The Tree of Life

The Tree of Life

The Tree of Life

The Tree of Life – Originaltitel: The Tree of Life – Regie: Terrence Malick – Drehbuch: Terrence Malick – Kamera: Emmanuel Lubezki – Schnitt: Hank Corwin, Jay Rabinowitz, Daniel Rezende, Billy Weber, Mark Yoshikawa – Musik: Alexandre Desplat – Darsteller: Brad Pitt, Sean Penn, Jessica Chastain, Hunter McCracken, Laramie Eppler, Tye Sheridan, Fiona Shaw, Jessica Fuselier, Nicolas Gonda, Will Wallace, Kelly Koonce, Bryce Boudoin, Jimmy Donaldson, Kameron Vaughn, Cole Cockburn u.a. – 2011; 135 Minuten

Inhaltsangabe

Der Tod eines Angehörigen wirft Fragen nach dem Sinn des Lebens auf. Wieso lässt Gott zu, dass Kinder sterben und junge Männer im Krieg ums Leben kommen? Die Schöpfung ist schön und grausam zugleich. Als Mensch müsse man sich zwischen dem Prinzip der Natur (Daseinskampf) und dem der Gnade (Liebe, Selbstlosigkeit) entscheiden, suggeriert Terrence Malick. Die beklemmende Famliengeschichte bettet er in den kosmischen Zusammenhang ein: Kosmologie und Evolution münden in die Ontogenese eines Individuums ...
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Kritik

Terrence Malick ignoriert in dem ernsten, symbolisch aufgeladenen Film "The Tree of Life" Sehgewohn-heiten und dramaturgische Regeln. Aber es fehlt auch an formaler Geschlossenheit; darüber können die eindrucksvollen Bilder nicht hinwegtäuschen.
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Eine amerikanische Mittelstandsfamilie in den Fünfzigerjahren: Mr und Mrs O’Brien (Brad Pitt, Jessica Chastain) und ihre drei Söhne leben in einem Vorstadthaus in Waco, Texas. Den Lebensunterhalt verdient Mr O’Brien als Ingenieur, und er besitzt siebenundzwanzig Patente. Zufrieden ist er damit nicht, denn er wäre lieber Musiker geworden. Seine Frustration verschärft sich, als die Raffinerie, für die er arbeitet, geschlossen wird. Immer häufiger gerät er mit seiner Frau in Streit.

Bei Tisch betet Mr O’Brien mit seinen Angehörigen. Weil er überzeugt ist, dass nur Starke eine Chance haben, versucht er, seinen Söhnen die Schwächen mit strenger, unnachgiebiger Erziehung auszutreiben. Aber Jack (Hunter McCracken), der älteste der drei Söhne, rebelliert gegen den Vater. Dazu gehört auch, dass er mit Gleichaltrigen herumstreift und als Mutprobe nicht nur Fensterscheiben einwirft, sondern auch einen lebenden Frosch mit einer Silvesterrakete in die Luft schießt, in ein Nachbarhaus eindringt und Damenwäsche stiehlt. Sein gesenkter Kopf und der trotzig-verschlagene Blick zeugen vom Zorn auf den Vater. Als Mr O’Brien das aufgebockte Auto repariert und darunter liegt, spielt Jack mit dem Gedanken, den Wagenheber wegzustoßen.

Mrs O’Brien erduldet die Härte ihres Mannes und redet nicht viel. Aber mit ihrer Liebe zu ihm und den Kindern hält sie die Familie zusammen.

Eines Tages liest Mrs O’Brien in einem Telegramm, dass ihr zweiter, inzwischen neunzehn Jahre alter Sohn tot ist. Wie er ums Leben kam, erfahren wir nicht. Möglicherweise fiel er im Vietnam-Krieg. Mr O’Brien erhält die Nachricht am Telefon, aber er befindet sich auf einem Flughafen, und der Lärm der Triebwerke macht eine Verständigung nahezu unmöglich. Sein Weltbild gerät durch den Tod des Sohnes ins Wanken. Seine verzweifelte Frau nimmt sich das Leben.

