E. Annie Proulx : Aus hartem Holz

Aus hartem Holz
Originalausgabe: Barkskins Scribner, New York 2016 Aus hartem Holz Übersetzung: Andrea Stumpf, Melanie Walz Luchterhand Literaturverlag, München 2017 ISBN: 978-3-630-87249-0, 889 Seiten) ISBN: 978-3-641-19206-8 (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

"Aus hartem Holz" beginnt 1693 und endet 2013. Am Anfang stehen Einwanderer, die sich im Nordosten Amerikas als Holzfäller eine neue Existenz aufbauen wollen. Anders als die indigenen Völker betreiben sie einen gierigen Raubbau. Erst allmählich verbreiten sich Erkenntnisse über die Folgen der Zerstörung, und man beginnt zu verstehen, dass Forstwirtschaft nicht nur Abholzen bedeutet. Am Ende der fulminanten Familiengeschichte stehen Umweltaktivisten, die sich bemühen, die Wälder wieder aufzuforsten ...
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Kritik

Ein 320 Jahre überspannendes Familienepos bedeutet auch, dass sich die Stamm­bäume immer weiter ver­zweigen und es schwierig ist, den Überblick zu bewahren. Mehr noch als Annie Proulx' Fabulier­laune be­ein­druckt ihr enormes Wissen, das es ihr ermöglicht, konkret und en detail – also lebendig – zu erzählen.
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1693 treffen die beiden jungen französischen Einwanderer René Sel und Charles Duquet in „Nouvelle France“ ein, also im heutigen Kanada. Dort arbeiten sie als Holzfäller für Claude Trépagny. Die Abmachung lautet, dass ihnen der Seigneur zwar keinen Lohn zahlt, jedem von ihnen aber nach drei Jahren ein Stück Land zuteilt, das sie bewirtschaften dürfen, wenn auch nicht als Besitzer, sondern als Siedler.

Während René Sel sich fügt, flüchtet Charles Duquet.

Bouchard, der als Statthalter und Hauptmann der Miliz amtiert, bringt Trépagny dazu, ein zehnjähriges Waisenmädchen aus Wobik aufzunehmen. Dass das Kind Léonardette heißt, kümmert den Seigneur nicht; er nennt es Renardette. Seine pockennarbige indianische Haushälterin und Konkubine Mari übernimmt es, für Renardette zu sorgen.

Mari gehört zu den Mi’kmaq, einem im Osten Nordamerikas beheimateten Volk. Vor längerer Zeit wurde Mari zusammen mit anderen Mi’kmaq nach Paris verschleppt, wo die meisten von ihnen an Pocken starben. Als sie zu ihrem Volk zurückkehrte, brachte sie den Erreger ahnungslos mit und infizierte ungewollt andere Indianer. Ein Missionar brachte sie nach Kébec, wo sie einen Mann namens Lolan heiratete, der inzwischen tot ist. Mari hat zwei Söhne: Elphège und Theotiste. Ihr jüngstes Kind starb noch als Baby.

Als René Sel drei Jahre lang für Trépagny gearbeitet hat, verreist der Seigneur für zwei Jahre und kündigt dann seine Eheschließung mit der Nichte eines reichen Franzosen an. Melissande de Mouton-Noir ist enttäuscht von dem Haus ihres Bräutigams und entsetzt, als sie herausfindet, dass er mit Mari zusammenlebt. Um seine Braut nicht zu verlieren, weist der Seigneur René Sel endlich ein Stück Land zu und befiehlt ihm, Mari zu heiraten.

„Sie wird dir helfen, auf dem Land, das du von mir bekommst, ein eigenes Haus zu errichten und einzurichten, und ich werde mich sehr großzügig zeigen. Ich werde dir eine doppelte Tranche Land geben. Und du wirst gute Helfer haben – die Indianerjungen Elphège und Theotiste und das Dienstmädchen Renardette.“

Mari und René bekommen den Sohn Achille und die Zwillinge Noë und Zoë.

