Hundstage

Hundstage

Hundstage

Originaltitel: Hundstage - Regie: Ulrich Seidl - Drehbuch: Ulrich Seidl und Veronika Franz - Kamera: Wolfgang Thaler - Schnitt: Andrea Wagner und Christof Schertenleib - Musik: Marcus Davy - Darsteller: Maria Hofstätter, Erich Finsches, Alfred Mrvas, Gerti Lehner, Franziska Weiß, René Wanko, Claudia Martini, Victor Rathbone, Christian Bakonyi, Christine Jirku, Victor Hennemann, Georg Friedrich u.a. - 2001; 120 Minuten

Inhaltsangabe

In sechs naturalistischen Episoden beleuchtet Ulrich Seidl das triste Dasein der Kleinbürger in einer Wiener Vorstadt.

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Kritik

"Hundstage" ist eine derbe, vulgäre, teilweise tragikomische Spießersatire über ein Dutzend Wiener, von denen die meisten in ihrer Monstrosität an Karikaturen von Deix erinnern. Nicht zuletzt durch den Einsatz von Laien wirkt "Hundstage" beinahe wie eine Dokumentation.
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Während Klaudia (Franziska Weiß), die frühere Miss Bad Vöslau, selbstvergessen in einem Lokal tanzt, bedroht ihr krankhaft eifersüchtiger und aggressiver Freund Mario (René Wanko) jeden Mann, der sie anschaut. Bei der Heimfahrt demonstriert er immer wieder mit riskanten Fahrmanövern, wie er sein Auto beherrscht. Nachdem er Klaudia kurz liebkost hat, beschimpft er sie als „miese Hure“ und wirft sie aus dem Wagen.

Herr Walter, ein korpulenter Rentner (Erich Finsches), der die meiste Zeit im Unterhemd und mit Hosenträgern herumläuft, achtet darauf, dass in seinem Garten der Rasen getrimmt ist und kein Papierchen herumliegt. Gegangen wird nur auf den rechtwinklig angelegten Plattenwegen. An den Zäunen zu den angrenzenden Grundstücken hat er als Sichtschutz drei Meter hoch Planen gespannt, und als er sich über einen Streit von Nachbarn ärgert und vergeblich mit der Polizei gedroht hat, stellt er seinen laufenden Rasenmäher an den Zaun, zieht sich ins Haus zurück, schließt die Terrassentür und lässt die Rollos herunter.

Anna (Maria Hofstätter) tut nichts anderes, als sich Autofahrerinnen und Autofahrern aufzudrängen und sich von ihnen mitnehmen zu lassen. Die meisten halten es nicht lang mit ihr im Wagen aus, denn sie redet unentwegt, sagt alles zweimal, zählt unnachgiebig die zehn günstigsten Discounter auf, die zehn beliebtesten Haustiere, die zehn häufigsten Krankheiten, spielt ihre Kassette mit schmalziger Musik ab, durchwühlt Handtaschen, singt und sagt dann: „Sie sind ja schon alt. Haben Sie überhaupt noch Sex?“ Über kurz oder lang steht sie dann wieder am Straßenrand, aber davon lässt sie sich nicht irritieren: Sie wartet einfach auf das nächste Opfer.

Ein Mann (Victor Rathbone) hält an einer Ausfallstraße und legt Blumen an ein Mahnkreuz. Eine Frau (Claudia Martini) wartet in ihrem Wagen, bis er wieder weggefahren ist; dann legt auch sie einen Blumenstrauß hin. Seit die kleine Tochter der beiden bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam, reden sie nicht mehr miteinander, leben zwar beide nach wie vor in ihrem Einfamilienhaus, schlafen jedoch in getrennten Zimmern. Die Frau bringt schließlich ihren Masseur (Christian Bakonyi) mit nach Hause. Ihr früherer Ehemann beobachtet, wie sie sich auf der Couch im Wohnzimmer von dem Besucher unter den Rock fassen lässt, und nachdem die beiden sich in ihr Schlafzimmer zurückgezogen haben, hört er sie stöhnen.

Der Vertreter Hruby (Alfred Mrvas) geht schwitzend von Haus zu Haus, um Sicherheitssysteme zu verkaufen. Dabei gerät er auch an Herrn Walter, der bereits eine Videoüberwachung installiert hat, aber keine Alarmanlage kaufen will, weil er einen scharfen Hund hat, der – so versichert er dem Vertreter – nichts von Fremden annehme, sich also auch nicht vergiften lasse. Nachts legt Hruby sich in seinem Mercedes auf die Lauer nach den Tätern, die in der Umgebung mutwillig Autos zerkratzen. Zwischendurch ruft seine Frau an und fragt, wann er endlich nach Hause kommt. Auch er nimmt Anna ein Stück im Wagen mit, aber sie geht ihm so auf die Nerven, dass er gleich wieder hält und sie zum Aussteigen auffordert. „So eine blöde Sau!“, schimpft er kopfschüttelnd.

