Heimat. Eine deutsche Chronik

Heimat. Eine deutsche Chronik

Heimat. Eine deutsche Chronik

Originaltitel: Heimat - Regie: Edgar Reitz - Drehbuch: Edgar Reitz und Peter F. Steinbach - Kamera: Gernot Roll - Schnitt: Heidi Handorf - Musik: Nicos Mamangakis - Darsteller: Marita Breuer, Michael Lesch, Gertrud Bredel, Willi Burger, Rüdiger Weigang, Karin Rasenack, Eva Maria Bayerwaltes, Jörg Hube, Johannes Metzdorf, Sabine Wagner, Dieter Schad, Jörg Richter, Gudrun Landgrebe, Mathias Kniesbeck, Michael Kausch u.a. - 1984; 15¾ Stunden

Inhaltsangabe

Die in dem fiktiven Hunsrück-Ort Schabbach beheimatete Familie Simon erlebt zwischen 1919 und 1982 das Ende des Ersten Weltkriegs, das Aufkommen der Nationalsozialisten, den Zweiten Weltkrieg, die amerikanische Besatzung, das Warten auf die Kriegsgefangenen, das Wirtschaftswunder und die Umbrüche nach 1968.
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Kritik

In der Trilogie "Heimat" hat Edgar Reitz die zeitgeschichtlichen, politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland von 1919 bis 2000 auf eine Familiengeschichte heruntergebrochen und sie dadurch nachvollziehbar gemacht.
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Fernweh (1919 – 1928)

120 Minuten

Im Mai 1919 kehrt Paul Simon (Michael Lesch) aus der Gefangenschaft in Frankreich in das Hunsrück-Dorf Schabbach zurück und wird von seinen Eltern Katharina (Gertrud Bredel) und Mathias Simon (Willi Burger) sowie seinen Geschwistern Eduard (Rüdiger Weigang) und Pauline (Eva Maria Bayerswaltes) begrüßt.

Einige Jahre später verliebt er sich in die schwarzhaarige Bedienung Apollonia (Marliese Assmann), die von den Dorfbewohnern als „Zigeunerin“ beschimpft und vertrieben wird. Zufällig treffen sie und Paul Simon sich danach noch einmal in Koblenz, und sie erzählt ihm, dass sie inzwischen ein Kind von einem Franzosen hat. Paul heiratet 1922 Maria Wiegand (Marita Breuer), die Tochter eines Großbauern, und zeugt mit ihr zwei Söhne, die in den beiden folgenden Jahren geboren werden: Anton und Ernst. Seine Schwester Pauline vermählt sich mit dem Uhrmacher Robert Kröber (Arno Lang) im 35 Kilometer entfernten Simmern.

Eduard holt sich 1927 bei seinem Traum, im eiskalten Wasser des Goldbachs Gold zu finden, eine Lungenentzündung, von der er sich zeitlebens nicht mehr ganz erholt.

Im Wald stößt Paul auf die nackte Leiche einer Frau. Es handelt sich wohl um einen Mordfall, aber der Polizei gelingt es nicht, ihn aufzuklären. Kurz darauf verschwindet Paul unvermittelt.


Die Mitte der Welt (1929 – 1933)

95 Minuten

Während Maria Simon nach ihrem Mann sucht, ohne zu ahnen, dass er nach New York ausgewandert ist, lässt ihr Schwager Eduard sich wegen seiner Lungenerkrankung von Professor Ferdinand Sauerbruch in Berlin untersuchen. Eines Abends laden ihn drei junge Frauen ein, zu ihnen in die Wohnung zu kommen. Eine von ihnen – sie heißt Martina (Helga Bender) – zieht sich nackt aus und fordert ihn auf, es ihr nachzumachen: Eduard ist in ein Edelbordell geraten. Er befreundet sich mit Lucie (Karin Rasenack), der Chefin des Etablissements, und heiratet sie.

Nicht nur in der Reichshauptstadt, sondern auch im Hunsrück nimmt die Begeisterung für Adolf Hitler und die Nationalsozialisten zu. Eduard, der seine ehrgeizige Frau Lucie mit nach Schabbach gebracht hat, trägt nun eine SA-Uniform.