Claude Trépagny erfuhr von seinen Brüdern Toussaint und Fernand, die zur Hochzeitsfeier gekommen waren, dass Charles Duquet lebt. Er macht sich auf die Jagd nach ihm, wird jedoch von Irokesen überwältigt und massakriert.

[…] dass Irokesenfrauen Monsieur Trépagny die Sehnen der Beine durchtrennt und ihn danach von Kopf bis Fuß zugenäht hatten, jede einzelne Körperöffnung verschlossen hatten – Ohren, Augen, Nasenlöcher, Mund, Anus und Penis –, und nach zwei oder drei Tagen war Monsieur Trépagny angeschwollen wie eine Gewitterwolke und geplatzt.

Mari stirbt. Bald darauf findet der elfjährige Achille seinen Vater tot auf. Der 40-Jährige wurde mit einem Hieb in den Nacken getötet, und man hat ihn skalpiert.

Charles Duquet handelt Indianern Tierfelle gegen ein paar Schluck billigen Rums ab. Weil er begreift, wie wichtig es für einen Händler ist, sowohl verschiedene Sprachen zu beherrschen als auch lesen und schreiben zu können, überfällt er den Jesuiten Père Naufragé, verschleppt ihn und zwingt ihn dazu, ihn zwei Jahre lang zu unterrichten. Mit einer Ladung Luxusfelle reist er nach La Rochelle und von dort weiter nach Kanton, wo er sich zunächst in das langwierige Ritual des Verhandelns einweisen lässt und Mandarin lernt.

Obwohl er noch mit Fellen handelt, plant er bereits, ins Holzgeschäft zu wechseln, denn in dieser Branche erwartet er höhere Gewinne. Charles Duquet versucht, den niederländischen Schiffskapitän Outger Verdwijnen zu einer Partnerschaft zu überreden.

Duquet sagte: „Ich wäre gern Ihr Partner in Sachen Pelze. Und für meine künftigen Geschäfte mit Hölzern. Wir könnten zusammen gut verdienen, meinen Sie nicht?“
Nach langem Schweigen sagte Kapitän Outger Verdwijnen sehr langsam: „Sie wissen, dass die Vereenigde Oost-Indische Compagnie den holländischen Handel mit Indien, China, Japan und den Gewürzinseln jahrelang streng kontrolliert hat. Kein Privathändler durfte Handel treiben oder die Magellanstraße durchqueren.“
„Aber manche versuchen es. Und es gelingt ihnen“, sagte Duquet.
„Wenn Sie es versuchten und ertappt würden, dann würde Ihre Fracht beschlagnahmt, Ihr Schiff enteignet, und die V. O. C. würde Sie mit eiserner Faust bestrafen. So widerfuhr es Willem Schouten, der Kap Hoorn entdeckt hat.“

Charles Duquet heiratet 1711 Cornelia, die Tochter des mit Outger Verdwijnen befreundeten Kapitäns Piet Roos. Er kauft ihr ein Haus in Amsterdam, denn sie soll dort bleiben, während er in der Neuen Welt sein Unternehmen aufbaut. Cornelia bringt eine Tochter zur Welt. Um die Nachfolge im Geschäft zu sichern, adoptiert Charles 1713 die beiden neunjährigen Waisen Jan und Nicolaus. Im selben Jahr kommt Cornelia mit einem gesunden Sohn nieder, der auf den Namen Verdwijnen Outger getauft wird. Nach Amerika hat Charles Duquet einen elfjährigen Straßenjungen namens Bernard aus La Rochelle mitgenommen und ebenfalls adoptiert.

Vor allem in Maine erwirbt Charles Duquet Wälder, deren Ertrag er von dem Landvermesser Jacques Forgeron beurteilen lässt. Er nennt sich nun Charles Duke, und aus seiner Firma Duquet et Fils in Boston wird Duke & Sons.