Jack wird Architekt. Wir sehen ihn (ab jetzt: Sean Penn) in einem spektakulären Hochhausbüro aus Glas und Stahl in Houston. Das Privathaus, in dem er mit seiner hübschen Frau wohnt, ist ebenfalls anspruchsvoll und hochmodern gestylt, wirkt aber kalt und unpersönlich. Der Tod des Bruders und der Suizid der Mutter haben Jack traumatisiert. Trotz seines beruflichen Erfolgs hat er keinen Halt gefunden. Er ist orientierungslos. Die Erinnerungen an den tödlichen Badeunfall eines Mitschülers, die strenge Erziehung seines Vaters, die Streitigkeiten der Eltern und die toten Familienmitglieder treibt ihn um.

In einer surrealen Wüste schreitet er durch einen Türstock und begegnet seinen Brüdern und den Eltern, als wäre für sie die Zeit in seiner Jugend stehengeblieben. Dann taucht ein Sonnenblumenfeld auf. Jack fährt mit einem gläsernen Aufzug an einer Hochhausfassade entlang, und am Ende steht er vor einer Brücke.

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Terrence Malick hat seinem Film „The Tree of Life“ ein Zitat aus dem Buch Hiob vorangestellt:

Wo warst du, als ich die Erde gründete? […] als die Morgensterne miteinander jubelten und alle Söhne Gottes jauchzten?

Der Tod eines Angehörigen wirft Fragen nach dem Sinn des Lebens auf. Wo komme ich her? Wodurch wurde ich so wie ich bin? Was geschieht nach dem Tod? Es geht auch um die Theodizee: Wieso lässt Gott zu, dass Kinder sterben und junge Männer im Krieg ums Leben kommen? Die Schöpfung wird in „The Tree of Life“ ambivalent dargestellt: Sie ist schön, aber auch grausam. Als Mensch müsse man sich entscheiden, suggeriert Terrence Malick, ob man dem Vorbild der Natur folgt und sich auf den Daseinskampf auch im Berufsleben einlässt, oder ob man sich dem Prinzip der Gnade verschreibt, das Liebe und Selbstlosigkeit beinhaltet. Der Vater steht in „The Tree of Life“ für das eine, die Mutter für das andere.

Erzählt wird die beklemmende Familiengeschichte aus der Perspektive Jacks. Seine Stimme (und die seiner Mutter) hören wir zwischendurch aus dem Off. Was in der Literatur ein flow of consciousness wäre, ist hier eine Gedanken- und Erinnerungsreihe.

Terrence Malick bettet Geschichte der Familie O’Brien und Jacks Sinnsuche in einen größeren Zusammenhang ein, in den größten, den man sich vorstellen kann, den kosmischen. In einer minutenlangen Sequenz symbolisiert er die Kosmogonie und die Entstehung der Erde, die Evolution, die schließlich in die Zeugung und Ontogenese eines menschlichen Individuums mündet. Schöpferische und zerstörerische Kräfte sind am Werk. Ein Saurier entdeckt in einem Flussbett ein wehrlos neben dem Wasser liegendes, vermutlich verletztes Tier und setzt einen Fuß auf dessen Kopf, um ihn zu zerquetschen. Aber er zögert und läuft schließlich weiter, ohne das andere Tier getötet zu haben.

Den Sehgewohnheiten entspricht dieser ernste, kontemplative und symbolisch aufgeladene Film nicht, zumal Terrence Malick die Regeln der Dramaturgie in „The Tree of Life“ ignoriert. Aber es fehlt auch an einer formalen Geschlossenheit. Der Eindruck, dass „The Tree of Life“ nicht elegant fließt, sondern bisweilen wie eine Dia-Show oder eine Art Best-of-Zusammenschnitt Sequenzen aneinanderreiht, wird durch lange Schwarzblenden verstärkt. Die Kamera ist ständig in Bewegung, nimmt aus ungewöhnlichen Perspektiven auf, und erschafft eindrucksvolle, mitunter hektisch geschnittene Bilderfolgen.

