Unter dem Eis

Unter dem Eis

Unter dem Eis

Originaltitel: Unter dem Eis – Regie: Aelrun Goette – Drehbuch: Thomas Stiller, nach einer Idee von Holger Badura – Kamera: Jens Harant – Schnitt: Andreas Zitzmann – Musik: Martin Todsharow – Darsteller: Bibiana Beglau, Dirk Borchardt, Adrian Wahlen, Sandra Borgmann, Nicole Mercedes Müller, Barbara Focke, Thorsten Merten, Susanne Lothar, Bruno F. Apitz, Inka Pabst, Susanna Kraus, Eva Mende u.a. – 2005; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Als der achtjährige Tim seine Mutter schluchzend in den Wald führt, ihr dort die Leiche seiner ein Jahr jüngeren Freundin Luzi zeigt und beteuert, es sei alles nur ein Spiel gewesen, nimmt sie an, er habe das Mädchen umgebracht. Panisch vor Angst vor den Folgen, schärft sie ihm ein, niemandem etwas davon zu verraten, auch nicht seinem Vater, der als Kriminalkommissar tätig ist und kurz darauf die Leitung der Ermittlungen in dem Mordfall übernimmt ...
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Kritik

"Unter dem Eis" ist eine gelungene Mischung aus spannendem Thriller und ergreifendem Familiendrama mit einer nuancenreichen Figurenzeich-nung. Hervorzuheben sind auch die schauspielerischen Leistungen von Bibiana Beglau und Adrian Wahlen.
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Jenny und Michael Niemeyer (Bibiana Beglau, Dirk Borchardt) haben kürzlich mit ihrem achtjährigen Sohn Tim (Adrian Wahlen) einen Bungalow am Stadtrand von Berlin bezogen. Michaels Einkommen als Kriminalkommissar hätte nicht zum Kauf des Hauses gereicht, aber seine ebenso arrogante wie nörglerische Schwiegermutter Hildegard Bohn (Barbara Focke) lieh ihm und ihrer Tochter den erforderlichen Geldbetrag.

Tim hat in der siebenjährigen Luzi (Nicole Mercedes Müller) aus der Nachbarschaft eine Spielgefährtin gefunden, und deren Eltern Sandra und Günther Kornatz (Sandra Borgmann, Thorsten Merten) sind inzwischen mit Jenny und Michael befreundet.

Eines Abends beschäftigt sich Michael im Wohnzimmer mit den Akten eines Mordfalles und lässt versehentlich Fotos auf dem Couchtisch liegen, auf denen die im Wald gefundene Leiche eines Mädchens zu sehen ist, das mit einer Plastiktüte über dem Kopf erstickt worden war. Tim sieht die Fotos und fragt seinen Vater, ob das Kind tot sei. Michael antwortet, nein, es schlafe nur. „Und warum hat das Mädchen eine Plastiktüte über dem Kopf?“ Das sei ein Spiel gewesen, lügt Michael aus Sorge, sein Sohn könne durch die Konfrontation mit einem Mordfall verstört werden.

Während sich Jenny, Sandra und drei andere Nachbarinnen am nächsten Tag in Sandras Haus treffen, um Dessous zu probieren, spielen Tim und Luzi nebenan. Tim beneidet seine Freundin um das Meerschweinchen Piggy und will es von ihr geschenkt bekommen. Als Luzi sich weigert, sperrt er sie in den Wandschrank und droht, Piggy zu quälen, wenn sie ihm das Tier nicht schenke. Auf Luzis Geschrei hin eilen Sandra und Jenny ins Kinderzimmer und befreien sie aus dem Schrank. Jenny fordert Tim auf, sich bei Luzi zu entschuldigen. Danach dürfen die beiden Kinder ins Freie. Tim überredet Luzi, mit ihm in den nahen Wald zu laufen: „Ich kenne ein tolles neues Spiel!“

Einige Zeit später kommt Jenny nach Hause und findet ihren kleinen Sohn schluchzend in einer Ecke der Waschküche kauernd vor. Der Junge ist völlig durcheinander. Schließlich führt er seine Mutter in den Wald zu einer Stelle, an der Luzis Leiche mit einer Plastiktüte über dem Kopf am Boden liegt. Immer wieder beteuert Tim, er habe nur spielen wollen.

Panisch vor Angst, läuft Jenny mit Tim wieder nach Hause und schärft ihm ein, das sei jetzt ihr großes Geheimnis, von dem nicht einmal Michael etwas erfahren dürfe.