Gegenüber Holzdieben kennt Charles Duke keine Gnade. Einem Jungen, den er und seine Männer erwischen, schneidet er zwei Finger ab, um ihn zum Reden zu bringen. So erfährt er, dass die Diebe für den Sägemühlenbesitzer Dud McBogle arbeiten, der wiederum im Auftrag von Elisha Cooke handelt. Nach diesem Geständnis zertrümmert Charles Duke den Schädel des Gefangenen mit einem Tomahawk. Als der 53-jährige Unternehmer den Sägemühlenbesitzer aufsucht, erfährt er, dass es sich bei dem Ermordeten um Dud McBogles Sohn handelte. Das wird ihm zum Verhängnis: Der Vater tötet ihn.

Mitte des 19. Jahrhunderts ist an der Ostküste von Kanada bis New York alles abgeholzt, und bevor die Firma Duke es merkt, vernichten Siedler auch die firmeneigenen Kiefernwälder in Ohio.

„Vor anderthalb Jahren sind sie zu Tausenden aufgetaucht und haben fast alle Bäume gefällt und abgebrannt und durch Farmen ersetzt. Kannst du dir das vorstellen? Die schönsten Weymouthkiefern zu Scheiterhaufen aufgeschichtet.“

Duke & Sons erwirbt weitere Waldgebiete in Michigan und richtet in Detroit eine Niederlassung ein, die von Cyrus Hempstead geleitet wird.

„Hier gibt es für Jahrhunderte Waldarbeit. Aber vor uns liegen so viele Aufgaben, dass wir frühestens im nächsten Jahr, vielleicht auch erst im übernächsten Jahr mit dem Fällen beginnen können.“

Dem Taxator Armenius Breitsprecher, einem der ersten nicht zur Familie gehörenden Manager von Duke & Sons, missfällt die Gier des Unternehmens und noch mehr, dass er bei der Kahlschlagpolitik mitmacht, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Schließlich ruft er seinen Cousin Dieter Breitsprecher aus Preußen nach Amerika und empfiehlt ihn dem Unternehmen. Aber die Brüder Freegrace und Edward Duke äußern sich abfällig über den Deutschen:

[…] Armenius sagt, er sei Förster auf einem großen Gut in Deutschland. Er verwaltet einen großen Wald. Er könnte von Nutzen für uns sein.“
„Du liebe Güte, wie ‚verwaltet‘ man denn einen Wald?“, schnaubte Edward. „Man macht ihn zu Kleinholz! So verwaltet man einen Wald.“

Armenius erklärt seinem Vetter, dass es in Amerika weder eine Wiederaufforstung noch eine Forstverwaltung wie in Preußen gebe:

„Die Amerikaner haben keine Ahnung von Windschutzgürteln, sie haben noch nie etwas von Durchforstung oder Astung gehört, sie können gar nicht glauben, dass der Erdboden oder das Wasser etwas mit dem Wald zu tun haben.“

Mit Graf Ernst-August von Rotstein zusammen gründen die beiden Cousins das Unternehmen Rotstein, Breitsprecher und Breitsprecher (RBB) und kaufen Wälder in Michigan auf, um sie zu retten. Damit werden sie zu Konkurrenten von Duke & Sons.

Lavinia Duke wurde 1925 geboren. Ihre Mutter Posey, eine geborene Brandon, war damals bereits 51 Jahre alt, der Vater James Duke noch zwanzig Jahre älter. Sie erklärt ihrem Vater, dass sie das Holzgeschäft erlernen wolle:

„Ich will nicht zu einer ‚feinen Dame‘ erzogen werden, und ich will auch nicht in die Gesellschaft ‚eingeführt‘ werden oder mir einen Verehrer suchen oder heiraten.“

