Sybille Bedford


Sybille Bedford wurde unter dem Namen Sybille Aleid Elsa von Schoenebeck am 16. März 1911 in Berlin-Charlottenburg geboren.

Ihr Vater, der versponnene badische Baron Maximilian von Schoenebeck, hatte nach dem Tod seiner ersten Ehefrau noch einmal geheiratet. Sybilles Mutter, Elizabeth Bernard, stammte aus einer steinreichen jüdisch-deutsch-englischen Familie in Berlin. Vor der Begegnung mit Maximilian von Schoenebeck in Paris hatte sie eine Liebesaffäre mit einem verheirateten Künstler gehabt, der jedoch durch Selbstmorddrohungen seiner Frau gezwungen worden war, sich von ihr zu trennen. Um Maximilian von Schoenebecks Frau werden zu können, konvertierte sie zur katholischen Kirche.

Ende 1907 – als die beiden bereits verlobt waren – wurde ein älterer Bruder Maximilians, der siebenundvierzigjährige Regimentskommandeur Gustav von Schoenebeck, in Ostpreußen vom Liebhaber seiner Frau, einem Hauptmann seiner Einheit, erschossen. Während der Mörder in der Gefängniszelle Selbstmord beging, wurde seine Geliebte als Mittäterin zum Tod verurteilt.

Sybille wuchs mit ihrer sehr viel älteren Halbschwester Maximiliane Henriette („Jacko“) in einem von ihrer Mutter erworbenen schlossähnlichen Herrenhaus mit Park in Feldkirch (heute: Hartheim) bei Freiburg im Breisgau auf.

Elizabeth von Schoenebeck war ihrem Ehemann nicht lange treu. Bald stand von der Ehe nur noch die Fassade. Eines Tages reiste sie ab und kehrte nicht mehr zurück. 1918 ließen sich Elizabeth und Maximilian von Schoenebeck scheiden. Elizabeth überließ ihrem Mann das Herrenhaus und ihre Tochter Sybille. Weil Maximilian von Schoenebeck nun zwar eine wertvolle Immobilie und eine im Lauf der Jahre zusammengetragene Sammlung von Kunstgegenständen, aber kein Geld besaß, musste er fast das gesamte Personal entlassen und die meisten Räume abschließen. Um den Lebensunterhalt für sich und seine beiden Töchter bestreiten zu können und eine Grundlage für einen Tauschhandel zu schaffen, baute der Feinschmecker und Weinkenner nicht nur Kartoffeln an, sondern hielt auch Schafe und Schweine. Wenn er dennoch Geld benötigte, etwa um die Stromrechnung bezahlen zu können, fuhr er mit Objekten aus seiner Sammlung nach Freiburg oder Basel und verkaufte sie.

Maximiliane Henriette von Schoenebeck heiratete mit achtzehn einen sehr viel älteren Mann und zog zu ihm nach Wiesbaden.

Sybille von Schoenebeck kam mit acht oder neun Jahren als Tagesschülerin zu den Ursulinerinnen in Freiburg. Jeden Morgen fuhr sie mit dem Fahrrad zur Bahnstation und von dort mit dem Zug in die zwanzig Kilometer entfernte Stadt. Zur Überraschung der Lehrerin stellte sich heraus, dass Sybille weder lesen noch schreiben gelernt hatte. Das wurde nun mit zusätzlichem Einzelunterricht nachgeholt. Sybille blieb allerdings nach einigen Monaten wieder zu Hause und ging schließlich in die Dorfschule statt zu den Ursulinerinnen in Freiburg, doch als sie Läuse bekam, endete auch dieser Versuch. „Was ich an Wissen besaß, hatte ich aufgeschnappt oder mir angelesen“, konstatierte Sybille Bedford später in ihrem Buch „Treibsand“ (Seite 58).

Bald darauf starb der asthmakranke Vater nach einer Blinddarmoperation.

Elizabeth, die inzwischen einen sehr viel jüngeren Architekturstudenten und Sohn eines italienischen Professors als Lebensgefährten hatte, rief ihre Tochter zu sich nach Italien. Sie reisten zusammen von Meran nach Cortina d’Ampezzo, dann über Neapel nach Palermo.

Maximilian von Schoenebeck hatte in seinem Testament verfügt, dass seine beiden Töchter das Herrenhaus und die Sammlung zu gleichen Teilen erbten. Da er jedoch angeordnet hatte, dass die Sammlung nicht aufgelöst werden durfte und es sich herausstellte, dass Steuern nachgezahlt werden mussten, zog sich die Erbschaftsregelung hin. Zugleich erkundigten sich die deutschen Behörden nach Sybilles Schulbildung und bestanden darauf, dass für sie ein Deutscher als Vormund bestellt wurde. Sybilles Schwager erklärt sich bereit, die Funktion zu übernehmen, aber als seine Frau ihn und ihre kleine Tochter verließ, zog er sein Einverständnis zurück.

Daraufhin hielt Elizabeth es für das Beste, Sybille nach England zu schicken, denn dort konnte sie auch die englische Sprache erlernen. Sie schrieb einem Paar, das sie auf ihren Reisen kennen gelernt hatte. Jack und Suzan Robbins erklärten sich einverstanden; Sybille reiste zu ihnen nach London, und die Vermögensverwalter wurden angewiesen, regelmäßig Geld hinzuschicken. Auch in London besuchte Sybille keine Schule, sondern ließ sich von einem Privatlehrer unterrichten.