Gedreht wurde in Texas (Austin, Bastrop, Dallas, Houston, La Grange, Matagorda, San Marcos, Smithville, Waco), Utah (Bonneville Salt Flats, Goblin Valley State Park), Kalifornien (Death Valley) und Chile, in Hawaii und Palau, auf Island (Hverarönd, Krafla, Námaskarð Pass) und Malta sowie in Italien (Villa Lante, Viterbo; Parco dei Mostri di Bomarzo, Viterbo).

Musik, die in „The Tree of Life“ zu hören ist:

  • Johann Sebastian Bach: Toccata und Fuge in d-Moll, BWV 565, Helmut Walcha)
  • Johann Sebastian Bach: Das wohltemperierte Klavier (Jeno Jandó)
  • Michael Baird: Wind Pipes
  • Hector Berlioz: Domine Jesu Christe und Agnus Dei aus Grande Messe des Morts, Wandsworth School Boys Choir, London Symphony Chorus, London Symphony Orchestra unter Sir Colin Davis)
  • Hector Berlioz: Harold en Italie (San Diego Symphony Orchestra unter Yoav Talmi)
  • Johannes Brahms: 2. Satz aus der 4. Sinfonie in e-Moll op. 98, Berliner Philharmoniker unter Herbert von Karajan)
  • Francois Couperin: Les Barricades Mistérieuses. Pièces de clavecin (Angela Hewitt)
  • Francois Couperin: Les Barricades Mistérieuses. Pièces de clavecin (Hanan Townshend)
  • Henryk Górecki: Sinfonie Nr. 3, op. 36 (Nationales Polnisches Rundfunk-Sinfonieorchester unter Antoni Wit)
  • Barry Guy: After the Rain. Antiphon (Richard Hickox und City of London Sinfonia)
  • Gustav Holst: Hymn to Dionysus (The Royal Philharmonic Orchestra und Chor)
  • David Hykes: Ascending and Descending (David Hykes und The Harmonic Choir)
  • Arsenije Jovanovic: Approaching
  • Arsenije Jovanovic: Faunophonia Balkanica
  • Arsenije Jovanovic: Ma Maison
  • Arsenije Jovanovic: Sound Testament of Mount Athos
  • Giya Kancheli: Morning Prayers
  • Francesco Lupica: Cosmic Beam Take 5
  • Francesco Lupica und Lee Scott: Troops Advance in Grass
  • Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 1 in D-Dur (Nationales Polnisches Rundfunk-Sinfonieorchester unter Michael Halász)
  • Wolfgang Amadeus Mozart: Klaviersonate Nr. 16 in C-Dur, KV 545 (Jim Lynch)
  • Modest Mussorgsky: Bilder einer Ausstellung (Vladimir Ashkenazy)
  • Zbigniew Preisner: Lacrimosa 2 (Elzbieta Towarnicka, Sopran, Sinfonia Varsovia und Kammerchor unter Jacek Kaspszyk)
  • Zbigniew Preisner: Lacrimosa 2 (Hanan Townshend)
  • Ottorino Respighi: Siciliana Da Antiche Danze Ed Arie Suite III (The RTÉ National Symphony Orchestra unter Rico Saccani)
  • Ottorino Respighi: Siciliana Da Antiche Danze Ed Arie Suite III (Hanan Townshend)
  • Robert Schumann: 1. Satz aus dem Klavierkonzert in a-Moll, op. 54, Martha Argerich, Gewandhausorchester Leipzig unter Riccardo Chailly)
  • Bedrich Smetana: Moldau (Vaclav Smetacek and The Czech Philharmonic Orchestra)
  • Tibor Szemzo: Snapshot from the Island
  • John Tavener und Mother Thekla: Funeral Canticle (George Mosley, Paul Goodwin und Academy of Ancient Music)
  • John Tavener und Mother Thekla: Resurrection in Hades (Joseph Jennings, Chanticleer Choir und Chorus)
  • Hanan Townshend: Eternal Pulse
  • Hanan Townshend: Hymn 87. Welcome Happy Morning
  • Klaus Wiese: Ta Há 1
  • Klaus Wiese: Klangschalen 2
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2011

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.