Herr Walter hat in seinem Keller Lebensmittel- und Hundefutterpackungen in mehreren langen Regalen gestapelt. Mit einer geeichten Präzisionswage überprüft der pensionierte Ingenieur das Gewicht der Packungen, und wenn er wieder einmal feststellt, dass eine Dose zu wenig wiegt, beschwert er sich im Supermarkt und verlangt nicht nur Ersatz, sondern auch einen Ausgleich für die Fahrtkosten.

Eine ältere Oberlehrerin (Christine Jirku) richtet sich für ihren wesentlich jüngeren Liebhaber Wickerl (Victor Hennemann) her, schneidet und rasiert sich auch die Schamhaare und erwartet ihn dann nach vorn über den Tisch gebeugt und ohne Slip. Wickerl, ein Zuhältertyp, amüsiert sich über ihre Geilheit, und sie merkt nicht gleich, dass er seinen Freund Lucki (Georg Friedrich) mitgebracht hat, der ihr von hinten zwischen die Beine fasst. Als ihr bewusst wird, dass sie nicht mit Wickerl allein im Zimmer ist, fühlt sie sich beschämt, aber nach kurzer Zeit kehrt sie ins Wohnzimmer zurück, um mit den beiden Männern zu trinken. Selbst als Lucki bereits über die Lehne der Couch kotzt, zwingt Wickerl seine Freundin, noch ein Glas zu leeren.

Am nächsten Tag kehrt Lucki zurück, entschuldigt sich für sein Verhalten und bietet ihr an, Wickerl kaltzumachen: „Dann hast a Ruah vor dem!“

Anlässlich seines 50. Hochzeitstages bittet Herr Walter seine Haushälterin (Gerti Lehner), einen schönen Schweinsbraten mit Knödeln zuzubereiten und mit ihm zu genießen. Er bemängelt zwar das „Safterl“, ist aber im Großen und Ganzen schon zufrieden. Dann soll sie Kleider seiner verstorbenen Frau anprobieren, bis ihm eines an ihr gefällt. Und als besonderen Höhepunkt schaut er ihr, in einem Sessel sitzend, bei einem Striptease im Wohnzimmer zu.

Seinen Hund hat jemand vergiftet.

Nach einer weiteren vergeblich durchwachten Nacht nimmt Hruby noch einmal Anna mit. Sie wundert sich darüber, steigt aber dennoch zu ihm ins Auto. Er fährt mit der Verrückten zu einem Haus, sperrt sie in eines der Zimmer, ruft seinen Auftraggeber an und behauptet, die Person gefunden zu haben, die reihenweise Autos zerkratzt. Der Mann ist zufrieden, geht zu Anna ins Zimmer und – vergewaltigt sie.

Lucki taucht mit einer Pistole bei der Lehrerin auf und verlangt von Wickerl, der bei ihr ist, dass er sich für all das, was er ihr in den letzten zwei Jahren angetan hat, entschuldigt. Er redet ihn nicht direkt an, sondern verlangt von der Frau, dass sie ihren Geliebten auffordert, sich hinzuknien. Als sie zögert, beschwert er sich: „Was meinst, für wen ich des mach!“ Immer neue Sachen denkt Lucki sich aus, um Wickerl zu demütigen, und schließlich muss die Lehrerin ihre Zigarette auf dem Arm ihres Geliebten ausdrücken. Da fällt sie Wickerl um den Hals und beteuert: „Ich liebe dich!“ Lucki kennt sich nicht mehr aus, geht aus dem Zimmer, setzt sich weinend auf die Treppe, holt sein Klappmesser heraus und befühlt die scharfe Klinge.

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Die vom Sirius (Hundsstern) im Sternbild Orion beherrschten Tage vom 24. Juli bis 23. August werden seit Jahrhunderten „Hundstage“ genannt; sie gelten als die normalerweise heißeste Jahreszeit. Die Menschen in einer mit Neubausiedlungen, Autobahnzubringern und Supermärkten verbauten Vorstadt am südlichen Rand von Wien leiden unter der Hitze. Ulrich Seidl vermeidet in seinem ersten Spielfilm jedes Pathos und bezieht auch keine Stellung, sondern er leuchtet einfach in das Milieu hinein und veranschaulicht in sechs naturalistischen Episoden das triste Dasein der Kleinbürger in dieser Alltagshölle. „Hundstage“ ist eine derbe, vulgäre, teilweise tragikomische Spießersatire über ein Dutzend Wiener, von denen die meisten in ihrer Monstrosität an Karikaturen von Deix erinnern. Nicht zuletzt durch den Einsatz von Laien – nur Maria Hofstätter und Georg Friedrich sind Berufsschauspieler – wirkt „Hundstage“ beinahe wie eine Dokumentation. Bei den Filmfestspielen in Venedig gab es dafür 2001 den großen Preis der Jury.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004

E. Annie Proulx - Mitten in Amerika
Die Rahmenhandlung dient Annie Proulx nur zur Einbettung ihrer farbigen Geschichten über viele sture, schrullige, skurrile Bewohner der Prärie. Dabei kommt sie immer wieder auf die Zerstörung der Landschaft und ihrer traditionellen Bewirtschaftung durch industrialisierte Betriebe zurück.
Mitten in Amerika