No Turning Back
No Turning Back
Inhaltsangabe
Kritik
Der erkältete Bauleiter Ivan Locke (Tom Hardy) kommt von der gewaltigen, in der Dunkelheit beleuchteten Baugrube eines geplanten Hochhauses in Birmingham zu seinem Auto, wechselt die Schuhe, steigt ein und fährt los. ADIO steht auf seinem Nummernschild.
Mit der Freisprechanlage ruft er eine Frau an. Sie heißt Bethan Maguire, liegt in einem Krankenhaus in London und wartet auf die unmittelbar bevorstehende Geburt ihres ersten Kindes. Ivan versichert ihr, dass er in eineinhalb Stunden bei ihr sei.
Dann ruft er zu Hause an. Statt seiner Frau Katrina hebt Eddie ab, der jüngere der beiden Söhne. Der freut sich schon darauf, in ein paar Minuten mit den Eltern und seinem Bruder Sean die Übertragung eines Fußballspiels im Fernsehen anzuschauen und dabei die Würstchen zu essen, die die Mutter gerade noch besorgt. Ivan sagt, er könne nicht kommen und werde gleich noch einmal anrufen, um Katrina den Grund zu erklären.
Als Nächstes telefoniert er mit seinem Mitarbeiter Donal. Am nächsten Morgen um 5.25 Uhr soll mit dem Gießen des Fundaments begonnen werden. Damit die 218 LKW-Ladungen hochwertigen Betons angeliefert werden können, hat Ivan Locke mit der Stadtverwaltung und der Polizei die Sperrung einiger Straßen für den normalen Verkehr vereinbart. Nun überrascht er seinen Mitarbeiter mit der Mitteilung, dass er selbst nicht da sein werde und Donal deshalb für ihn einspringen müsse. Der kann zunächst nicht glauben, dass der verantwortliche Bauleiter, der seit neun Jahren für das Unternehmen arbeitet und wegen seiner Zuverlässigkeit geschätzt wird, bei diesem gigantischen Vorhaben wegbleibt. Ivan Locke sagt nur etwas von einer dringenden familiären Angelegenheit, ohne näher darauf einzugehen. Er beruhigt Donal, der befürchtet, der Herausforderung nicht gewachsen zu sein und verspricht ihm, jeden einzelnen Schritt mit ihm am Telefon durchzugehen. Mit den Vorbereitungen für den Betonguss und den notwendigen Überprüfungen wird Donal die ganze Nacht beschäftigt sein.
Kurz nachdem Ivan mit Donal gesprochen hat, ruft sein Chef Gareth an. Vergeblich fordert er den Bauleiter auf, seine privaten Pläne zu ändern und zur Baustelle zurückzukommen. Gareth weist darauf hin, dass beim kleinsten Fehler ein Schaden von 100 Millonen Pfund entstehen könnte und droht mit der Kündigung, kann Ivan Locke jedoch nicht umstimmen.
Als dieser seine Frau am Telefon hat, erklärt er ihr, warum er nicht nach Hause fährt, sondern nach London unterwegs ist. Als er vor einiger Zeit ein paar Tage auf einer auswärtigen Baustelle arbeitete, trank er in der Pension mit seiner damaligen Assistentin zusammen Wein. Die einsame 43-Jährige tat ihm leid, und unter der Wirkung des Alkohols schlief er ein einziges Mal mit ihr. Es war nicht der Beginn einer Affäre, und er empfindet auch nichts weiter für die Frau, die er kaum kennt. Sie sahen sich seither nicht mehr. Allerdings erfuhr er von ihrer Schwangerschaft, und dass er der Vater ist, bezweifelt er nicht. Vor der in zwei Monaten erwarteten Geburt des Kindes wollte er Katrina alles gestehen, aber heute erlitt die Frau einen vorzeitigen Blasensprung, und nun hält er es für seine Pflicht, wie versprochen bei der Geburt des Kindes dabei zu sein. Er will nicht so sein, wie sein inzwischen verstorbener Vater, der die Familie im Stich ließ, als Ivan noch klein war und einen Vater gebraucht hätte. Ivan hofft, nach seiner Rückkehr mit Katrina über alles reden zu können, aber sie bricht das Telefonat aufgebracht ab.
Von seinen Söhnen erfährt Ivan bei weiteren Anrufen, dass Katrina in der Toilette ist und sich übergibt.
Nachdem Gareth mit der Konzernleitung in Chicago gesprochen hat, teilt er Ivan Locke mit, dass man dort auf einer fristlosen Kündigung bestehe. Er entlasse sonst niemanden am Telefon, erklärt er, aber in diesem Fall bleibe ihm nichts anderes übrig. Das sei schon in Ordnung, meint Ivan und fügt hinzu, dass er trotzdem noch für einen fehlerfreien Ablauf des Betongusses sorgen werde. Gareth hat zwar bereits einen anderen Bauleiter mit der Aufgabe betraut, aber Ivan Locke ruft Donal an und schärft ihm ein, nur auf ihn zu hören. Er bespricht die nächsten Schritte mit ihm. Donal muss nicht nur die zwölf Betonpumpen überprüfen, sondern auch die Verschalungen und Armierungen. Außerdem fordert Ivan ihn auf, sich zu vergewissern, dass exakt die richtige Betonqualität geliefert wird.