Katharina Simon ist das alles nicht geheuer. Als sie zu ihrem Bruder nach Bochum fährt, erlebt sie, wie ihr Neffe Fritz festgenommen und in ein Konzentrationslager gebracht wird, weil er Mitglied der KPD ist.


Weihnacht wie noch nie (1935)

60 Minuten

Lucie sorgt durch ihren guten Kontakt zum Gauleiter dafür, dass Eduard Bürgermeister des Hunsrückdorfes Rhaunen wird. Am Ortsende wohnt ein Korbmacher. Dessen Sohn Hänschen (Alexander Scholz) folgt eines Tages den neuen elektrischen Leitungen – und kommt zu einem Konzentrationslager. Einer der Wachsoldaten rät dem Einäugigen, sich im Schießen zu üben, und Hänschen folgt der Empfehlung, indem er auf die aus Porzellan gefertigten Isolatoren der neuen Stromleitungen zielt. Dabei ertappt ihn der Dorfpolizist und bringt ihn zum Bürgermeister. Eduard Simon lässt sich Hänschens Schießkünste vorführen und amüsiert sich, als dieser tatsächlich einen der Porzellanköpfe zerschießt.

Lucie Simon leiht sich Geld und lässt eine Villa mit zweiundfünfzig Fenstern errichten. Diese Villa suchen sich am Jahresende einige Reichsminister und Ministerialbeamte aus Berlin für Geheimbesprechungen aus. Lucie ist hingerissen und tut alles, um die Bonzen zu beeindrucken und für ihren Mann einzunehmen.


Reichshöhenstraße (1938)

60 Minuten

Die Arbeiter, die an der Reichshöhenstraße über den Hunsrück nach Koblenz bauen, kommen aus allen Gegenden des Deutschen Reichs, und Pauline erzählt ihrer Schwägerin Maria begeistert, dass durch die Fremden der Umsatz des Uhren- und Schmuckgeschäftes ihres Ehemanns Robert kräftig gestiegen ist.

Bei Maria, deren Ehemann noch immer fort ist, quartiert sich der Vermessungsingenieur Otto Wohlleben (Jörg Hube) ein. Anton und Ernst spielen gern mit ihm und freuen sich, wenn er ihnen Segelfliegermodelle baut. Nachdem er sich bei einem Arbeitsunfall den rechten Arm gebrochen hat, kümmert Maria sich um ihn – und dabei verlieben sich die beiden.

Die Prostituierte Martina kommt aus Berlin, um Lucie zu besuchen. Die Frau des Bürgermeisters hat alle Hände voll zu tun, um die Arbeitsdienstpflichtigen, die Martina umschwärmen, von ihrer Villa fernzuhalten.


Auf und davon und zurück (1938 – 1939)

60 Minuten

Da trifft Post von Paul Simon aus Detroit ein. Ihm gehört dort inzwischen die „Simon Electric Company“, heißt es in dem Brief, und er kündigt seinen Besuch an. Kurz bevor er eintrifft, wird Otto Wohlleben nach Trier versetzt. Maria merkt, dass sie schwanger ist. Mit Anton fährt sie nach Hamburg, um Paul vom Dampfer abzuholen, doch dem wird die Einreise verweigert, weil der Name Simon jüdisch klingt und er keinen Ariernachweis vorweisen kann. Sein Bruder Eduard und sein Schwager, der Schabbacher SS-Offizier Wilfried Wiegand (Hans-Jürgen Schatz), werden alarmiert, aber bevor sie etwas erreichen, läuft der Dampfer mit Paul an Bord wieder aus.

