Populärmusik aus Vittula

Populärmusik aus Vittula

Populärmusik aus Vittula

Populärmusik aus Vittula – Originaltitel: Populärmusik från Vittula – Regie: Reza Bagher – Drehbuch: Reza Bagher und Erik Norberg, nach dem Roman "Populärmusik aus Vittula" von Mikael Niemi – Kamera: Robert Nordström – Schnitt: Fredrik Morheden, Anders Refn – Musik: Lars Daniel Terkelsen – Darsteller: Max Enderfors, Andreas af Enehjelm, Niklas Ulfvarson, Tommy Vallikari, Björn Kjellman, Jarmo Mäkinen, Kati Outinen, Tarja-Tuulikki Tarsala, Göran Forsmark, Lisa Lindgren u.a. – 2004; 100 Minuten

Inhaltsangabe

Im Alter von 40 Jahren besteigt Matti einen Berg im Himalaya und verstreut dort weinend die Asche seines Freundes Niila. Dabei erinnert er sich an ihre Kindheit und Jugend in Vittula, einem Viertel der nordschwedischen Stadt Pajala. Als Niila die Bibel, die er von seiner sterbenden Großmutter bekommen hatte, gegen eine Beatles-Platte eintauschte, war das sein erster Schritt zur Eigenständigkeit. Aber wenn sein Vater ihn mit einer Gitarre erwischte, verprügelte er ihn ...
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Kritik

Wie Mikael Niemi im Roman "Populärmusik aus Vittula" reiht Reza Bagher in der Verfilmung Episoden aneinander. Das Besondere an der unterhaltsamen Tragikomödie sind die derben und grotesken Einfälle.
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Matti (mit 7: Niklas Ulfvarson; mit 15: Max Enderfors) und Niila (Tommy Vallikari; Andreas Af Enehielm) wachsen in den Sechzigerjahren in Vittula auf, einem Stadtviertel in Pajala in Nordschweden (Provinz Norrbotten), nahe der Grenze zu Finnland. Für Vittula gibt es auch die umgangssprachliche Bezeichnung Vittulajänkkä (Fotzenmoor), die aus dem vulgärsprachlichen Begriff für das weibliche Genital (vittula) und dem schwedischen Wort für Moor (jänkkä) zusammengesetzt ist. Als Matti und Niila sieben Jahre alt sind, wird die Hauptstraße von Vittula asphaltiert. Das symbolisiert den neuen Wohlstand, aber das Leben in Vittula bleibt so hart und öde wie zuvor. Höhepunkte sind Besäufnisse ohne Furcht vor einem Drei-Tage-Kater und Wettbewerbe, bei denen sich zeigt, wer es auf den oberen Bänken der voll aufgeheizten Sauna am längsten aushält.

Matti hat eine ältere Schwester, Maggan (Carla Abrahamsen), die von einem Leben im Ausland träumt. Die Eltern begegnen dem Freiheitsdrang der Kinder verständnisvoll. Als Matti in die Pubertät kommt, klärt ihn sein Vater darüber auf, dass er aufgrund des ausschweifenden Lebens des Großvaters drei Halbschwestern habe. Von diesen Tanten und ihren Töchtern müsse Matti sich fernhalten, damit es nicht zum Inzest komme.

Im Gegensatz zu Matti gehört Niila zur finnischen Minderheit in Vittula. Bei ihm zu Hause wird finnisch gesprochen, und in der Schule rügen ihn die Lehrer wegen seines Akzents. Er hat viele Geschwister, Cousins und Cousinen. Wenn ihn sein Vater Isak (Jarmo Mäkinen) beim geringsten Anlass mit dem Ledergürtel schlägt, arbeitet Niilas Mutter Päivi (Kati Outinen) stumm in der Küche weiter; sie erduldet alles mit gesenktem Kopf und hat sich längst selbst aufgegeben.

Als in der Kirche ein schwarzer Geistlicher (Lamine Dieng) aus dem Kongo auftaucht, der für die Menschen in Afrika sammelt, geht ein Raunen durch die Gemeinde, denn so eine Hautfarbe hat man hier noch nicht gesehen. Die Dolmetscherin fällt plötzlich in Ohnmacht. Vergeblich fragt Kambune, ob jemand Englisch oder Französisch könne. Erst als er Esperanto erwähnt, hebt Niila den Finger und springt als Übersetzer ein. Mit Hilfe von Radiosendungen hat er sich die Kunstsprache selbst beigebracht. Da staunen die Anwesenden.

