Banklady

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Banklady – Originaltitel: – Regie: Christian Alvart – Drehbuch: Christoph Silber, Kai Hafemeister – Kamera: Ngo The Chau – Schnitt: Sebastian Bonde, Philipp Stahl, Christian Alvart – Musik: Steffen Kahles, Christoph Blaser, Michl Britsch – Darsteller: Nadeshda Brennicke, Charly Hübner, Andreas Schmidt, Ken Duken, Henny Reents u.a. – 2013; 115 Minuten

Inhaltsangabe

Die 30-jährige, noch bei ihren Eltern wohnende Fabrikarbeiterin Gisela Werler kommt durch Zufall dahinter, dass der Taxiunternehmer "Peter" auch Banken ausraubt und überredet ihn, sie dabei mitmachen zu lassen. Sie träumt von einem Urlaub auf Capri, aber wichtiger als Geld ist ihr das Abenteuer. "Peter" erfüllt ihr zwar den Wunsch, sie als vollwertige Komplizin anzuerkennen, lässt aber keinen Zweifel daran, dass er nicht an einer Liebesbeziehung interessiert ist ...
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Kritik

In seinem Film über die "Banklady" Gisela Werler preist Christian Alvart die Emanzipation einer einfachen Arbeiterin, die kurz vor der Umwäl­zung 1968 aus der Tristesse des spießigen Kleinbürgertums ausbricht und von Nadeshda Brennicke hervorragend verkörpert wird.
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Hamburg, 1965. Im Alter von 30 Jahren wohnt Gisela Werler (Nadeshda Brennicke) noch bei ihren Eltern in einer engen Wohnung. Der jähzornige Vater Hans (Jürgen Schornagel) ist kriegsversehrt und arbeitslos, die verbitterte Mutter Anneliese (Elisabeth Schwarz) Hausfrau. Gisela ernährt die Familie mit ihrem kargen Lohn als Arbeiterin in der Druckerei einer Tapetenfabrik. Wenn sie an Reklametafeln vorbeikommt, träumt sie davon, dem tristen Alltag beispielsweise nach Capri zu entfliehen. Sie wäre auch gern so schick gekleidet wie ihre selbstbewusste Chefin Fanny (Henny Reents). Aber dazu fehlt ihr das Geld, und ihr einziger Verehrer ist der Kollege Uwe (Andreas Schmidt), der seinen Lohn in der Tapetenfabrik durch Taxifahren aufbessert.

Als sie ihn mit in ihr Zimmer nimmt und er gerade anfängt, sie zu küssen, werden sie von Giselas Mutter überrascht. In der Aufregung lässt Uwe einen Koffer stehen. Kurz darauf steht er mit dem Taxiunternehmer Peter (Charly Hübner) erneut vor Giselas Fenster, um das vergessene Gepäckstück abzuholen, in dem sich die Beute aus einem Bankraub befindet. Bevor Gisela den Koffer herausgibt, verlangt sie entschlossen einen Anteil von fünf Prozent.

Ein paar Tage später beschattet sie Uwe, der sich mit seinem Komplizen trifft. Augenscheinlich planen die beiden wieder einen Banküberfall, aber Uwe verliert die Nerven. Während er sich auf der Straße übergibt, wird Gisela von Peter entdeckt. Er verfolgt sie bis in einen Kellereingang. Dort schlägt sie ihm vor, mit ihr statt mit Uwe weiterzumachen.

Um sie auf die Probe zu stellen, fordert Peter sie auf, allein mit einer Pistole in eine Bankfiliale zu gehen, einen Überfall zumindest vorzutäuschen und zu flüchten. Bei diesem Versuch komme es nicht auf eine Beute an, schärft er ihr ein; er wolle nur herausfinden, ob sie als Komplizin geeignet sei. Und er warnt sie: „Wenn du da hinein gehst, kommst du als eine andere wieder heraus.“

Gisela zieht sich elegant an, verbirgt ihr Haar unter einer Perücke und setzt eine Sonnenbrille auf. Als sie dann im Schalterraum mit vorgehaltener Waffe zaghaft sagt, es handele sich um einen Überfall, nehmen die Angestellten sie nicht ernst. Doch statt aufzugeben, reißt Gisela sich zusammen und fordert plötzlich so wild entschlossen Geld, dass die Männer ihr 3100 D-Mark einpacken. Dafür bedankt sie sich höflich. Peter ist beeindruckt, als sie ihm die Beute im Fluchtauto zeigt.

Einer der Bankangestellten erwähnt gegenüber der Polizei und den Medien die schönen Beine der Bankräuberin. Von einer Frau, die Banken überfällt, hört man in Deutschland zum ersten Mal. In den Schlagzeilen wird sie als „Banklady“ bezeichnet.