Im Rundfunk wird der Ausbruch des Kriegs bekannt gegeben: „Polen hat nun heute Nacht zum ersten Mal auf unserem eigenen Territorium auch durch reguläre Soldaten geschossen. Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen, und von jetzt ab wird Bombe mit Bombe vergolten.“


Heimatfront (1943)

60 Minuten

Nachdem die Schabbacher lange Zeit kaum etwas vom Krieg gemerkt haben, zerschellt 1943 auf einer nahen Wiese ein abgeschossener britischer Bomber. Kinder führen Wilfried Wiegand – der inzwischen in Schabbach das Sagen hat – zu dem Piloten, der schwer verletzt im Wald liegt. Kaltblütig erschießt ihn der SS-Offizier, behauptet aber nach seiner Rückkehr, er habe den Engländer auf der Flucht erschossen.

Maria kommt mit ihrem dritten Sohn nieder, der auf den Namen Hermann getauft wird.

Während Marias Sohn Anton bei einer Propaganda-Einheit in Russland Dienst tut, kommt seine schwangere Braut Martha (Sabine Wagner) aus Hamburg nach Schabbach, und Wiegand sorgt für eine Ferntrauung per Telefon, während Ernst Simon über Schabbach rote Nelken aus einem Sturzkampfbomber abwirft.

„Die Endlösung wird radikal und gnadenlos durchgeführt: Alle in den Schornstein!“, meint Wiegand während eines Besuchs bei Eduard. „Das darf ich Ihnen gar nicht sagen. Aber unter uns: Wir wissen es doch alle.“ Ein uniformiertes Streichquartett spielt dazu „Eine kleine Nachtmusik“ von Wolfgang Amadeus Mozart.


Die Liebe der Soldaten (1944)

60 Minuten

Anton Simons Kamera funktioniert nicht, als er hinter der Ostfront aufnehmen will, wie fünf Juden vor einem Erdaushub mit einem Maschinengewehr erschossen werden. Erst bei der nächsten Gruppe klickt die Kamera.

Otto Wohlleben, der schon lange keine Vermessungen mehr durchführt, sondern die Aufgabe erhalten hat, Blindgänger alliierter Bomben zu entschärfen, kommt noch einmal nach Schabbach, erfährt, dass er Hermanns Vater ist und verbringt die Nacht mit Maria Simon. Am Morgen wird er bei seiner Arbeit durch eine Explosion getötet.

Als die Amerikaner in Schabbach einmarschieren, vertauscht Eduard die Parteiuniform mit einem Zivilmantel, und Lucie schlüpft in das Kleid eines Dienstmädchens.


Der Amerikaner (1945 – 1947)

100 Minuten

Ein Jahr nach der deutschen Kapitulation, im Mai 1946, erscheint in Schabbach ein Amerikaner (Dieter Schad). Er lässt seinen schweren Wagen stehen und geht zum Haus der Simons, aber es ist niemand da. In der Schmiede hämmert er auf einen Amboss, und Katharina Simon, die es vom Friedhof aus hört, läuft hin und erkennt ihren Sohn Paul. Mit einem Ball und Glenn-Miller-Musik feiert Paul Simon seine Rückkehr nach Schabbach. Alle freuen sich – außer Maria, denn der Mann ist ihr fremd geworden.

Lucie klagt ihrem Schwager aus Amerika, wieviel Leid sie und ihre Familie angeblich während des Krieges durchmachen mussten. Als Bürgermeister wurde Eduard von den Amerikanern abgesetzt; er vertreibt sich jetzt mit Fotografieren die Zeit.

Während Ernst irgendwo zwielichtigen Geschäften nachgeht, wird seine Braut Klärchen Sisse von seinen Eltern aufgenommen.

Sein älterer Bruder Anton entkommt aus einem russischen Gefangenenlager, schlägt sich über den Balkan nach Hause durch und trifft dort im Mai 1947 ein.

Kurz darauf stirbt seine Großmutter Katharina Simon.


Hermännchen (1955 – 1958)

140 Minuten

Während Ernst (Michael Kausch) mit seinen hochfliegenden Plänen scheitert, gründet Anton (Mathias Kniesbeck) die „Optischen Werke Simon“. Ihr jüngerer Bruder Hermann (Jörg Richter), der in Simmern aufs Gymnasium geht, wird von Lotti (Gabriele Blum) und ihrer Freundin Klärchen (Gudrun Landgrebe) in die Liebe eingeführt. Während die Liebesnacht für Lotti nur ein Abenteuer ist, verlieben Hermann und Klärchen sich ernsthaft, doch als die wesentlich ältere Frau von dem Jugendlichen schwanger wird, lässt sie den Fetus abtreiben und setzt sich nach Koblenz ab.

