Die Kinder von Blankenese

Die Kinder von Blankenese

Die Kinder von Blankenese

Originaltitel: Die Kinder von Blankenese – Regie: Raymond Ley – Drehbuch: Raymond Ley – Kamera: Christopher Rowe – Schnitt: Heike Parplies – Musik: Hans-Peter Stöer – Darsteller: Alice Dwyer, Jennifer Ulrich, Harald Schrott, Marie Gruber, Janek Rieke, Luzie Ahrens, Aaron Altaras, Lenny Altaras u.a. – 2010; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Eric Warburg stellte die Villa seiner Bankiersfamilie im Hamburger Stadtteil Blankenese für die Einrichtung eines Childrens Health Home zur Verfügung. Von 1946 bis 1948 wurden hier jüdische Waisen versorgt, die den Holocaust überlebt hatten, bis sie in Palästina einwandern durften. – Geschickt verknüpft Raymond Ley Spielfilmszenen mit einigen Archivaufnahmen und einer Reihe von kurzen Ausschnitten aus Interviews mit Personen, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Kinder oder Betreuer in der Villa Warburg lebten.
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Kritik

"Die Kinder von Blankenese" ist ein berührendes, eindrucksvolles Dokudrama von Raymond Ley ohne falsche Sentimentalitäten.


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Am 15. April 1945 wurde das Konzentrationslager Bergen-Belsen bei Celle kampflos den britischen Militärs übergeben. Auf dem Gelände lebten zu diesem Zeitpunkt noch sechzigtausend Menschen, aber für fast die Hälfte von ihnen kam die Rettung zu spät, sie starben in den Tagen und Wochen nach der Befreiung an Krankheiten oder Entkräftung. Zwischen dem 6. und 11. April waren noch 6800 Häftlinge in Viehwaggons getrieben worden. Einer davon erreichte den Bestimmungsort, das KZ Theresienstadt. Ein anderer – „der verlorene Zug“ – wurde nach einer Irrfahrt am 23. April von der Roten Armee bei Tröbitz südlich von Berlin entdeckt. In den geschlossenen Viehwaggons lagen zweihundert Leichen; und von den befreiten Menschen starben in den Wochen danach weitere dreihundertzwanzig.

Zu den Überlebenden in Bergen-Belsen gehörten auch einige Dutzend Kinder. Fast alle von ihnen waren Waisen; sie hatten ihre Eltern im Holocaust verloren. Im Januar 1946 wurden sie nach Hamburg gebracht.

Am Kösterberg im Hamburger Stadtteil Blankenese stellte Eric Moritz Warburg (1900 – 1990, gespielt von Janek Rieke) die von den Nationalsozialisten „arisierte“ Villa seiner Familie zur Verfügung. Eric Warburg war 1938 mit seinem Vater Max M. Warburg (1867 – 1946), dem Gründer einer Hamburger Privatbank, aus Deutschland geflohen und hatte im Zweiten Weltkrieg in der US-Armee gekämpft. Als amerikanischer Offizier war er im Sommer 1945 nach Hamburg zurückgekommen. Er forderte seinen Besitz zurück und stellte ihn zugleich dem American Joint Distribution Committee zur Unterbringung von Displaced Persons zur Verfügung. So wurde daraus von 1946 bis 1948 das Warburg Childrens Health Home.

In der Villa Warburg schliefen die Kinder erstmals wieder in Betten – und konnten es zunächst gar nicht glauben, dass sie jeden Tag ausreichend zu essen bekommen würden. Betty Adler (Alice Dwyer), eine vierundzwanzigjährige Hebräisch-Lehrerin aus New York, die zwei Jahre jüngere Reuma Schwartz (Jennifer Ulrich), die spätere Ehefrau des israelischen Staatspräsidenten Ezer Weizman, und andere Erzieher kümmerten sich zusammen mit der langjährigen Haushälterin der Familie Warburg um die Kinder aus Bergen-Belsen ebenso wie um etwa dreihundert jüdische Kinder, die nach und nach aus anderen Konzentrationslagern eintrafen oder sich erfolgreich vor den Nationalsozialisten versteckt hatten. Ben Yehuda (Harald Schrott), ein in Deutschland geborenen Lehrer, der als Soldat in der Jüdischen Brigade der britischen Armee gekämpft hatte, erteilte den Kindern Unterricht und half mit, sie auf die Alija, die Einwanderung in Palästina, vorzubereiten.

Außerhalb der Villa Warburg stießen die Kinder und ihre Betreuer immer wieder auf Männer und Frauen, die sie als Juden beschimpften.

Die für die Einwanderung nach Palästina zuständigen britischen Behörden stellten nur zögernd die entsprechenden Zertifikate aus. Einige Kinder wurden zwar schon nach wenigen Monaten auf ein Schiff gebracht, andere mussten länger als ein Jahr warten.

Zu den ersten Kindern von Blankenese, die noch im Frühjahr 1946 nach Palästina ausreisen durften, gehörten Tamar und Simcka Landau. Sie wurden von einem Kibbuz aufgenommen und heirateten 1950.

Yossef Erez sagt am Schluss des Films „Die Kinder von Blankenese“, es habe zwanzig Jahre gedauert, bis er von den anderen Kibbuz-Mitgliedern akzeptiert wurde.

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1996 erschien das Buch „Duvdevanim al Ha-Elbe“. Die deutsche Übersetzung von Alice Krück wurde vom Verein zur Erforschung der Geschichte der Juden in Blankenese herausgegeben und von Michael K. Nathan durchgesehen: „Kirschen auf der Elbe. Erinnerungen an das jüdische Kinderheim Blankenese 1946 – 1948“ (Klaus Schümann Verlag, Hamburg 2006, 271 Seiten, ISBN 978-3-9810907-5-8).

Hetty E. Verolme schrieb das Buch „The Children’s House of Belsen“ („Wir Kinder von Bergen-Belsen“, Übersetzung: Mirjam Pressler, Beltz Verlag, Weinheim / Basel 2005, 340 Seiten, ISBN 3-407-85785-3).

Eine Pressenotiz über einen Besuch einer Gruppe ehemaliger „Kinder von Blankenese“, die in Israel einen Verein gegründet hatten, in der Villa Warburg in Hamburg regte Raymond Ley zu dem Dokudrama „Die Kinder von Blankenese“ an, das am 17. November 2010 bei Arte erstmals im Fernsehen zu sehen war.

Geschickt verknüpft Raymond Ley Spielfilmszenen mit einigen wenigen Archivaufnahmen und einer Reihe von kurzen Ausschnitten aus Interviews mit sechzehn Personen, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Kinder oder Betreuer in der Villa Warburg lebten. „Die Kinder von Blankenese“ ist ein berührender, eindrucksvoller Film ohne falsche Sentimentalitäten.

Das 1899 nach Plänen von Achim Haller gebaute „Weiße Haus“ in Hamburg-Blankenese, in dem die Kinder untergebracht waren, heißt heute Elsa-Brändström-Haus. Hier finden Tagungen des Deutschen Roten Kreuzes statt.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010

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