Der ehrgeizige Kommissar Fischer (Ken Duken) leitet die polizeilichen Ermittlungen. Sein zynischer Vorgesetzter Kaminsky (Heinz Hoenig) schärft ihm ein, dass es sein erster Fall sei und er sich dabei bewähren müsse.

Gisela kauft ihren Eltern Fleischwurst, die sie sich sonst nicht leisten können. Das Geld habe sie mit Überstunden verdient, lügt sie, aber ihr Vater fragt argwöhnisch, ob sie auf den Strich gehe.

Bei einem Kostümball im Tapetenwerk taucht Gisela als „Banklady“ auf. Damit fordert sie das Schicksal heraus. Prompt befindet sich Fanny kurz darauf unter den Kunden einer überfallenen Bankfiliale, und in ihrer Zeugenaussage weist sie darauf hin, dass ihre Mitarbeiterin Gisela Werler kürzlich bei einem Kostümfest genau die gleiche Perücke wie die Bankräuberin getragen habe.

Kommissar Fischer sucht daraufhin Gisela in der Wohnung ihrer Eltern auf und fragt sie, ob sie eine Perücke besitze. Geistesgegenwärtig zeigt Gisela ihm eine, die der anderen ähnlich sieht, die sie sowohl beim Kostümfest als auch beim letzten Banküberfall trug. Aber diese besteht im Unterschied zur anderen aus Echthaar.

Peter weigert sich, seiner Komplizin seine Adresse oder Telefonnummer anzuvertrauen. Nur wenn er es für angebracht hält, nimmt er Kontakt mit ihr auf. Das ist für Gisela belastend, zumal sie sich in den Bankräuber verliebt hat. Peter akzeptiert sie zwar als Komplizin, lässt jedoch keinen Zweifel daran, dass er nicht an einer Liebesbeziehung interessiert ist. Nach einer Reihe von Banküberfällen, bei denen sie ihn mit Mut und Umsicht beeindruckt hat, kann sie ihn dann doch dazu überreden, mit in ihr Zimmer zu kommen. Er schläft mit ihr, ohne zu ahnen, dass es für sie das erste Mal ist. Als er wieder fort ist, sieht Gisela seine Brieftasche auf dem Tisch liegen. Auf diese Weise findet sie heraus, dass er Hermann Wittorff heißt, verheiratet ist und einen Sohn hat.

Am 10. März 1966 findet die Prunkhochzeit der niederländischen Prinzessin Beatrix mit dem deutschen Diplomaten Claus von Amsberg statt. Auch in Deutschland werden selbst in Schalterräumen von Banken Fernsehgeräte aufgestellt, damit die Menschen das Ereignis verfolgen können. Diese Gelegenheit nutzen Gisela Werler und Hermann Wittworff alias Peter für einen weiteren Banküberfall. Von der Stimmung mitgerissen, steckt er seiner Komplizin in der Bankfiliale einen erbeuteten Ring an, aber Gisela spricht ihn überraschend auf seine Rolle als Familienvater an. Durch diese Ablenkung scheitert der Bankraub. Eine Straßensperre der Polizei können die beiden Bankräuber nur passieren, weil Gisela in dem gestohlenen VW-Käfer überzeugend eine Hochschwangere auf dem Weg ins Krankenhaus mimt und Wehen simuliert.

Als Hermann mit seiner Frau Katrin (Nele Hollinderbäumer) und dem Sohn Urlaub an der Ostsee macht, kommt auch Gisela dort hin. Während er mit Gisela in deren Ferienwohnung ins Bett geht, erhält die Polizei einen Hinweis auf einen gestohlenen VW-Käfer. Diese Fahrzeuge werden von der Banklady und ihrem Komplizen als Fluchtautos benutzt. Kommissar Fischer macht sich sofort mit einem Sondereinsatzkommando auf den Weg. Nach einer heftigen Schießerei nimmt Fischer die vermeintliche Banklady fest. Ihr Komplize liegt tot am Boden. Die Nachrichten darüber erschrecken Hermann und Gisela. Ihm wird die Sache zu heiß. Er will Schluss machen und mit seiner Familie nach München ziehen.

Rasch stellt sich heraus, dass es sich bei der Verhafteten um Heidi Senger (Cecilia Diesch) handelt. Sie und der Tote waren zwar auch ein Gangsterpaar, aber keine Bankräuber. Aufgrund dieses Misserfolgs entzieht Kaminsky Fischer den Fall.


