Liegen lernen

Liegen lernen

Liegen lernen

Originaltitel: Liegen lernen – Regie: Hendrik Handloegten – Drehbuch: Hendrik Handloegten, nach dem Roman "Liegen lernen" von Frank Goosen – Kamera: Florian Hoffmeister – Schnitt: Elena Bromund – Musik: Dieter Schleip – Darsteller: Fabian Busch, Susanne Bormann, Birgit Minichmayr, Fritzi Haberlandt, Florian Lukas, Sophie Rois, Anka Sarstedt, Tino Mewes, Sebastian Münster, Beate Abraham, Wilfried Dziallas, Heinz Schubert, Norbert Stöss u.a. – 2003; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Der Gymnasiast Helmut verliebt sich 1982 in seine Mitschülerin Britta, doch eine Woche, nachdem sie zum erstenmal miteinander geschlafen haben, zieht sie zu ihrem Vater nach San Francisco. Helmuts Hoffnung, dass sie nach einem Jahr zu ihm zurückkommt, erfüllt sich nicht. Ziellos lebt er vor sich hin. 1998 erfährt der inzwischen Zweiunddreißigjährige, dass seine derzeitige Freundin schwanger ist und das Kind haben will. Das schockt ihn so, dass er über sein Leben nachdenkt, Bilanz zieht und einen Entschluss fasst ...
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Kritik

"Liegen lernen", die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Frank Goosen durch Hendrik Handloegten, ist eine unspektakulär inszenierte und überzeugend gespielte Coming-of-Age-Komödie vor dem Hintergrund der Achtzigerjahre.
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Berlin 1982. Der Gymnasiast Helmut Hermes (Fabian Busch) wohnt bei seinen Eltern (Beate Abraham, Wilfried Dziallas) die sich nichts mehr zu sagen haben. Seine Mutter drängt ihn, sich etwas fürs Leben vorzunehmen, aber er weiß nicht, was er will. Die meiste Zeit hängt er mit seinem Schulfreund Mücke (Florian Lukas) herum. Wenn dieser ihn mit Handschlag begrüßt und fragt: „Heute schon gewichst?“, antwortet Helmut trocken: „Das ist das erste Stücke Scheiße, das ich heute in der Hand habe.“ Gemeinsam halten sie dann Ausschau nach „fickbarem Material“.

Alles verändert sich, als Helmut sich in die blonde Schulsprecherin Britta (Susanne Bormann) verliebt. Er nimmt an ihren Arbeitsgruppen teil und ahmt ihr politisches Engagement nach, wagt es jedoch kaum, sie anzusprechen. Britta übernimmt die Initiative und knutscht mit ihm. Allerdings legt sie Wert darauf, dass er weder Mücke noch anderen Bekannten etwas von ihrer Beziehung erzählt. Helmut hält sich daran, und ein paar Monate später, als er am Weihnachtsabend seine Eltern sitzen lässt und zu Britta geht, schläft sie mit ihm. Helmut schenkt ihr einen Ring und ist überglücklich – bis Britta ihm noch in derselben Nacht mitteilt, dass sie in einer Woche zu ihrem Vater nach San Francisco reisen und dort zur Schule gehen werde.

Zuerst schreibt Helmut seiner Angebeteten fünf Briefe pro Woche und hofft, dass sie nach einem Jahr zurückkommt, aber nach einiger Zeit erfährt er, dass sie mit einem Amerikaner zusammen ist, und schließlich lässt sie nichts mehr von sich hören.

Während des Studiums läuft Helmut eines Tages seiner früheren Mitschülerin Gisela (Fritzi Haberlandt) über den Weg. Die Medizinstudentin nimmt ihren früheren Schwarm mit in ihre WG. Nach ein paar Monaten beginnt Helmut, sie zu betrügen und während ihrer Abwesenheit gleichgültig mit der Mitbewohnerin Barbara (Sophie Rois) zu schlafen, einer Theaterschauspielerin, die weder an die Liebe noch an sonst etwas glaubt. Als Gisela einmal unerwartet früher nach Hause kommt, Helmut in Barbaras Bett ertappt, wirft sie ihn hinaus, und er versucht auch gar nicht, sie umzustimmen. Helmut sucht sich einen Job als Parkwächter und lernt dabei die selbstbewusste Sportjournalistin Gloria (Anka Sarstedt) kennen, die seine nächste Geliebte wird.

1998 sitzt Helmut mit seiner derzeitigen Freundin Martina (Birgit Minichmayr) in einer Kneipe. Gerade erfuhr er, dass seine Mutter sich von seinem Vater scheiden lassen will. Tina erzählt ihm, sie sei von ihm schwanger und wolle das Kind haben. Zuerst glaubt er, sie mache einen Witz, aber dann begreift er, dass sie es ernst meint und springt entsetzt auf. Da schimpft Tina, er sei ein „gefühlsgehemmter, bindungsunfähiger, feiger Penner“. Verstört läuft Helmut hinaus in den Regen. Eigentlich will er auch ein Kind und eine feste Beziehung mit Tina. Warum lief er also davon?