Kurz darauf ruft Michael an: Er ist gerade zum Gruppenleiter befördert worden und möchte das an diesem Abend mit seiner Frau in einem Restaurant feiern. Jenny lügt, Tim sei krank und sie müssten zu Hause bleiben. Als Michael nach Hause kommt, hindert Jenny ihn daran, nach Tim zu sehen. Es klingelt. Völlig verstört fragt Sandra nach ihrer Tochter Luzi. Michael hilft ihr, das Kind zu suchen – und entdeckt die Leiche im Wald.

Für die Polizei sieht es so aus, als habe der Mörder, nach dem gerade gefahndet wird, erneut zugeschlagen. Der stellt sich einige Tage später, wehrt sich jedoch vehement dagegen, mit dem zweiten Mord in Verbindung gebracht zu werden.

Nach Luzis Beerdigung fragt Tim die trauernden Eltern noch am Friedhof, ob er das Meerschweinchen haben könne, und am nächsten Morgen holt er es bei Sandra und Günther Kornatz ab.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Tim, der befürchtet, dass sein Vater die Wahrheit herausfinden und ihn ins Gefängnis sperren wird, will nicht mehr mit ihm spielen. Nachts kann er nicht schlafen, und Jenny lässt ihn ins Ehebett schlüpfen. Frau Pötter (Susanne Lothar), Tims Klassenlehrerin, bittet Jenny zu einer Unterredung in die Schule: Sie macht sich Sorgen, weil Tim seit Luzis Tod Mitschüler verprügelt und sich während der Pause in der Toilette einschließt. Außerdem erzählt er merkwürdige Fantasiegeschichten von einem bösen Mann im Wald. Frau Pötter hält es für erforderlich, dass der Schulpsychologe sich mit Tim unterhält. Jenny lehnt es zwar ab, den Schulpsychologen zu konsultieren, verspricht der Lehrerin aber, mit Tim zu einem Psychologen ihrer Wahl zu gehen. Als Frau Pötter einige Zeit später nachfragt, behauptet Jenny, bei einem Psychologen gewesen zu sein und gibt einen erfundenen Namen an.

Während eines Besuchs bei ihrer Mutter fängt Jenny zu schluchzen an. Hildegard führt die Verstörung ihrer Tochter darauf zurück, dass ihr die Ermordung Luzis nahegelangen sei und fragt nicht weiter nach.

Michael bleibt nicht verborgen, dass Tim und Jenny sich verändert haben, aber er will nicht wahrhaben, dass ein ernstes Problem vorliegt.

Erst durch einen Anruf der Lehrerin, die damit droht, das Jugendamt einzuschalten, erfährt Michael, dass seine Frau lügt. Er vereinbart einen Termin mit Frau Pötter. Danach fragt er Jenny, wo Tims kariertes Hemd sei, denn er ahnt inzwischen, dass ein am Tatort gefundener Knopf von dem Kleidungsstück abgerissen wurde. Jenny, die das Hemd im Kamin verbrannte, gibt Michael zu bedenken, dass Tim sein Sohn sei und Luzi durch nichts mehr lebendig gemacht werden könne.

(Was Michael als nächstes tut, bleibt offen.)

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Aelrun Goette, die 2004 mit dem Dokumentarfilm „Die Kinder sind tot“ von sich reden machte, wählte für ihr Spielfilmdebüt erneut ein Thema, bei dem ein kleines Mädchen ums Leben kommt. „Unter dem Eis“ ist eine gelungene Mischung aus spannendem Thriller und ergreifendem Familiendrama. Sensibel und nuancenreich schildern Thomas Stiller (Drehbuch) und Aelrun Goette (Regie), wie eine verzweifelte Mutter versucht, ihren achtjährigen Sohn Tim zu beschützen, von dem sie glaubt, er habe seine Spielgefährtin umgebracht. An den Lügen und der Schuld drohen Jenny und Tim zu zerbrechen. Aber nicht nur Jenny will die Realität nicht wahrhaben; auch ihr Ehemann und ihre Mutter scheuen sich, die Ursachen für die auffälligen Veränderungen in Tims und Jennys Verhalten zu ergründen. Hervorzuheben sind die schauspielerischen Leistungen von Bibiana Beglau und ganz besonders von Adrian Wahlen, dem es gelingt, mal wie ein Unschuldsengel auszusehen und im nächsten Augenblick durchtrieben zu wirken.

Ärgerlich sind nur Kleinigkeiten wie diese: Jenny und Tim hinterlassen im verschneiten Wald deutliche Fußabdrücke im Schnee, die zu der Leiche hin und von dort zurück führen, aber die Polizei geht dieser Spur offenbar nicht weiter nach. Während der Beerdigung liegt auf dem Friedhof kein Schnee; in den Szenen davor und danach ist der Boden jedoch schneebedeckt.

Für „Unter dem Eis“ wurde Aelrun Goette 2007 mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet.

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Inhaltsangabe und Kommentar: © Dieter Wunderlich 2008

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