Der Kristallpalast in London
Britische Bankiers und Industrielle, die in der „Society of Arts“ organisiert waren, kamen im Herbst 1849 auf die Idee, in London eine Weltausstellung zu veranstalten, auf der sich die Besucher von der Überlegenheit britischer Erzeugnisse überzeugen konnten. Davon versprachen die Herren sich zusätzliche Geschäfte.
Für die im Hyde Park zu errichtende Ausstellungshalle schrieben die Veranstalter einen internationalen Architekten-Wettbewerb aus. 233 Entwürfe wurden abgeliefert, aber keiner konnte die Juroren überzeugen.
Deshalb erarbeitete ein eigens zusammengestelltes Komitee einen neuen Entwurf für eine Ausstellungshalle in herkömmlicher Massivbauweise, der jedoch gegen einige der Wettbewerbsbedingungen verstieß: So überschritten die geschätzten Baukosten den vorgegebenen Rahmen. Außerdem würde sich das Bauwerk weder fristgemäß errichten noch am Ende demontieren und anderswo wieder zusammensetzen lassen, wie es in der Ausschreibung verlangt worden war. In dieser Situation forderte das Baukomitee den Gartenarchitekten Joseph Paxton (1803 – 1865) auf, einen Vorschlag einzureichen, obwohl die Frist für den Wettbewerb bereits abgelaufen war. Von Joseph Paxton wusste man, dass er große Gewächshäuser gebaut hatte.
Tatsächlich entwarf Joseph Paxton eine riesige Halle aus einem Gusseisen-Skelett und Glasscheiben. Damit einige alte Ulmen im Hyde Park nicht gefällt werden mussten, erhielt der „Kristallpalast“ („Crystal Palace“) einen Transept, unter dem die Bäume weiterleben konnten. Der Plan wurde im Juli 1850 angenommen. Im August begannen die Bauarbeiten. Innerhalb von siebzehn Wochen errichteten mehr als 2000 Arbeiter auf einer Grundfläche von 615 mal 150 Metern aus 3500 Tonnen Gusseisen und 400 000 Glasplatten die Ausstellungshalle. Die kurze Bauzeit war nur mit genormten, vorgefertigten Einzelteilen möglich, die an der Baustelle nur noch zusammengesetzt werden mussten.
Am 1. Mai 1851 wurde die Weltausstellung im Kristallpalast eröffnet. 14 000 Aussteller aus 25 Ländern beteiligten sich daran. Bis zum 11. Oktober, dem letzten Ausstellungstag, wurden 6 Millionen Besucherinnen und Besucher gezählt. Obwohl es anfangs nach einem finanziellen Desaster ausgesehen hatte, brachte die Weltausstellung einen Gewinn ein.
Im Jahr darauf wurde der Kristallpalast abgebaut, in dem Londoner Vorort Sydenham neu zusammengesetzt und 1854 als Museum und Veranstaltungsraum wieder eröffnet.
Nach dem Vorbild des Londoner Kristallpalastes entwarf August von Voit im Alten Botanischen Garten in München für die am 15. Juli 1854 eröffnete Industrie- und Gewerbeausstellung einen 234 Meter langen, 67 Meter breiten und 25 Meter hohen „Glaspalast“.
Beide Hallen wurden durch Feuer zerstört: Der Glaspalast in München am 6. Juli 1931, der Kristallpalast in London am 30. November 1936.