James Duke weist sie darauf hin, dass es im Holzgewerbe keine Frauen gebe und er sich auch keine für sie geeigneten Tätigkeiten vorstellen könne. Aber Lavinia lässt nicht locker, bis sie im Büro in Boston eingesetzt wird und etwas später das Landvermessen lernt. Nachdem ihre Mutter bei einem Feuer und ihr Vater bei einem Schiffsunglück umgekommen sind, übernimmt Lavinia das Unternehmen, benennt es in Duke Logging and Lumber um und verlegt den Sitz nach Chicago, wo sie nun auch selbst in einem Haus am See wohnt. Sie nimmt an, die letzte lebende Duke zu sein, aber der Buchhändler R. R. Tetrazinni aus Philadelphia, den sie mit der Erforschung ihres Stammbaums beauftragt, rückt das Bild zurecht:

Charles Duquet adoptierte drei Söhne, Nicolaus und Jan aus einem Amsterdamer Waisenhaus und den dritten, Bernard, von den Straßen La Rochelles. In der damaligen Zeit erfolgten Adoptionen recht formlos, wobei er die Jungen wie eigene Söhne behandelte und ihnen zu gleichen Teilen seinen Besitz hinterließ. Sie werden wahrscheinlich wissen, dass Sie von Nicolaus abstammen, der Mercy heiratete und drei Kinder mit ihr hatte – Patience, Piet und Sedley; Sedley war Ihr Großvater. Anders gesagt, in Ihren Adern fließt kein Duquet-Blut, nur das des Adoptivsohnes Nicolaus.“ Er trank einen großen Schluck Kaffee und sah, wie Lavinias Gesicht rot anlief.
„Zurück zu Charles Duquet. Nach der Adoption der Jungen gebar ihm seine holländische Frau Cornelia Roos zwei leibliche Kinder, Outger Duquet und Doortje Duquet. Doortjes Linie erlosch mit dem Tod ihres einzigen Sohnes Lennart Vogel, der nie geheiratet hat. Outger Duquet lebte einige Jahre an der Penobscot-Bucht in Maine und nahm sich ein indianisches Kebsweib. Sie gebar eine Tochter, Beatrix Duquet, die der Vater umsichtig und bildungsbeflissen erzog. Als er nach Leiden ging, blieb die Tochter allerdings in Maine. Zuletzt nahm sie wieder das Leben einer Eingeborenen auf, und wenn mich nicht alles täuscht, hat sie einen métis namens Kuntaw Sel geheiratet, der von Mi’kmaq-Indianern und einem französischen habitant abstammte.“ Lavinias Tasse klapperte auf ihrer Untertasse.
„Allem Anschein nach hatten Beatrix Duquet und Kuntaw Sel, die gültig verheiratet waren, zwei Söhne – Josime Sel und Francis-Outger Sel. Die einzigen Blutsverwandten unter den Nachkommen von Charles Duquet sind die Enkelkinder von Josime und Francis-Outger. Die Ermittlungen zu deren Namen und Wohnorten habe ich noch nicht abgeschlossen. Dazu müsste ich nach Kanada reisen und mit den verbliebenen Indianerstämmen Verbindung aufnehmen. […] Jedenfalls wären diese Leute die rechtmäßigen Erben von Charles Duquet – wenn man nur Blutsverwandte in Betracht ziehen will. Meiner Meinung nach haben die Nachkommen der Adoptivsöhne mehr Anspruch auf das Familienvermögen als noch nicht identifizierte Indianer. Das Recht ist auf der Seite der Besitzenden, nicht wahr?“

Armenius Breitsprecher lässt sich vom Goldrausch mitreißen und schürft in Kalifornien nach Nuggets. Aber nachdem er in einem Saloon prahlerisch Fundstücke herumgezeigt hat, wird er auf der Straße überfallen und ausgeraubt. Vier Tage später stirbt er an einer Blutvergiftung.

