La Grande Bellezza

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La Grande Bellezza. Die große Schönheit – Originaltitel: La grande bellezza – Regie: Paolo Sorrentino – Drehbuch: Paolo Sorrentino, Umberto Contarelli – Kamera: – Schnitt: Cristiano Travaglioli – Musik: Lele Marchitelli – Darsteller: Toni Servillo, Carlo Verdone, Sabrina Ferilli, Galatea Ranzi, Fanny Ardant u.a. – 2013; Luca Bigazzi 140 Minuten

Inhaltsangabe

Ein paar Tage und Nächte lang begleiten wir den 65 Jahre alten Salonlöwen Jep Gambardella zu Abendgesellschaften der High Society in Rom. Jep genießt das süße Leben und toleriert alle so, wie sie sind. Aber mit zunehmendem Alter fällt es ihm schwerer, über die Leere, die hohlen Phrasen und das eitle Geschwätz hinter den glamourösen Fassaden der Schönen und Reichen hinwegzusehen. Jep gehört zwar selbst dazu, behält jedoch genügend Distanz, um sich und die anderen ironisch oder sogar zynisch sehen zu können ...
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Kritik

In der melancholischen Gesellschaftssatire "La Grande Bellezza. Die große Schönheit" hält Paolo Sorrentino der Elite der römischen Gesellschaft nach Fellinis Vorbild einen Spiegel vor und entlarvt ihre Dekadenz.
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Jep Gambardella (Toni Servillo) ist Mitte 60. Als 26-Jähriger war er nach Rom gekommen. Damals veröffentlichte er einen Roman, der ihn berühmt machte. Aber es blieb bei einem einzigen Buch, denn er weiß nicht, worüber es sich zu schreiben lohnen würde. Er habe vergeblich nach der großen Schönheit gesucht, erklärt er einer Verehrerin. Statt als Schriftsteller arbeitet er hin und wieder als Journalist und führt Interviews mit anderen Prominenten. Die meiste Zeit verbringt er mit Schönen und Reichen auf Partys. Der Salonlöwe ist bei allen Veranstaltungen der High Society willkommen und feiert auch selbst rauschende Feste auf seiner Dachterrasse mit Blick aufs Kolosseum. An schönen Frauen, die mit ihm schlafen, mangelt es ihm nicht. Der Hedonist Jep genießt das süße Leben und toleriert alle so, wie sie sind. Aber mit zunehmendem Alter fällt es ihm schwerer, über die Hohlheit und Dekadenz dieses Treibens hinwegzusehen. Jep gehört zwar selbst dazu, behält jedoch genügend Distanz, um sich und die anderen ironisch oder sogar zynisch sehen zu können.

Als er eine Frau namens Orietta (Isabella Ferrari) von einer Party nach Hause bringt, fragt er sie vor ihrem Palazzo, was sie so mache, und sie antwortet: „Reich sein.“ Das sei eine gute Arbeit, meint er.

Nachdem die 53-jährige Schriftstellerin Stefania (Galatea Ranzi) bei einer Abendgesellschaft mit ihren elf Romanen, ihrem sozialen Engagement und ihrer Selbstaufopferung geprahlt hat, zerpflückt Jep ihre Lebenslügen. Den anderen Gästen ist das peinlich, aber niemand greift ein. Als Jep seinen Monolog beendet, steht Stefania wortlos auf und geht. Ein paar Tage später begegnen sich Jep und Stefania bei einer Gartenparty und wiegen sich engumschlungen zur Musik.

Jeps Freund Arturo (Vernon Dobtcheff) übt am Tag vor seinem Auftritt als Magier das Wegzaubern einer Giraffe. Ob er nicht auch ihn verschwinden lassen könne, fragt Jep, aber Arturo weist darauf hin, dass er keine übernatürlichen Kräfte besitze. Es handele sich um einen Trick, erklärt er.

Alfredo (Luciano Virgilio), ein anderer Freund Jeps, trauert um seine verstorbene Frau. Aus einem hinterlassenen Tagebuch erfuhr er, dass Delisa in all den 35 Ehejahren nicht ihn, sondern Jep liebte, mit dem sie vor der Ehe eine Beziehung gehabt hatte. Alfredo ist tief getroffen, und es tröstet ihn auch nicht, dass Jep ihm versichert, ihn nie mit Delisa betrogen zu haben. Was er nun tun wolle, fragt Jep ihn, und Alfredo sagt traurig: „In Bewunderung meiner Frau weiterleben wie bisher.“ Aber bald darauf stellt er Jep eine neue Lebensgefährtin vor. Sie heißt Polina (Agata Malyszko).