Eine Krankenschwester möchte mit Ivan Locke reden, doch wegen der Schweigepflicht soll er erst einmal bestätigen, dass er Bethans Partner sei. Statt direkt darauf zu antworten, erklärt Ivan Locke, er sei der Vater des Kindes. Schwester Margaret teilt ihm daraufhin mit, dass die Nabelschnur um den Hals des ungeborenen Kindes geschlungen sei und es zu erdrosseln drohe. Die Ärzte raten zum Kaiserschnitt, aber Bethan will sich nicht aufschneiden lassen. Nachdem Ivan mit dem Arzt Dr. Gullu gesprochen hat, drängt er Bethan, sich auf die Mediziner zu verlassen und versucht, ihr die Angst vor der Operation zu nehmen.
Bezüglich einer der geplanten Straßensperrungen gibt es noch Unklarheiten zwischen Stadtverwaltung und Polizei. Ivan Locke besorgt sich die Handynummer des zuständigen Mitarbeiters der Stadtverwaltung und ruft Mr Cassidy an. Der sitzt in einem indischen Restaurant und weist ihn empört auf die Uhrzeit hin, lässt sich dann aber dazu überreden, die Angelegenheit noch vor dem frühen Morgen mit der Polizei zu klären.
Bei den Überprüfungen findet Donal eine fehlerhafte Armierung. Die Bauarbeiter sind bereits fort. Ivan kennt jedoch einen polnischen Straßenarbeiter auf einer Baustelle in der Nähe. Donal soll hinfahren, dem Polen 500 Pfund pro Mann bieten und ihn und zwei weitere Bauarbeiter holen. Mit dem Auto zu fahren, hält Donal für zu riskant, weil er zwei Cider getrunken hat. Er läuft zu Fuß los. Bald darauf ruft er wieder an und fragt, ob er den drei Männern auch je 600 Pfund versprechen könne. Dafür sind sie bereit, die Armierung noch in der Nacht in Ordnung zu bringen.
Während auf der Baustelle die letzten Probleme beseitigt werden, weigert Katrina sich, mit Ivan zu reden, obwohl er beteuert, es habe sich um den einzigen Seitensprung in 15 Jahren Ehe gehandelt. Bevor Katrina wieder auflegt, fordert sie ihn auf, gar nicht mehr nach Hause zu kommen. Sie will ihn nicht mehr sehen.
Nach dem Fußballspiel ruft Eddie heimlich mit dem Handy unter der Bettdecke seinen Vater an, um ihm darüber zu berichten. Er hat das Spiel eigens aufgezeichnet, damit er es sich mit seinem Vater zusammen noch einmal anschauen kann.
Kurz bevor Ivan Locke die Klinik in London erreicht, ruft Bethan erneut an und hält das Handy so, dass er das Neugeborene schreien hört.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Ein Mann hat einen Fehler gemacht, sich unter Alkoholeinfluss und aus Mitleid zu einem Seitensprung hinreißen lassen und dabei ungewollt ein Kind gezeugt. Ivan Locke heuchelt keine Gefühle für die werdende Mutter, steht aber zu seinem Wort, dass er ihr bei der Geburt des Kindes beistehen werde, denn er will nicht so sein wie sein eigener Vater, der die Familie im Stich gelassen hatte. Er ist bereit, die Konsequenzen zu tragen. Und der Preis ist hoch: Ivan Locke opfert nicht nur seine Anstellung als Bauleiter, sondern riskiert auch das Zerbrechen seiner Familie. Obwohl er fristlos entlassen wird, weil er zum Krankenhaus fährt, statt auf der Baustelle zu bleiben, sorgt er durch zahlreiche Telefonanrufe gewissenhaft dafür, dass dort nichts schiefläuft.
Dass das Leben eines rational denkenden Ingenieurs aus der Bahn gerät und er mit der Unberechenbarkeit des Lebens konfrontiert wird, erinnert ein wenig an „Homo faber“, aber „Locke“ (Originaltitel) bzw. „No Turning Back“ (Titel in Deutschland) ist vor allem eine Charakterstudie über einen verantwortungsbewussten Mann, der unter keinen Umständen so werden möchte, wie sein verhasster Vater.
Der Protagonist steigt ins Auto, fährt von Birmingham nach London und telefoniert unterwegs mit verschiedenen Menschen, von denen wir nur die Stimme hören. Diese 85 Minuten zeigt Steven Knight in Echtzeit. Wir sehen in „No Turning Back“ nur den erkälteten Mann im Auto und hören seine Telefongespräche. Die Kamera wechselt von Close-ups des Gesichts zu Aufnahmen durch die Windschutzscheibe, in der sich farbige Lichter spiegeln. Nur zu Beginn und am Ende gibt es eine Totale. Viel Abwechslung ist das nicht. Dennoch sind Bild und Schnitt brillant. In diesem minimalistischen Setting kommt es besonders auf die Dialoge an, denn nur durch sie erfahren wir, was geschieht bzw. geschehen ist. Steven Knight hat sie überzeugend formuliert. Getragen wird „No Turning Back“ von Tom Hardy, der beim Autofahren und ohne physisch anwesenden Gesprächspartner kaum Möglichkeiten für Gesten hat, aber umso eindrucksvoller seine facettenreiche Mimik einsetzt, ohne dabei ins Overacting zu geraten.
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2014