Birgit Vanderbeke : Das lässt sich ändern

Das lässt sich ändern
Das lässt sich ändern Originalausgabe: Piper Verlag, München 2011 ISBN: 978-3-492-05456-0, 147 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Eine Linguistik-Studentin in Frankfurt, deren Namen wir nicht erfahren, wählt zum Entsetzen ihrer Eltern, die jedes Jahr zu den Bayreuther Festspielen fahren, den Schreinerlehrling Adam Czupek als Lebensgefährten. Nach der Geburt des zweiten Kindes wird ihr der Mietvertrag gekündigt. Daraufhin zieht die Familie bei der Psychotherapeutin Fritzi Ott ein, die gerade ein Haus in der Provinz geerbt hat, das Adam nun renoviert. Schließlich tun sie sich mit anderen zusammen und betreiben eine alternative Landwirtschaft ...
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Kritik

"Das lässt sich ändern" ist ein optimistischer, kurzweiliger Aussteigerroman und eine Satire auf das Bildungsbürgertum. Birgit Vanderbeke erzählt flott, heiter und zuversichtlich.
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Die Erzählerin, eine Tochter aus gutem Hause, deren Namen wir nicht erfahren, studiert in Frankfurt Linguistik. Sie verliebt sich in den ein paar Jahre jüngeren Adam Czupek, der gerade eine Schreinerlehre angefangen hat und mit einem seiner Brüder in der Garage seines für die siebenköpfige Familie zu kleinen Elternhauses wohnt. Sein Vater sortiert seit 30 Jahren als kleiner Beamter bei der Bundesbank Falschgeld und beschädigte Banknoten aus. Die Mutter wird jedes Jahr zwei- oder dreimal in der Psychiatrie behandelt.

Adam war schon immer draußen. […] und ich hatte keine Ahnung, dass ich drinnen gewesen war, bis ich Adam begegnete.

Schließlich stellt die Studentin ihren 20 Jahre alten Freund den Eltern vor, die Hausangestellte beschäftigen und jedes Jahr zu den Bayreuther Festspielen fahren.

Adam roch nach Werkstatt, nach Holz, nach Metall und nach Arbeit. Er hatte schon damals Hände, an denen der Dreck festgewachsen war; das war mit Seife nicht abzukriegen.

Der Vater überlässt der Mutter die Inquisition. Als sie damit fertig ist, holt sie den zerbrochenen Rahmen eines Aquarells und fragt Adam, ob er so freundlich wäre, sich das anzuschauen. Nachdem Adam den teuren Rahmen repariert hat und das Bild wieder an der Wand hängt, sagt sie zu ihrer Tochter: „Das können sie, solche Leute.“

Als seine Freundin schwanger ist, fragt Adam seinen Meister, ob er am Tag der Geburt einen Tag Urlaub nehmen könne. Damit trifft er auf Unverständnis. Der Lehrherr meint, er habe die Schreinerei auch nicht zugesperrt, bloß weil seine Frau ein Kind bekam.

Wie befürchtet, wird Adam nach der Lehre nicht übernommen. Er lässt sich von einer Zeitarbeitsfirma einstellen und arbeitet nebenher schwarz. Kurz nachdem er bei seiner Lebensgefährtin eingezogen ist, will sie wegen eines verstopften Abflusses einen Klempner rufen. Adam schaut sie entgeistert an. Er macht das selbst wie alle anderen handwerklichen Arbeiten auch.

Auf den Sohn Anatol folgt bald die Tochter Magali. Als das Mädchen acht Wochen alt ist, kündigt der Hausherr den Mietvertrag mit der Begründung, die Mieterin habe einen Mitbewohner nicht ordnungsgemäß angemeldet. Offenbar hat einer der Nachbarn sich darüber beschwert.