Der Zweiunddreißigjährige fasst plötzlich einen Entschluss: Er geht in eine Telefonzelle und ruft Britta an. Sie lebt seit einiger Zeit wieder in Berlin, und inzwischen weiß Helmut, dass sie damals nur Wert auf Geheimhaltung legte, weil sie auch etwas mit Mücke und anderen Jungs hatte. Er verabredet sich mit ihr in der Kneipe, in der sie als Schüler ihr erstes Bier zusammen tranken. Sie lässt ihn warten, und als sie endlich kommt, bestellt sie Wein statt Bier. Die beiden wechseln ein paar belanglose Worte. Dann blickt Helmut seine Traumfrau noch einmal an – er hat sich während der letzten Minuten vergewissert, dass sie auch nur ein Mensch aus Fleisch und Blut ist –, steht auf, küsst sie zum Abschied flüchtig auf die Wange und lässt sie sitzen. Auf der Treppe am Ausgang des Lokals stolpert er und landet mit dem Gesicht im Dreck der Straße. Aber das macht nichts: Er hat jetzt begriffen, dass er sich entscheiden muss.

Als Nächstes gesteht er Tina, er sei sich inzwischen darüber klar geworden, dass er sie liebe.

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Der Bochumer Kabarettist („Tresenlesen“) Frank Goosen (*1966) veröffentlichte 2001 seinen ersten Roman – „Liegen lernen“ – und hatte damit auf Anhieb Erfolg (Eichborn Verlag, Frankfurt/M 2001, ISBN 3-821-80854-3, 298 Seiten). Hendrik Handloegten adaptierte den Roman fürs Kino.

Im September 1998 stürzte ein Mann frühmorgens vornüber aus einer im Souterrain gelegenen Kreuzberger Kneipe in eine Pfütze brackigen Regenwassers und fühlte sich nun bereit für einen abschließenden Döner. Sein Leben als verantwortungsloses, bindungsunfähiges, triebhaftes Arschloch war definitiv an einem Tiefpunkt angekommen. Gegenüber war eine Plakatwand, auf der stand: „Wir werden nicht alles anders, aber vieles besser machen!“ […] dann stand der Mann auf und ging in die nächste Telefonzelle. Man sah ihn telefonieren, den Kopf gegen den Apparat gelehnt. Nach ein paar Minuten kam er wieder heraus. Er ging ein paar Schritte und blieb vor einem türkischen Imbiss stehen. Aus dem Döner würde nichts werden. Der Mann hatte kein Geld mehr. Er konnte jetzt nur noch warten. Dieser Mann, der mit leerem Magen, Kopfschmerzen und einem tauben Gefühl in den Knochen vor diesem Imbiss stand, war ich. Die ganze Geschichte hatte an dem Tag angefangen, als meine Eltern sich einen Farbfernseher kauften. Es hatte bis zum Spätsommer 1982 gedauert, bis mein Vater den uralten Schwarzweißfernseher auf den Müll warf und ein neues Gerät anschaffte. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte es nicht unbedingt ein Farbfernseher sein müssen […], aber der Händler hatte einfach keine Schwarzweißgeräte da […] Der Apparat wurde geliefert, als die großen Ferien vorbei waren, aber das war Zufall. (Frank Goosen: Liegen lernen)

Sowohl das Buch als auch der Film beginnen und enden im Jahr 1998. Der zweiunddreißigjährige Student und Gelegenheitsarbeiter Helmut wird durch die Mitteilung seiner Freundin geschockt, sie sei schwanger und wolle das Kind haben. Helmut ist ein Geistesverwandter des Schwabinger Gammlers Martin in „Zur Sache, Schätzchen“, und es ist wohl kein Zufall, dass in einigen Szenen Ausschnitte aus diesem Kultfilm im Fernsehen laufen. In der durch die Äußerung seiner Freundin ausgelösten Krise denkt er über sein erschreckend belangloses Leben nach, zieht Bilanz und erzählt in einer langen Rückblende, warum alles so kam. Helmut begreift, dass er gefühlsarm wurde, weil er seit sechzehn Jahren seiner Jugendliebe nachtrauerte und Britta zur Traumfrau verklärte. Erst nach der bewussten Lösung von dieser vermeintlichen Liebe seines Lebens ist er in der Lage, sich zu binden, Tina zu lieben und mit ihr eine Familie zu gründen.

Die unspektakulär inszenierte und überzeugend gespielte Coming-of-Age-Komödie ist eingebettet in die Pop-Kultur der Achtzigerjahre, die politische Stagnation der Ära Kohl und in ein kleinbürgerliches Milieu dieser Zeit.

Hendrik Handloegten (*1968) betrieb von 1989 bis 1993 das „Eiszeit Kino“ in Berlin und studierte dann an der Deutschen Film- und Fernsehakademie. „Paul is Dead“ heißt seine Abschlussarbeit.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.