Ramona (Sabrina Ferilli), die erwachsene Tochter eines anderen Freundes, arbeitet als Stripperin im Nachtklub ihres Vaters. Nachdem sie Jep kennengelernt hat, verbringt sie einige Tage und Nächte mit ihm. Sie besuchen beispielsweise eine Performance, bei der Carmelina (Francesca Amodio), die Tochter eines Galeristen, Farbe auf eine riesige Leinwand schüttet und mit ihren Händen verschmiert. Als sie Stefano (Giorgio Pasotti) begegnen, einem gehbehinderten jungen Mann, fragt Jep ihn, ob er seinen Koffer bei sich habe. Darin bewahrt Stefano die Schlüssel zu einem Dutzend Palazzi auf. Er führt Jep und Ramona in einige davon hinein und zeigt ihnen die Gemälde und Skulpturen darin.

Nachdem Ramona von ihrer ersten sexuellen Erfahrung erzählt hat, erinnert Jep sich an seine: Er stand mit dem Mädchen am Kai. Als er sie zu küssen versuchte, drehte sie den Kopf weg. Dann trat sie einen Schritt zurück, öffnete ihre Bluse und zeigte ihm ihre Brüste – bevor sie sich umdrehte und wegging.

Vor der Teilnahme an einer Trauerfeier erklärt Jep seiner Begleiterin Ramona, was er tun werde, um die größtmögliche Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Und dann macht er in der Kirche genau das, was er angekündigt hat: Erst als endlich alle in ihren Bänken sitzen, steht er auf, geht nach vorne zur Witwe, flüstert ihr ins Ohr, dass sie auf ihn zählen könne und hält dann auf dem Weg zurück zu seinem Platz im Mittelgang inne, als ob ihn ein schmerzlicher Gedanken an den Toten überwältigen würde.

Der erfolglose Schriftsteller Romano (Carlo Verdone), der ebenfalls zu Jeps Freundeskreis zählt, bereitet sich eifrig auf eine Dichterlesung vor und erntet dafür auch tatsächlich Beifall. Aber danach verabschiedet er sich von Jep, denn er ist von Rom enttäuscht und wird die Stadt nach 40 Jahren verlassen.

Ein verarmtes Grafenpaar (Franco Graziosi, Sonia Gessner) lässt sich gegen Bezahlung zu Abendgesellschaften einladen.

Ein Arzt spritzt seinen Patienten wie am Fließband Botox.

Erst als der Maßanzüge tragende Nachbar Giulio Moneta von der Polizei in Handschellen abgeführt wird, erfährt Jep, dass es sich um einen der meistgesuchten Gangster handelt.

Eine 104 Jahre alte, wie eine Heilige verehrte Nonne namens Maria (Giusi Merli) kommt nach Italien. Während ihres Aufenthalts in Rom übernachtet sie zwar nicht in einem Kloster, sondern in einem teuren Hotel, schläft jedoch auf dem Fußboden. Jeps kleinwüchsige Verlegerin Dadina (Giovanna Vignola) lädt die berühmte Nonne zu einem Abendessen bei dem Journalisten ein. Statt der Greisin redet nur deren Assistent (Dario Cantarelli), und als Ramona die alte Frau auffordert, doch selbst einmal etwas zu sagen, meint sie mit brüchiger Stimme: „Man kann nicht über Armut reden, man muss sie leben.“ Kardinal Belucci (Roberto Herlitzka), der mit am Tisch sitzt, beginnt immer wieder zu erzählen, wie er verschiedene Feinschmeckergerichte zubereitet – und bricht dann jedes Mal enttäuscht ab, weil ihm niemand zuhört.

Während des Essens verschwindet Maria, und als Jep dann in sein Schlafzimmer kommt, liegt sie dort auf dem Fußboden und schläft.

Am nächsten Tag lässt sich ein Schwarm Flamingos in Rom nieder und ruht sich vor dem Weiterflug kurz aus.