Hermann begehrt gegen seinen Bruder Anton auf, der inzwischen in der Familie den Ton angibt. Mit dem Wagen Antons fährt er nach Koblenz. Klärchen zeigt ihm einen Brief, in dem Anton ihr mit gerichtlichen Schritten für den Fall droht, dass sie sich noch einmal mit Hermann trifft.


Die stolzen Jahre (1967 – 1969)

80 Minuten

Ernst Simon hat eine neue Möglichkeit entdeckt, an Geld zu kommen: Er überredet Hausbesitzer im Hunsrück, sich neue Fenster und Türen mit Aluminiumrahmen einbauen zu lassen – und verkauft die alten als Antiquitäten in Düsseldorfer Kneipen.

Zwei Manager eines internationalen Konzerns reisen nach Schabbach, und zwar mit der Absicht, Antons Unternehmen aufzukaufen, um dessen Konkurrenz auf dem Markt auszuschalten. Anton ist hin- und hergerissen und fährt zu seinem Vater, der gerade in Baden-Baden zu tun hat, um seinen Rat einzuholen. Am Ende hört er doch nicht auf Paul, sondern entscheidet sich gegen einen Verkauf des Unternehmens.

Als ein Konzert Hermanns, der erfolgreich synthetische Musik komponiert, im Rundfunk übertragen wird, sitzt ganz Schabbach vor den Radiogeräten, aber kaum jemand kann mit der ungewohnten Musik etwas anfangen. Und Maria fällt aus allen Wolken, als Hermann zwei Hippie-Mädchen mit nach Hause bringt, die er als seine beiden Freundinnen vorstellt.


Das Fest der Lebenden und der Toten (1982)

100 Minuten

Während die im Alter von zweiundachtzig Jahren verstorbene Maria Simon zu Grabe getragen wird, schickt Ernst seine Mitarbeiter zum Elternhaus, um Antiquitäten zu plündern. Anton stellt sich ihnen entschlossen in den Weg und redet seinem liederlichen Bruder ins Gewissen.

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Mit der aus insgesamt dreißig Fernsehfilmen bestehenden Trilogie „Heimat. Eine deutsche Chronik“ (1984), „Die Zweite Heimat. Chronik einer Jugend“ (1992) und „Heimat 3. Chronik einer Zeitenwende“ (2004) hat Edgar Reitz (*1932) Fernsehgeschichte geschrieben. Es ist ihm gelungen, die wichtigsten zeitgeschichtlichen, politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland von 1919 bis 2000 am Beispiel einer in dem fiktiven Hunsrück-Ort Schabbach beheimateten Familie zu veranschaulichen, sie auf die Schicksale einzelner Menschen herunterzubrechen und dadurch nachvollziehbar zu machen. Mit seiner realistischen Darstellung, seiner Sorgfalt im Detail und seiner bedächtigen Erzählweise setzte Edgar Reitz mit der „Heimat“-Trilogie auch stilistisch Maßstäbe.

Von Mai 1981 bis November 1982 wurde „Heimat“ gedreht. Als die Filmreihe vom 16. September bis 14. November 1984 erstmals im Programm der ARD ausgestrahlt wurde, saßen pro Folge etwa 10 Millionen Zuschauer vor dem Fernsehgerät.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004

Edgar Reitz: Die Zweite Heimat. Chronik einer Jugend
Edgar Reitz: Heimat 3. Chronik einer Zeitenwende

Sabine Rückert - Unrecht im Namen des Volkes
Akribisch analysiert die angesehene Gerichtsreporterin Sabine Rückert in ihrem Buch "Unrecht im Namen des Volkes" den Fall und zeigt auf, wie Fehlurteile und Justizirrtümer zustande kommen.
Unrecht im Namen des Volkes