Steffi Graf


Stefanie Maria (»Steffi«) Graf wurde am 14. Juni 1969 als erstes Kind des Versicherungskaufmanns und Gebrauchtwagenhändlers Peter Graf (* 1939) und dessen Ehefrau Heidi (* 1944) in Mannheim geboren. Ihr Bruder Michael kam zwei Jahre später zur Welt.

Als Steffi vier Jahre alt war, schenkte ihr der Vater – der seit seinem 27. Lebensjahr begeistert Tennis spielte – einen Tennisschläger, meldete sie beim »HTC Heidelberg« an und übte viel mit ihr. Bereits nach zwei Jahren gewann das Kind ein »Jüngsten-Turnier« in München. Bald darauf gab Peter Graf alle anderen Berufstätigkeiten auf und widmete sich voll der Tennis-Karriere seiner offensichtlich außergewöhnlich begabten Tochter. »Ich glaub‘, ich bin immer schon eisern gewesen, ich glaub‘, schon als Kind«, sagte Steffi Graf 1997 in einem Gespräch mit der »Zeit«.

1981 gewann sie als erste Deutsche die inoffizielle Jugend-Weltmeisterschaft »Orange Bowl« in Florida. Im Jahr darauf meldete Peter Graf die Zwölfjährige als Profisportlerin an, nahm sie von der Realschule und ließ sie privat unterrichten. Heidi Graf beteuert zwar später, ihre Tochter habe nichts versäumt, aber eine »normale« Kindheit und Jugend kannte Steffi gewiss nicht. Da ging es ihr wie vielen »Wunderkindern«. Als bis dahin jüngste Tennisspielerin der Welt schaffte sie es 1984 bei den »Lawn Tennis Championships« in Wimbledon, dem ältesten und prestigeträchtigsten Tennisturnier der Welt, bis ins Achtelfinale. In der folgenden Saison erreichte Steffi Graf das Halbfinale der »US Open« in New York und rückte bis auf Platz 6 der Weltrangliste im Damentennis vor.

Parallel zu Steffi Graf entwickelte sich Boris Becker (* 1967) zu einem deutschen »Tenniswunder«, auch wenn er mit ihren Rekordergebnissen nicht mithalten konnte. Zufällig kamen beide aus einem Vorort von Heidelberg: Steffi Graf aus Brühl und Boris Becker aus Leimen. Die beiden jungen und populären Sportler bewirkten, dass die Medien in Deutschland erstmals ausführlich über Tennis berichteten und sich eine breite Öffentlichkeit für die bis dahin als elitär geltende Sportart begeisterte.

Bei den »German Open« im Mai 1986 und bei den »French Open« im Jahr darauf besiegte Steffi Graf Martina Navratilova (* 1956), die dreizehn Jahre ältere Nummer 1 auf der Weltrangliste. Obwohl sie der seit 1975 in den USA lebenden Tschechin im Wimbledon-Finale 1987 unterlag, behauptete sich Steffi Graf seit ihrem Sieg über die Amerikanerin Christine Marie (»Chris«) Evert (* 1954) am 17. August 1987 in Manhattan Beach bei Los Angeles auf Platz 1 der Weltrangliste. »Die Erfolge wurden immer normaler«, sagt Peter Graf später. »Siege wurden nur noch abgehakt. Das nächste Turnier wartete schon.«

1988 siegte die Neunzehnjährige nicht nur bei den Grand Slam Turnieren in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York (Flushing Meadows), sondern gewann auch noch die Goldmedaille bei den Olympischen Sommerspielen in Seoul. So eine Erfolgsserie – ein »Golden Slam« – war bis dahin noch keiner Tennisspielerin gelungen. Die »Women’s Sport Foundation« ernannte Steffi Graf zur Weltsportlerin des Jahres 1989.

1990 gewann Steffi Graf bei den »Australian Open« ihren neunten Grand-Slam-Titel, aber bei den »French Open« wurde sie von der sechzehnjährigen, seit 1988 in den USA lebenden Serbin Monica Seles (* 1973) besiegt; in Wimbledon scheiterte sie im Halbfinale und bei den »US Open« im Endspiel. Damit endete eine sensationelle Serie von 66 aufeinander folgenden Turniersiegen. Das hing vermutlich mit einer Pressekampagne gegen ihren Vater und Manager zusammen, die das Familienleben belastete und die einundzwanzigjährige Profisportlerin irritierte. Peter Graf soll 1988 in Marbella Nicole Meissner kennen gelernt und eine Affäre mit dem »Playmate« gehabt haben, dem Verbindungen ins Frankfurter Rotlicht-Milieu nachgesagt wurden. Es wurde spekuliert, ob er der Vater der 1990 geborenen Tara Tanita Meissner sein könne; außerdem war von 800 000 D-Mark Schweigegeld die Rede. (Ein entsprechender Test bewies später, dass Peter Graf nicht der Vater von Nicole Meissners Tochter ist.)

