Erbsen auf halb 6

Erbsen auf halb 6

Erbsen auf halb 6

Originaltitel: Erbsen auf halb 6 – Regie: Lars Büchel – Drehbuch: Lars Büchel, Ruth Toma – Kamera: Judith Kaufmann – Schnitt: Peter R. Adam – Musik: Max Berghaus, Stefan Hansen, Dirk Reichardt – Darsteller: Fritzi Haberlandt, Hilmir Snær Guðnason, Harald Schrott, Tina Engel, Jenny Gröllmann, Alice Dwyer, Max Mauff, Annett Renneberg, Jens Münchow, Michael Hanemann, Heinz Petters, Petra Hartung u.a. – 2004; 105 Minuten

Inhaltsangabe

Der Theaterregisseur Jakob Magnusson erblindet durch einen Unfall in Hamburg. Weil er nichts mehr sieht, scheitert sein Versuch, sich vom Dach eines Hochhauses zu stürzen. Die vom Reha-Zentrum angebotene Hilfe lehnt er ab, denn er will nicht von anderen abhängig sein. Die Blinden-Lehrerin Lilly Walter, die von Geburt an blind ist und sich gut zurechtfindet, folgt ihm jedoch, als er sich auf den Weg zu seiner todkranken Mutter nach Nordrussland macht ...
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Kritik

Wer vor märchenhafter Romantik nicht zurückschreckt, sieht in "Erbsen auf halb 6" von Lars Büchel eine unterhaltsame und zugleich rührenden Mischung aus Roadmovie und romantischer Tragikomödie über ein ausgefallenes Thema.
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Aus Unaufmerksamkeit stürzt der aus Island stammende Theaterregisseur Jakob Magnusson (Hilmir Snær Guðnason) mit seinem Auto ins Hamburger Hafenbecken. Als er im Krankenhaus wieder zu sich kommt, sitzt seine Freundin und Kollegin Nina (Annett Renneberg) neben dem Bett. Jakob begreift schließlich, dass er erblindet ist. Die Welt bricht für ihn zusammen. Wie soll er Regie führen, ohne etwas sehen zu können? Aus Verzweiflung verlässt er Nina. Die vom Reha-Zentrum für Blinde angebotene Hilfe lehnt er ab, denn er will nicht auf andere angewiesen sein. Kurz darauf springt er vom Dach eines Hochhauses [Suizid], landet jedoch ein paar Meter tiefer auf der Hochterrasse eines Cafés, ohne sich noch einmal ernsthaft zu verletzen.

Wegen des missglückten Selbstmordversuchs wird Jakob allerdings in die Psychiatrie eingewiesen. Nur unter der Auflage, sich von der jungen Blinden-Lehrerin Lilly Walter (Fritzi Haberlandt) in einem Kurs erklären zu lassen, wie man sich ohne Augenlicht zurechtfindet, entlassen ihn die Ärzte aus der Klinik.

Auf der Fahrt zum Rehabiltations-Zentrum flüchtet er aus dem Auto. Er will zu seiner todkranken Mutter Franziska (Jenny Gröllmann), die mit einer Pflegerin (Petra Hartung) in Onega am Weißen Meer lebt. Bevor sie stirbt, will er noch einmal ihre Nähe spüren. Er stolpert durch den Hauptbahnhof, rempelt Reisende an, stößt versehentlich in Kind um und setzt sich in irgendeinen Zug. Lilly folgt ihm besorgt – auch als er während eines Halts auf freier Stecke aussteigt.

Erst jetzt erfährt Jakob, dass Lilly ebenfalls blind ist. Im Gegensatz zu ihm weiß sie allerdings nicht, was Sehen bedeutet, denn sie kam blind auf die Welt. Sie kommt gut zurecht, und ihre Lebensfreude bildet den Gegenpol zu Jakobs Verbitterung.

Die beiden stranden in einem Dorf bei Greifswald. Von dort aus ruft Lilly ihre Mutter Regine (Tina Engel) und ihren Freund Paul (Harald Schrott) in Hamburg an, die sich längst Sorgen machen und sofort aufbrechen, um sie zurückzuholen.

Lilly will Jakob nur noch zur Fähre bringen. Er hält sie jedoch auf dem Schiff so lange fest, bis die Luken geschlossen werden. Paul und Regine sehen noch, wie die Fähre ablegt.

Allmählich hat Jakob begriffen, dass er auf Lillys Hilfe angewiesen ist und er fühlt sich inzwischen sogar hingezogen zu dieser sensiblen, beherzten Frau. Als er seine Schroffheit ablegt, lernt er von Lilly nicht nur, wie man die Anordnung des Essens auf dem Teller mit Hilfe von Uhrzeiten beschreiben kann – Erbsen auf halb sechs –, sondern auch seine anderen Sinne zu schärfen und beispielsweise Gegenstände am Klang von Regentropfen zu erkennen. Je weiter die beiden nach Norden kommen, desto stärker werden ihre Gefühle füreinander, und in einer russischen Pension lieben sie sich.