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In der melancholischen Gesellschaftssatire „La Grande Bellezza. Die große Schönheit“ von Paolo Sorrentino begleiten wir den 65 Jahre alten Schriftsteller und Journalisten, Hedonisten und Zyniker Jep Gambardella ein paar Tage lang zu Abendgesellschaften der High Society in Rom. Wie Federico Fellini in „Das süße Leben“ und in „Roma“ hält Paolo Sorrentino der Elite der römischen Gesellschaft einen Spiegel vor. Vor dem Hintergrund malerischer Bilder der Ewigen Stadt zeigt er die Hohlheit der Phrasen, die Dekadenz, das eitle Geschwätz der Reichen und Schönen, die Leere hinter den glamourösen Fassaden. Implizit geht es in „La Grande Bellezza. Die große Schönheit“ auch um die Sinnlosigkeit des Lebens.

Das Pendent zur Modenschau für kirchliche Würdenträger in „Roma“ sind hier eine satirische Kopie der Mutter Teresa und ein Kardinal, der nichts anderes als gutes Essen im Kopf hat. Federico Fellini lässt Zwerge auftreten; in „La Grande Bellezza. Die große Schönheit“ gibt es immerhin eine kleinwüchsige Verlegerin.

So wie „Roma“ aus einem Reigen von Episoden komponiert ist, besteht „La Grande Bellezza. Die große Schönheit“ aus einer Abfolge von Miniaturen, von denen die meisten durch die Figur des Jep Gambardella verbunden sind.

Der Film beginnt auf dem Gianicolo. Während in der Fontana dell’Acqua Paola ein Chor engelhaft singt, führt ein Reiseleiter eine Gruppe japanischer Touristen herum, bis einer von ihnen in der Hitze kollabiert.

Die Kamera ist fortwährend in Bewegung; sie fährt, schwenkt und zoomt. In der erwähnten Eingangsszene zeigt sie abwechselnd den Chor und die Touristen, mal von vorn, mal von der Seite, mal von oben. Auch danach wechseln die Bilder noch häufiger als die Episoden.

Da prallen Gegensätze aufeinander. Diese Heterogenität spiegelt sich auch in der Musikuntermalung.

Musikstücke, die in „La Grande Bellezza. Die große Schönheit“ zu hören sind:

  • David Lang: „I Lie“, „World to Come IV“
  • Franco Bracardi, Christophe le Friant, Daniele Pace: „Far l’amore“
  • Matt Fitzgerald, Pete Kelly, Tom Schutzinger, Ben Ely: „More Than Scarlet“
  • F. Attanasio, Ricky Nanni, Lorenzo Confetta, S. Attanasio, G. Attanasio: „Mueve la colita“
  • Arvo Pärt: „My Heart Is in the Highlands“
  • J. Peña Suazo: „Que no se acabe el mambo“
  • John Tavener, William Blake: „The Lamb“
  • Andreas Berthling, Tomas Hallonsten, Johan Berthling: „Parade“
  • Henryk Mikolaj Górecki: Sinfonie Nr. 3, op. 36
  • The Scroggins Sisters: „Moody“
  • Gui Boratto: „Take My Breath Away“
  • Vladimir Martynov: „The Beatitudes“
  • Maurizio Fabrizio, Antonello Venditti: „Forever“
  • Julius Steffaro, Jack Trombey: „Pancho“
  • Annie Lennox, David A. Stewart: „There Must Be an Angel“
  • Christian Frederickson, Rachel Grimes, Jason Noble: „Water From the Same Source“
  • Georges Bizet: Sinfonie in C-Dur
  • Zbigniew Preisner: „Dies Irae“
  • Damien Jurado: „Everything Trying“
  • Christian Bouyjou, Chloé Fabre, Radha Valli: „Discoteca“
  • Renato Carosone, Nicola Salerno, Matthew Handley, Duncan MacLennan, Andrew Stanley: „We No Speak Americano“
  • Bruno Lauzi: „Ti ruberò“
  • Magister Perotinus: „Beata Viscera“
  • Francis Poulenc: Trois mouvements perpétuels, op. 14

Paolo Sorrentino wurde für „La Grande Bellezza. Die große Schönheit“ 2014 mit dem „Auslands-Oscar“ ausgezeichnet.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2014

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