Die Pechsträhne hielt an: Nach Steffi Grafs Niederlage gegen die ein Jahr jüngere Argentinierin Gabriela Sabatini (* 1970) am 10. März 1991 beim WTA-Turnier in Boca Raton, Florida, fiel Steffi Graf auf Platz 2 der Weltrangliste hinter die aus Serbien stammende Monica Seles (* 1973) zurück. Mit 1310 Tagen in Folge auf Platz 1 hatte Steffi Graf allerdings einen Rekord aufgestellt.

Während des Seitenwechsels im Viertelfinale des Internationalen Tennisturniers am 30. April 1993 in Hamburg stach der arbeitslose Dreher Günter Parche Monica Seles von hinten in die rechte Schulter. Nur weil die Tennisspielerin sich in diesem Augenblick zufällig nach vorn beugte, drang das Messer nicht tiefer als 1,5 cm ein, aber der Anschlag traumatisierte Monica Seles, und es dauerte zwei Jahre, bis sie wieder antreten konnte. Dadurch rückte Steffi Graf wieder auf Platz 1 der Weltrangliste vor. Genau das hatte Günter Parche beabsichtigt. Er wurde zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.

Wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung leitete die Staatsanwaltschaft Mannheim am 28. April 1995 Ermittlungen gegen Peter und Steffi Graf ein. Am 23. Mai wurden sowohl das Haus der Familie Graf in Brühl als auch Steffi Grafs Apartment in Heidelberg durchsucht, und Peter Graf kam am 2. August 1995 in Untersuchungshaft.

Steffi Graf erfuhr von der Festnahme ihres Vaters bei einem Zwischenstopp auf dem Flughafen von Atlanta. »Vor mir tat sich der Boden auf, ein Gefühl – wie auf Treibsand«, erinnert sie sich später. Die Medien, die vier Tage nach ihrem sechstem Sieg in Wimbledon am 8. Juli erstmals über den gegen sie und ihren Vater vorliegenden Verdacht berichtet hatten, füllten das »Sommerloch« mit immer neuen »Enthüllungen«. »Der Spiegel« schätzte Steffi Grafs Einnahmen aus Werbeverträgen, Preis- und Antrittsgeldern seit 1983 auf über 177 Millionen D-Mark und hielt es für möglich, dass davon allenfalls 10 Millionen Steuern bezahlt worden waren. Einige Kommentatoren hoben auch hervor, dass Steffi Graf sich nicht wie andere Spitzensportler durch die Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland dem deutschen Fiskus ganz entzogen hatte. Sie gewann zwar noch die »US Open« am 9. September gegen Monica Seles, aber in allen weiteren Turnieren dieser Saison schied sie vorzeitig aus – was aufgrund der psychischen Belastung durch die Steueraffäre nicht überraschend war.

Peter Graf, der sich seit 5. September 1996 zusammen mit seinem früheren Steuerberater Joachim Eckardt vor der Großen Strafkammer des Landgerichts in Mannheim verantworten musste, kam am 15. November 1996 gegen Zahlung einer Kaution in Höhe von 5 Millionen D-Mark vorläufig frei. Mit Hilfe von Briefkastenfirmen in Holland, Liechtenstein und auf den Antillen sollen zwischen 1988 und 1993 42 Millionen D-Mark für Steffi Graf am Fiskus vorbeigeschleust worden sein. Nach 34 Prozesstagen verurteilte das Gericht Peter Graf am 24. Januar 1997 zu 45 Monaten Haft. Da Steffi Graf glaubhaft machen konnte, dass sie von den Manipulationen nichts gewusst hatte, stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen sie ein. Ihr Vater musste noch einmal ins Gefängnis, wurde aber im April 1998 vorzeitig aus der Justizvollzugsanstalt Ulm entlassen. Der wichtigste Mann im Leben seiner Tochter war er nun nicht mehr: Durch den Skandal war es ihr gelungen, sich endgültig von ihm abzunabeln. Auch seine Ehe war zerbrochen. »Steffis Erfolg hat meinen Mann kaputt gemacht«, sagte Heidi Graf. »Er war irgendwann nicht mehr der, den ich geheiratet habe.« Formell geschieden wurde das Paar im April 1999.