Seine Familie steht unter der Fuchtel der bigotten Großmutter (Tarja-Tuulikki Tarsala), die Niila auf dem Sterbebett ihre Bibel schenkt. Als Niila die Bibel bei der Beerdigung gegen eine von Cousins aus den USA mitgebrachte Schallplatte der Beatles („Rock ’n‘ Roll Music“) eintauscht und damit einen kleinen Schritt zur Eigenständigkeit wagt, erscheint ihm die Großmutter in einem Albtraum.

Die Musik inspiriert Niila dazu, sich aus Pappe eine Gitarrenattrappe zu basteln und so zu tun, als spiele er sie. Matti singt dazu. Sobald Isak sie erwischt, verprügelt er Niila und zertrümmert die Gitarrennachbildung. Später kaufen Matti und Niila dem schrulligen Hausierer Ryssi-Jussi (Gustav Wiklund) – einem einsamen Transvestiten – eine gebrauchte Gitarre ab. Obwohl Niila eine Unmenge Holz hackt, um seinem Vater zu beweisen, dass er trotz seines Faibles für Musik hart arbeiten kann, wirft dieser die Gitarre ins Kaminfeuer.

Dem neuen, aus Südschweden stammenden Musiklehrer Greger (Björn Kjellman), gelingt es gegen den Willen der anderen Lehrer, den Rektor (Hugo Rantatalo) zur Anschaffung einer Elektrogitarre, eines Schlagzeugs und anderer moderner Musikinstrumente zu bewegen. Außerdem richtet er den Schülern einen Übungsraum ein. Matti, Niila und Erkki (Ville Kivelä) üben eifrig, denn sie hoffen, als Band über die Grenzen von Vittula hinauszukommen.

Vor dem ersten Konzert trifft Matti jedoch das Mädchen, mit dem er den ersten Sex hatte und zieht es vor, den Abend mit ihr zu verbringen, statt zu spielen. Niila hält nach dem Konzert einen Lastwagen an und lässt sich mitnehmen. Er verlässt Vittula. Schon als Kind träumte er davon, den Himalaya zu besteigen.

Im Alter von vierzig Jahren besteigt Matti (Lasse Beischer) einen Berg im Himalaya und verstreut dort weinend Niilas Asche aus einer Urne.

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2000 veröffentlichte der am 13. August 1959 in Pajala geborene Schwede Mikael Niemi seinen Debütroman „Populärmusik aus Vittula“. Der aus dem Iran stammende, mit siebzehn Jahren nach Schweden emigrierte Regisseur Reza Bagher (* 1958) verfilmte das Buch. Wie die literarische Vorlage auch, erzählt der Film keine stringente Geschichte, sondern reiht eine Fülle von Episoden aneinander. Es sind die Erinnerungen des vierzigjährigen Matti, der im Himalaya die Asche seines Freundes verstreut.

„Populärmusik aus Vittula“ handelt vom Erwachsenwerden zweier Jungen. Im Mittelpunkt steht ihr durch Rock ’n‘ Roll symbolisierter Freiheitsdrang, der sich gegen die überkommenen Rituale der von Männern dominierten Gesellschaft in einer konservativen nordschwedischen Kleinstadt richtet. Das Besondere an der unterhaltsamen Tragikomödie sind die aus der Romanvorlage übernommenen derben und grotesken Einfälle.

Der Roman „Populärmusik aus Vittula“ von Mikael Niemi wurde 2002 von Christel Hildebrandt ins Deutsche übersetzt (Goldmann Verlag, 303 Seiten, ISBN 3-442-75071-7). Seit 2003 gibt es ihn auch als Hörbuch, gelesen von Gerd Köster (Regie: Thomas Krüger, Musik und Sounddesign: Frank Hocker und Arno Steffen, Random House Audio, 4 CDs, ISBN 3-89830-542-2). Eine dramatisierte Fassung hatte am 11. Oktober 2008 im Volkstheater Rostock Premiere (Regie: Katariina Lahti, Hauptrollen: Benjamin Bieber, Hannes Florstedt).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2009

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.