Commedia dell'Arte


In der Mitte des 16. Jahrhunderts entstand in Norditalien eine neue Theatergattung – die „Commedia dell’Arte“ (commedia, italienisch: Lustspiel; arte, italienisch: Kunst, Gewerbe) –, deren Wurzeln auf die altrömische Posse (Atellane) und Karnevalsaufführungen in Venedig zurückgingen.

Die Stücke der Commedia dell’Arte wurden auf karg ausgestatteten Bühnen von Berufsschauspielern aufgeführt, die keinen Text lernten, sondern innerhalb der im so genannten Canovaccio vorgegebenen Szenenbeschreibung weitgehend improvisierten. Dabei benutzten sie ein persönliches Repertoire an Monologen (Tirade) und pantomimischen Bravourstücken (Lazzo). Bei der Commedia dell’Arte handelte es sich um glücklich endende Liebes- und Verwechslungskomödien. Es kam dabei nicht auf Originalität in der Erfindung neuer „Plots“ an, sondern auf Kreativität in der Variation stereotyper Handlungsmuster. Weil die Dialoge nicht schriftlich vorlagen, konnten die Komödianten Gesellschaftskritik üben und dabei die Position der unteren Schichten einnehmen, ohne gleich mit Zensurmaßnahmen rechnen zu müssen.

Bei der Commedia dell’Arte wurden die weiblichen Rollen erstmals in der Theatergeschichte nicht von Männern, sondern von Frauen gespielt. Alle Komödianten bis auf die Frauen und die Darsteller der Liebenden trugen Masken aus Leder oder Holz.

Das Figurenensemble der Commedia dell’Arte war fest vorgegeben, und das Publikum erkannte die einzelnen Charaktere unschwer an den standardisierten Kostümen bzw. Masken.

Das einfache Volk wurde durch die Dienerfiguren (Zanni) vertreten. Da gab es die kokette, lebenslustige Magd, Zofe oder Köchin, die entweder Columbina oder Smeraldina hieß, den bauernschlauen, opportunistischen Brighella und den Arlecchino oder Truffaldino,

einen Schelm, der kein Fettnäpfchen ausließ, aber sich immer wieder herausredete und dadurch für ein gehöriges Durcheinander sorgte. Die Oberschicht der Gesellschaft wurde durch zwei lächerliche „Alte“ (Vecchi) vertreten. Dabei stand der ebenso geizige wie wohlhabende Kaufmann Pantalone für die Macht des Geldes, der hohle Phrasen schwätzende Dottore – in der Regel ein Jurist – für die kulturelle Elite. Häufig trat auch noch ein prahlerischer, aber in Wirklichkeit feiger Offizier auf, der Capitano Spavento. Zwischen diesen Figuren bewegten sich die jungen Liebenden (Amorosi), die sich nach etlichen Komplikationen am Ende kriegten.

Erste Aufführungen der Commedia dell’Arte 1572 in Paris machten diese Theatergattung auch außerhalb von Italien bekannt. Wanderkomödianten verbreiteten sie in ganz Europa. Dabei verkam die Commedia dell’Arte jedoch nicht selten zum Klamauk, bis in Deutschland Friederike Caroline Neuber („die Neuberin“, 1697 – 1760) den „Hanswurst“ von der Bühne verbannte.

Das italienische Theater wurde von Carlo Goldoni (1707 – 1793) reformiert. Goldoni hob die Bedeutung der Dialoge hervor und stärkte damit die Rolle des Autors gegenüber dem Theaterleiter. Außerdem schaffte er die Masken ab und gab die Typen der Commedia dell’Arte zugunsten individueller Figuren auf.

Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte der italienische Schauspieler und Regisseur Giorgio Strehler, am Piccolo Teatro in Mailand die erneute Erstarrung in der Theatertradition durch eine Wiederaufnahme der Komödie „Der Diener zweier Herren“ von Carlo Goldoni und den Rückgriff auf Elemente der Commedia dell’Arte zu überwinden.

© Dieter Wunderlich 2005

Carlo Goldoni (Kurzbiografie)
Carlo Goldoni: Der Diener zweier Herren

Ben Roeg - Verwandtschaften
In drei polyphonen "Real-Fiktionen" prangert Ben Roeg in­humane Auswirkungen von Ideo­lo­gien, Gesetzen und Institu­tio­nen an. Die Texte bewegen sich zwischen Sachbuch und Belle­tristik, denn fiktive Figuren konkretisieren historische Fakten.
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