Die Geisel

Die Geisel

Die Geisel

Originaltitel: Die Geisel - Regie: Christian Görlitz - Drehbuch: Christian Görlitz und Uta König - Kamera: Johannes Geyer - Schnitt: Klaus Dudenhöfer - Musik: Matthias Thurow - Darsteller: Suzanne von Borsody, Jürgen Vogel, Sylvester Groth, Oliver Stokowski, Christian Redl, Martin Brambach, Ralph Herforth, Josef Ostendorf, Imogen Kogge, Dieter Mann u.a. - 2003; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Als ein Häftling eine Vollzugsbeamtin in seine Gewalt bekommt, stellt sich die Gefängnisdirektorin im Austausch gegen die Frau als Geisel zur Verfügung. Nach einer Stunde hat sie ihn überredet, mit ihr zurück in seine Zelle zu gehen. Da hört er Hubschraubergeräusche. Offenbar hat er nichts mehr zu verlieren ...
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Kritik

Der bestürzende Psychothriller "Die Geisel" geht auf ein tatsächliches Vorkommnis in der Justizvollzugsanstalt Celle-Salinenmoor im Februar 1996 zurück. Eine schnörkellos, eindringlich und spannend erzählte Geschichte.
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In der Justizvollzugsanstalt Weißenburg wird Alarm ausgelöst: Heiner Lienau (Oliver Stokowski), der zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, weil er zwei Frauen vergewaltigt und ermordet hatte, bedroht eine Vollzugsbeamtin mit einem Messer und hält sie in einem Veranstaltungsraum als Geisel. Die Gefängnisdirektorin Ella Jansen (Suzanne von Borsody) geht freiwillig zu Lienau, damit er ihre vor Angst zitternde Mitarbeiterin frei lässt. Die fünfzigjährige Psychologin vertraut auf ihr Verhandlungsgeschick.

Als Olaf Bodenteich (Sylvester Groth), der persönliche Referent des Landesinnenministers, von dem Vorfall erfährt, sieht er eine gute Gelegenheit, der Justizministerin Lichtenfeld und der Gefängnisdirektorin, die er beide für zu liberal hält, zu schaden und zugleich die Reputation seines Chefs als kompromissloser Garant der staatlichen Ordnung zu verbessern. Bodenteich bespricht sich kurz mit Innenminister Strucks und ordnet dann einen massiven Zugriff des Sondereinsatzkommandos (SEK) an.

In der Zwischenzeit überredet Ella Jansen den Häftling, freiwillig wieder in seine Zelle zurückzukehren. Kriminalkommissar Scholl (Jürgen Vogel), der den Einsatz der anstaltseigenen Sicherheitskräfte leitet, sagt Lienau am Telefon zu, dass die Polizei sich zurückhalten werde, wenn er die Geiselnahme von sich aus beendet. Der Vorfall scheint glimpflich auszugehen.

Da reißt plötzlich Bernd Meier (Ralph Herforth), der Leiter des SEK, die Befehlsgewalt an sich und fordert Scholl auf, den Geiselnehmer hinzuhalten, bis die Vorbereitungen für den Zugriff abgeschlossen sind. Scholls Vorgesetzter, Gerd Vollmer (Christian Redl), wurde von Bodenteich zur Zusammenarbeit mit dem SEK verpflichtet.

Als Lienau Hubschraubergeräusche hört, fühlt er sich verraten, glaubt, er habe nichts mehr zu verlieren und reagiert aggressiv. Er fesselt Ella Jansen und vergewaltigt sie. Anschließend tut es ihm Leid und er hört still zu, als die Gefängnisdirektorin – die ihre Beherrschung nicht verloren hat – erneut auf ihn einredet und ihm nochmals zum Aufgeben rät. Sie nimmt ihm das Messer ab und begleitet ihn auf dem Weg in seine Zelle. Unvermittelt stürmt ihnen ein halbes Dutzend mit Maschinenpistolen bewaffneter Männer des SEK entgegen. Dennoch bleibt Lienau ruhig und lässt sich Handschellen anlegen.

Bodenteich ist wütend darüber, dass die Geiselnahme nicht gewaltsam beendet wurde, denn er hatte schon von den Zeitungsmeldungen geträumt: Innenminister lässt Geiselnahme in der Haftanstalt durch entschlossene SEK-Aktion beenden. Als er von dem befreundeten Journalisten Frank Voss erfährt, dass Ella Jansen vergewaltigt wurde, denkt er sich die folgende Version für die anstehende Pressekonferenz aus: Die für ihre liberale Einstellung bekannte Gefängnisdirektorin ließ sich gegen die erste Geisel austauschen und nahm dabei ihre Vergewaltigung billigend in Kauf, denn sie kannte die Vorgeschichte des Täters. Dass der Doppelmörder sie nicht auch noch tötete, verdankt sie dem Sondereinsatzkommando.