Kurz darauf trifft sie zufällig Fritzi Ott, die sie während des Studiums kennengelernt hatte. Fritzi studierte Psychologie und fuhr Taxi, um das Studium zu finanzieren. Die beiden Frauen verloren sich aus den Augen, als Fritzi wegen eines verheirateten und doppelt so alten Mannes nach Paris zog. Kürzlich erbte sie das Haus einer Patentante in dem Provinznest Ilmenstett. Sobald es renoviert ist, will sie dort einziehen und eine Praxis als Psychotherapeutin eröffnen.

Nachdem Fritzi Adam wegen der erforderlichen Renovierungen um Rat gefragt hat, gibt sie ihren Plan auf, Firmen mit den Arbeiten zu beauftragen und Bankkredite aufzunehmen, um die Rechnungen bezahlen zu können. Stattdessen ziehen sie zu dritt in das Haus. Fritzi richtet sich behelfsmäßig im Obergeschoss ein und überlässt Adam, seiner Frau und den beiden Kindern das Parterre. Dafür übernimmt er die Renovierungsarbeiten. Fritzi stellt sich in den Arztpraxen als Psychotherapeutin vor, und ihre Freundin wird als Logopädin tätig.

Das Haus steht neben einem Bauernhof. Der etwa 60 Jahre alte Bauer Holzapfel ist seit drei Jahren Witwer. Weil sein Sohn in der Stadt lebt und sich nicht für den Hof interessiert, beabsichtigt Holzapfel, alles zu verkaufen. Obwohl Adam mit der Renovierung von Fritzis Haus viel zu tun hat, hilft er dem Nachbarn zum Beispiel bei der Reparatur von Geräten. Und er überredet ihn, eine Pferdepension zu eröffnen. Dafür baut er ihm Pferdeboxen. Die stehen nicht lange leer, denn die Nachfrage ist groß. Am Wochenende kommen die Pferdebesitzer mit Jeeps und Geländewagen aus der Stadt, um auszureiten.

Der Bauer hat kein Geld um Adam zu bezahlen, und der erwartet auch gar nichts. Doch eines Tages kündigt Holzapfel an, er werde Adam die Streuobstwiese zwischen dem Haus und dem Bauernhof überschreiben.

Vom Verkauf des Hofes redet er nicht mehr. Adam bringt ihn dazu, wieder Hühner zu züchten. Der Bauer verabscheut die gerupften Eisklumpen, die es im Supermarkt zu kaufen gibt. Er lässt sich aus Süddeutschland 60 befruchtete Eier einer alten Hühnerrasse schicken und setzt sie in die von Adam reparierte Brutmaschine. Anatol und Magali schauen zu, wie die Küken schlüpfen. Bald kann Holzapfel frische Eier anbieten. Freitags kommt Herr Özyilmaz vorbei und schächtet Hühner. Daraus kocht er in seiner Imbissbude in der Altstadt eine Suppe.

Nach einiger Zeit greift jedoch der „Ilmenstetter Bote“ Gerüchte über das illegale Schächten von Hühnern auf, mutmaßt, dass auch Ziegen und Schafen die Hälse durchgeschnitten werden und fragt: „Wollen wir Döner essen, die mit dem Fleisch von geschändeten Tieren zubereitet wurden?“ Daraufhin prüfen Lebensmittelkontrolleure den Bauernhof, aber sie beanstanden nichts.

Bei Fritzi zieht Massimo Centofante ein. Er hatte Antivirenprogramme für IBM entwickelt und viel Geld verdient, stieg dann aus und eröffnete in Ilmenstett eine Galerie. Der Italiener zeigt Fritzi, dem Bauern Holzapfel und Adams Familie, dass Essen ein Ereignis sein kann. Es gibt Antipasti, Minestrone, Pollo alla cacciatora und Panna cotta. Ein anderes Mal überredet Massimo den Bauern, im Schlachthof ein ganzes Lamm zu kaufen, und das wird auf der Streuobstwiese an einem von Adam gebastelten Drehspieß gegart. Mechoui heißt das Festtagsgericht.