Während das von ihm mitgegründete Unternehmen RBB für die Aufforstung eine eigene Kiefernsaatschule gründet, weitet die Duke Logging Corporation ihr Geschäft mit der Prairie Home Division durch die Lieferung und Aufstellung vorgefertigter Holzhäuser aus. Lavinia Duke bietet Dieter Breitsprecher eine geschäftliche Partnerschaft an. Die Firmen fusionieren zu Duke & Breitsprecher.

Lavina und Dieter werden aber auch privat ein Paar. Kurz nach der Verlobung reist Dieter Breitsprecher nach Albany. Der Eisenbahnwaggon, in dem er sitzt, entgleist östlich von Cleveland auf einem Viadukt und stürzt in die Schlucht. Dieter überlebt schwerverletzt. Als die Wunden vernarbt sind, findet die geplante Eheschließung statt, und das Paar nutzt die Hochzeitsreise nach Sydney zu einem Abstecher nach Neuseeland, um sich von dem englischen Geschäftsmann Harry Blustt die Kauri auf der Coromandel-Halbinsel zeigen zu lassen. Nach der Abholzung will Duke & Breitsprecher Geld in den Aufbau und Unterhalt einer Kauribaumschule investieren.

Während sich das frisch getraute Ehepaar in Neuseeland umsieht, erhält es die Nachricht von einem Großbrand in Chicago, bei dem die Lagerhäuser des Unternehmens zerstört wurden. Andererseits erhöhen sich die Anfragen nach Bauholz sprunghaft.

Schließlich setzt sich auch im US-Staat die Erkenntnis durch, dass Wälder endlich sind und ihre Bewirtschaft geregelt werden muss.

Das gesamte letzte Viertel des Jahrhunderts musste Dieter zu seinem Leidwesen miterleben, wie der Kongress voller Stolz sukzessive Forstwirtschaftsgesetze erließ – Gesetze zur Aufforstung, zur Fällung, zum Verkauf an Holz- und Bergwerksunternehmen –, die alle dem Landschaftserhalt dienen sollten, aber mehr Schlupflöcher hatten als ein Kaninchenbau.

Der Sohn, den Lavinia und Dieter bekommen, heißt Charles („Charley“) Duke Breitsprecher. Er ist elf Jahre alt, als seine Mutter unerwartet einem Herzanfall erliegt. Der Witwer heiratet ein Jahr später Rallah Henge, die 30 Jahre jünger ist als er. 18 Monate nach der Eheschließung bringt sie den Sohn James Bardawulf Breitsprecher zur Welt, und zehn Jahre später die Tochter Sophia Hannah Breitsprecher. Bevor Sophia laufen kann, stirbt Rallah an Brustkrebs. Charley studiert Forstwirtschaft in Yale. James Bardawulf wird Jurist und eröffnet eine Anwaltskanzlei. Er und seine Frau Caroline bekommen den Sohn Conrad und die Zwilinge Raphael und Claude. James Bardawulfs Schwester Sophia heiratet einen Mann namens Andrew Harkiss, der wie sein Schwager Charley Forstwirtschaft in Yale studierte. Dieter Breitsprecher stirbt schließlich an einer Lungenentzündung.

Conrad Breitsprecher, der sich an einer Forstwirtschaftsschule ausbilden ließ, beginnt 1939, neue Gewächshäuser zu bauen und Setzlinge elf verschiedener Baumarten zu züchten. Deshalb stellt Alfred McErlane, der seit Jahrzehnten die Gewächshäuser verwaltet, zwei neue Arbeiter ein: Pedro Vaca und Hank Stone. Weil die Züchtung von Setzlingen nicht als kriegswichtig gilt, bleibt Conrad der Kriegseinsatz nicht erspart.

Während er bis 1945 im Südpazifik kämpft, experimentiert das Unternehmen mit Hartfaserplatten für den Innen- und Außenbereich. Aber die Versuche werden nach zwei Jahren aufgegeben. Die Firma konzentriert sich stattdessen auf Sperrholz, das aus Ausschuss und von Waldbränden zurückgebliebenem Kalamitätsholz hergestellt wird.