In den Zwanzigerjahren reiste Sybille mehrmals zwischen England und Italien hin und her. Dann zog sie zu ihrer Mutter Elizabeth und ihrem Stiefvater Alessandro nach Sanary-sur-Mer zwischen Toulon und Marseille, dem Treffpunkt vieler Kulturschaffender, die dem Faschismus in Italien oder dem Nationalsozialismus in Deutschland entflohen. Mit dem zehn Jahre älteren südafrikanischen Dichter Roy Campbell zusammen besuchte die neunzehnjährige Sybille von Schoenebeck ihr Schriftsteller-Idol Aldous Huxley und dessen Ehefrau Maria. Das war der Beginn einer lebenslangen Freundschaft. Drei Jahre später befreundete sich Sybille auch mit Erika und Klaus Mann.

Ihre Mutter wurde in Sanary-sur-Mer morphiumsüchtig. Ein nicht besonders gut beleumdeter Arzt verschrieb ihr die Droge, aber der örtliche Apotheker weigerte sich nach einiger Zeit, die Rezepte anzunehmen. Sybille musste nach Bandol, La Ciotat oder Toulon fahren, um Morphium zu besorgen, und schließlich kaufte sie es in zwielichtigen Bars.

1933 veröffentlichte Klaus Mann in der von ihm herausgegebenen literarischen Monatsschrift „Die Sammlung“ einen Artikel Sybilles gegen das NS-Regime. Daraufhin wurden ihre Bankkonten im Deutschen Reich eingefroren.

Mit einer Verlängerung ihres deutschen Passes konnte sie nun nicht mehr rechnen, und wegen ihrer jüdischen Abstammung musste sie sich ohnehin vor den Nationalsozialisten in Acht nehmen [Judenverfolgung]. Ohne einen gültigen Pass lief sie allerdings in Italien Gefahr, nach Deutschland abgeschoben zu werden. Erika Mann heiratete nach ihrer Ausbürgerung am 15. Juni 1935 zum Schein einen homosexuellen, antifaschistischen Engländer, um einen britischen Pass zu bekommen. Das wollte auch Sybille von Schoenebeck, und die Huxleys halfen ihr dabei. Der Offizier Walter („Terry“) Bedford war bereit, die Scheinehe mit ihr zu schließen. Sybille reiste 1935 mit ihrem väterlichen Freund Pierre Mimerel nach London und bestellte zusammen mit Terry Bedford das Aufgebot. Kurz darauf tauchte bei ihr im Hotel ein Beamter der Einwanderungsbehörde auf, der offenbar einem Hinweis des Standesamtes nachging und Sybille den Pass abnahm. Etwas verzögert konnte die standesamtliche Eheschließung dann doch noch erfolgen, und obwohl es sich um eine mariage blanc handelte, nahm Sybille den Nachnamen Bedford an. Zur Hochzeitsparty kam übrigens auch Virgina Woolf („Mrs Dalloway“).

1940, bevor die Deutschen in Frankreich einmarschierten, emigrierte Sybille Bedford nach Kalifornien, wo Maria und Aldous Huxley seit 1937 lebten. Nach dem Zweiten Weltkrieg bereiste Sybille Bedford ein Jahr lang mit ihrer Freundin Esther Murphy Mexiko. Dann kehrte sie nach Europa zurück. Damit sie ihre Reiseeindrücke in einem Buch verarbeiten konnte, unterstützte ihre Freundin Allanah Harper sie drei Jahre lang finanziell, obwohl sie sich selbst einschränken musste. 1949 begann Sybille Bedford zu schreiben (in englischer Sprache), zunächst auf Ischia, dann in Capri und in Rom. Das Buch erschien 1953 („Zu Besuch bei Don Octavio“). Drei Jahre später debütierte Sybille Bedford mit einem Roman („Ein Vermächtnis“).

Nach Liebesverhältnissen beispielsweise mit der Amerikanerin Evelyn Glendel in den Vierziger- und der amerikanischen Kriegsreporterin Martha Gellhorn (1908 – 1998) in den Fünfzigerjahren war Sybille Bedford rund zwanzig Jahre lang die Lebensgefährtin der amerikanischen Schriftstellerin Eda Lord. Während sie seit ihrer Rückkehr aus Amerika abwechselnd in Italien, Frankreich, England und Portugal gelebt hatte, ließ Sybille Bedford sich 1979 in London nieder. Dort starb sie am 17. Februar 2006, einen Monat vor ihrem 95. Geburtstag.

Sybille Bedford: Bibliografie

  • The Sudden View. A Mexican Journey (1953; Zu Besuch bei Don Octavio)
  • A Legacy (1956; Das Legat / Ein Vermächtnis)
  • The Best We Can Do (1958; Der Fall John Bodkin Adams)
  • The Faces of Justice. A Traveller’s Report (1961; Fünf Gesichter der Gerechtigkeit. Justiz in England, Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich)
  • A Favourite of the Gods (1963; Ein Liebling der Götter)
  • A Compass Error (1968; Kursabweichung / Ein trügerischer Sommer)
  • Aldous Huxley. A biography (1973)
  • Jigsaw. An Unsentimental Education (1989; Zeitschatten. Ein biografischer Roman)
  • Pleasures and Landscapes. A Traveller’s Tales from Europe (2003; Am liebsten nach Süden. Unterwegs in Europa)
  • Quicksands. A Memoir (2005; Treibsand. Erinnerungen einer Europäerin)

© Dieter Wunderlich 2008

Sybille Bedford: Ein Vermächtnis
Sybille Bedford: Treibsand

Peter Prange - Das Bernstein-Amulett
Peter Prange versteht es, in "Das Bernstein-Amulett" eine in historische Zusammenhänge eingebettete komplexe Geschichte ergreifend und mitreißend zu gestalten.
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