Anatol gilt in der Schule als Problemkind. Er sei hyperaktiv, heißt es. Holzapfel meint, früher habe man über ein Kind wie Anatol gesagt, es sei aufgeweckt. Anatols Freund Bora Özyilmaz wird von Mitschülern als Ziegenfresser beschimpft und gemobbt. Weil er sich wehrt und deshalb häufig in Prügeleien verwickelt ist, bestellt der Klassenlehrer Leienbecker seine Mutter ein. Jemand wirft die Scheiben der Imbissbude ein.

Schließlich kommt Adam auf die Idee, eine Jurte zu bauen. Den dafür erforderlichen Filz bekommt er mit Hilfe von Herrn Özyilmaz aus Afyon in der Türkei geliefert. Die Bezahlung erfolgt nicht per Banküberweisung, sondern Özyilmaz geht mit Adam zu dem türkischen Frisör Altan. Nachdem die drei Männer Tee getrunken haben, gibt Adam dem Frisör das Geld. Altan ruft in Afyon an und übermittelt die Höhe des Betrags und ein Passwort, das Özyilmaz aufgeschrieben hat. Damit ist sichergestellt, dass der Filzlieferant, der das Passwort kennt, den Kaufpreis in Afyon ausbezahlt bekommt. Hawala nennt sich das.

Holzapfel, seine Nachbarn, Familie Özyilmaz und ein paar andere Leute aus Ilmenstett wie die Familie Wegener, deren Gärtnerei sich nicht gegen einen Baumarkt behaupten kann, tun sich zusammen. Sie züchten Kaninchen, Schafe und Ziegen, stellen Käse her, bauen Corbarino-Tomaten und anderes Gemüse an, betätigen sich als Imker und Schnapsbrenner. Dass sie als „Öko-Spinner auf der Streuobstwiese“ verspottet werden, stört sie nicht. Ärgerlicher sind Anzeigen wegen Schwarz- und Kinderarbeit, fehlenden Zulassungen, Verstößen gegen europäische Normen, Hygiene- und Sicherheitsvorschriften. Aber die Bewegung breitet sich aus, und selbst im Ausland entstehen ähnliche Einrichtungen.

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„Das lässt sich ändern“ ist ein optimistischer Aussteigerroman und eine Satire auf das Bildungsbürgertum. Brigit Vanderbeke kritisiert Materialismus und Karrieredenken, Standesdünkel und Ausländerfeindlichkeit. Sie plädiert für die Besinnung auf die einfachen Dinge des Lebens, Liebe, Freundschaft und Solidarität. Adam Czupek ist ihr allerdings zu sehr zum umweltbewussten Gutmenschen geraten; bei ihm lassen sich weder menschliche Schwächen noch Charaktermängel entdecken. Dementsprechend wirkt die in den späten Achtzigerjahren beginnende und um 2000 endende Geschichte ein wenig idyllisch, schlicht und klischeehaft.

Erzählt wird sie in der Ich-Form von einer Frau, deren Namen wir nicht erfahren, und zwar flott, heiter und zuversichtlich. „Das lässt sich ändern“ ist eine kurzweilige Lektüre.

Birgit Vanderbeke wurde am 8. August 1956 in Dahme/Mark geboren. Zu Beginn der Sechzigerjahre zogen die Eltern mit ihr nach Frankfurt/Main, wo sie später Jura, Germanistik und Romanistik studierte. Seit 1993 lebt sie in Südfrankreich. Für ihre Erzählung „Das Muschelessen“ wurde sie 1990 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet.

Den Roman „Das lässt sich ändern“ von Birgit Vanderbeke gibt es auch als Hörbuch, gelesen von der Autorin (Schwäbisch Hall 2011, 228 Minuten, ISBN 978-3-86974-085-0).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2012
Textauszüge: © Piper Verlag

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