Sophia Hannah Breitsprecher Harkiss nimmt sich aus eigenem Antrieb vor, die Geschichte von Breitsprecher-Duke zu erforschen, lässt sich von ihrem Sohn Robert, einem Innenarchitekten, ein Büro einrichten und stellt eine Sekretärin namens Debra Strong ein. Nachdem sie sich ein Jahr lang durch Papierberge gewühlt hat, berichtet sie in einer Geschäftsbesprechung über die Ergebnisse und verteilt in Leder gebundene Exemplare ihrer 16 Seiten dicken Arbeit mit dem Titel „Breitsprecher-Duke, die Geschichte eines Waldgiganten“. Die Firmeninhaber, die befürchten, dass die Nachkommen von Josime und Francis-Outger Duke auftauchen und ihnen den Besitz streitig machen könnten, verkaufen das Unternehmen.

Breitsprecher-Duke war über die Jahrhunderte aufgestiegen und gesunken wie ein Schiff bei Ebbe und Flut. Jetzt herrschte Ebbe. Und International Paper hatte das Ruder übernommen. An die alte Firma erinnerten nur noch Kisten mit Unterlagen und ein paar Porträts. Und ein eigenständiges Unternehmen namens Breitsprecher Seedlings.

Nach dem Zweiten Weltkrieg drängen Frauen in Berufe, die bis dahin Männern vorbehalten waren. Feministische Schlagworte sind zu hören. Die mit Edgar-Jim („Egga“) Sel, einem Nachfahren des Einwanderers René Sel und der Mi’kmaq Mari, verheiratete Wampanoag-Indianerin Bren Sel findet das gut und richtig. Ihr selbst blieb das gewünschte Linguistik-Studium verwehrt, weil den Eltern das Geld dafür fehlte, aber sie arbeitet nachts in einer Fischfabrik, damit ihre Töchter Marie und Sapatisia studieren können.

Sapatisia, die ältere der beiden, verliebt sich in einen verheirateten Ökologie-Professor. Als dieser die Affäre beendet, greift sie ihn mit einem Messer an. Am Tag danach steigt sie in einen Bus nach Norden, und einige Monate später erhält Egga einen Brief von seinem Vater Lobert Sel aus Shubenacadie in Nova Scotia:

„Es bedeutet uns sehr viel, dass unsere starke junge Enkelin Sapatisia uns besucht hat. Sie stellt viele Fragen über unser Volk und alte Sel-Geschichten. Sie studiert jetzt in Winnipeg.“

Sapatisias jüngere Schwester Marie heiratet Ende 1978 den Gedichte schreibenden o-beinigen Hummerfischer Davey Jones.

Paul Sels Tochter Jeanne und sein Neffe Felix, der Sohn seiner Schwester Mary May Mius, wuchsen zusammen auf. Als Studenten besuchen sie Dr. Sapatisia Sel, von der sie gehört haben, dass sie sich mit Mi’kmaq-Heilpflanzen auskennt. Die Forscherin überrascht die beiden mit je einem Fünftausend-Dollar-Stipendium für das Breitsprecher Baumprojekt zur Wiederaufforstung abgeholzter Wälder in Nova Scotia. Zum Team gehören auch Tom Paulin aus dem amerikanischen Süden, Charlene Lopez aus Mexiko und Hugdis Sigurdsson aus Island. Sapatisia gibt ihnen allen zu bedenken:

„Es wird Jahrtausende dauern, bis die großen alten Wälder zurückkehren. Keiner von uns wird die Ergebnisse unserer Arbeit in einem weiter fortgeschrittenen Stadium erleben.“

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In ihrem Roman „Aus hartem Holz“ veranschaulicht Annie Proulx, wie eingewanderte Siedler im 18. Jahrhundert damit beginnen, die Wälder im Nordosten Amerikas zu zerstören. Während die indigenen Völker mit der Natur im Einklang lebten, betreiben die gierigen Weißen einen rücksichtslosen Raubbau. Als man in Deutschland bereits die Bedeutung der Forstwirtschaft erkannt hat, ignorieren die Amerikaner weiterhin die Folgen der Abholzung wie zum Beispiel Erosion, Schlammlawinen und Klima. (Da denkt man unwillkürlich auch an Donald Trump.)

