Der Untergang des "Dritten Reiches" (6)

Goebbels erklärt Berlin zur Festung
„Ein Wunder ist geschehen“
„Jetzt wird Ihnen das Hälschen durchgeschnitten“
„Herr Reichsmarschall, draußen steht die SS und will sie verhaften!“
„Treue bis in den Tod“
„Heute Abend werden wir weinen“
Magda Goebbels tötet ihre sechs Kinder

„Heute Abend werden wir weinen“

„Heute Abend werden wir weinen“, prophezeit Eva Braun am 28. April Hitlers Sekretärinnen. Eine Stunde später muss Traudl Junge zum „Führer“. Verblüfft stellt sie fest, dass in einem der Bunkerräume ein Tisch festlich gedeckt ist. Hitler diktiert ihr sein politisches Testament: Göring und Himmler verstößt er aus der Partei. Goebbels soll ihn als Reichskanzler ablösen. Als Reichspräsident und Oberbefehlshaber der Wehrmacht ernennt Hitler keinen Offizier des Heeres oder der Luftwaffe – die er für die Niederlage verantwortlich macht –, sondern Großadmiral Karl Dönitz, den Oberbefehlshaber der Kriegsmarine.

Dann wendet er sich seinem persönlichen Testament zu: „Da ich in den Jahren des Kampfes glaubte, es nicht verantworten zu können, eine Ehe zu gründen, habe ich mich nunmehr vor Beendigung dieser irdischen Laufbahn entschlossen, jenes Mädchen zur Frau zu nehmen, das nach langen Jahren treuer Freundschaft aus freiem Willen in die schon fast belagerte Stadt hereinkam, um ihr Schicksal mit dem meinen zu teilen. Sie geht auf ihren Wunsch als meine Gattin mit mir in den Tod. Er wird uns das ersetzen, was meine Arbeit im Dienst meines Volkes uns beiden raubte.“

Mitten in der Nacht lässt Goebbels einen Gauamtsleiter beim „Volkssturm“ suchen, der befugt ist, als Standesbeamter zu amtieren. Eva Braun trägt ein langes, hochgeschlossenes Kleid aus schwarzem Seidentaft; Adolf Hitler steht in einer schlichten Uniform neben ihr. Goebbels und Bormann unterschreiben die Heiratsurkunde als Trauzeugen. In einem der Betonkorridore nimmt das soeben vermählte Paar die Gratulationen entgegen. Dann gibt Hitler in seinen Privaträumen noch ein kleines Essen für Joseph und Magda Goebbels, Martin Bormann und weitere fünf Gäste.

Traudl Junge stellt ihr Glas ab und setzt sich an die Schreibmaschine. Später berichtet sie: „Als ich Hitlers Testament tippte, kam plötzlich Goebbels herein. Ich war erschüttert, wie er aussah. Er war leichenblass, hatte Tränen in den Augen und sagte zu mir: ‚Frau Junge, der Führer will, dass ich ihn verlasse, dass ich in der zukünftigen Regierung eine Funktion übernehme. Aber ich kann das nicht, ich bin doch Gauleiter von Berlin. Mein Platz ist an der Seite des Führers. Ich kann ihn doch nicht verlassen.'“

Unter das Testament schreibt er um halb sechs Uhr morgens: „Zum ersten Mal in meinem Leben muss ich mich kategorisch weigern, einem Befehl des Führers Folge zu leisten. Meine Frau und meine Kinder schließen sich dieser Weigerung an. Im anderen Falle würde ich mir selbst – abgesehen davon, dass wir es aus menschlichen Gründen und solchen der persönlichen Treue niemals über das Herz bringen könnten, den Führer in seiner schwersten Stunde allein zu lassen – für mein ganzes ferneres Leben als ein ehrloser Abtrünnling und gemeiner Schuft vorkommen, der mit der Achtung vor sich selbst auch die Achtung seines Volkes verlöre, die die Voraussetzung eines weiteren Dienstes meiner Person an der Zukunftgestaltung der Deutschen Nation und des Deutschen Reiches bilden müsste. In dem Delirium von Verrat, das in diesen kritischsten Tagen des Krieges den Führer umgibt, muss es wenigstens einige geben, die bedingungslos und bis zum Tode zu ihm halten.“

Am 30. April isst Adolf Hitler mit seinen beiden Sekretärinnen und der Diätköchin zu Mittag, während Eva Braun in ihrem Zimmer bleibt. Dann beauftragt er seinen Fahrer, 200 Liter Benzin zu besorgen und in den Garten der zerstörten Reichskanzlei zu schaffen. Gemeinsam mit Eva Braun verabschiedet er sich von seinen engsten Mitarbeitern. Als die Tür zu seinen Privaträumen ins Schloss fällt, verliert Magda Goebbels die Fassung. Schluchzend verlangt sie, noch einmal mit Hitler sprechen zu dürfen. Ein Adjutant klopft. Ungehalten öffnet Hitler die Tür. Magda redet auf ihn ein. Dann aber zieht sie sich weinend zurück.

Joseph Goebbels wartet – bis er einen Knall hört. Dann betritt er mit Martin Bormann Hitlers Räume, wo sie zwei Tote auf einem Sofa sitzend vorfinden: Adolf Hitler hat sich mit einer Pistole erschossen; vor Eva Hitler liegt eine zerbrochene Giftampulle am Boden. Goebbels kündigt an, er werde jetzt den Bunker verlassen und so lange herumlaufen, bis er im Feuer der Russen falle. Aber er beruhigt sich wieder. Einige Zeit später steigt er mit Bormann die Treppen hinauf und tritt ins Freie, wo inzwischen ein paar Meter vom Notausgang entfernt die beiden in Decken gehüllten und mit mehreren Kanistern Benzin übergossenen Leichen liegen. Immer wieder bläst der Wind die Streichhölzer aus. Ein SS-Mann tränkt schließlich einen Lappen mit Benzin, zündet ihn an und wirft ihn auf die Toten.

Fortsetzung

Quelle:
Dieter Wunderlich: Göring und Goebbels. Eine Doppelbiografie
© Verlag F. Pustet, Regensburg 2002
Seiten 209–222 (Fußnoten wurden weggelassen)

Kurzbiografien:
Joseph Goebbels
Magda Goebbels
Hermann Göring
Heinrich Himmler
Albert Speer

Oliver Hirschbiegel: Der Untergang
Weitere Kino- und Fernsehfilme über das „Dritte Reich“
Dieter Wunderlich: Göring und Goebbels. Eine Doppelbiografie

H. Dieter Neumann - Mord an der Förde
H. Dieter Neumann müht sich nicht mit formalen Experimenten ab und überfrachtet "Mord an der Förde" auch nicht inhaltlich. Statt auf effektvolle Action-Szenen setzt er auf einen gut durchdachten präzisen Aufbau des Kriminalromans.
Mord an der Förde