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Gisela zertrümmert im Polizeipräsidium eine Glasvitrine und raubt eine Maschinenpistole. Während Möbelpacker die Wohnung der Familie Wittorff ausräumen, erhält Hermann ein Paket mit dem Trommelmagazin der automatischen Waffe. Er weiß sofort, was das bedeutet und sucht Gisela auf, die ihn zu einem allerletzten Bankraub überredet.

Kurz nachdem Gisela die Wohnung ihrer Eltern verlassen hat, um sich mit Hermann zu treffen, taucht dort Kommissar Fischer auf, der auf eigene Faust weiterermittelt. In Giselas Kleiderschrank findet er gefälschte Autokennzeichen-Schilder, Perücken und anderes, darunter einen Grundriss einer Bank in Bad Segeberg. Mit seinem Assistenten Kruse (Niels-Bruno Schmidt) auf dem Beifahrersitz fährt er los und hofft, die Banklady und ihren Komplizen doch noch zu erwischen.

Im Autoradio hören Gisela und Hermann, dass sie enttarnt wurden. Die Polizei kennt ihre richtigen Namen und hat eine Großfahndung eingeleitet. Nun müssten sie die Bank erst recht überfallen, meint Gisela, um das fürs Untertauchen erforderliche Geld zu beschaffen.

Ausgerechnet bei diesem Überfall widersetzen sich die Bankangestellten. Den Räubern bleibt nichts anderes übrig, als zu flüchten. Die Verfolger schießt Hermann mit der automatischen Waffe nieder. An einer geschlossenen Bahnschranke wartet Kommissar Fischer auf die Bankräuber. Gisela reißt den VW-Käfer herum und rast in einen Wald, bleibt dort jedoch im weichen Boden stecken.

Vor Gericht will Gisela eine Erklärung abgeben, aber da springt Hermann auf und behauptet, die Zeitungsmeldungen seien falsch. Nicht die Banklady, sondern er habe die Überfälle initiiert und geplant. Seine Mitangeklagte habe ihm lediglich bei der Durchführung geholfen. Gisela versteht, dass er auf diese Weise versucht, für sie eine Strafminderung zu erreichen. Als sie abgeführt werden, reißen sich beide von ihren Bewachern los und küssen sich.

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Die „Banklady“ Gisela Werler gab es tatsächlich. Mitte der Sechzigerjahre überfiel sie mit ihrem Komplizen Hermann Wittorff zusammen 19 Banken in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

Christian Alvart (Regie), Christoph Silber und Kai Hafemeister (Drehbuch) geht es in dem Film „Banklady“ nicht darum, ihr ein Denkmal zu setzen, sondern sie veranschaulichen die Spießigkeit bundesdeutscher Kleinbürger vor dem Umbruch 1968. Fleischwurst galt als Delikatesse, und selbst in ihren Wunschträumen sieht sich die 30-jährige Fabrikarbeiterin Gisela Werler nicht auf einer Luxusyacht in der Karibik, sondern im Urlaub auf Capri. Weder die Bankräuberin noch ihr Komplize malen sich ein glamouröses Leben aus. Angetrieben wird Gisela weniger von der Aussicht auf Beute als von Abenteuerlust: Sie will vor allem aus der Tristesse ihres Alltags ausbrechen und von ihrem Komplizen als vollwertige Partnerin anerkannt werden. Dabei kennt sie den Begriff der Emanzipation noch gar nicht. „Banklady“ ist eine Milieustudie, aber auch ein Hoch auf Freiheit und Selbstverwirklichung.

Christian Alvart, Christoph Silber und Kai Hafemeister nähern sich ihrem Thema nicht mit Bierernst. Besonders in der ersten Hälfte des rasant erzählten Films „Banklady“ haben sie einiges an Situationskomik eingebaut, und die Kommissare wirken wie Karikaturen. Christian Alvart arbeitet sehr geschickt mit Split Screens, aber die beiden kurzen Passagen bleiben isoliert; es gibt dazu im weiteren Verlauf des Films keine Entsprechungen. Der Parallelschnitt einer Bettszene von Gisela Werler und Hermann Wittorff mit einem SEK-Einsatz ist zwar im Ansatz gut, aber die Darstellung der schießwütigen Polizisten würde eher zu einer Groteske passen. Und wer das Filmende nicht als satirisch interpretiert, kann es nur als Kitsch bezeichnen.

Es heißt, Nadeshda Brennicke habe Christian Alvart auf die Idee gebracht, einen Film über die „Banklady“ Gisela Werler zu drehen. Auf jeden Fall ist sie die perfekte Besetzung für die Titelrolle. Nadeshda Brennicke zeigt die Widersprüchlichkeit des Charakters nuanciert, facettenreich, eindringlich und überzeugend.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2015

Gisela Werler (kurze Biografie)

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