Paul und Regine holen sie in dieser Pension ein. Sie gehen davon aus, dass Lilly mit ihnen zurückkommt, aber Lilly will bei Jakob bleiben. Regine versucht, ihr klarzumachen, dass Paul für sie die bessere Wahl sei, aber Lilly hört nicht auf sie. Jakob, der das Gespräch zufällig belauscht, wird dadurch bewusst, dass er aufgrund seiner Erblindung für Lilly keine große Hilfe darstellt. Aus Liebe verzichtet er auf sie und reist allein weiter.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Mit dem nächsten Bus fahren Paul, Regine und Lilly nach Süden. Aber nach einer Rast an einer Tankstelle steigt Lilly nicht wieder mit ein: Sie will Jakob suchen.

Der erreicht inzwischen das Strandhaus am Weißen Meer, in dem seine Mutter mit ihrer Pflegerin lebt. Sie gibt gerade ein Abschiedsfest für ihre Freunde und Bekannten. Als sie begreift, dass ihr Sohn erblindet ist, führt sie ihn zu der Tafel. Nach dem Fest setzt sie sich zu Jakob, lässt sich von der Pflegerin eine Überdosis Tabletten geben und lehnt sich sterbend an seine Schulter [Sterbehilfe].

Nach der Beerdigung seiner Mutter reist Jakob wieder Richtung Deutschland, ohne zu ahnen, dass Lilly ihm entgegenkommt. Ihre Wege kreuzen sich bei einer Dorfhochzeit. Ein kleines Mädchen, das mit Lilly im Bus gekommen ist, führt Jakob zu einem Mikrofon, und er ruft nach Lilly. Sie hört ihn und geht los, um ihn zu suchen. Es ist nicht einfach für die beiden Blinden, sich zu finden, aber es gelingt ihnen.

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Der Titel „Erbsen auf halb 6“ ist originell. Das gilt auch für den Film – allerdings mit Einschränkungen.

Eigentlich würde man bei einer Geschichte über zwei Blinde eine ernste Auseinandersetzung mit dem Thema erwarten, aber Lars Büchel hat sich für eine Mischung aus Roadmovie und romantischer Tragikomödie entschieden.

„Erbsen auf halb 6“ beginnt mit einer ambitionierten Parallelmontage, bei der Lilly trotz ihrer Blindheit elegant von einem Sprungturm ins Schwimmbecken springt, während Jakob die Kontrolle über sein Auto verliert, damit verunglückt und ins Hafenbecken stürzt. Auf Dauer wirkt der stilistische Anspruch eher ein wenig aufdringlich.

Die Handlung ist eher märchenhaft und kaum psychologisch nachvollziehbar. Es ist allenfalls komisch, aber nicht realistisch,
– wenn Jakob mit Nina vor einem Pissoir stehend streitet, weil er sich nicht von ihr helfen lassen will, und sich keiner der anderen Männer über die Anwesenheit einer Dame in der Herrentoilette wundert,
– wenn Lilly sich von ihrem Freund Paul trennt und dieser „Scheiße!“ sagt, statt wenigstens den Versuch zu machen, sie umzustimmen,
– wenn Regine am Telefon erfährt, dass ihre zwölfjährige Tochter Alex (Alice Dwyer) gerade dabei ist, sich von ihrem Mitschüler Ben (Max Mauff) deflorieren zu lassen und dies mit den Worten „auch das noch!“ kommentiert, ohne sich weiter darüber aufzuregen.

Immerhin gibt es eine Reihe wirklich komischer Szenen in „Erbsen auf halb 6“ – allerdings auch ebenso viele kitschige und klischeehafte.

Dass Paul und Regine dem blinden Paar nachreisen, um Lilly zurückzuholen, macht ja noch Sinn, aber die Nebenhandlung mit Alex und Ben ist völlig überflüssig.

Sehenswert ist die schauspielerische Leistung der beiden Hauptdarsteller Hilmir Snær Guðnason und Fritzi Haberlandt.

Fazit: Wer vor märchenhafter Romantik nicht zurückschreckt, sieht in „Erbsen auf halb 6“ einen unterhaltsamen und zugleich rührenden Film über ein ausgefallenes Thema.

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Inhaltsangabe und Filmkritik: © Dieter Wunderlich 2009

Reinhard Kaiser-Mühlecker - Wilderer
Die karge, realistische Darstellung täuscht über die Komplexität und Ambivalenz des Geschehens hinweg. Man könnte von einem wuchtigen Entwicklungsroman sprechen, denn der Erzähler bleibt dicht bei der schwierigen Hauptfigur, folgt den Fehlschlägen, dem Aufschwung und dem Zusammenbruch. Erst auf den letzten Seiten des Romans "Wilderer" lässt uns Reinhard Kaiser-Mühlecker das ganze Ausmaß der Tragödie erkennen.
Wilderer

 

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.