„Aus hartem Holz“ beginnt 1693 und endet 2013. In diesem Zeitraum ändert sich vieles – politisch, technisch und zivilatorisch. Die komplexe Familiengeschichte, die Annie Proulx erzählt, entwickelt sich vor diesem Hintergrund. Am Anfang stehen Holzfäller, am Ende Umweltaktivisten, die es als wichtige Aufgabe ansehen, die zerstörten Wälder wieder aufzuforsten.

In jeder Generation der Nachkommen von René Sel und Charles Duquet gibt es Veränderungen. Annie Proulx hat sich eine Fülle von Episoden ausgedacht, darunter brutale Gewalttaten, aber auch skurrile Szenen, etwa wenn sich beim Tod der von Bernard Duquet aus Skandinavien mitgebrachten und geheirateten Birgit herausstellt, dass es sich um einen Mann handelt. Fragen zur Identität quälen vor allem Tonny Sel, den Sohn des Mischlings Kuntaw Sel und der Mi’kmaq Malaan. Zu seinem Vater sagt er:

„Ich gehöre nicht hierher. Ich gehöre nicht nach Mi’kma’ki – Nova Scotia, wie sie es jetzt nennen. Ich bin allen fremd, Engländern, Mi’kmaq, Franzosen, Amerikanern. Ich gehöre nirgends hin.“

Dass das Familienepos „Aus hartem Holz“ 320 Jahre überspannt, bedeutet auch, dass sich die Stammbäume der beiden Immigranten René Sel und Charles Duquet immer weiter verzweigen. Bereits im ersten der zehn Kapitel treten mehr als 20 Figuren auf. Es ist kaum möglich, während der Lektüre einen Überblick über die verwandtschaftlichen Beziehungen zu behalten. Da wäre ein Personenverzeichnis hilfreich, aber das gibt es in „Aus hartem Holz“ leider nicht.

Mehr noch als Annie Proulx‘ überbordende Fabulierlaune beeindruckt der stupende Kenntnisreichtum, der es ihr ermöglicht, konkret und en detail – also lebendig – zu erzählen.

„Aus hartem Holz“ ist Annie Proulxs fünfter Roman, und sie hat sich in diesem Buch ein gigantisches Programm vorgenommen. Mehr als drei Jahrhunderte nordamerikanischer Natur- und Menschen-, Rassen-, Fortschritts- und Geschäftsgeschichte will sie anhand des Schicksals der nordamerikanischen Wälder, ihrer Bewohner und Zerstörer lebendig machen; geschäftsbedingte Nebenschauplätze sind China, England, Holland, Australien und Neuseeland. (Frauke Meyer-Gosau, Süddeutsche Zeitung, 20. Juli 2017)

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2017
Textauszüge: © Luchterhand Literaturverlag

Annie Proulx: Schiffsmeldungen (Verfilmung)
Annie Proulx: Brokeback Mountain (Verfilmung)
Annie Proulx: Mitten in Amerika
Annie Proulx: Aus hartem Holz

Rafik Schami - Die Sehnsucht der Schwalbe
Der Roman "Die Sehnsucht der Schwalbe" besteht aus einzelnen Geschichten, die in ihrer Linearität und einfachen, ruhigen Sprache so klingen, als würde ein orientalischer Märchenerzähler sie mündlich vortragen.
Die Sehnsucht der Schwalbe