzt wird und erzählt Fin etwas, was noch nicht einmal Chris weiß: Sie ist schwanger. Als Fin und Emily die Kneipe verlassen, taucht Chris auf und schubst den Kleinwüchsigen verächtlich weg. Am nächsten Abend kommt Emily zu Fin ins Häuschen, entschuldigt sich für Chris‘ Verhalten, lässt sich von Fin küssen und übernachtet bei ihm.

Joe konnte die Verabredung nicht einhalten, weil es seinem Vater wieder schlechter ging. Absagen konnte er auch nicht, denn Fin hat noch immer kein Handy. Gemeinsam holen Fin und Joe Olivia in der Klinik ab, in der sie sich von den Folgen des Suizidversuchs erholt hat.

Nachdem Fin sich von Cleo überreden ließ, in der Schule einen Vortrag über Eisenbahnen zu halten und den Schülern dabei nicht sagen konnte, wann der Zeppelin erfunden wurde, raten ihm Joe und Olivia verschmitzt, die Frage der hübschen Bibliothekarin Emily zu stellen.

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In der ruhig, unsentimental und ohne Effekthascherei erzählten Außenseiterballade „The Station Agent“ demonstriert Tom McCarthy den Wert der Freundschaft.

Es passiert nichts Spektakuläres; ereignisreich ist „The Station Agent“ nur im Kleinen und Alltäglichen, aber keine Sekunde des Films ist überflüssig oder langweilig, ganz im Gegenteil: Die prägnanten Szenen sind voll origineller Einfälle. Feiner Humor und menschliche Wärme durchziehen „The Station Agent“. Die Filmmusik ist ebenso zurückhaltend wie wirkungsvoll. Besonders hervorzuheben sind die drei Hauptdarsteller Peter Dinklage, Patricia Clarkson und Bobby Cannavale, die mit kleinen Gesten und sparsamer Mimik überzeugen.

Das Ende des Films bleibt offen – wie das Ziel der vorbeifahrenden und in der Ferne verschwindenden Züge.

Dies ist ein Film über Verlust, über die Sehnsucht nach Stille, die mit der Sehnsucht nach Freundschaft in Konflikt gerät, über Entschleunigung und Enthysterisierung und darüber, einen Platz im Leben zu finden. Und einfach auch: ein ruhiger, großartiger Film. (Tobias Kniebe, Süddeutsche Zeitung 9. Juni 2004)

Drei Jahre lang schrieb der Schauspieler Tom McCarthy am Drehbuch für seinen Debütfilm „The Station Agent“. Dabei hatte er seinen Freund Peter Dinklage und seine Kollegen Patricia Clarkson und Bobby Cannavale vor Augen. Die Dreharbeiten fanden im August 2002 in New Jersey statt. Der besondere und unbedingt sehenswerte Film kostete nicht mehr als eine halbe Million Dollar.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2007

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