Martha ... Martha
Martha ... Martha
Inhaltsangabe
Kritik
Nach vielen Jahren besucht Martha (Valérie Donzelli) ihre Eltern (Catherine Ferran, Robert Beal) erstmals wieder und erzählt ihnen, dass sie inzwischen eine sechsjährige Tochter hat. Das Elternhaus wirkt düster; der Vater zeigt nur oberflächliches Interesse an Martha, und als die Mutter sie mit ihrer anderen Tochter Marie verwechselt, bricht Martha den Besuch frustriert ab.
Martha und ihr Lebensgefährte Reymond (Yann Goven) ziehen mit dem Mädchen Lise (Lucie Régnier) von Flohmarkt zu Flohmarkt und leben vom Verkauf gebrauchter Kleidungsstücke. Obwohl Reymond wohl nicht Lises leiblicher Vater ist, sorgt er liebevoll für das Kind und den Haushalt, während Martha dazu aufgrund einer manischen Unrast nicht in der Lage ist. Sie ist froh, dass ihre kinderlose Nachbarin Michèle (Séverine Vincent) sich während ihrer Abwesenheit gern um Lise kümmert und es ihr auch immer wieder abnimmt, das Mädchen von der Schule abzuholen. Martha bäumt sich gegen die Langeweile in dem französischen Provinznest auf und fürchtet sich davor, eine Spießerin zu werden.
Als sie bei einem Flohmarkt keinen Stand aufstellen dürfen, überredet sie Reymond, kurzerhand für ein paar Tage zu ihrer Schwester nach Spanien zu fahren. Marie (Lydia Andrei) ist mit einem reichen Spanier namens Juan (Javier Cruz) verheiratet und lebt mit ihm und ihren Zwillingen José und Marco auf einem prächtigen Landsitz. Obwohl Marie versucht, höflich zu bleiben, ist deutlich zu spüren, dass ihr der Besuch unangenehm ist. Wegen unausgesprochener Ereignisse in der Familie der beiden Schwestern kommt es bei einem Restaurantessen zum Eklat: Martha provoziert und beleidigt Marie, die sie daraufhin ebenfalls anschreit.
Wieder zurück in Frankreich, beginnt Martha allein auszugehen. Als sie sich von zwei Männern im Auto mitnehmen lässt, wird sie vergewaltigt. Verstört kommt sie nach Hause und fängt unter der Dusche vor den Augen ihrer Tochter hysterisch zu schreien an. Reymond bringt Lise daraufhin zu Michèle und Paul. Das dauert nur wenige Minuten, aber Martha ist verschwunden, als er wieder in die Wohnung kommt.
Mit aller Kraft versucht Reymond, Lise die fehlende Mutter zu ersetzen, kann aber nicht verhindern, dass die Lehrerin sich wegen Lises schulischer Leistungen Sorgen macht. Um nicht mehr mit ihr von Flohmarkt zu Flohmarkt ziehen zu müssen, übernimmt er den Laden von Monsieur Lambert (Pierre Pezon), der sich zur Ruhe setzt, und zieht mit Lise in eine kleinere Wohnung.
Unvermittelt stellt sich heraus, dass Martha ganz in der Nähe in einem Krankenhaus liegt: Man hat sie ohne Ausweis und halb bewusstlos durch Medikamente am Bahnhof aufgegriffen. Einige Tage später holen Reymond und Lise sie ab und fahren mit ihr nach Hause. Lise fällt auf, dass ihre Mutter während ihrer Abwesenheit anders geworden ist. Tatsächlich wirkt Martha jetzt nicht mehr manisch erregt, sondern depressiv und apathisch.
Nachdem Lise sich im Tierheim einen kleinen Hund aussuchen durfte, ziehen Reymond und Martha mit ihr in ein abgelegenes Haus an einem See.
Einmal spielen Lise und Martha morgens im Bett mit einem Kissen, und als Reymond erwacht, drückt Martha ihrer Tochter gerade das Kissen aufs Gesicht. Entsetzt fährt er dazwischen, aber Lise findet es schade, dass ihr Spiel zu Ende ist.
In der Nacht steht Martha am Fenster und beobachtet sich selbst, wie sie ins Wasser geht.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Obwohl wir so gut wie nichts über Marthas Kindheit und Jugend erfahren, lässt sich vermuten, dass sie ohne Liebe aufwuchs. Als Erwachsene kann sie die psychischen Verletzungen, die ihr offenbar zugefügt wurden, nicht vergessen und ist deshalb als Mutter überfordert. Unter ihrer Unfähigkeit zur Liebe und ihrer selbstzerstörerischen Unrast leiden auch ihre kleine Tochter und ihr Lebensgefährte. Einmal träumt Martha, dass Lise in einen Fluss fällt und zu ertrinken droht. Während Reymond das Kind rettet, steht sie nur stumm da und sieht zu. Eine Zeitungsmeldung über eine Selbstmörderin, die mit ihren beiden Kindern aus einem Fenster in die Tiefe springt, wird von Martha unter hysterischem Gelächter eigenwillig fortgesetzt: Die Mutter war sofort tot, aber die Kinder liefen wieder zurück, um das Fenster zu schließen. Nach der durch ihre Vergewaltigung ausgelösten Zäsur wird aus der manisch umtriebigen Martha eine depressive Martha: „Martha … Martha“. Wird diese selbstmordgefährdete Martha in der Idylle am See zu sich finden oder sich endgültig verlieren?
„Unser Bedürfnis nach Trost ist unersättlich“, heißt es am Ende des Films. Das ist der Titel eines Buches von Stig Dagerman, dass Yann Goven der Regisseurin am ersten Drehtag schenkte.
Sandrine Veysset (*1967) zeichnet in „Martha… Martha“ ein beklemmendes, schnörkelloses und differenziertes Porträt einer verletzten Frau, die von Valérie Donzelli einfühlsam und nuanciert dargestellt wird.
„Martha Martha“ ist der dritte Teil einer Trilogie Sandrine Veyssets. Dazu gehören auch ihre beiden Filme „Gibt es zu Weihnachten Schnee?“ (Y’aura t’il de la neige à Noël?“, 1996) und „Victor“ („Victor pendant qu’il est trop tard“, 1998).
Deutsche Synchronsprecher in „Martha … Martha“: Sabine Arnhold (Martha), Peter Flechtner (Reymond), Jamielee Blank (Lise).
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004