Ella Jansen versteht die Welt nicht mehr, als sie die Berichterstattung im Fernsehen verfolgt. Das SEK habe sie befreit, heißt es da. In Lienaus Zelle seien 18 Messer gefunden worden, genug für 18 weitere Geiselnahmen. Außerdem werden sexuelle Beziehungen zwischen Aufsichtsbeamtinnen und Häftlingen erwähnt. Das Innenministerium verlangt eine genaue Untersuchung der offenbar chaotischen Verhältnisse in der Justizvollzugsanstalt Weißenburg. Die Justizministerin ist ebenfalls entsetzt, kann sich nicht vorstellen, dass die Behauptungen zutreffen und durchschaut, dass es sich um eine gezielte Kampagne des Innenministeriums gegen sie handelt. Um nicht selbst zurücktreten zu müssen, entlässt sie die Gefängnisdirektorin.

Rasch stellt sich heraus, dass Heiner Lienau mit der Essensausgabe beschäftigt war und deshalb 18 ungefährliche Essbestecke in seiner Zelle hatte. Ella Jansen überlegt, wer Lienau das scharfe Messer verschafft und das Gerücht von den sexuellen Kontakten zwischen Häftlingen und Personal in die Welt gesetzt haben könnte. Sie kommt schließlich auf den Aufsichtsbeamten Günter Köppe (Martin Brambach). Zusammen mit Scholl, dem zwar Schweigen befohlen worden war, der dies aber nach einiger Zeit nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren kann, sucht Ella Jansen ihren Mitarbeiter Köppe in dessen Haus auf und stellt ihn zur Rede. Er gibt alles zu. Lienau erpresste ihn, weil er wusste, dass er sich Geld von einem Häftling geliehen hatte.

Da läutet Vollmer an der Haustür. Scholl und Ella Jansen drängen Köppe, zu öffnen und nichts von ihrer Anwesenheit zu verraten. Von Bodenteich unter Druck gesetzt, verlangt Vollmer von Köppe, zwei Beamtinnen zu Falschaussagen über sexuelle Kontakte mit Häftlingen zu bringen. Da tritt Scholl vor und verhaftet seinen Chef.

Voll rehabilitiert kehrt Ella Jansen in ihr Amt zurück und übt es weitere fünf Jahre aus. Innenminister Strucks und Justizministerin Lichtenfeld werden nach der Landtagswahl in ihren Ämtern bestätigt. Olaf Bodenteich wechselt als Berater in die Medienbranche. Bernd Meier wird versetzt, Gerd Vollmer entlassen, Günter Köppe zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Frank Voss moderiert nur noch Sportsendungen. Die Staatsanwaltschaft klagt Heiner Lienau wegen Vergewaltigung an, nicht aber wegen Geiselnahme. Will jemand verhindern, dass der Polizeieinsatz vor Gericht zur Sprache kommt? Die näheren Umstände werden nie geklärt.

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Der erschütternde Psychothriller „Die Geisel“ geht auf ein tatsächliches Vorkommnis in der Justizvollzugsanstalt Celle-Salinenmoor zurück. Dort nahm der Häftling Holger Möhlenbein am 26. Februar 1996 eine Sozialarbeiterin als Geisel und vergewaltigte sie. Katharina Bennefeld-Kersten, eine fünfzigjährige Diplompsychologin, die das Gefängnis seit Oktober 1991 leitete, ließ sich gegen die erste Geisel austauschen. Auch sie wurde von Möhlenbein missbraucht. Nach vier Stunden ergab er sich. Drei Tage später nahm Katharina Bennefeld-Kersten ihre Amtstätigkeit wieder auf. Sie schrieb später ein Buch über ihre Erlebnisse (Katharina Bennefeld-Kersten: Die Geisel. Eine Gefängnisdirektorin in der Gewalt des Häftlings H. M. – Hamburg 1998). Uta König verarbeitete den Fall in einer im Frühjahr 1998 ausgestrahlten neunzig Minuten langen Fernsehdokumentation unter dem Titel „Eine Frau im Männerknast“, die mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. Sie schrieb dann auch zusammen mit Christian Görlitz das Drehbuch zu dem Spielfilm „Die Geisel“, in der die Tatsachen mit fiktionalen Szenen vermengt sind.

Eine Frau wird zweifach vergewaltigt: Einmal physisch von einem Geiselnehmer und dann auch noch psychisch durch intrigante Politiker und sensationsgierige Medien. Doch sie weigert sich, die Opferrolle zu übernehmen und kämpft mit viel Zivilcourage für ihre Rehabilitierung. Eine bestürzende Geschichte, die von Christian Görlitz schnörkellos, eindringlich und spannend erzählt wird. Suzanne von Borsody verkörpert die Gefängnisdirektorin nuanciert und glaubhaft.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2003

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.