Laura d'Oriano


Laura d’Oriano wurde am 27. September 1911 in Konstantinopel, der Hauptstadt des Osmanischen Reiches, geboren.

Ihr Großvater Vincenzo d’Oriano aus Pozzuoli war als Begleiter eines englischen Touristen von Italien nach Smyrna gezogen und hatte dort am 29. Januar 1877 Teresa Capponi geheiratet. Eines der acht Kinder des Paares hieß Polycarp d’Oriano. Im Mai 1910 heiratete der 24-jährige Musiker in Smyrna die vier Jahre jüngere Chansonsängerin Aida Agnese Caruana. Das Ehepaar bekam fünf Kinder. Außer Laura waren das Umberto und Vittorio Emmanuelle sowie Marina und Maria Teresa. Berufsbedingt reiste die Familie viel. Aber Ende 1924 zogen Polycarp und Aida mit den Kindern nach Marseille, wo sie die Musikalienhandlung eines entfernt Verwandten übernahmen.

Im Alter von 16 Jahren begann Laura, am Konservatorium in Paris Gesang zu studieren. Bald wurde ihr bewusst, dass sie es nicht zu Spitzenleistungen bringen würde, und als man ihr am Ende des dritten Semesters nahelegte, das Konservatorium zu verlassen, kehrte sie im Frühjahr 1931 zu den Eltern in Marseille zurück.

Dort bediente Laura d’Oriano in der Musikalienhandlung und trat als Sängerin in einem Nachtklub auf.

Als der 25-jährige Schweizer Emil Fraunholz im Mai 1931 Noten kaufte, kam er mit ihr ins Gespräch, und sie gingen miteinander aus. Er hatte sich zwei oder drei Jahre zuvor nach Südfrankreich abgesetzt, um dem Militärdienst in der Schweiz zu entgehen. Im Sommer 1931 stellte Laura d’Oriano fest, dass sie schwanger war. Daraufhin heirateten sie und Emil Fraunholz am 18. August in Marseille, und Laura erhielt die Schweizer Staatsbürgerschaft.

Obwohl Emil Fraunholz nichts von Pharmazie verstand, übernahm er noch im selben Jahr eine Apotheke in Grasse und zog mit seiner schwangeren Frau dorthin. In Grasse gebar Laura im April 1932 Renée und im März 1933 Anna. Weil kaum Kunden in die Apotheke kamen, die Familie mit der Miete in Rückstand geriet und der Gerichtsvollzieher die Wertsachen pfändete, suchte Emil Fraunholz mit seiner Frau und den beiden Töchtern im Oktober 1933 Zuflucht bei seinen Eltern auf dem Bauernhof in Bottighofen am Bodensee.

Laura d’Oriano beherrschte zwar mehrere Fremdsprachen, aber Schwyzerdütsch gehörte nicht dazu, und sie konnte sich deshalb nicht mit ihren Schwiegereltern unterhalten. Die polyglott aufgewachsene junge Frau ertrug die Enge des Landlebens nicht lange. Sie trennte sich von ihrem Mann, ließ die Töchter bei ihm und den Schwiegereltern zurück und reiste erneut nach Marseille zu ihren Eltern.

Weil die Musikalienhandlung inzwischen verkauft worden war, half Laura ihrer unverheirateten Tante Maria Juarez in deren Hutgeschäft. Parallel dazu trat sie nun wieder als Sängerin in Nachtlokalen auf, nicht nur in Marseille, sondern auch in Cannes, Nizza, Sète und Barcelona, und zwar als „Anuschka, die Nachtigall von Kiew“.

Im Juni 1940 erklärte Italien Frankreich den Krieg. Daraufhin verkaufte Polycarp d’Oriano die Wohnung in Marseille und zog mit seiner Frau nach Rom. Laura, die in diesem Jahr 29 Jahre alt wurde und einen Schweizer Pass besaß, blieb allein zurück.

Am 10. Januar 1941 kam Simon Cotoni, ein Kommissar der Surveillance du Territoire, zu Laura d’Oriano in den Laden ihrer Tante. Mit der Drohung, sie wegen

der fehlenden Lizenz für Bühnenauftritte zu belangen und ihre bald auslaufende Aufenthaltsgenehmigung nicht zu verlängern, brachte er sie dazu, für die Résistance zu arbeiten: Unter dem falschem Namen Louise Fremont reiste sie im Juni 1941 nach Bordeaux. Dort gab sie sich als eine in Paris geborene Sängerin aus und trat in Nachtlokalen auf. Auf diese Weise kam sie in Kontakt mit italienischen Marinesoldaten und konnte die Männer über die im Hafen von Bordeaux stationierten deutschen U-Boote ausfragen.

Im Oktober kehrte Laura d’Oriano zu Simon Cotoni nach Nizza zurück. Nachdem sie sich einer medizinisch notwendigen Operation unterzogen und davon erholt hatte, erhielt sie von ihm den Auftrag, sich in den Häfen von Genua und Neapel umzusehen. Anfang Dezember reiste sie mit einem Verbindungsmann nach Briançon, und in der Nacht vom 11./12. Dezember 1941 ließ Laura d’Oriano sich zu Fuß auf Schleichwegen über die Grenze nach Italien bringen.

Dort wurde sie allerdings von der italienischen Geheimpolizei observiert, die einen Tipp bekommen hatte. Bevor sie am 14./15. Dezember als Laura Fantini von Genua nach Neapel weiterreiste, gab sie einen Brief mit einer Meldung über die Zahl der Kriegsschiffe im Hafen von Genua auf. Am 17. Dezember fuhr Laura d’Oriano mit dem Zug von Neapel nach Rom und besuchte ihre Mutter. (Der Vater hielt sich zu dieser Zeit aus geschäftlichen Gründen in Tirana auf.)

Als sie am 27. Dezember 1941 nach Neapel zurück wollte, wurde sie im Zug festgenommen. Die Vernehmungen in Rom und Turin zogen sich monatelang hin. Am 15. Januar 1943 fand der Prozess gegen Laura d’Oriano vor einem Sondergericht in Rom statt, das sie am Ende wegen Spionage zum Tod verurteilte. Am nächsten Morgen wurde das Urteil von einem Erschießungskommando vollstreckt.

Laura d’Oriano ist eine der drei Hauptfiguren in dem Roman „Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer“ von Alex Capus.

© Dieter Wunderlich 2014

Alex Capus: Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.