Am 31. März 1997 war Steffi Graf von der in der Slowakei geborenen, damals sechzehnjährigen Schweizerin Martina Hingis (* 1980) auf Platz 1 der Weltrangliste abgelöst worden. Ein Vierteljahr später hatte die Deutsche sich am Knie verletzt und deshalb ein Jahr lang aussetzen müssen. Aber am 5. Juni 1999 – neun Tage vor ihrem 30. Geburtstag – gewann Steffi Graf im Finale der »French Open« im Stade Roland Garros in Paris gegen Martina Hingis, die am Vorabend siegessicher von einem Generationenwechsel gesprochen hatte.

Zehn Tage nach einer weiteren Verletzung am 3. August 1999 in San Diego, Kalifornien, gab Steffi Graf auf einer Pressekonferenz in Heidelberg ihren Rücktritt vom Profisport bekannt. »Eine Göttin geht«, kommentierte »Le Figaro«. Bald darauf wählten deutschsprachige Sportjournalisten Steffi Graf und den früheren Box-Weltmeister Max Schmeling (1905 – 2005) in Wien zu »Sportlern des 20. Jahrhunderts«. In einer beispiellosen Karriere hatte Steffi Graf 107 Grand-Prix-Turniere gewonnen, darunter 22 Grand-Slam-Turniere und davon wiederum sieben in Wimbledon. Länger als alle anderen Tennisspielerinnen vor ihr – insgesamt 377 Wochen – war sie die Weltranglisten-Erste gewesen.

Im September 1999, wenige Wochen nach ihrem Rücktritt, gab Steffi Graf die Trennung von ihrem langjährigen Lebensgefährten, dem Rennfahrer Michael Bartels (* 1968) , bekannt und erwähnte erstmals öffentlich ihre Freundschaft mit dem ein Jahr jüngeren – seit April von der Schauspielerin Brooke Shields geschiedenen – amerikanischen Tennisspieler Andre Agassi (* 1970). Unbemerkt von der Öffentlichkeit heiratete das Paar am 22. Oktober 2001 in Las Vegas. Steffi Graf war zu diesem Zeitpunkt bereits hochschwanger und wurde vier Tage später von ihrem Sohn Jaden Gil entbunden. Nach zwei Jahren, am 3. Oktober 2003, bekam Jaden Gil eine Schwester mit dem Namen Jaz Elle.

1998 hatte Steffi Graf eine Stiftung für Kinder gegründet, die unter den Folgen von Krieg, Flucht oder Misshandlung leiden: »Children for Tomorrow«. Auf die Problematik war sie von einem Bekannten aufmerksam gemacht worden, der als Psychotherapeut in einer Hamburger Kinderklinik arbeitete. »Die Kinder wachsen mit Gewalt auf, und diese Gewalt wird für sie irgendwann völlig normal«, erläuterte Steffi Graf in einem Interview. »Wenn sie erwachsen sind, werden sie ebenfalls versuchen, ihre Probleme mit der Anwendung von Gewalt zu lösen. Dieser Teufelskreis muss unterbrochen werden.«

Literatur über bzw. von Steffi Graf

  • Klaus Brinkbäumer, Hans Leyendecker und Heiner Schimmöller: Reiche Steffi, armes Kind. Die Akte Graf (1996)
  • Stefanie Graf, Karlheinz Schmidt: Mein mentales Fitness-Programm. So kommen Sie in Topform (2000)
  • Steffi Graf und Karlheinz Schmidt: Wege zum Erfolg (2001)
  • Rolf Hauschild und Hansjörg Falz: Danke, Steffi. Die unvergesslichen Jahre der Königin des Centre Court (1999)
  • Sue Heady: Steffi. Allem zum Trotz (1996)
  • Hans Reski und Irmgard Stoffels Lübbe: Steffi Graf. Leben und Karriere eines deutschen Tenniswunders (1986)
  • Hans-Dieter Schütt: Steffi Graf Superstar. Porträt (1993)
  • Marita Weber: Steffi Graf. Aufschlag zum Erfolg – ein Traum hat sich erfüllt (1987)

© Dieter Wunderlich 2006

Alex Capus - Das Leben ist gut
Alex Capus lässt seinen Protagonisten ruhig, im Plauderton und episodenhaft von seinem unspektakulären Alltag erzählen. Die Handlung – wenn man überhaupt von einer solchen sprechen will – umfasst nur wenige Tage. "Das Leben ist gut" kommt ohne Dramatik und Effekthascherei aus. Trotz des Titels kritisiert Alex Capus Fehlentwicklungen der Gesellschaft.
Das Leben ist gut